Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Rhodische  Liebeslieder


1.
O Liebe, wärst du doch zuletzt, was du von Anfang scheinest!
Denn erst zeigst deine Güte du, und später erst das Bitt're;
Die Herzen, die zerreissest du - man muss dir fluchen!
(S. 7)


2.
Zu dir, Geliebte, trug ich stets die Liebe in dem Herzen,
Und Hoffnung hegt' ich stets zu dir, dass nie getrennt wir würden -
Und jetzo seh' ich Aermster doch die herbe bittre Trennung.
(S. 7)


3.
Ach du mein allerliebster Baum, du Fahne des Spitales,
Du Blüthe wack'rer Ritterschaft, komm, Herr, dass wir uns küssen -
Selbst kommen kann ich jetzo nicht: glaubst du, ich lieb' dich nimmer?
Doch wenn ich selber kommen wollt', so würdest du mich schelten.
(S. 7)


4.
Wahrhaftig, schmucker Ritter mein, wahrhaftig, du besporter,
Ich wundre mich, gehst du vorbei, dass nicht die Strasse duftet,
Dass nicht die Berge duften all', dass nicht die Felder blühen. -
Sagt' ich dir's nicht, mein lieber Herr, hab' ich dir's nicht gemeldet:
Den Garten, den du dir gemacht, den musst du fein verschliessen;
Mach dir 'ne Thür' und Schlüssel auch, und schliesse deinen Garten!
Weisst du nicht, ich bin reifes Obst, und dass mich alle lieben?
Der Wandrer pflückt mich gar zu gern, die Kranken mich verlangen.
Da redete der Jüngling drauf die Worte, die hier folgen:
"Wie war mein Sinn doch allzu dumm, wie war er ganz verloren!
Da mich das schlanke Mädchen liebt' und mich zur Liebe einlud,
Hätt' ich es doch genommen mir, wär' mit ihm weggegangen.
Doch hab' ich drüber weggesehn, da nahm sie sich ein Andrer;
Ein Andrer küsst die Liebste jetzt, entbehren muss ich ihrer."
(S. 7-9)


5.
Oh wehe, schlanke Dirne du, wie machst du mich so elend:
Du brennst mein Herz mit Feuergluth, verzehrest meine Seele.
(S. 9)


6.
Ach ach, du allerschönstes Kind, erbarme dich doch meiner,
Dass ich nicht wandre ganz allein und in die Fremde ziehe,
Und du nachher, herzliebes Kind, dich meinethalben quälest.
Du weisst es, schönes Mädchen, ja, was ich von dir begehre:
Den süssen Kuss von deinem Mund und dann bei dir zu weilen.
(S. 9)


7.
Du Zweig von dem Orangenbaum, du Traube von der Rebe,
Du Fläschlein voll von Rosenöl, Moschus von Alexandrien,
Du Lilien- und Pflaumenblüth' mit Veilchen festgebunden,
Mit Wachs und Mastix hab' ich dich bei mir jetzt gut befestigt
Und will dich küssen immerdar und will dich stets umfassen.
(S. 9)


8.
Ach wüsst' ich, liebe Herrin mein, um welche Zeit du ausgehst
Und von woher du schreiten wirst mitsammt den jungen Fräulein,
Bepflanzte ich dir deinen Weg mit Quitten-, Aepfelbäumen,
Orangen und Citronen auch, mit Lorbeer und mit Myrten,
Mit Rosenbäumen pflanzt' ich ihn, die Sonne abzuwehren;
Und wo du immer wandeln magst, da würd' ich Moschus streuen -
Es duftete die Strasse dann, doch würdest du's nicht wissen;
Dann sollte dir der Sonne Gluth der Jugend Glanz nicht dunkeln!
(S. 9)


9.
Wüsst' ich gewiss, geliebte Maid, dass du mich abgeläugnet,
Verkauft' ich alles, was ich hab', und kaufte dir 'nen Weinstock:
Ich selber aber wollt' fortan nur schwarze Kleidung tragen,
Und tragen wollt' ich dann fortan stets einen schwarzen Turban.
(S. 9-11)


10.
Ach wüsstest, schlankes Mädchen, du, wie ich in Qualen seufze,
Wie mir die Augen wehe thun und bittre Thränen weinen,
Wie immer aus den Augen mir ein Thränenquell hervorbricht -
Und sähest meine Glieder du, wie sie vor Schmerzen zucken,
Zur Stunde wärst du recht betrübt und schriebest mir ein Briefchen.
'Ne Seel' hatt' ich, du nahmst sie mir, hast mir mein Herz entrissen:
Wie kann ohn' Herz, ohn' Seele ich in dieser Welt noch leben?
Es zehret mich die Liebe dein, es brennen deine Küsse,
Die Liebessehnsucht stürzet mich in Tod ach! und Verderben.
Hätt' ich es je vorausgesehn und je mir vorgestellet,
Dass du an mich auch gar nicht denkst und nie dich mein erinnerst,
Dass du mich nicht von Herzen liebst, so wie ich dich verehre,
Gegangen wär' ich, hätt' gesucht den Born des Mitleidlosen,
Wo man sich drin das Herze wäscht und dann vergisst der Liebe.
(S. 11)


11.
Du bist ja gar ein kluger Mann, der Vieles weiss und findet:
Bewege leise nur dein Haupt und wink' mir mit den Augen,
Damit ich sehe, lieber Herr, dass du mich grüssen wolltest.
(S. 11)


12.
Von allen Himmelssternen bist der einz'ge helle Stern du,
Und du von deiner Nachbarschaft bist ganz allein voll Schönheit.
Denn du bist weiss und du bist blond und bist dem Mond vergleichbar.
Nein, dich verlass' ich nimmermehr - so wahr mir Christus helfe!
(S. 11)


13.
O du mein früchtereicher Herr, beschwert mit Purpuräpfeln,
Es möchten meine Augen gern dich immerdar erschauen,
Und meine Mutter wehrt es mir, ich kann dich nicht erschauen.
Und doch hast du mit Schmeichelwort, mit List und arger Klugheit
In deinem Netz gefangen mich, nun kann ich nicht entfliehen.
Wenn du mich liebtest, wie ich dich in echter Liebe liebe,
Du ässest nicht, du tränkest nicht, du schliefst nicht in den Nächten:
Ein Vöglein würdest werden du und sängest in den Nächten,
Und was du sängest, was du sprächst, wär' Alles nur von Liebe.
Ich hätt' 'ne Pfort' an meiner Seit', du öffnest sie und schautest:
Da schautest du mein armes Herz, wie es in Kummer lieget!
Und wenn du mir, Schwergläubiger, nicht glaubst und dies nicht hörest,
Nimm deine Liebe weg von mir und gib sie einer Andern,
Dann steh' ich wie 'ne Fremde da und schau', wenn du vorbeigehst.
(S. 11-13)


14.
Ich eile hin um dich zu sehn, um einmal aufzuathmen:
Und kaum hab' ich dich angeblickt, geh' ich halbtodt von dannen.
(S. 13)


