Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Isländische Liebeslieder



Das Lied von Asbjörn

Klein Christel bittet ihr Mütterlein:
"Ein Kleid laß mich schneiden für Asbjörn allein!"
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Huldige Antwort ihr Mütterlein giebt:
"Schneide nur, wie's dir selber beliebt!"
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Legt' sie das Kleid auf den Estrich fein,
Rosen und Lilien schnitt sie hinein.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Schnitte sie in den Achselsaum
Schönes Schifflein und Wogenschaum.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Schnitte sie in den Aermel behend
Das schönste Thier, das im Walde rennt.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Schnitt sie in seine Seite danach
Die holdeste Maid, so man schauen mag.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Schnitt sie so herrlich in seine Brust,
Wie küßte der Ritter die Jungfrau mit Lust.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Christel spricht zum Bruder das Wort:
"Bringe du Asbjörn sein Kleid allfort!"
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

"Wie soll ich zum Boten taugen?
Nie sah ich Herr Asbjörn mit Augen."
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

"So du kommen zum Waffenthing,
Asbjörn sitzt dort mitten im Ring.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Asbjörn sitzt dort mitten im Ring,
Schlägt die Harf' und trägt goldenen Ring." -
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

"Nimm hier, Asbjörn, dein Kleid so fein:
Christel näht' es, mein Schwesterlein!"
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Viele kamen das Kleid zu beschau'n:
Rothes Gold lag in jeglichem Saum.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

"Segne der Himmel die Finger klein,
Die Rosen und Lilien hier schnitten hinein.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Antwort sag' du dem Jungfräulein:
Kommen soll sie zur Hochzeit mein!
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Will sie kommen zur Hochzeit mein,
Selber soll sie das Bräutlein sein!"
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.

Er sandt' ihr entgegen die Gaben hold,
Güldenen Kamm und Mannen in Gold.
Sie trägt nach dem Edling Verlangen.


aus: Norwegische, Isländische, Färöische
Volkslieder der Vorzeit
In den Versmaßen der Originale übertragen
von Rosa Warrens [1821-1878]
Nebst Anhang: Niederländische und Deutsche Volkslieder
Hamburg Hoffmann und Campe 1866 (S. 140-143)
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Das Lied vom gewendeten Kummer

Liebt' ich einen Mann überaus -
Da ward es kund -
Daheim in meines Vaters Haus.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Und Niemand wußt' es, groß oder klein,
Da ward es kund -
Als nur mein jüngstes Schwesterlein.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Schwester sagt' es der Mutter frei,
Da ward es kund -
So wußten wir's jetzo alle drei.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Der Mutter entfiel ein Wörtlein gemach,
Da ward es kund -
So kam es vor meinen Bruder hernach.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Kam mir vom Bruder Botschaft herein,
Da ward es kund -
Eingehn sollt' ich zur Halle sein.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Zögernd trat ich ein zur Thür:
Da ward es kund -
"Heil dir, Bruder! was willst du von mir?"
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

"Und ist es wahr, was mir angesagt,
Da ward es kund -
Daß dir vor Allen der Ritter behagt?"
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Mein Bruder war mir unhold so sehr,
Da ward es kund -
In fremdes Land verkaufte mich er.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Verkaufte mich fern in ein fremdes Land,
Da ward es kund -
In eines reichen Grafen Hand.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Da kam ein Sterben in das Land,
Da ward es kund -
Da starben Alle, die mir bekannt.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Da starben Vater und Mutter,
Da ward es kund -
Meine Schwester und mein Bruder.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Da starben alle Sippen mein,
Da ward es kund -
Ich mocht' allein übrig sein.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

So freit' mich derselbige Rittersmann,
Da ward es kund -
So ward ich Fraue in jenem Land.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Der ehmals einen Trunk mir gab,
Da ward es kund -
Dem mehrt' ich später Hof und Hab'.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.

