Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Niederländische (Holländische) Liebeslieder




Na Oosterland wil ik varen

"Nach Osterland will ich fahren,
Da wohnt mein süßes Lieb;
Ueber Berg' und über Thale,
Schier über die Haide,
Da wohnt mein süßes Lieb.

Vor meines Liebchens Thüre,
Da stehn zwei Bäumchen fein;
Der Eine trägt Nüss' von Muscaten
Schier über die Haide,
Der Andre trägt Nägelchen fein.

Die Nüsse sind so runde,
Gewürznägelchen riechen so gut.
Ich meint', mich freite ein Reiter,
Schier über die Haide,
Nun ist es ein armes Blut."

Er faßt' sie bei den Händen,
Bei ihrer schneeweißen Hand;
Schier über die Haide,
Wo sie ein Bettchen fand.

Da lagen die Zwei verborgen,
Die liebe lange Nacht,
Vom Abend bis zum Morgen,
Schier über die Haide,
Bis schien der helle Tag.

"Die Sonn' ist untergegangen,
Die Sterne blinken so klar;
Ich weiß, daß ich mit dem Liebchen,
Schier über die Haide,
In einem Baumgarten war.

Der Garten ist geschlossen
Und es kann Niemand hinein,
Als nur die Nachtigallen,
Schier über die Haide,
Die fliegen von oben hinein.

Man soll der Nachtigall binden
Den Kopf an die Füße nun,
Damit sie nicht kann erzählen,
Schier über die Haide,
Was zwei süße Liebende thun."

""Und habt Ihr mich auch gebunden
Mein Herz ist nicht minder gesund;
So kann ich doch noch schwatzen,
Schier über die Haide,
Von zwei süßen Liebchen, todtwund.""


aus: Proben altholländischer Volkslieder
mit einem Anhange altschwedischer, englischer, schottischer,
italienischer, madecassischer, brasilianischer
und altdeutscher Volkslieder
Gesammelt und übersetzt von
Oskar Ludwig Bernard Wolff [1799-1851]
Greiz 1832 Druck und Verlag von C. H. Hennig (S. 25-27)
_____



Bewährte Treu

Es sollt' eine Jungfrau früh aufstehn,
Und ihren Liebsten suchen gehn;
Sie sucht' ihn unter der Linden,
Und konnt' ihren Liebsten nicht finden.

Mit einem Mal kam ein Herr daher.
"Was thut Ihr hier allein?" fragt er,
"Zählt Ihr die grünen Bäume,
Oder die gelben goldnen Rosen?"

""Ich zähle die grünen Bäume nicht
Und pflück' auch alle goldnen Rosen nicht.
Ich hab' meinen Liebsten verloren,
Keine Nachricht kommt mir zu Ohren.""

"Ihr habt Euren Liebsten verloren?
Keine Nachricht kommt Euch zu Ohren?
Er ist auf Zeelands Auen,
Und verkehrt mit andern schönen Frauen."

""Ist er auf Zeelands Auen,
Verkehrt mit andern schönen Frauen,
So möge der Himmel sein Führer seyn
Mit allen den hübschen Jungfräulein.""

Was zog er aus seinem Aermel hold?
Eine Kette von rothem Gold.
"Die will ich Euch, schönes Kind, schenken,
Wollt nicht an den Liebsten mehr denken."

""Und wäre die Kette noch einmal so lang,
Und hinge vom Himmel zur Erde entlang,
Viel lieber mag sie mir fehlen,
Als daß ich einen Andern thät wählen.""

Das aber rührte dem Herrn sein Blut.
Er sprach: "Schönes Kind, seht Euch vor, was Ihr thut,
Ihr seyd meine rechte Frauen,
Mit keiner Andern laß ich mich trauen."


aus: Proben altholländischer Volkslieder
mit einem Anhange altschwedischer, englischer, schottischer,
italienischer, madecassischer, brasilianischer
und altdeutscher Volkslieder
Gesammelt und übersetzt von
Oskar Ludwig Bernard Wolff [1799-1851]
Greiz 1832 Druck und Verlag von C. H. Hennig (S. 28-30)
_____



Des Sultans Töchterlein

Hört zu, die ihr voll Liebe seyd,
Es gelüstet mich zu singen,
Ein Lied voll Lieb' und Freundlichkeit,
Von großen und schönen Dingen.