15.
"Beschlossen hatt' ich ärmster Knab dich, Herrin, anzugehen:
Nun scheu' ich mich, geliebtes Weib, so sehr vor deinem Adel,
Dieweil du keinem Liebeswort ein günstig Ohr magst leihen;
Und sieh, ich bin ein fremder Knab, fürcht' mich dich anzugehen."
Da redete die Schöne nun zum Jüngling diese Worte:
"Sag an, sag an, o Junker mein, was hast du mir zu melden,
Und sag es nur beherzt heraus: brauchst Keinen ja zu fürchten."
"O Herrin, küssen möcht' ich dich, so fern es dir beliebet,
Und wenn dir's recht ist, bitt' ich dich, lass uns in Lieb' uns einen.
Was nützt es dir, geliebtes Weib, im Herzen mich zu kränken,
Dass du als strenges Weib erscheinst und mich, den Armen, tödtest?
Versprachst mir einst doch einen Kuss - nun gib mir ihn, Geliebte."
(S. 13)


16.
Verläugnen wollt' ich gerne dich, Geliebter - doch es geht nicht,
Dieweil ich weiss, geliebter Mann, wie oft du aufgeseufzet
Um mich in bittrer Liebesqual und bangem Liebessehnen.
(S. 13)


17.
Ich bitt' dich, liebe Herrin mein, erwäg' in deinem Herzen,
Wieviele schwere Liebesqual ich litt um deinetwillen:
Bist du ein Fels, so halt' es aus - bist du ein Schloss, ergib dich -
Bist du die ich so innig lieb', so komm' und schenk' mir Liebe.
(S. 15)


18.
Geliebter mein, wenn du mich liebst, so lass dich von mir bitten:
Komm nicht in meine Nachbarschaft, dir Küsse dort zu holen,
Denn seh' ich dich, so gräm' ich mich und seufz' aus Herzensgrunde.
Du weisst doch noch, Geliebter mein, welch' einen Eid du schwurest?
Du schwurst, dass nimmer nimmermehr du mich verlassen wolltest:
Und meine Augen schauen's nun, wie du 'ne Andre liebest!
Bei ihr verweiltest gestern du, bei ihr hast du geschlafen,
Und hattest mir zuvor gesagt, du wärest auf der Wache:
Da gieng ich hin und forschte dort herum bei allen Wächtern,
Und alle sagten eidlich aus, dass keiner dich gesehen.
Mit Füssen tratst du deinen Eid und hast dich schwer vergangen.
(S. 15)


19.
Mir ist, als könnt' ich reden nicht, als könnt' ich nicht mehr fühlen:
Und komm' ich in mein Kämmerlein, so fall' ich hin in Ohnmacht.
(S. 15)


20.
Geliebter mein, sie frein um mich, begehren mich zur Ehe -
Und, Lieber, wie ich das gehört, hab' ich mich sehr gegrämet.
Ich jammerte von Herzensgrund, und alle Welt erstaunte,
Dieweil die grosse Lieb' zu dir durchaus nicht wanken wollte.
Sollt' ich mein Auge anderwärts werfen und dein vergessen?
Wie sollt' ich je verläugnen dich, Gebieter meines Leibes,
Du Herr, der du in deiner Hand mein Dichten hältst und Trachten?
O Lieber, weg aus meinem Sinn kann Niemand dich vertreiben!
(S. 15)


21.
O um die viele Liebesqual, o um die schweren Seufzer,
O um die viele Traurigkeit, die ich um dich erlitten!
(S. 17)


22.
Zehn Schwerter hast, o Herrin, du gesteckt in meinen Namen,
Sie in mein eigen Selbst gesteckt und willst mich jetzo tödten.
In böser Absicht thatst du's nicht, um Schaden zuzufügen;
Du thatest es aus Liebe nur, und nun verzehrt mich Sehnsucht.
Es zehret mich die Liebe schwer, ich kann's nicht mehr ertragen:
Denk' ich an dich, so schwind' ich hin; ich schau' dich und erblasse;
Und leg' ich mich zum Schlafen hin, erquicket mich kein Schlummer.
(S. 17)


23.
Hast du es nicht gehört, mein Herr, dass sie 'nem Mann mich freien? -
Frei'n sie dich einem, nimm ihn nur: weshalb sagst du mir solches?
Auch mir will meine Mutter stets ein Weib als Gattin bringen. -
Ist das, mein Herr, die Liebe dein? Doch will ich mich nicht grämen.
Ich pflanze einen schönern Baum mir jetzo an die Seite:
Und siehst du ihn, verzehrt dein Herz sich dann in deinem Leibe -
Ja dann verzehret sich dein Herz, wie jetzt mein Herz sich grämet!
Dann faltest du die Hände wohl und kommst ihn anzuschauen -
Es sehen's uns're Freunde dann, sie schelten dich dann alle.
(S. 17)


24.
Da auf die Rechte tritt, mein Kind - ich hab' dir was zu sagen:
Ich stell' dir eine Frage jetzt und bitte, gib mir Antwort.
Sag mir: wieviel hast du mich lieb? Dann lieb' ich dich desgleichen -
Denn wenn ich mehr dich lieben thät, du würdest leicht drob eitel,
Und giengest hin und rühmtest dich, dass ich um Liebe flehe.
Doch will ich dir vertrauen, Kind, dass es kein Andrer höret.
Und du, Geliebte, sagtest mir, sie freien dir 'nen Andern:
Ich wollt', sie hätten dich gefreit, dass du 'nen Andern hättest -
Und meiner nie gedächtest dann, wo ich verweil' und schlafe,
Welch' Mädchen ich je angeblickt, mit welcher ich geredet.
(S. 17-19)


25.
Zwei Augen trübst du, schönes Kind, und machst zwei Herzen kranken,
Zwei Busen sind in heller Gluth aus heissem Liebessehnen.
Und du - du hast ein Herz wie Stein und bist ganz wilden Sinnes;
Dein Sinn, der ist wie Eisen starr, hast Lippen fest geschlossen:
Verloren hast du nie ein Wort, mir freundlich zuzureden,
Ein wenig Trost zu spenden mir, der ich so tief betrübt bin.
(S. 19)


26.
Im Hof' hatt' einen Käfig ich einmal mit siebzig Thüren,
Drin hegt' ich eine Nachtigall, 'ne zahme, die mein eigen:
Sie sang so süss, sie war so schön und hatt' ein schön Gefieder.
Darauf entflog im Lauf der Zeit die Nachtigall dem Käfig;
Ein andrer Jäger fieng sie ein, bedeckt sie nun mit Küssen:
Und wenn ich dort vorübergeh' und in die Strasse komme,
Und höre, wie das Vöglein singt, erbeben mir die Glieder;
Es grämt sich mir das liebe Herz, ich kann es nicht ertragen,
Bis ich es mir zurückgelockt in seinen alten Käfig.
(S. 19)


27.
Ich glaubte, deine Liebe sollt' in Blüthen sich entfalten,
Sollt' brennen, wie ein Kerzenlicht, und wachsen, wie's der Mond thut:
Nun weiss ich wohl, die Lieb' ist falsch, die du vordem mir zeigtest,
Falsch und verletzt und weit entfernt von echter treuer Neigung.
Und grad wie deine Haare sind umwunden und umschlungen,
So hat sich deine Liebe auch gar mannigfach verschlungen.
Den Liebsten kenn' ich nun als feig, Verräther in dem Kampfe.
Hielt er mich nicht, so grämt' er sich, schaut' er mich nicht, so brannt' er,
Und wenn er mich nicht fest umfasst, konnt' er nicht ruhig schlafen.
Er küsst, bedeckt mit Küssen mich, er hält mich fest und fester -
Er breitet seine Hände aus, mir schwindelt und ich sinke!
Ach! Wie ich jetzt die Zeichen schau', will er mich doch verlassen -
Drum rasch zuvor noch sag' ich's ihm, eh' er sich von mir wendet.
(S. 19-21)