Der ehmals mir einen Bissen bot,
Da ward es kund -
Dem half ich später aus aller Noth.
Nun ist gewendet mein Kummer
im heimlichen Herzensgrund.


aus: Norwegische, Isländische, Färöische
Volkslieder der Vorzeit
In den Versmaßen der Originale übertragen
von Rosa Warrens [1821-1878]
Nebst Anhang: Niederländische und Deutsche Volkslieder
Hamburg Hoffmann und Campe 1866 (S. 144-148)
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Das Lied von Martin

Das war der junge Martin,
Er spricht zu den Dienern sein:
"Wie soll ich aus dem Kloster
Locken Lucia mein?"
Die Sieg in der Burg gewannen.

"Leg' dich auf die Bahre,
Leg' dich nieder wie todt!
Laß es Niemand gewahren,
Daß du frisch und roth!"
Die Sieg in der Burg gewannen.

Am fünften Tag und Fastentag
Er krank und kränker war,
Am Samstag wol zur None
Ging er lebend zur Bahr'.
Die Sieg in der Burg gewannen.

Kund war's im Dänenreiche
Auf allen Burgen umher,
Daß er, der junge Herr Martin
Nicht mehr am Leben wär'.
Die Sieg in der Burg gewannen.

Heraus da gingen die Klosterjungfrau'n
Zusammen in einem Zug,
Als man Herr Martin's Leiche
Von seinem Hofe trug.
Die Sieg in der Burg gewannen.

Aus war die Messe,
Die Frauen gingen heim,
Nur die Fraue Lucia,
Sie bleibt zurück allein.
Die Sieg in der Burg gewannen.

Sang sie ihm der Psalmen
Drei und mehr danach:
Lebendig ward Martin's Leiche
Auf der Bahr', wo sie lag.
Die Sieg in der Burg gewannen.

"Höre du's, Frau Lucia,
Fürchte dich nicht vor mir!
Mein Renner stehet im Hofe drauß,
Sehnt er sich nach dir!
Die Sieg in der Burg gewannen.

Höre du's, Frau Lucia,
Laß fahren die Sorgen zumal!
Mein Renner stehet im Hofe drauß,
Und hundert Mannen in Stahl!"
Die Sieg in der Burg gewannen.

Laut erschallte der Harfenton
Südlich vom Eiland, so laut,
Als er, der junge Herr Martin,
Führte heim die Braut.
Die Sieg in der Burg gewannen.

Gingen heraus die Klosterjungfrau'n,
Jegliche sprach für sich:
"Wollte Gott Vater im Himmelreich,
Engel entführten auch mich!"
Die Sieg in der Burg gewannen.

aus: Norwegische, Isländische, Färöische
Volkslieder der Vorzeit
In den Versmaßen der Originale übertragen
von Rosa Warrens [1821-1878]
Nebst Anhang: Niederländische und Deutsche Volkslieder
Hamburg Hoffmann und Campe 1866 (S. 149-152)
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Das Lied von Blöfa

Fragt der König sein Töchterlein:
Ich sah einen jungen Rittersmann -
"Willst du nicht heuer vermählet sein?"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Zeugen mir's Knappen und Diener hie,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Solches kam mir in Sinn noch nie!"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Wem denn gehörte der liebliche Mund,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Den du küßtest im Waldesgrund?"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Keiner war es der Ritter dein:
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Küßt' ich eins meiner Mägdelein."
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Wie nur tragen die Mägdelein dein -
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Die Klinge zur Seiten güldenen Schein?"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Das war keine güldene Klinge:
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Nur der Jungfraue Schlüsselringe."
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Wie nur tragen die Mägdelein dein -
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Kurzes Haar, wie die Ritter mein?"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Kurze Locken waren es nicht:
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Lagen im Kranz die Zöpflein dicht."
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Wie nur tragen die Mägdelein dein -
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Scharfe Sporen am Füßchen klein?"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Scharfe Sporen waren es kaum:
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Vielmehr Schuhe mit güldenem Saum."
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Wie nur tragen die Mägdelein dein -
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Kurzes Gewand, wie die Ritter mein?"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Fällt der Thau auf Flur und Haid,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Schürzt die Gewänder hurtig die Maid."
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Wem gehörte das Graurösselein,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
So da stand vor der Pforte dein?"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Nimmer war es ein Graurösselein:
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Nein, vom Berge die Hindin klein."
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Wem gehört diese schöne Hand,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Hangend an meinem Sattelband?
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

