Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Polnische Liebeslieder aus Oberschlesien



Alles umsonst
Roger Nr. 144

Seh' ich nach dem Born ihn gehen
Und bei einer Andern stehen.

Trinkt mit ihr nur mir zum Schmerze,
Ach! das wußte wol mein Herze.

Und mein armer Kopf das wußte,
All Gered' umsonst sein mußte.

Meine Augen auch das wußten,
Unsre Nächt' umsonst sein mußten.

Und auch meine Hände wußten,
Unsre Tänz' umsonst sein mußten.

Und auch meine Füße wußten,
Unsre Weg' umsonst sein mußten.
(S. 18)
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Ewig getrennt
Roger Nr. 172

Führt ein Pfad vom Berg' hernieder:
Trennen müssen wir uns wieder;
Und was ist uns übrig blieben,
Uns, die wir gewöhnt ans Lieben?

Wenn wir trennen uns mit Schmerzen,
Sind betrübt zwei liebe Herzen,
Ach! vier Augen werden weinen,
Tag und Nacht, die deinen, meinen.

Schwarze Augen, werdet weinen,
Denn ihr werdet nicht die meinen,
Dürft es nicht zeit meines Lebens,
Daran denkt ihr nur vergebens.

Berg, o Berg, du Himmelsleiter,
Meine Lieb' ist weit und weiter,
Hinter'm Berge ferne, ferne,
Hinter uns der Liebe Sterne!

Eine Liebe war's, ja Eine!
Sie verbarg sich hinter'm Steine,
Dann im Farrenkraut daneben -
Kehrt nie wieder heim ins Leben.
(S. 19)
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Säen und nicht ernten
Roger Nr. 194

Hirse hab' ich gesäet,
Werde nicht ernten sie;
Mägdlein hab' ich geliebet,
Werd' es doch haben nie.
Säen und erndten nie,
Lieben und nehmen nie.
Frühling, kein Herbst für mich,
Liebte, nie doch nahm ich dich.

Bei der Mühl' an der Esche
Dort an des Baches Rand
Reichte zu ewiger Treue
Mir das Mädchen die Hand.
Einen Kranz ich empfing,
Einen goldnen Ring,
Alles das schenkte sie,
Und ich nahm sie dennoch nie.

Lippen, blühendem Mohn gleich,
Hab' ich geküßt gar viel,
Doch dem tändelnden Schwan gleich
Trieb ich mit ihr mein Spiel.
Liebeglühend ich kam,
Seufzend ich Abschied nahm;
Nachts da schlief ich nicht ein -
Und du wurdest doch nicht mein.

Früh noch ehe das Glöcklein
Uns zum Beten erklang,
War mein Morgenvergnügen
Stets der Vögel Gesang.
Kaum noch bin ich im Wald,
Werd' ich vor Schrecken kalt:
Ach, was mußt' ich doch sehn!
Nie mehr wollt' ich nah ihr gehn.

Sah am Weidengebüsche
Einen Andern von fern,
Hielt und küßte das Mägdlein,
Und sie hatt' es gar gern.
Ach, wie mußt' ich da schrei'n!
Schlief des Nachts nicht mehr ein!
Säete, erntete nie,
Liebte dich, und - nahm dich nie!
(S. 20-21)
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Wen doch beweinst du?
Roger Nr. 212

Drüben im Thale nahe dem Buchwald,
Da wo der Weg vorüber geht,
Raget ein Hügel neben den Hügeln,
Auf dem ein Kreuz mit Christi Bild steht.

Unter dem Kreuze knieet ein Mägdlein,
Weißes Gewand sie ganz umschließt,
Und aus den wilden funkelnden Augen
Thränen sie unter Schluchzen vergießt.

Wen doch beweinst du, liebliches Mägdlein,
Vater wol oder Mütterlein?
Wen doch bedeckt der Hügel, der frische?
Sollten es gar die Brüder wol sein?

Weder den Vater, weder die Brüder,
Noch auch das liebe Mütterlein -
Ach, den Geliebten, ach, und mein Herze
Scharrten in diesen Hügel sie ein.