28.
Es liegen zwanzig Aepfel da auf einer goldnen Schale,
Ganz purpurrothe, süss und schön, wie deine beiden Lippen.
Da steh' ich nun, verlang' danach und wünsch' mir einen Apfel,
Ich röche dann des Abends dran und würde sanft dann schlummern:
Ich küsst' ihn wohl des Abends erst und wäre so getröstet,
Als lägest du zur Seite mir und könntest Trost mir spenden.
(S. 21)


29.
Ich sagt' es dir, Rothkelchen mein, geehrter Herr, du schöner,
Du Schmuck der Ritter, Preis und Zier der Tapfern unsrer Insel,
Es sollte nie ein ander Weib sich dein in Liebe freuen,
Als nur das arme fremde Kind, als nur ich armes Mädchen,
Das ich so oft mich abgehärmt an vielen langen Tagen,
Dass du vielleicht doch deinen Blick nach andrer Liebe würfest,
Von ihrem Odem zehrtest dann und meiner ganz vergässest.
(S. 21)


30.
Am Finger einer Dame schaut' ich einen Ring vor Kurzem,
Er war von Gold und strahlte Lieb' und weckte süsse Sehnsucht.
Kaum hatt' ich diesen Ring erblickt, so fleht' ich sie zu küssen.
O Mädchen, gib mir einen Kuss; o Blonde, ach, erhör' mich,
Oder sei Charos, tödte mich - dann bin der Sorg' ich ledig.
(S. 21)


31.
"Muss ein Jahrhundert erst vergehn, eh' du mir Liebe schenkest?
Und weshalb quälst du, Mädchen, mich mit deiner süssen Liebe,
Mit 'morgen komm' und 'heute noch' und mit 'Geduld mein Theurer'?
Die Zeit ist wirklich jetzt herum: komm her und lass dich küssen,
Komm, Liebchen, und lass Liebeslust für viele Jahr' uns kosten."
So fasst er an der Hand sie an, und zu dem Lager gehn sie.
Und sattsam Küsse gab er ihr, wie er es oft ersehnte,
Und als er war der Liebe satt, erhebt er sich und spottet.
Dem schlanken Mädchen kamen da die Thränen in die Augen:
"Hätt' ich gewusst, dass dir von Stein ein Herz sei in dem Busen,
Dass du auf Lug und Trug nur denkst und was du küssest, höhnest,
Ich hätte nimmer dich geküsst, strahl'st du auch wie die Sonne."
Und darauf sprach der junge Mann zum Mädchen diese Worte:
"Schilt du mich nicht, du Hässliche, setz' mich nur nicht herunter!
Du Hässliche, Topfmaulige, mit kurzen Augenbrauen!
Du putzest dich, bist hässlich doch - du wascht dich, bist doch gräulich!
'Ner wilden Katze siehst du gleich, entsteigest du dem Bade."
Da redete das Mädchen nun zum Jüngling diese Worte:
"Schilt du mich nicht, o junger Mann, setz' mich nur nicht herunter!"
(S. 21-23)


32.
Gott und die Heil'gen, liebster Mann, beschützen deine Reise!
Bacilicum und Balsam sei dir auf den Pfad gestreuet,
Und purpurrothe Rosen sei'n dir stets um deine Locken!
Wohin du ziehst, mein lieber Herr, im Land, wohin du reisest,
Findest ein ander Mädchen du zum Herzen und zum Küssen.
Und wenn du ihr dann Küsse gibst, wirst du von Herzen seufzen.
Wenn dann das Mädchen klug ist, fragt sie wohl dich dieser Massen:
"Was fehlt dir, lieber Junker mein, weshalb so schwer du seufzest?"
Dann sagt' ich wohl: "Ach hättst du mich, fein Liebchen, nie gefraget!
Doch da du mich gefragt nun hast, so will ich dir's wohl sagen.
Das Mädchen, das ich sonst geliebt, musst' ich auf Rhodus lassen:
Nun sitzt sie in dem Sternenlicht und strahlt im Mondesschimmer,
Sie sucht und fragt und forschet aus, wo ich wohl bleiben könne -
Was macht die süsse Nachtigall? Was macht mein theures Vöglein?
Was macht das liebe Vöglein mein, gedenkt es meiner nimmer?"
Nun bitt' ich dich, mein theurer Herr, und bitte dich auf's Neue:
Sag' ihr, was an mir schön und gut, sag' ihr von meiner Schönheit,
Doch wie ich mich mit dir vergieng, das wolle ihr nicht sagen:
Wohl war ich thöricht, als ich dir das Lager zubereitet
Und mich in Liebe dir gesellt - doch liebt' ich dich so innig!
(S. 23-25)


33.
Komm, süsser Thau, dass ich dich seh' und von dir Abschied nehme:
Denn ungesäumt in's Frankenland muss ich von hinnen ziehen,
Und gäbe gern dir einen Eid dein nimmer zu vergessen,
Und nimmer zu verläugnen dich, 'ne Andre nie zu küssen.
(S. 25)


34.
Komm, liebes schönes blondes Kind, komm Licht du meiner Augen,
Damit wir zweie plaudern süss und süsse Küsse tauschen,
Und dass du dir den Wunsch erfüllst, den doch dein Herzchen heget.
(S. 25)


35.
Zerrissen hat mich neunzigfach die Lieb', die ich dir weihe,
Mein ganzes Herz hat sie geraubt und hat es schwer erschüttert.
Nun freue, schlankes Mädchen, dich, du hast den Kampf gewonnen:
Denn uns're Liebe knickst du ganz und tödtest mich den Armen,
Verdirbst den armen jungen Mann, o Herrin, der dich liebte.
(S. 25)


36.
Verliebt hab' ich mich heiss in dich und bin dein Sclave worden:
Ich flehe deine Schönheit an, mich nicht zu sehr zu quälen.
(S. 25)


37.
Es flogen neun Rebhühner einst hoch oben an dem Himmel,
Und goldgefiedert war das ein': ich fragt' es dann 'wer bist du?'
Nun bleib' ich stehn und denke nach, welch' Rebhuhn ich wohl fange,
Stell' Netze auf dem Boden aus und fang' ein schönes Rebhuhn,
Ganz ähnlich dir und grad wie du, du liebes junges Mädchen,
Denn purpurrothe Lippen hat's, ist schlank und singt ganz leise;
Weiss wie 'ne weisse Rose ist, roth wie die Purpurrose.
Du Rebhuhn mit dem süssen Schlag, du zehrest Vieler Herzen.
(S. 25-27)



38.
Ich scheue, liebes Mädchen, mich, dir meine Lieb' zu sagen:
Und du, Geliebte, scheust dich auch, mir deine Lieb' zu sagen.
Nun bitt' ich dich, was soll daraus für dich und mich noch werden?
Geständ' ich meine Liebe dir, so fürcht' ich, du verschmähst mich,
Und sagtest du es, schöne Maid, so wär's um soviel besser,
Es wäre wie ein Herrscherbrief, der immer gültig bleibet.
Nun glauben viele Leute schon, dass ich dich zärtlich liebe -
Sie sagen, dass ich dich geherzt - und ich entbehre deiner.
Ach, was du thun willst, thu' es rasch, und wolle mich nicht quälen!
(S. 27)