Eines Sultans Tochter, hoch an Rang,
Erzogen in dunkeln Landen,
Ging Morgens, als der Tag anbrach,
Durch Gärten und Varanden.
[Varanda - Laube]

Sie sah die vielen Blümlein stehn,
Mit vielen Kräften prangen;
Ein Brunnen von Gedanken wohl
In ihr ist aufgegangen.

"Wer mag der Blumen Meister seyn,
Wer mag so schön sie bauen,
Die kleinen Blätter zart und fein?
O könnt' ich ihn erschauen.

Wie lieb hab' ich ihn im Gemüth,
O wüßt' ich ihn zu finden,
So ließ ich Vaters Reich und Gut
Und ging mit dem Geminnten."

Um Mitternacht stand Jesus dar;
""Nun öffne ohne Weilen!""
Sie ward's in ihrem Bett gewahr,
Thät ihm entgegen eilen

Und hastig zu dem Fenster gehn;
Sie sah vor ihren Blicken
Den allerliebsten Jesus stehn,
Voll Schönheit und Entzücken.

Sie blickt' ihn freundlich an und hehr
Und neigte sich zur Erde;
Sie sprach zu ihm: "Wo kommst Du her,
O Jüngling, hoch von Werthe?

O Jüngling, so an Schönheit reich,
Weß Herz sollt' nicht entbrennen?
Konnt' ich doch Keinen der Dir gleich
In Vaters Landen kennen."

""Ja, keusche Magd nach meinem Sinn,
Deine Liebe ist Dir zum Ruhme;
Nun sollst Du wissen, wer ich bin,
Der Meister von der Blume.""

"Bist Du's, mein allerschönster Herr,
Mein Liebster, den ich wähle,
Wie strebt nach Dir mein Herz so sehr,
Wie sucht' Dich meine Seele!

Nicht hält mich Reich, noch Vaterland,
Mit Dir will ich es wagen,
Geleite mich an Deiner Hand,
Wohin Dir's will behagen."

""Willst Du mit mir auf Reisen gehn,
Mußt Alles Du aufgeben,
Deinen Vater und Dein Schloß so schön,
Und auch Dein vornehm Leben.""

"Deine Schönheit ist mir das wohl werth,
Mein Liebster auserkohren;
Ist Keiner doch auf weiter Erd'
So schön wie Du geboren.

Hin führe mich, wo Dir's gefällt,
O du, nicht zu beschreiben,
Ich hab' mein Herz auf Dich gestellt,
Dein eigen will ich bleiben."

Er nahm die Jungfrau bei der Hand,
Sie ging an seiner Seite
Aus ihrem Heiden-Vaterland
Getrost mit ihm ins Weite.

Sie sprachen manches gute Wort
Wohl unterwegs zusammen,
Und sie fuhr drauf zu fragen fort:
"O sag', wie ist Dein Namen?"

""Mein Namen, Kind, ist wunderschön,
Von ihm kann's Herz genesen;
Auf meines Vaters hohem Thron
Da ist er wohl zu lesen.

Deine Lieb' sey nur zu mir gewandt,
Dien' mir mit Herz und Sinnen,
Mein Nam' ist Jesus, wohl bekannt
Bei Allen, die mich minnen.""

Sie sah ihn drauf so freundlich an
Und thät gar tief sich neigen;
Sie bot ihm ihre Treue an,
Ihm Ehrfurcht zu bezeigen.

"Wer mag des Liebsten Vater seyn?
Verzeih' mir meine Fragen,
O sag es, schöner Bräutigam,
Wenn es Dir thut behagen."

""Mein Vater ist ein reicher Mann,
Sein Reich geht also ferne,
Himmel und Erd' er beugen kann
Und Sonne, Mond und Sterne.

Zehnthundertausend Englein schön
Sich stets verbeugend zeigen
Vor meines Vaters hohem Thron
Und ihre Blicke neigen.""

"So groß ist Deines Vaters Macht,
Er aller Frommen Hüter?
Du, dem ich Liebe dargebracht,
Wer ist denn Deine Mutter?"

""Nicht giebt es auf der Erde rings
Eine Maid so rein von Trieben,
Denn sie gebar mich wundersam
Und ist doch Maid geblieben.""

"Ist Deine Mutter eine Maid,
Die Schönste aller Frommen,
So sprich, die Frage mir verzeih,
Wo bist Du hergekommen?"

""Ich komm' aus meines Vaters Reich,
Erfüllt mit ew'ger Jugend,
Und keines giebt es, das ihm gleich
An Schönheit und an Tugend.