Jeglichen Morgen, jeglichen Abend
Wein' ich um ihn nun stets wie jetzt,
Habe mit seiner Seele geredet,
Habe mit Thränen die Blumen benetzt.

Weinest umsonst nur, klagest umsonst nur!
Nimmer von selbst er je erwacht:
Ach, es erfreut ihn keine Musik mehr,
's ist vor dem Aug' ihm ewige Nacht.
(S. 21-22)
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Heute in Gold, morgen in Schwarz
Roger Nr. 217

Bei der eig'nen Mutter mein
Stehet ein Maßholderlein,
stehet ein, ja stehet ein Maßholderlein.

Drunter eine Lagerstatt,
Drin mein Liebster krank und matt.

Liegt darnieder krank gar schwer,
Und zur Liebsten sendet er:

Mägdelein, komm, ich bitte dich,
Bring ein Kräutchen, heile mich! -

Gerne heilt dich deine Braut,
Ach, und wüßt' ich nur das Kraut! -

Mägdlein, auf! zum Wald geeilt!
Hol' das Kräutchen, das mich heilt! -

Als sie tritt zum Wald hinein,
Kommen Boten hinterdrein:

Liebchen, kehre schnell nach Haus!
Hänschen trägt man schon hinaus.

Und als sie im Hause war,
Rauft sie sich vom Kopf das Haar:

Hänschen, du mein Kleinod mir!
Einst ging ich in Gold zu dir!

Heute muß ich tragen Leid
Schwarz um dich in Ewigkeit!
(S. 22-23)
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O weine nicht um mich!
Roger Nr. 250

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Die Schuld sie ist nicht mein,
Sie ist nicht mein:
Du wolltest ja mit mir
Trinken keinen Wein.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Du weißt, den goldnen Ring
Den bracht' ich dir,
Doch wolltest du ihn nicht,
Gabst kein Händlein mir.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Studenten giebt es viel
Noch auf der Welt,
Dreist kannst du wählen dir
Welcher dir gefällt.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Wenn ich im Kloster nun
Als Priester bin,
Wirst du im Hofe sein
Eine Schleußerin.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Les' ich die erste Mess'
Am Hochaltar,
Dann bring' ich auch für dich
Gott das Opfer dar.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Heb' ich den Kelch empor
Herzinniglich,
Werd' ich zum lieben Gott
Flehen auch für dich.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Und kommt von deinem End'
Einst Kunde mir,
Dann laß' ich läuten gleich
Alle Glöcklein dir.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Daß du gestorben bist,
Das weiß ich dann,
Und daß du mich geliebt,
Sag' ich jedermann.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Und senken sie dich ein
Zur ew'gen Ruh,
Wird brechen mir das Herz
In demselben Nu.

O weine nicht um mich,
Daß ich ein Priester bin!
Und bin gestorben so,
Mein Lieb, auch ich,
Laß' ich zur Seite dir
Auch begraben mich.
(S. 23-25)
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Scheiden, geschieden und wieder vereint
Roger Nr. 281

O Wolken, Wolken, Blitz und Dunkelheit,
O tröstet ihr mich doch in meiner Bangigkeit!

Was hatt' ich doch in jener Zeit für Gram,
Als ich von meinem Liebsten Abschied nahm!

Die Freunde schmerzte unser Ungemach,
Wie viele heiße Thränen weinten sie uns nach!

Im Felde, wo das Kreuz am Wege stand,
Dort war's, dort reichten wir zum Abschied uns die Hand.

Sie
Wo hast du jenes Tuch, das du empfingst,
Als du im Garten einst an meiner Seite gingst?

Er
Da ist dasselbe Tuch, nimm's wieder hin,
Und denk dabei, wie gut ich dir gewesen bin.

Er
Wo hast du jenen Ring, den du empfingst,
Als du im Garten einst an meiner Seite gingst?

Sie
Da hast du jenen Ring, den ich von dir,
Wähl eine Bessre dir, als du gehabt an mir!


Und unter einer grünen Linde dort
Gelobten wir auf's Neu' uns ewige Treu' hinfort.

Und wo das Bild der heiligen Jungfrau stand,
Dort gab er zum Geschenke mir ein schönes Band.