39.
Wenn siebenfache Seele mir der Herr verliehen hätte,
So hätte alle sieben mir die Lieb' zu dir geraubet.
Mich fasst der Todesengel nicht, als ob ich sterben müsste:
Um deinetwillen leid' ich Noth ohn' äussere Gebreste:
Und wenn es, Schönste, dir gefällt, brauch' ich gar nicht zu sterben.
(S. 27)


40.
An deiner Pforte stand ich jüngst, sah deine beiden Aepfel,
Wie strahlte an dir jedes Glied, wie warst du schön und herrlich!
Nach Moschus und nach Aloe duftet dein junger Körper,
Wie Rosen ist die Lippe roth, wie Zibeth deine Brauen,
Und deine süsse Zunge ist wie Zucker und wie Honig.
Gekostet hab' ich deinen Reiz - und werde dein beraubet!
(S. 27)


41.
Du weisst es wohl, Geliebter mein, du warst mir sonst ein Fremder,
Ich kannt' dich nicht, wusst' nichts von dir, nicht einmal deinen Namen,
Und warf auch niemals einen Blick auf deine Jugendschöne.
Wohl hat schon mancher wack're Mann zum Weibe mich begehret:
Nun hast mit deinen Listen du, mit deinen glatten Worten,
Mit deinem liebestrunknen Blick, mit lockenden Gelübden,
Hast mich durch Klugheit, arger Mann, zur Sclavin ganz gewonnen:
Den Sinn, der früher frei mir war, hast du mir ganz geknechtet:
Ich bin nun deine Dienerin, du Herr mir und Gebieter.
(S. 27-29)


42.
Verwundet hast du mir das Herz und hast's in Blut getauchet:
Erbarm' dich mein, du Grausamer! Wozu soll all das Quälen,
Die Trennung bei lebend'gem Leib, die grosse schwere Trübsal?
Du fasstest mich mit starker Hand und setztest auf den Fels mich,
Du stütztest mich und ich fiel hin: was nützte dir das, Böser?
Du hobst den Stein nur in die Höh, der Laut allein erschallte:
Die Schmach und Schande ward mir nun, und stets werd' ich gescholten.
(S. 29)


43.
Es neiden unsre Liebe uns, Geliebte, deine Nachbarn,
Dieweil sie also fest sich hält grad wie ein Thurm von Eisen.
Sie schauen, dass sie fest geknüpft wie eine goldne Kette,
Und das schafft ihnen Herzeleid, sie möchten gern uns trennen.
Nie möge dies ihr Auge sehn! Nie solln sie dess sich freuen!
Nein, was bei uns sie gerne sähn, soll ihnen selbst geschehen,
Dass ihre Freunde trauern drob, die Feinde sich drob freuen,
Weil sie geplant, uns Liebende zu scheiden und zu trennen,
Die wir doch keinen Fehler je, kein Unrecht je begangen.
(S. 29)


44.
Es neiden unsre Liebe uns die bösen Übelwoller,
Sie werfen Worte zwischen uns und möchten gern uns trennen:
Entfernen möchten sie mich gern und dich 'nem Andern geben.
(S. 29)

45.
Dein Jugendglanz, der strahlende, und deine grosse Schönheit,
Dein wundersüsses Angesicht hat mich entflammt, Geliebte.
(S. 29)



46.
In jener Stunde, jenem Tag, geliebte theu're Herrin,
Da du zu einem andren Mann dich überreden liessest,
Möcht' ich, dass ich gestorben gleich, die Trennung nie zu schauen!
(S. 31)


47.
Es wünscht mein armes schwaches Herz dir alles Heil und Segen,
Du lieber schlanker schöner Mann, so grad wie eine Gerte.
Ich wähn', du hast mir's angethan; stets muss ich dein gedenken:
So grosse Liebe hat an dich mich immerdar gebunden.
Sie hat in alle Falten sich des Herzens eingenistet,
Hast feste Wurzel dort gefasst und füllt es jetzo gänzlich.
Da kamen denn die Nachbarn her und wollten Rath mir geben,
Und aller Meinung gieng dahin, ich sollte dein vergessen.
Da redet' ich und schalt sie aus und sagte diese Worte:
"Euch wär' es recht und euch gefiel's, wenn wir uns trennen wollten,
Und deshalb gebt ihr mir den Rath, ich sollte sein vergessen.
Durchbohreten mich Dolche auch, zersägten mich auch Sägen,
So lang' ich leb', bleibt er mir lieb - ich will es nimmer läugnen."
(S. 31)


48.
Zum Lieben bist du noch zu jung, weisst nichts von Liebesqualen.
Nein, nein: ich geb' dir keinen Kuss: du giengest hin und prahltest. 
(S. 31)


49.
Sitz' ich und steh' ich, geh' ich um, schlaf' ich und bin ich wachend,
Und ess' ich, trink' ich, lieber Herr - du schwebst mir stets im Sinne.
(S. 31)
 

50.
Wohlan, mein Herz, verläugne sie, dass deine Leiden schwinden,
Dass schwindet was mich jetzo quält ...
Und dass das viele Ach! und Weh! hinfüro uns verlasse.
Dann sieht vielleicht das Mägdelein, dass uns Besinnung bleibet.
(S. 31)



51.
"Was hast du nur, böswillige? Siehst du mich, wirst du grimmig;
Geh' ich an deiner Thür vorbei, zerreissest du's Gewand mir,
Du plagst mich schier und quälest mich, so wie 'ne böse Kratze.
Allein es kommt wohl schon ein Tag, wo ich es dir vergelte." -
Da sprach das schlanke Mädchen drauf zum Jüngling diese Worte:
"So wie abseits der Gärtner wirft die gelbe Gurkenstaude,
Den Kürbiss den vertrockneten, die faule Melone,
So habe deine Lieb' auch ich ganz abseits weggeworfen."
[Da redete der Jüngling drauf zum Mädchen diese Worte:]
"Ich rufe Gott zum Zeugen an, wie bös du jetzt verfährest:
Einst leidest bittre Qualen du, o Mädchen, meinetwegen."
(S. 33)


52.
Wer wandelt in der Nacht umher, wer geht bei frühem Morgen,
Und wer hat mir mein herziges Vöglein geraubt, mein schönes?
Das schöne liebe Vögelein, mein Herzblatt, mein ersehntes?
Ich wollt' wahrhaftig, dass ich gleich damals gestorben wäre,
Denn nun, so lang' ich lebe noch und auf der Erde wandle,
Seufz' ich betrübt und gräme mich, dieweil man uns getrennt hat.
(S. 33)


53.
Da sprach das schlanke Mädchen drauf zum Jüngling diese Worte:
"Ich will dir nun den ersten Kuss, geliebter Knabe, geben:
Ich, die ich sonst wohl rühmend sprach, ich wollte nie dich küssen,
Und nun hast du mit arger List, mit kluggestellten Worten
Den Sinn, der unbezwungen war, bezwungen und geknechtet.
Nun ist mir deine Liebe recht, nun folg' ich deinem Willen,
Bin nun wie Pfad für deinen Fuss, wie Boden deinem Tritte.
Nun zähle deine Worte ab, um Verse draus zu bilden,
Denn jetzt kommt uns're Mahlzeit bald, dann speisen wir zusammen,
Und dann auch bring' ich dir ein Hemd, zum Essen dich zu kleiden -
Denn was du jetzt für Kleider trägst, die sind doch sehr verstaubet.
Dann tauschen süsse Küsse wir, eh' uns das Alter findet,
Eh' uns der bittre Tod erfasst, eh' uns die Erde einschliesst.
(S. 33)