Wem gehört dieser schöne Fuß,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Der hier am Gurte hangen muß?
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

Wem gehört dieses Haupt in Blut,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Hangend an meinem Sattel gut?"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

"Wohl, gar wohl erkenn' ich den Mann,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Den vor allen ich liebgewann.
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

Ich kenn' ihn recht, ich kenn' ihn gut,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Der oft in meinen Armen ruht'.
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

Nun wollt' ich wünschen, Vater mein,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Das Feuer fräße die Halle dein!
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

Du müssest drinnen stehen,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Mich selber außen sehen!
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

Du müssest drinnen brennen,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Und keine Hilf' erkennen!"
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

Als sie das Wort gesprochen kaum,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Aufloht' die Gluth in Hofes Raum.
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

Der König brannt' in Flammen roth,
Ich sah einen jungen Rittersmann -
Die Königin lag vor Jammer todt.
In grünen Hainen,
Ganz heimlich, heimlich kos' ich ihn, den Meinen.

aus: Norwegische, Isländische, Färöische
Volkslieder der Vorzeit
In den Versmaßen der Originale übertragen
von Rosa Warrens [1821-1878]
Nebst Anhang: Niederländische und Deutsche Volkslieder
Hamburg Hoffmann und Campe 1866 (S. 166-172)
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Gunnbjarn

1.
Jung Gunnbjarn ist's vom Upland,
Vor Sehnsucht will er vergehn,
Da segelt er nach Grikland,
Sie, die er minnet, zu sehn.
Von rothem Gold sind die Saiten gesponnen.

2.
Er nimmt wohl einen Schleier
Und nestelt ihn in's Haar,
Doch nicht als Zier - zu bergen
Sein blau blau Augenpaar.

3.
Anlegt er Frauengewande
Aus Sammet und Seiden und Flor,
Und so sitzt er am Schlosse,
Da der König reitet durchs Thor.

4.
An ihm vorüberreitet
der König und beginnt:
"Aus welchem Lande bist du,
Mein allerschönstes Kind?"

5.
- "Vom Upland, doch dem Süden
Entstammt die Mutter mein;
Verwandt bin ich mit Snjafried,
Mit deinem Töchterlein."

6.
- "Bist du verwandt mit Snjafried,
In ihr Gemach dann eile,
Da magst du mit ihr plaudern
Und scherzen eine Weile."

7.
Jung Gunnbjarn war nicht säumig
Zu thun, was man ihn hieß;
Er schritt behend zum Saale
Und keine Zeit sich ließ.

8.
Snjafried hub an zu reden,
Als sie gewahrte fein:
"Wer hat Verlaub dir gegeben
Zu treten hier herein?"

9.
- "Snjafried, das that dein Vater,
So wagt' ich es allein;
Ich sollte dir zu Diensten,
Ich sollte Magd dir sein."

10.
- "Genug hab ich des Goldes,
Genug an Schmuck und Zier
Und auch genug der Mägde,
Die treulich dienen mir.

11.
Doch setze dich auf's Kissen,
Du Feine, setze dich dreist;
Gern hör' ich neue Kunde
Und aus dem Upland zumeist."

12.
- "Wohl manch Gerücht vernahm ich,
Als ich durchzog das Land;
Sprich, was du begehrst zu wissen,
Sprich, was dir nicht scheint Tand."

13.
- "Eins wünsche ich zu hören,
Und nichts so sehr wie dies:
Was schafft, was thut jung Gunnbjarn,
Den Jedermann mir pries?"

14.
- "Er läßt sich Schiffe bauen,
Er rüstet sich mit Macht,
Will gegen Svein, den König
Von Grikland, in die Schlacht.