Dort kos'ten wir noch lang' in Traulichkeit
Und gaben Ring und Tuch uns nun auf ewige Zeit.
(S. 25-26)
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Und ich finde mich auch willig drein
Roger Nr. 285

Unter meines Liebchens Fenster kam ich:
Mach mir auf, mein Lieb! und was vernahm ich?
"Ei, wer ist das, der da draußen spricht?" -
Ach, mein Liebchen, kennst du mich denn nicht?

Bin dein Liebster, den du oft empfangen,
Oft dir küßte deine Händ' und Wangen -
Mußt ja doch einmal die Meine sein:
Süßes Liebchen, gieb dich willig drein!

"Und ein Fischlein werd' ich dann zur Stunde
Und ich schwimm' in tiefen Meeres Grunde,
Und die Deine werd' ich doch nicht sein,
Nimmer, nimmer find' ich mich darein."

Und mit Netzen komm' ich dann gegangen,
Auch das kleinste Fischlein werd' ich fangen -
Mußt ja doch einmal die Meine sein:
Süßes Liebchen, gieb dich willig drein!

"Dann verwandl' ich mich in eine Taube
Und verstecke mich im höchsten Laube,
Und die Deine werd' ich doch nicht sein,
Nimmer, nimmer find' ich mich darein."

Einem guten Schützen wird es glücken,
Und der schießt der Taube Herz in Stücken -
Mußt ja doch einmal die Meine sein:
Süßes Liebchen, gieb dich willig drein!

"Dann verwandl' ich mich zu einem Sterne,
Und ich glänz' am Himmel dir von ferne,
Und die Deine werd' ich doch nicht sein,
Nimmer, nimmer find' ich mich darein."

O so geb' ich Brot an arme Leute,
Fleh'n vom Himmel mir den Stern noch heute -
Mußt ja doch einmal die Meine sein:
Süßes Liebchen, gieb dich willig drein!

"Mutter, laßt nur Brot und Kuchen backen,
Daß der Schwätzer endlich läßt sein Schnacken,
Denn ich muß ja doch die Seine sein,
Und ich finde mich auch willig drein"
(S. 26-27)
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Unendliche Liebe
Roger Nr. 296

Sagt, Frau Mutter, wo ist eure Tochter?
Sie zu sehen komm' ich her,
Und ich komme jetzt nach sieben Jahren,
Daß mein Herz mal fröhlich wär'.

"Daß sie würde deine Gattin werden,
Dachtest wol, mein Herzenssohn?
Ach, sie ist gestorben gestern Abend,
In der Erde ruht sie schon."

"Bei dem ersten Schritt hinein zum Kirchhof
Siehst ein frisches Grab allein,
Auf dem Grabe stehn drei rothe Rosen,
Die bekannt dir werden sein."

Sagt mir doch, o meine goldnen Rosen,
Wer in diesem Grabe ruht!
Und die Rosen neigten sich zum Zeichen,
Daß nur hier mein Herzchen ruht.

Ach! du süßes, liebes süßes Herzchen,
Nur ein einzig Wörtchen sprich!
"Gerne möcht' ich sprechen, wenn ich könnte -
Niemals regt dies Herze sich." -

Weh! unselig ist das Herz der Eltern,
Das den Kindern wehrt das Frei'n!
Ach, sie kennen, haben keine Liebe,
Jagen uns ins Grab hinein!
(S. 28)
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Nun - dann nicht!
Roger Nr. 352

Wie soll ich doch, soll ich doch,
Liebchen, kommen zu dir? -
"Durch der Gartenpforten eine,
Denn geschlossen hab' ich keine,
Komm, mein Herzchen, komm!"

Und wenn es nun, wenn es nun,
Liebchen, knarret, das Thor? -
"Werd' ein Fäßchen Schmalz spendieren
Und die Pforten damit schmieren.
Komm, mein Herzchen, komm!"

Und wenn mich nun, wenn mich nun,
Liebchen, beißet der Hund? -
"Ei, das hat ja keine Noth:
Hündlein geb' ich Stückchen Brot.
Komm, mein Herzchen, komm!"

Und schnattern nun, schnattern nun,
Liebchen, Gänse mich an? -
"Gänslein wir ins Wasser jagen,
Und wir lassen's uns behagen.
Komm, mein Herzchen, komm!"