54.
Mädchen, schaff' mir Gelegenheit, Schöne, mit dir zu reden,
Damit ich dir es sagen kann, wie du mein Herz entflammest.
(S. 35)


55.
Ein Mädchen in dem grünen Kleid sitzet an einem Fenster,
Und Augen hat sie schöner noch als wie der Saphir glänzet.
Ach, wenn die Burg 'nen Durchgang hätt', und wenn das Meer 'ne Brücke,
So gieng ich hin und küsste dir die schönen Purpurlippen.
(S. 35)


56.
Herrin, was läge dir daran, was könnt' es dir wohl nützen,
Dass du den armen fremden Knab', den liebessiechen, kränktest,
Dass du den allerschönsten Knab', der dich geliebet, kränktest?
O Herrin, Liebesherrscherin, o Königin der Liebe,
Wie strahlt so hell in deinem Blick die ganze Welt der Liebe,
Der Liebesgötter ganze Schaar thront dir auf deinen Lippen.
Sei mild, o Schöne, sende mir nur ein klein wenig Liebe:
Denn, Herrin, von der Liebe Qual bin ich ganz schwach geworden.
Du lenkst die Liebesgötter ja: lass Lieb' zu Theil mir werden!
Gelitten hab' ich, Herrin, viel, in Nächten und in Tagen,
Und viel gescholten haben mich die Freunde wie die Fremden.
(S. 35)


57.
O süsser Krug, wie sehn' ich mich nach deiner sel'gen Schönheit!
Du bist ein Krug und ich ein Mensch - doch ist dein Loos das bess're,
Weil du das kühle Wasser führst zu meines Mädchens Lippen.
(S. 35)


58.
Du sagst mir, lieber Junker mein, ich sei allein zu tadeln,
Und schleuderst Klage gegen mich, dass ich mich sehr vergangen,
Da ich von dir mich fangen liess und dir zu Willen wurde.
Wohl hat die Liebe, die ich dir hege, mich viel gekostet!
Doch prahltest du und sagtest stets, du wollt'st mich nie vergessen,
Wollt'st nimmermehr verläugnen mich und keine Andre küssen,
Ja wollt'st mit keiner Schöneren auch nur ein Wörtchen reden.
(S. 35-37)


59.
Mutter, den Jüngling, den ich lieb', ihn kann ich wohl beschreiben:
Wie 'n Venetianer sieht er aus, ein stolzer Genuese,
Wie 'n Turkopule kämpfet er, ist erster im Turniere.
(S. 37)


60.
Gräme dich nicht so sehr, so sehr, verschwende nicht die Seufzer -
Jüngling, wonach dich sehr verlangt, das kannst du doch nicht haben!
(S. 37)


61.
Bist keinen Monat noch bei mir, nicht einen und nicht zweie,
Nur eine Woche hab' ich dich und fängst an mich zu grämen!
Wirst übermüthig, Mädchen, schon, beginnst dich schon zu brüsten!
Die Nachbarn haben mir's erzählt, dass du mich sehr beschimpfest.
Und wie ich, Mädchen, das gehört, hab' ich mich sehr gegrämet,
Und hab' fünf Tage zugebracht, ohne dir Gruss zu bringen,
Ohne in deine Nachbarschaft nur einen Fuss zu setzen.
Nun werd' ich von der Nachbarschaft noch obendrein getadelt,
Sie sagen, ich sei viel zu stolz und wolle Keinen grüssen.
Wenn, Mädchen, du beschimpft mich hast, hast du dich schwer vergangen.
(S. 37)


62.
Ein Mädchen hab' ich angeschaut: sie fieng mich in dem Netze.
Fest auf dem Leime sitz' ich nun, hab' meiner List vergessen,
Und denke an die Schöne nur, die mir den Sinn genommen,
Der ich mich rühmte, dass ich nie mich liess' in Liebe fangen:
Und doch hast du mit Schlauheit mich in deinem Netz gefangen,
Und nun hat sich die Liebe mir tief in das Herz genistet.
(S. 37)


63.
O hört es alle, die ihr je ein Liebesleid gelitten!
Ein schlankes Mädchen hab' ich einst zur Abendzeit geküsset,
Und ihre Arme dufteten bei Weitem mehr als Moschus,
Und meine Brust, sie duftet noch von ihrem süssem Odem,
Und meine Lippen sind noch süss von ihren süssen Küssen.
Und jetzo sind wir doch getrennt. Weh, was soll aus mir werden?
Siech bin ich jetzt, bin nah dem Tod, ich sinke und ich falle,
Nur deinen Namen ruf' ich noch, und dann muss ich erbleichen!
Dann nennt dich jeder Mörderin, Verrätherin der Seelen,
Weil Lieb' zu dir ein Menschenherz des Lebens hat beraubet.
(S. 37-39)


64.
Sei gnädig, schönes Mädchen, mir und thue mir nicht spröde,
Weil ich nicht bin aus deinem Volk und weil ich dir ein Fremder.
Wenn's dir beliebt, mein liebes Kind, so lass uns Freundschaft schliessen:
Es freun sich uns're Freunde dann und uns're Feinde trauern.
(S. 39)


65.
Hätten doch meine Augen das gesehn, hätt' ich's erfahren,
Dass ich, o süsse Herrin mein, mir deine Lieb' gewönne.
(S. 39)


66.
Des Nachts, des Tags verzehr' ich mich in Sehnen nach der Liebsten:
Ach, hätt' ich nur ein einzig Mal geküsst die Purpurlippen.
(S. 39)


67.
Ob deiner Worte staun' ich sehr, mein Schöner, allen Ernstes!
Was dir sich in dem Herzen regt, verkünden deine Lippen:
Mein Denken aber gibt mir ein, mich dir gefüg zu zeigen.
(S. 39)


68.
Wohl achtzig Mal, o Herrin, war ich deinethalb in Schmerzen:
Und alle Welt weiss schon davon, denn Jedem wird's gekündet.
Kaufe du mich als Sclaven doch, dann wär' ich ganz dein eigen,
Und diente dir, o Herrin mein, bei Nacht und auch bei Tage:
Des Nachts entflammt' ich dir das Licht mitten in deiner Leuchte,
Und leuchtete beim Essen dir wie dein getreuer Sclave.
(S. 39)


69.
Augen hatt' ich, du nahmst sie mir: hast mir das Herz entrissen:
Beraub' mich deiner Schönheit nicht, der wunderbaren Reize.
(S. 41)


70.
Wo ich geliebet, gräm' ich mich, und traure, wo ich hoffte,
Wohin ich meinen Blick gewandt, ist Kummer mir beschieden.
Wohl war 'ne Zeit - doch ist sie hin - da ich dich, Mädchen, liebte,
Und dich in meinem Herzen trug und wie ein Kleinod hegte.
Hättest mein Auge du verlangt, ich hätt' es gern gegeben.
Ich wähnte, fest im Herzensgrund sei deine Lieb' gegründet -
Und doch warst du von Falschheit voll vom Scheitel bis zur Zehe.
(S. 41)


