Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Liebeslieder der Taulischer

Anmerkung:
Das Taulische (Tualische) ist ein Unterdialekt des
Ost-ossetischen (Kaukasus)




O mein Liebchen! Blumengarten
Ist dein Name. Dein Gewand
Ist von feiner, weisser Seide.
Tätowirt ist deine Hand.

Ach der Tag wird endlich kommen,
Wo ich mein dich nennen kann.
Um den Nacken wird sich schlingen
Dieser Arm mir sel'gem Mann.
(S. 350)
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Mädchen, deine Reize haben
Mich getötet. Schwanenweich
Ist dein Nacken. Deine Augen
Sind den Falkenaugen gleich.

O wie schön sind Gottes Werke!
Voll Entzücken steh' ich hier.
Sieh', zwei starke Falken kämpfen,
Süsse Taube, über dir.
(S. 350)
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Die Nacht verging, der Tag entschwand:
Wo mag mein Liebchen sein?
Noch kommt sie nicht - und wieder schläft
Die Nachtigall im Hain.

Am Himmel steht der bleiche Mond,
Um ihn der Sterne Schar;
Die Nacht ist da - doch sie bleibt aus,
Die einst mein Liebchen war.
(S. 350)
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Ich bin des Löwen stolzer Sohn,
Des stolzen Löwen Spross,
Unrecht und Schand' ertrag' ich nicht
Wie der gemeine Tross.

Vor Schande und vor Herzeleid
Bewahre, Gott, dein Kind:
Denn meiner Liebsten Herz - ich weiss -
Das wechselt wie der Wind.
(S. 351)
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O helft mir, helft, denn ich verlor
Mein Leitgestirn.* Zersplissen
Sind meine Ruder, der Anker fort,
Und meine Segel zerrissen.

Nun sinkt mein Kahn wohl auf den Grund
Des Meeres tief hinab,
Und Schiff und Segel deckt zumal
Ein kühles Wellengrab.
(S. 351)

* d. h. meine Geliebte

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übersetzt von August Seidel (1863-1916)

Aus: Beiträge zur Volks- und Völkerkunde
Siebenter Band: Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur
Herausgegeben von August Seidel
Weimar Verlag von Emil Felber 1898

(Anmerkung von August Seidel: Die Volkslieder
sind aus der Chodzkoschen Sammlung entnommen
und von mir aus dem Englischen metrisch übersetzt.)


[Alexander Chodzko (1804-1891) Popular poetry of Persia transl. London 1842]





 


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