Und schnattern nun, schnattern nun,
Liebchen, Enten mich an? -
"Soll die Köchin Futter spenden
Und das Schmattern wird schon enden.
Komm, mein Herzchen, komm!"

Und wenn es nun, wenn es nun,
Liebchen, Väterchen hört? -
"Eine Flasche Wein spendier' ich
Und das Väterchen tractier' ich.
Komm, mein Herzchen, komm!"

Und wenn es nun, wenn es nun,
Liebchen, Mütterchen hört? -
"Kaufen wir für sie ein Mieder,
Sitzen hinter'm Ofen nieder.
Komm, mein Herzchen, komm!"

Und werden nun, werden nun
Es die Kinder gewahr? -
"Dann erfreu'n wir sie mit Nüssen,
Und wir werden uns dann küssen.
Komm, mein Herzchen, komm!"

Und werden nun, werden nun
Es die Mäuse gewahr? -
"Ach du Schafskopf, bleib' im Häuschen,
Hast du Furcht vor einem Mäuschen!
Nie komm, nie zu mir!"
(S. 29-30)
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Liebe und List
Roger Nr. 353

Erstlich frag' ich, Liebchen,
Wann gefällt es dir,
Daß du giebst ein Händchen mir?

"Warte nur, mein Liebster!
Morgen kann es sein,
Wenn ich bin mit dir allein."

Zweitens frag' ich, Liebchen,
Wann gefällt es dir,
Daß du giebst ein Küßchen mir?

"Warte nur, mein Liebster!
Nächste Woche, wann
Ich von Wien heimkehre, dann."

Drittens frag' ich, Liebchen,
Wann gefällt es dir,
Daß du giebst dein Kränzchen mir?

"Wann die trockne Linde
Werden wird ganz grün,
Weiße Rose roth wird blühn."

Und er ging und kaufte
Sich ein rothes Tuch,
Das er um die Rose schlug.

Und er ging und kaufte
Sich ein grünes Band,
Das er um die Linde wand.

Jetzo magst du schauen,
Liebchen, aus dem Haus!
Sieht nicht grün die Linde aus?

Jetzo magst du schauen,
Liebchen, aus dem Haus!
Sieht nicht roth die Rose aus?
(S. 31-32)
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Der letzte Dank
Roger Nr. 376

Setze dich, setz dich, nimm doch endlich Platz!
Hilft dir ja nichts das Weinen, lieber Schatz!
Hilft ja nichts dir all das Klagen,
Denn die Pferde sind am Wagen
Längst schon angespannt.

Setzen, ja setzen werd' ich mich noch nicht,
Danken dem Vater ist noch meine Pflicht.
Dank, o Vater, dir gebühret,
Hast zum Guten mich geführet,
Wirst es nun nicht mehr.

Setze dich, setz dich etc.

Setzen, ja setzen werd' ich mich noch nicht,
Danken der Mutter ist noch meine Pflicht.
Mutter, Dank auch dir gebühret,
Hast zum Guten mich geführet,
Wirst es nun nicht mehr.

Setze dich, setz dich etc.

Setzen, ja setzen werd' ich mich noch nicht,
Danken den Schwellen ist noch meine Pflicht.
Schwellen, dankend ich euch grüße,
Drauf gewandelt meine Füße,
Werden es nicht mehr.

Setze dich, setz dich etc.

Setzen, ja setzen werd' ich mich noch nicht,
Danken dem Löffel ist noch meine Pflicht.
Löffel, nie sei dein vergessen,
Hab' mit dir so oft gegessen,
Werd' es nun nicht mehr.
(S. 32-33)
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Aus: Ruda. Polnische Volkslieder der Oberschlesier
Übertragen von Hoffmann von Fallersleben [1798-1874]
Cassel August Freyschmidt 1865
[Basierend auf: Piesni Ludu Polskiego w Gornym Szlasku
z muzyka zebral i wydal Juliusz Roger Dr. med.
Polnische Volkslieder der Ober-Schlesier
Breslau Verlag der Schletter'schen Buchhandlung H. Skutsch 1863]




 


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