71.
Wenn du vorbeigehst, sprichst du nicht - schaust mich und willst nicht grüssen -
Die jungen Fräulein sagen nun, die mit mir aufgewachsen,
Dass du dich nun in sie verliebt und nach mir nimmer hinblickst,
Und wenn das Mädchen schöner ist, gut - magst sie immer schauen!
Allein wenn ich die Schön're bin, dann mag sie Blindheit schlagen!
(S. 41)


72.
Du bist nicht so, wie du gesagt, nicht so, wie du versprochen:
"Liebchen, gib mir 'nen Kuss: will's Paradies dir schaffen."
Hast mir geschafft kein Paradies, hast Qualen nur geschaffen mir!
Du fasstest mich und brachtest mich in alle Qual der Liebe.
Als bösen Mann, als Grausamen muss ich dich jetzt erkennen.
Hätt' ich's gewusst, du falscher Mann, dass du dein Lieb verläugnest,
Hätt' eher ich in Sonnengluth und Brand mich aufgezehret.
(S. 41)


73.
Wo war denn Finger, wo Papier, wo Feder denn und Dinte,
Dass du zwei Wörtchen schriebest mir, ein ganz geringes Trostwort?
Und doch hat der Geliebte mir mit süssem Wort gemeldet:
"Warte nur, wie bislang du thatst: harre, wie du geharret,
Bis ich mir Finger und Papier, Feder und Dinte finde;
Dann will ich auch zwei Worte dir aus tiefstem Herzen schreiben,
Damit du armes Mädchen dir ein wenig Trost draus schöpfest."
(S. 41-43)


74.
Stets, liebe Herrin, liebt' ich dich und liebe jetzt dich mehr noch.
Wenn du's nicht glaubst, o schlanke Maid, wenn du's für wahr nicht achtest,
So frag' die Liebesgötter nur, die Menschenherz entzünden,
Die dich mir in das Herz geführt und dorten dich gepflanzet.
Ach! du zertrittst und brichst sie mir, die Blätter meines Herzens,
So wie ein Nagel, so wie Fleisch, bin ich mit dir, o Herrin.
Herrin, du bist so wie ein Strom, der Gold und Honig führet,
Du hast der Flechten gar so viel mit Schönheit und mit Zierde.
Wer nun vorbeigeht und dich trinkt, der kann fortan nicht dürsten,
Doch da ich dich, o Herrin, trank, bin ich nicht satt geworden,
Noch dürst' ich stets und sehne mich, o Herrin, dich zu trinken.
Du bist 'ne Säule von Porphyr, die im Palaste stehet,
Woran der grosse Kaiser sitzt, der Logothet auch richtet,
Du bist ein Muttergottesbild, ein Talisman des Kaisers,
Du bist der fremden Fürsten Schmuck, des ganzes Adels Ehre.
Du bist der abendliche Thau, du bist der Reif des Winters,
Du bist der abendliche Mond, du bist des Tages Sonne,
Du bist der schöne Morgenstern, die Leuchte des Palastes.
Du bist der schönste Himmelsstern, du bist des Feldes Blume,
Du bist ein vielbegehrtes Land mit vielen Kostbarkeiten,
Und aus der Sonne Strahlenglanz der eine Strahl der bist du,
Und aus der Seite Adams auch die eine Rippe bist du,
Wer Vieler Herzen lichterloh entzündet, ach, das bist du,
Und von den Nachtigallen, die da singen, eine bist du.
Leg' ich mich nun zum Schlafe hin, schau' ich dich in dem Schlafe.
Auch quälet mich der Liebesgott in vielen andern Weisen:
Denn, Herrin, denk' ich nur an dich und hab' dich in Gedanken,
So bebet mir das ganze Herz und wie ein Laub erzittert's,
Dann seufz' ich recht von Herzen auf und kann es nicht ertragen,
Dieweil sich deine Liebe mir im Herz hat eingenistet,
Und wie ein doppeschneidig Schwert mir nun das Innre schneidet,
Mir meinen Sinn verzehret ganz und alle meine Glieder.
(S. 43-45)


75.
Am Freitag fasst' mich grosse Furcht vor dir, und auch am Samstag:
Ich bitte dich, erbarm dich mein, wie Gott der Welt sich annimmt,
Und wie die Christen stets das Fest der Ostern freudig feiern,
So will ich, Liebste, ehren dich, wie meine eig'ne Fürstin.
(S. 45)


76.
Gewalt'ger Ritter, hoher Herr mit deinem goldnen Helmbusch,
Vor deiner Schönheit zittre ich, fürcht' mich vor deinem Anblick,
Dass deines Helmes weh'nde Zier zuletzt den Kopf mir raube.
Eroten sind zur Rechten mir, zur Linken sitzt die Liebe,
Die Kniee sind mir matt und schwach, es zittern mir die Hände,
Und Krampf erfasset meinen Mund, ich kann ihn kaum noch öffnen.
(S. 45)



77.
Ergössen fünfzig Quellen sich herab von hundert Schluchten
Und kämen bis zu deiner Thür' - und hätt' ich mich entschlossen,
Mit goldner Laute in der Hand zu kommen, wo du ruhest,
Und säng' ich dann zu wecken dich, und seufzt' aus Herzensgrunde -
So füllt' ich wohl die Laute an und netzte mir das Herz nur,
Das sich in Liebe ganz verzehrt, o Schönste, deinetwillen.
Ich such' zu löschen, schönes Kind, du fachst die Gluth von Neuem;
Wenn du nicht, Schöne, löschen willst mit deinen eignen Händen,
So still' ich nie der Liebe Gluth, giess Flüss' ich auch darüber.
(S. 45)



78.
Fünfmal des Tages fall' ich hin, o schöne Maid, in Ohnmacht:
Doch sage nicht, Gebieterin, ich thu's um deinetwillen.
Ich kämpfe stets den Todeskampf und immer denk' ich deiner:
Des Morgens früh, des Abends spät, und ebenso am Mittag,
Und wenn die Sonne niedergeht, kann ich's nicht mehr ertragen.
(S. 47)


79.
O Täubchen mit dem schönen Gang, geliebtes Turteltäubchen,
Ich schaute dich, da aus dem Bad du heimwärts kamst gegangen;
Und kaum hatt' ich dich angeschaut, begann mein Herz zu bluten,
Und gerne küssen möcht' ich nun den Mund dir und die Lippen.
(S. 47)


80.
Ein Täubchen wär' ich gar zu gern: dann käm' ich, wo du schliefest:
Und dann umfasst' ich dich recht fest, dass stets du mein gedächtest.
(S. 47)


81.
Erfahre, lieber Jüngling, nun die süsse Liebesbotschaft:
So viel du Jahre zugebracht in Trauer meinetwegen,
In so viel Tagen hast du nun wonach dein Herz verlanget.
(S. 47)


82.
Wie kommt es doch, dass ich ein Sclav der Liebe bin geworden,
Dass sie mir in das Herz geflösst die wundersüsse Sehnsucht,
Die Sehnsucht, die mein armes Herz vollständig mir verzehret,
Die mich in Gram hinschwinden lässt, der sicher mich noch tödtet,
So dass ich stets mich grämen muss, muss alle Tage trauern,
Dass ich zur Ruh nie kommen mag und nur zu bittern Leiden,
Aus Sehnsucht nach der Liebsten mein, nach dem begehrten Mädchen.
(S. 47)