15.
Und daß mit Macht er rüstet,
Und daß er Schiffe baut,
Das kommt, er will sich holen
Allda die schönste Braut."

16.
- "Dann gebe Gott jung Gunnbjarn
Den Sieg in seine Hand,
Daß er sich unterwerfe
Das ganze weite Land!

17.
Dann gebe Gott jung Gunnbjarn
Zur Meerfahrt guten Wind,
Mag glücklich er erforschen
Die Maid, um die er minnt.

18.
Dann gebe Gott jung Gunnbjarn
Den Sieg und alles Glück,
Und daß er als sein eigen
Mich selber führe zurück!"

19.
- "Wir können offen reden,
Wir sind allein. Habt Muth!
Liebt ihr denn recht von Herzen
Gunnbjarn, das junge Blut?"

20.
- "Nicht red' ich unbedachtsam,
Nicht fahr' ich mit Lug und Tand:
Ging's nur nach meinem Willen,
Ich gäb' ihm meine Hand."

21.
Da riß er vom Haupt den Schleier,
Gar schnell war es geschehn:
"So magst du Herrliche, Hohe,
Hier Gunnbjarn vor dir sehn!"

22.
Auf Snajafrieds Wangen malte
Sich flüchtiges Farbenspiel,
Fast schien es ihr, sie habe
Zu viel gesagt, zu viel.

23.
"Nicht brauchst du zu erbleichen,
Snjafriede, Geliebte mein,
Ich werde dir ewig dankbar
Für jene Worte sein."

24.
Dann redete er weiter
So herzlich und so treu:
"Verkünde mir, meine Snjafried,
Mein Schicksal sonder Scheu!

25.
Ich gebiete stolzen Helden,
Eine Flotte nenn' ich mein
Und Panzer, Schilde, Schwerter,
Und Alles, Alles ist Dein!

26.
Und wären nur meine Degen,
Die kühnen Genossen, hier,
Ich kämpfte mit Svein, dem König,
Dich zu gewinnen mir!"

27.
- "Du thätest mir's zu Leide,
Begännest du blutigen Streit,
Eh' gäb' ich aus der Heimath
Dir barfuß das Geleit."

28.
Sie hüllte sich in Gewande,
Die besten, die sie fand,
Dann eilten die Beiden von hinnen,
Sie gingen Hand in Hand.

29.
Jung Gunnbjarn und Snjafriede,
Sie zogen also fort;
Glück blüht' auf ihren Pfaden
Und Kummer an keinem Ort.
Von rothem Gold sind die Saiten gesponnen.


aus: Alt-isländische Volksballaden
und Heldenlieder der Färinger
Zum ersten Mal übersetzt von P. J. Willatzen
[Peter Johann Willatzen 1824-1899]
Bremen Verlag von A. D. Geisler 1865 (S. 91-96)
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Das Tristramslied

1.
Tristram hatt' einen harten Strauß
Mit einem heidnischen Hunde;
Gar manchen Recken trug man heraus
Mit blutiger, klaffender Wunde.
- Sie waren nicht leicht zu trennen.

2.
Auch ihn trug man auf seinem Schild,
Den jungen wackern Degen,
Da zeigten Viele sich gewillt
Zu heilen ihn und pflegen.

3.
Nicht Balsam will er, nicht Verband,
Er spricht mit bleichem Munde:
"Allein der lichten Isodd Hand
Mag heilen meine Wunde."

4.
Und Boten sollen über's Meer
Und über die braune Haide:
"Der lichten Isodd sagt, wie sehr,
Wie namenlos ich leide."

5.
Zu den Getreuen spricht er dann,
Indem sie fürder eilen:
"Der lichten Isodd saget an,
Sie komme, mich zu heilen.

6.
Und kehrt sie mit zurück, dann spannt
Nur blaue Segel, ihr Mannen;
Doch wenn mein Flehn Gehör nicht fand,
Mögt schwarze ihr aufspannen."

7.
Sie ziehen sonder Rast und Ruh
Zur Isodd mit der Kunde:
"Eil', Herrin, Tristram fleht, daß du
Ihm heilest seine Wunde."