Wo tausend Jahre sind ein Tag
Und tausend Mal vermehret
(So wie die Welt das heißen mag),
Voll Freud' und Lust bescheeret.""

"O mich verlanget's, laß mich sehn,
Mein allerschönster König,
Laß eilig uns zusammengehn,
Zu Deines Vaters Wohnung."

""Dien' lauter, Jungfrau, mir und rein,
Dann will ich mein Reich dir geben,
Dann sollst Du ewig bei mir seyn,
In großer Freude leben.""

Sie gingen also rein und keusch
Durch Gärten über Weiden
Und kamen an ein geistlich Haus,
Da wollte Jesus scheiden.

"O vielgeliebter Jüngling mein,
Willst Du mich nun verlassen,
So muß ich stets in Trauer seyn,
Kann meinen Schmerz nicht fassen."

Er sagte seine Meinung ihr
Mit Freundschaft und mit Minnen:
""O theure Braut, erwart' mich hier,
Bis ich gewesen drinnen.""

Er ging nun in das Haus hinein,
Sie wartet' sein in Frieden,
Und weinte endlich voller Pein,
Weil er von ihr geschieden.

Als nun des Tages Abend kam,
Da quält' sie ihr Verlangen,
Daß sie den Liebsten nicht vernahm
Und er nicht kam gegangen.

Da trat sie noch ein Wenig vor,
Getrieben von dem Minnen,
Und klopft' und rief: "Thut auf das Thor!
Mein Liebster ist hier drinnen."

Die Pforte ward ihr aufgethan,
Der Pförtner kam gegangen,
Er sah die Jungfrau lobesan
In Lieb' und Tugend prangen.

Er sprach: ""Was willst Du, junge Magd?
Wo kommst Du her alleine?
Was ist's für Trauer, die Dich plagt,
Und warm thust Du weinen?""

"O! er, den ich geliebt allein,
Er ist von mir gegangen,
Durch Eure Pforte trat er ein
Und weilet viel zu lange.

O sagt ihm, daß er kommen soll
Und nehmen mich von hinnen,
Eh' mir das Herz von Trauer voll;
Ihn will allein ich minnen."

""O Magd, der Dich verlassen hat,
Er ist nicht hergekommen,
Hier ist es nicht, daß ein er trat,
Ich hab' ihn nicht vernommen.""

"O Vater, was verläugnet Ihr
Ihn, den ich einzig minne?
Sein letztes Wort war: Harre hier,
Bis ich gewesen drinne."

""So sage, wie Dein Liebster heißt,
Damit ich ihn kann finden.""
"O seinen Namen weiß ich nicht,
Er thät mir ganz entschwinden.

Mein Liebster ist ein Königssohn,
Sein Reich ist weit und ferner;
Sein Kleid ist himmelblau und schön,
Bestreut mit goldnen Sternen.

Sein Angesicht ist Milch und Blut,
Von Gold sind seine Haare.
So wunderhold sein Wesen ist,
Thät Keinen so gewahren.

Er kam, zu führen mich mit sich,
Aus seines Vaters Reichen;
Nun hat er, ach! verlassen mich,
Sah nirgends seines Gleichen.

Sein Vater einen Scepter trägt
Des Himmels und der Erde,
Seine Mutter ist eine Jungfrau rein,
So schön und hoch von Werthe."

Der Pförtner seine Stimm' erhub,
Sprach: ""Jesus, unser Herre.""
"Ja, Vater," wieder sie anhub,
"Der ist's, den ich begehre."

""Ist, Jungfrau, das Dein Bräutigam,
Den will ich nun Dir weisen,
Komm, meine liebste Tochter, komm,
Du sollst nicht weiter reisen.

Komm, süße Braut, und tritt herein,
Du Holde, sonder Gleichen;
Woher wohl kamst Du, Jungfräulein,
Gewiß aus fernen Reichen?""

"Ich bin ein vornehm Fürstenkind,
Erzogen in hohem Stande,
Um ihn, für den ich nur gesinnt,
Ließ Hoheit ich und Lande."

""Was Alles Du verloren hast,
Bei ihm wirst mehr Du finden,
Bei ihm, der alle Schönheit schafft,
Bei Jesus, dem Beminnten.

Tritt nun nach meinem Wort herein,
Will Dir den Liebsten weisen.
Nach meinem Rath thu' und laß seyn
Das, was die Heiden preisen.

Folg' ihrer Sitte nimmermehr
Und fürchte nichts auf Erden;
Gedenk' ans Heidenthum nicht mehr.
Eine Christin mußt Du werden.""