83.
Ach wann und wie und wiederum wie und zu welcher Stunde,
Wann können wir zusammensein, damit ich mit dir rede,
Wann darf ich je erzählen dir, was deinethalb ich leide,
Von meinem schweren Liebesleid und vielgescholtnen Sehnen?
Wann kommst du, liebes Mädchen, einst und wirst dich zu mir setzen,
Dass ich dir kühnlich sagen mag, wie Liebe mich verzehret?
Wie mich die heisse Liebe quält ob deiner hohen Schönheit?
Hätt' ich dich einst getroffen doch mit blut'ger Thrän' im Auge,
Dann hätt' recht tief ich aufgeseufzt und kläglich aufgeweinet,
Vielleicht hättst du mich dann gesehn und Mitleid auch empfunden,
Und dann vielleicht auch mir erlaubt, von Liebe dir zu reden,
Mich hinzusetzen und vom Leid der Liebe zu berichten,
Von all' der Qual und all' dem Gram, den ich um dich erdulde!
Die Liebesgluth verzehrt mich ganz, es zehret mich die Sehnsucht.
Nun möcht' ich gerne Verse dir von meiner Liebe sagen,
Ein langes langes Trauerlied, das ich um dich gedichtet.
Die Verse brachen mir hervor aus meines Herzens Mitte;
Als wenn du dir Basilicum, o Schönste, aufgezogen
Und dann es in den Busen steckst und wo du hingehst, duftest,
Und Alle, die vorübergehn, den Wohlgeruch bemerken -
So hab' auch ich die Verse mir aus meinem Herz gerissen
Und an einander sie gereiht für dich wie eine Kette.
Wie ich sie schreibe, schönes Kind, so lausche meinen Worten,
Und jetzo fang' ich also an, die Liebesqual zu melden.
Es liebt ein schöner junger Mann ein wunderschönes Mädchen:
Zwei Jahre schon verzehret ihn die Sehnsucht nach dem Mädchen:
Und da der Jüngling sich verzehrt im Sehnen um die Schöne
Sendet er ihr früh morgens Wort "ich liebe dich, o Jungfrau;
Ganz im Verborgnen lieb' ich dich, und du hast's nicht erfahren:
Ganz im Verborgnen leid' ich sehr, such's vor der Welt zu tragen."
Wie dieses nun die Schöne hört, da flossen ihre Thränen,
Doch sandte sie ihm bitt'res Wort, das er nicht hören mochte.
"Du bist noch klein und bist noch jung, und weisst nicht von der Liebe:
Und wie hast du nun ausgeschwatzt, du wärst in mich verliebet?
Das fuhr mir in die Glieder ganz, hat mich im Herz gekränket,
Und wenn die Nachbarn das gehört, so tadelten mich alle."
Und darauf sprach der junge Mann zum Mädchen diese Worte:
"Woher denn weisst du, schöne Maid, dass Lieb' ich nicht verstehe?
Erst solltest du erproben mich und später erst mich fragen!
Dann hättest du es wohl gesehn, wie kleine Leute küssen,
Wie sie die Liebe gut verstehn und gut zu steuern wissen.
Die Fichte ist ein grosser Baum, doch Früchte trägt sie nimmer;
Die Aehre ist ganz winzig klein, sieh, welche Frucht sie zeitigt!
Die kleine Rebe schau' nur an, sie trägt doch gute Früchte!
Im Sommer blühet sie und trägt darauf die volle Traube,
Die Menschen essen sie mit Lust; selbst Herling' gibt's im Winter.
Und ihren Wein, den trinken sie, schlürfen ihn aus dem Becher.
Und bist du noch nicht überzeugt und willst noch nicht mir glauben,
So zieh' dir die Pantoffel an und geh' in deinen Garten,
Sieh' dort die Aepfelbäume an, die grossen wie die kleinen,
Die kleinen fangen doch den Wind so gut wohl wie die grossen."
Und darauf sprach zum jungen Mann also das schlanke Mädchen:
"O Jüngling, hundert Räthsel will ich dir zuerst noch stellen,
Und wenn du all' sie ohne Fehl lösest, will ich dich küssen."
Und darauf sprach der junge Mann zum Mädchen diese Worte:
"Ich weiss zwar, o Gebieterin, gar nichts von deinen Räthseln;
Doch will ich sammeln meinen Geist und will sie wohl bedenken:
So miss sie, Schöne, mir nur zu - ich will sie wohl auch lösen."
(S. 47-51)


84.
[Fragment]
Wo warest ehegestern du des Abends und die Nacht durch?
...... hab' ich dich gesuchet.
Herrin, so viel ich lieb dich hab', trägt nicht die Erde Kräuter,
Tragen die Bäume nimmer Frucht, trägt nicht der Oelbaum Blätter.
(S. 51)


85.
Du Vögelein in scharfer Hut, wie lang bleibst du gefangen?
Wie lang noch freuen deiner sich die eifersücht'gen Wächter?
Komm her und weil' bei denen doch, die dich recht innig lieben.
(S. 53)


86.
Weshalb nur möchte dieser uns und jener uns gern trennen?
Die Liebesgötter mögen nun uns prüfen und uns richten,
Und wenn sich's findet, holde Maid, dass ich was ausgeplaudert,
Dann soll man mit dem Schwerte mich der Lieb' in Stücke hauen -
Die Zunge mein, die Lippen mein, das Haupt am allerersten.
Doch wenn sich's findet, holde Maid, dass ich nichts ausgeplaudert,
Dann schade jenen all' ihr Lug: wir beide wollen küssen!
(S. 53)


87.
O schlankes Mädchen, bittre Qual muss ich im Herz erdulden,
Bis deine Lippen mir einmal folgenden Gruss entbieten:
'Komm, mein Gebieter, meine Schuld will ich dir endlich zahlen.'
(S. 53)


88.
Ich habe vierzig Klafter tief die Erde aufgegraben,
Die Liebe zu verbergen dort - du hast sie offenbaret,
Dass du dich offen brüsten könntst, ich flehte dich um Liebe.
Jetzt geh' ich oft daran vorbei, die ganze Welt erfährt es,
Da sagt man, du verliessest mich und willst nichts von mir wissen.
Das thut mir weh, drob gräm' ich mich und seufze schwerbetrübet.
(S. 53)


89.
O Mond, du abendliches Licht, du glänzest so wie jene!
Genossin mein auf immerdar bist du, geliebtes Mädchen.
(S. 53)


90.
O Mütze mein, so reich bestickt ringsum mit schöner Arbeit,
Wenn dich mein lieber Herr ergreift, dich auf sein Haupt zu drücken,
So bücke dich und küsse du sein Haupt, das allerschönste.
(S. 53)
 

91.
Betheure mir, geliebter Mann, mit einem wahren Eide,
Dass du dich in der Liebe nie mir treulos willst erweisen.
(S. 55)


92.
Die Nachtigall, so sagen sie, singt nicht des Nachts in Trauer,
Dann zwitschert sie des Morgens nicht und nicht am Nachmittage,
Setzt sich auch dann auf keinen Baum mit dicht belaubten Zweigen -
Doch wenn ihr dann die Lust entsteht zu schlagen und zu singen,
Singt Morgens sie ein Trauerlied und birget ihre Stimme,
Und wer es höret, sagt alsdann, der Vogel sei in Trauer.
Deshalb muss jeder Liebende auch recht verständig bleiben,
Muss sich recht üben in Geduld und sich zu Vielem schicken,
Und warten muss er seiner Zeit, muss warten seiner Tage.
Die Zeit geht hin und wandelt leicht was sonst einmal gewesen:
Am Ende kommt doch was man will - ob gern nun oder ungern.
(S. 55)


93.
Die Strasse, wo das Fenster ist, das hohe, wo du sitzest,
Durchwandr' ich, liebes Mädchen oft, doch schaut dein Aug' mich nimmer.
Und da du einst herabgeblickt, ward mir das Herz entflammet.
Auf deinen Lippen thront der Kuss, in deinen Augen Süsse,
Bezaubert hat die Braue mich, die sich in Rundung wölbet.
Ich wusste nur noch nicht dein Haus, um ganz zur Zeit zu kommen.
(S. 55)


94.
Es fliegen Turteltäubchen vier hoch oben an dem Himmel,
Jetzt heben sie sich hoch empor, schaun auf die Erd' herunter;
Sie schaun nach ihrem Schätzchen aus, mit ihnen sich zu einen.
So sucht ein Jüngling, wenn er liebt, auch immer seine Schöne,
Und sehnt sich nach ihr immerdar, um sich mit ihr zu einen.
(S. 55)


95.
Wie eine Gerte, wie ein Rohr so schlank ist, die ich meine,
Sie ist wie ein Cypressenzweig, das schöne Turteltäubchen.
(S. 55)


96.
Das Mädchen, dem du Küsse gabst, das fremde, das verwaiste,
Das selbst dir manchen Kuss geschenkt - weshalb willst du's verläugnen?
(S. 57)


97.
Was lag dir, Herrin, wohl im Sinn, was war denn wohl dein Denken,
Weil du mir keine Antwort schriebst und mich so sehr betrübtest?
(S. 57)


98.
Was hab' ich, wenn die Liebe du von mir hinweggenommen,
Wenn deine Freundschaft mir entflieht und meine Nähe meidet?
Wenn auch die schlimmen Menschen uns viel Böses nachgeredet,
Kann ich doch deine Liebe nie, mein edler Herr, entbehren.
(S. 57)


99.
Gott rief ich schon zum Zeugen an und ruf' ihn jetzt auf's Neue:
Wenn ich in deiner Liebe je mich treulos sollt' erweisen,
Will ich fortan lebendig nicht in dieser Welt mehr wandeln!
(S. 57)


100.
[Fragment]
Dein schönes Antlitz welches ist wie ..... (S. 57)


101.
Und würfen sie drei Jahre mich in Eisen deinetwegen,
Es schienen mir drei Stunden nur ob meiner grossen Liebe.
Herrin, dich lass' ich nimmermehr, will deiner nie vergessen,
Um andre Lieb' nicht, nicht um Furcht, und auch nicht um Gefängniss.
So lang' ich lebe, werd' ich stets in meinem Sinn dich tragen:
Es brennt die Liebe heiss in mir, ich kann es kaum ertragen.
(S. 57)


102.
Weitzweigige Cypresse du mit dreissig goldnen Aesten
Und mit dem breiten Blätterschmuck, mit deinem vielen Schatten,
Und mit der kühlen süssen Luft, die nur Erfrischung athmet,
Du schöner Garten, angepflanzt mit blüh'nden Rosensträuchern,
Du süsser Purpurapfelbaum, mit Aepfeln ganz beladen,
O neige deiner Jugend Glanz, mit Schatten mich zu laben,
Dass ich die Gluth mir kühlen darf in deinem kühlen Schatten.
(S. 57-59)


103.
Ich überdeck' mit Küssen ganz des Mädchens Purpurlippen
Und drücke stets auf's Neu an's Herz die zaubervollen Reize.
(S. 59)


104.
Die Lippen küss' ich, Blonde, dir, die ganz wie Moschus duften,
Die stets nur Gutes mir gesagt und Liebes mir verheissen,
Und was ich stets so sehr gewünscht von ihnen selbst zu hören.
(S. 59)


105.
Ich jammere laut, sag's aller Welt und rufe All' zu Zeugen:
Es hat sich dieses letzte Jahr recht feindlich mir erwiesen,
Die Wochen waren räuberisch, die Monate mir grausam,
Die Tage waren alle voll von Trübsal für mich ärmste,
Für meine Liebe, die ich jetzt nie zu gewinnen hoffe;
Der, den ich liebe, küsset nun - ich schau's - ein and'res Mädchen;
Und wenn ich's sehe, gräm' ich mich, und wag's doch nicht zu sagen -
Da flüstern sie ganz leise nun, da lachen sie ganz laut nun.
(S. 59)


106.
Gar manchen warmen Herzensgruss send' ich dir, liebes Mädchen,
Und deiner goldnen Jugend Glanz möcht' ich recht oft umfassen.
(S. 59)


107.
Ich send' ein Brieflein, Augenlicht: o Seele, nimm's und lies es:
Verschmähe meine Züge nicht und tadle nicht die Tinte.
Denn da ich's schrieb, entströmten mir die Thränen von den Wangen,
Die eine Hand das Brieflein hielt, die andere die Feder,
Und in dem Sinne quält ich mich, wie alles sei zu sagen.
Du blonde Maid, ganz blondes Kind, mit Locken um die Schläfe,
Mit deinem Alabasterhals, krystall- und schneeerglänzend,
Du Becher süsser Liebe voll mit purpurrothen Lippen,
O goldumhangne Leuchte du, o festgeschlossner Gürtel,
Dürft' ich mit dir umgürten mich, dass du mich drücktest, Liebste.
(S. 59-61)


108.
Ein Jahr schon ist's und beinah zwei, dass ich dich, Theure, liebe,
Und wo ich sitze, wo ich steh', muss stets ich dein gedenken.
Und halt' ich dich und küss' dich ich, wie freuet sich mein Herz da,
Und wach' ich auf und seh' dich nicht, wie klag' ich da und jamm're!
(S. 61)


109.
Die Wahrheit red' ich armer Knab: des Nachts kann ich nicht schlafen,
Und Ruhe kennt mein Herz nicht mehr, das stets nach dir verlanget.
(S. 61)


110.
Als Herz und Seele heg' ich dich, fürcht' keinen Todesengel:
Der Engel, den ich schauen soll, wird dir, Geliebte, gleichen,
Und deinen Namen ruf' ich dann und will zur Stunde sterben.
(S. 61)


111.
O Mädchen, süsses Augenlicht, mit zarten Augenbrauen,
Du Tröstung all' der Liebesqual, die ich im Herzen trage,
O ruht' ich erst an deiner Brust - werd' aus mir dann, was wolle!
(S. 61)


112.
O schönes schlankes Mädchen du, erbarm dich mein des Armen,
Hab Mitleid mit dem Leiden mein - ich leide deinetwegen:
Lass mich doch nicht verloren gehn - dich wird man sonst drob schelten!
(S. 61)


Übersetzt von Wilhelm Wagner (1843-1880)

Aus: Das ABC der Liebe
Eine Sammlung rhodischer Liebeslieder
Zum ersten Male herausgegeben
 metrisch übersetzt
und mit einem Wörterbuches versehen von Wilhelm Wagner
Leipzig 1879


siehe auch:
http://www.archive.org/details/alphavtostsagap00wagngoog



 




 


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