8.
Zum König schreitet sie in den Saal
Und flehet unverweilet:
"Laß mich zu Tristram, mein Gemahl,
Daß meine Hand ihn heilet."

9.
Da nahm der König streng das Wort
Und ohne die Stirn zu glätten:
"Und ruft der Tod den Tristram fort,
Vermagst du ihn zu retten?"

10.
Die lichte Isodd war's, sie hat
Gefleht im tiefsten Harme
Und schlang dem König, wie sie ihn bat,
Um den Hals die weichen Arme.

11.
"Nun wohl, ich ließe dich ziehen gern,
Nach des jungen Verwandten Begehren,
Wüßt' ich nur, daß du aus der Fern'
Ohn' alle Gefahr magst kehren."

12.
- "Ob ich der Wiederkehr mich freu',
Nur Gott kann das ermessen;
Doch gegen meinen Herrn die Treu'
Will nimmer ich vergessen."

13.
Da warf sie um das Mardelkleid
Und rief herbei die Mannen;
Die hohe Frau, in Sorg und Leid
Zog sie darauf von dannen.

14.
"Nun rüstet euch und denkt allein
Des Wort's im treuen Sinn:
Blau sollen, blau die Segel sein
Des Schiff's, auf dem ich bin."

15.
Da setzte man die Segel bei,
Wie es die Frau gebot,
Daß sie dem Tristram Hülfe sei
In seiner bittern Noth.

16.
Das Schiff durchschnitt die wallende Fluth
Der Tage sechs oder sieben,
Der Himmel war klar, der Wind war gut
Und hat sie fürder getrieben.

17.
Die finstre Isodd saß am Strand
Und thät das Schifflein schauen,
Da hat sie sich zur Burg gewandt,
Die stolzeste der Frauen.

18.
Die finstre Isodd nahm das Wort,
Die stolzeste der Frauen:
"Ein Schiff legt bei mit Segeln dort,
Mit schwarzen, nicht mit blauen."

19.
Und Tristram kehrte zur Wand sich um
In namenlosem Schmerz,
Und seine Lippe ward bleich und stumm,
Und stille stand sein Herz.

20.
Dort unten aber am Meeresstrand,
Wo die Wogen schäumen und schlagen,
Da lag das Schiff, schon ward an's Land
Die lichte Isodd getragen.

21.
Der Pfad war mühsam und war lang
Und die Gasse war so enge:
Da tönte heller Glockenklang,
Da hallten ernste Gesänge.

22.
Und Isodd eilte zur Kirche schnell
Mit ihren hundert Mannen,
Wo schon die Priester an heiliger Stell'
Ihre Prozession begannen.

23.
Und über der theuren Leiche bricht
Erbleichend sie zusammen -
Die Priester stehn, in Händen das Licht,
Unruhig flackern die Flammen.

24.
Da war zu Ende alles Leid,
Zu Ende jede Noth:
Sie lag, von Gram und Sorge befreit,
An seiner Seite todt.

25.
Nur die finstre Isodd nicht begann
Zu jammern und zu klagen,
Als nun die Leichen zweie man
Mußt' aus der Kirche tragen.

26.
Die finstre Isodd aber gebot
Und schwur mit wilden Eiden:
"Vereinen soll sie selbst nicht der Tod,
Auch jetzt will ich sie scheiden!"

27.
Und sprach und winkte mit der Hand:
"Ihr soll ein Grab man graben
An dieser Kirchenmauerwand,
Er soll's an jener haben."

28.
Zwei Linden aber wuchsen gemach
Aus ihrem Grab und dem seinen
Und thäten über dem Kirchendach
Die grünen Wipfel vereinen.
- Sie waren nicht leicht zu trennen.

aus: Alt-isländische Volksballaden
und Heldenlieder der Färinger
Zum ersten Mal übersetzt von P. J. Willatzen
[Peter Johann Willatzen 1824-1899]
Bremen Verlag von A. D. Geisler 1865 (S. 108-113)
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