"O Vater, wie Du mich belehrt,
Darnach will ich mich richten,
Mein Liebster ist allein mir werth,
Und Furcht kenn' ich mit Nichten."

Er lehrt' in Kirche sie und Haus
Den rechten Glauben lieben,
Von Christi Wieg' bis an sein Kreuz;
Reine Magd ist sie geblieben.

Sie diente Gott von Herzen gern,
Sie hatte groß Verlangen
Nach Jesus Christus ihrem Herrn,
Er zögerte zu lange.

Als sie ihr Leben nun vollbracht
Und von hier sollte scheiden,
Kam Jesus wiederum zu ihr,
Er wollte sie geleiten.

Er nahm die Braut bei ihrer Hand
Mit gar holdsel'ger Minne,
Führt' sie in seines Vaters Land,
Da ist sie Königinne.

Was nur ihr Herz begehren mag,
Das wird ihr da gegeben,
Wo tausend Jahre sind ein Tag,
So freudvoll ist das Leben.

Da soll sie ohne Angst und Furcht
Sich aller Lust hingeben,
Mit Jesus ihrem Bräutigam
Allzeit in Freuden leben.

So lieblich ist die Ewigkeit
Dem, der sich Jesus hat geweiht,
Um mit ihm zu genießen,
Wo Himmelsbrünnlein fließen.

aus: Proben altholländischer Volkslieder
mit einem Anhange altschwedischer, englischer, schottischer,
italienischer, madecassischer, brasilianischer
und altdeutscher Volkslieder
Gesammelt und übersetzt von
Oskar Ludwig Bernard Wolff [1799-1851]
Greiz 1832 Druck und Verlag von C. H. Hennig (S. 82-94)
_____



Die Königskinder

Das waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb,
Sie konnten zusammen nicht kommen,
Das Wasser war allzutief.

Was that sie? sie zündet' drei Kerzen
Wol Abends zur Dämmerung:
"Ach Liebster, so schwimme herüber!"
Er that es, der Königssohn jung.

Da kam des Wegs eine Alte,
Ein Weib von tückischem Muth,
Ausblies sie alle die Kerzen,
Der Jüngling versank in der Fluth.

"Und Mutter," sprach sie, "Mutter!
Mir thut das Haupt so weh,
Darf ich ein Stündchen wandeln,
Lustwandeln längs der See?"

"Ach Tochter," sprach sie, "Tochter!
Alleine magst du nicht gehn,
Doch wecke die jüngste Schwester,
Und laß sie mit dir gehn!"

"Mein' allerjüngste Schwester
Ist noch solch kleines Kind,
Sie pflückt wol alle die Röslein,
Die sie am Wege find't.

Sie pflückt wol alle die Röslein,
Die Blättlein läßt sie stahn,
Dann sagen alle die Leute:
Das haben Königes Kinder gethan."

Die Mutter ging nach der Kirchen,
Die Tochter ging ihren Gang,
Sie ging wol also ferne,
Wo sie einen Fischer fand.

"O Fischer," sagte sie, "Fischer,
Mein Vaters Fischerlein
Wollt Ihr ein wenig fischen?
Es soll Euch gelohnet sein."

Er warf sein Netz in's Wasser,
Die Lothe, die gingen zu Grund,
Da hätt' er alsbalde gefischet
Den Königssohn so jung.

Was zog sie von ihrem Finger?
Ein Ringlein von rothem Gold:
"Da nehmet, mein Vaters Fischer,
Den Lohn, der Euch werden sollt'!"

Sie nahm ihn in ihre Arme,
Und küßt' ihm seinen Mund:
"Ach Mündlein, könntest du reden!
Ach Herzlein, wärst du gesund!"

Sie nahm ihn in ihre Arme,
Und sprang mit ihm in das Meer!
"Fahrt wohl, mein Vater und Mutter,
Ihr seht mich nicht wieder mehr!

Fahrt wohl, mein Vater und Mutter,
Und all meine Freunde zugleich!
Fahrt wohl, mein Schwester und Bruder,
Ich wander' in's Himmelreich!"

aus: Norwegische, Isländische, Färöische
Volkslieder der Vorzeit
In den Versmaßen der Originale übertragen
von Rosa Warrens [1821-1878]
Nebst Anhang: Niederländische und Deutsche Volkslieder
Hamburg Hoffmann und Campe 1866 (S. 230-233)

_____




 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite