Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Persische Liebeslieder



Klage

Mein Liebchen hört nicht meine Klagen! -
O sagt mir doch: wo kann sie sein?
In welcher Strasse mag sie weilen? -
Wenn sie mich hört, so ist sie mein.

O Agha, Mirza, sagt mir, wo?
Und reicht mir einen Becher Wein. -
Nun sag's! Du hast ein andres Lieb;
Ich soll nicht mehr dein Liebster sein.
(S. 344)
_____



Die Flucht

Komm, lass uns fliehen aus diesem Land!
Komm mit in den Garten, reich' mir die Hand
Oder lass mich ruhen an deinem Gewand.
O komm in den Garten und wirf dich voll Lust
An deines Geliebten beseligte Brust.
(S. 345)
_____



Der Gärtner

Am Fusse eines Rosenstrauchs
Singt Nachtigall ihren Sang.
O Gärtner, du allein bist schuld,
Dass mir mein Herz so bang.

Berauscht bist du vom Beerenwein. -
Ach Gott, wärst du doch tot,
So könnt' ich von ihrer Wangen Pracht
Jetzt pflücken die Röslein rot.

Mein Liebchen hold verlor ihr Tuch,
Dort hängt es in den Büschen.
Inmitten der Rosen thäten es wohl
Die spitzen Dornen erwischen.
(S. 345)
_____



Komm in der Nacht

Komm in der Nacht zu mir, mein Lieb,
Und schenk' meiner Seel' einen glücklichen Tag!
Dem Pfauengefieder, so glänzend und schön,
Man deinen Liebreiz vergleichen mag.
So süss ist dein Leib, schau ich ihn an,
Wie dort die Aprikose* im Hag.
Komm in der Nacht zu mir, mein Lieb,
Und schenk meiner Seel' einen glücklichen Tag.
(S. 345)

* Im Original: das Zuckerrohr

_____



Liebesgaben

Ich kaufte Schminke ihr zum Schmuck
Der Brauen mit meinem Golde. -
O, zarter als ein Blumenkelch
Ist meine Maid, die Holde.

Ich kaufte Schwärze ihr zum Schmuck
Der Augen mit meinem Golde. -
O, zarter als ein Blumenkelch
Ist meine Maid, die Holde.

Ich kaufte einen Kamm zum Schmuck
Des Haares mit meinem Golde. -
O, zarter als ein Blumenkelch
Ist meine Maid, die Holde.
(S. 346)
_____



Die Einladung

Wie lieb' ich diese Silberbrust,
Die aus dem Hemd dir quillt!
Du rissest mich von Allem los,
Du, die mein Sehnen stillt.

Um dich verliess den Bruder ich.
Den Freund. Mein Rosengarten,
Mein Blumenbeet, ich küsse jetzt
Die Lippen dir, die zarten.

Du Trost und Qual und Herzensglück!
Bist du's, die ich umranke?
Ist es ein Engel oder mein Lieb,
O Maid, cypressenschlanke?
(S. 346)
_____



Schwere Wahl

Was ist das Schönste wohl an ihr?
Das Mal auf ihrer Wange?
Ist es die Anmut, die sich zeigt
In meines Liebchens Gange?

Sind es die Schultern, weiss wie Schnee?
Sind es der Locken Wellen,
Die hinter ihrem Ohr hervor
In üpp'ger Fülle quellen?

Sind es die leicht geschwungnen Brau'n?
Die braunen Flechten? Die Augen,
Mildglänzend, oder der rosige Arm,
Die mir am besten taugen?
(S. 347)
_____



Erinnerungen eines glücklichen Gatten

Nana, meine Seele, o wie klopfte,
Als ich um dich warb, mein armes Herz! -
O du mein gefüllter Wonnebecher,
Schnell entschwand der Sehnsucht herber Schmerz,
Als dann zum Verlobungsfeste
Zucker assen frohe Gäste.

Nana, meine Seele, heller Mond!
Als man dir das Hochzeitskleid geschnitten,
Schmolz mein Herz, o Nana, meine Seele!
Stern der Nacht, als ich dich sah inmitten
Deiner Mägde*. Kaum erwarten
Konnt' mein Glück ich, schönster Garten.

Nana, meine Seele, hin zum Herzen
Strömte mir das Blut an jenem Abend,
Als man uns vereinte. Ach, du Theure,
Nana, meine Seele, ach wie labend
War's den Augen, dich zu sehen.
Nana, hin zum Bade gehen.

O du duft'ge Blüte** von Kerman!
Als die Tambourins erklangen, freute
Meine Seele sich, als man den Goldstaub
Dir auf deine weisse Stirne streute,
Meine Seele,*** brach vor Wonne
Fast mein Herz, du goldne Sonne.****

Und dann endlich bei der Hochzeitsfeier
War es um mein armes Herz geschehen,
Und Entzücken schwellet mir die Seele,
Dich zu meinem Hause geh'n zu sehen.
Nana, du cypressenschlanke,
Du allein warst mein Gedanke.

Nana, meine Seele, heller Mond!
Als ich dich an meiner Seite fühlte
Dann in jener Nacht voll sel'ger Wonne
- Mein auf immerdar - da, Nana, kühlte
Mir das Glück das heisse Herz
Und vertrieb der Sehnsucht Schmerz.
(S. 347-348)

* Eigentlich lautet die Stelle: Als ich sah, wie man dir die Hosen anzog
** Wörtlich: o du balsamische Zira von Kerman
*** Im Original: Du kleiner Apfel von Isphahan
**** Im Original: Du Frucht aus dem Obstgarten meiner Liebe

_____



Gulamschah

Gulamschah, flieh' aus diesem Land!
Her zu mir! An dem Gewand
Halt' ich dich, du schönes Weib!
An den silberweissen Armen
Glänzen Spangen, bunter Kaschmir
Hüllt dir ein den schlanken Leib.

Sieh', mein Herz ist wund; es saugen
Deine liebestrunknen Augen
Aus der Seele mir die Kraft.
Und dein schwanengleicher Nacken
Hat mir alle Kraft genommen
Und zum Sklaven mich erschlafft.

Wie der Jagdfalk stolz sich brüstet,
Schwillt dein Busen. - Wenn Ihr wüsstet,
Wie sein Anblick mich berauscht,
Würdet Ihr mit Rat mir helfen. -
Lass mich hoffen! Für das Leben
Sei der Tod sonst eingetauscht.

Lass uns zieh'n in weite Ferne!
Mit dir trag ich alles gerne,
Drückt dich Einsamkeit und Leid.
Lass uns zieh'n! - Im Rosengarten
Deiner Schönheit muss verblassen
Selbst des Pfaues buntes Kleid.

Goldstaub auf die Locken streuen
Will ich dir.* O, lass dich freien! -
Sieh, hier schlaf ich still im Hain;
Zephir weckt mich; meine Liebe
Lodert. Du bist fern. Wann werd' ich
Armer wieder bei dir sein?
(S. 348-349)

* d. h. Dich heiraten

_____


übersetzt von August Seidel (1863-1916)

Aus: Beiträge zur Volks- und Völkerkunde
Siebenter Band: Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur
Herausgegeben von August Seidel
Weimar Verlag von Emil Felber 1898

(Anmerkung von August Seidel: Die Volkslieder der Perser
sind aus der Chodzkoschen Sammlung entnommen
und von mir aus dem Englischen metrisch übersetzt.)


[Alexander Chodzko (1804-1891) Popular poetry of Persia transl. London 1842]




 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite