Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Türkische Liebeslieder



I.
In den Weingarten bin ich gegangen,
Trauben gibt es nicht.
Auf eines anderen Geliebte habe ich kein Auge.
Meinen Schatz habe ich erzürnt.
Mich auszusöhnen, bringe ich nicht fertig
(wörtlich: schäme ich mich).

Einen Apfel warf ich in die Luft
Er fiel auf eine Diele.
Die Diele hat sich gespalten
Mein Schatz hat sich an meinen Hals geworfen.
Hopp-hopp, wie schön ist mein Schatz, wunderschön.
Wir werden uns wieder versöhnen, wahrlich.

Auf dem Dache ist eine Schenke,
Ich brenne für die dicken Frauen.
Wenn eine dicke die meine wird,
Bei Gott, ich geb sie nicht dem Feinde
(d. h. wohl: ich gönne sie keinem anderen).
Hopp-hopp, etc.

Meine Türe hat zwei Flügel
Mein Schatz hat Wangen wie ein Apfel
Mein Schatz ist ganz wunderschön, aber
Ein wenig trotzig, wie eine Griechin.
Hopp-hopp, etc.

Zum Brunnen stieg ich hinunter,
Mein Kopf berührte den Brunnenstein
Was Liebe sei, hatte ich nicht gewusst,
Jetzt ist sie mir an den Kopf geflogen.
Hopp-hopp, etc.
(S. 184)
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II.
Bezwungen bin ich worden, ich von einer Rosenblüte,
Und wieder fiel ich (ins Gerede)
von einer Zunge zur anderen.
Wenn bloss ich Gelegenheit fände,
wenn bloss ich zu meinem Schatz kommen könnte!
Wenn nur ich umarmen könnte
ihre schlanke Taille
Ich umarme sie; von keinem sonst
lasse ich sie umarmen.

In jedem Jahre gibt es zwei Bairam-Feste.
Verwundert bin ich über des Mädchens
vollendete Schönheit,
Verwundert über ihren zuckersüssen
weissen Hals.
Wenn nur ich umarmen könnte etc.

Ich gehe, sie soll euch gehören.
Auf das Schwarze Meer will ich fahren.
Über Wiesen und Auen will ich gehen.
Wenn du mir einen andern liebst,
Auf beiden Augen sollst du erblinden!
(S. 185)
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III.
Zum Raki, den wir getrunken haben,
Schicke die Zukost, oh Schenke
Halloh, rasch! Ich gehe, es hat mich gepackt
Die Begierde nach Rosa Hanym!
Ach, ach, die Wunderbare, ach!

Die Türen sind stark
Die Nachbarn sind grausam.
So öffne doch die Türe, alte Frau.
Rosa Hanym ist jetzt mein Schatz.
Ach, ach, die Wunderbare, ach!

Ich bin (wie) der Sand im Mittelmeere
Ich bin (wie) die Schuppen der Fische
So öffne doch die Türe, Frauchen,
Ich bin ein Diener Gottes.
Ach, ach, die Wunderbare, ach!
(S. 186)
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IV.
Die Jugend ist zwar entflogen (aus der Hand)
Aber aus dem Sinne weicht nicht die Liebe.
Mein Leben ist zerstört und dahin
Die Liebe nur ist geblieben.

Man soll hören diese Klage,
Wenn ich sterbe, noch aus meinem Grabe:
Mein Leben ist zerstört und dahin
Nur die Liebe die ist noch geblieben.
(S. 186)
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V.
Von jenem der da kömmt, möchte ich wohl,
Wahrlich, das Hufeisen von seinem
Pferde möchte ich sein
Wahrlich, von seinem bunten Gürtel aus Tripoli
Möchte ich wohl die Frange sein.
Komm' doch, Kleinchen, oh Kleinchen!
Schwebend komme, du mit dem
Male am Kinne.

Drüben sind kurdische Häuser
Es zerstreuen sich (weidend) die Kamele.
"Sie" sitzt und melkt die Schafe
Rosig wird ihr Busen.
Komm doch, Kleinchen, etc.

Jene, die da kömmt, wessen Tochter ist sie?
Ihre Backen sind rot.
Auf der Wange hat sie fünf Muttermale,
Ich dachte es sei der Morgenstern.
Komm doch, Kleinchen, etc.
(S. 187)
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VI.
Süss ist ihre Art und jung ist sie an Jahren.
Von ihrem Dufte kann man nie satt werden.
Sie ist eine Blume,
Wahrlich was für eine Blume.
(S. 188)
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VII.
Mutter ich bin krank, ich brauche einen Arzt,
Ende der Woche will ich die Hochzeit.
Den Schatz, den ich nehmen soll, zeige mir.
Mutter, ich bin getroffen;
ich brenne für ihn,
Djemil Beg Tekir-daghly,
der kann mir helfen.

In einer engen Strasse fand ich fünf Para (=zehn Pfennige)
Die Mädchen dieses Jahrhunderts
sind kokett
Mutter ich bin krank, ich brauche einen Arzt
Ende der Woche will ich die Hochzeit.

In der engen Strasse habe ich nicht springen können,
Meine Waffe entfiel mir,
ich habe sie nicht aufgehoben.
An meinen Feinden habe ich mich nicht gerächt.
Mutter, ich bin getroffen,
ich brenne für ihn,
Djemil Beg Tekir-daghly,
der kann mir helfen.

In der engen Strasse haben sie mich geschlagen,
An den Händen habe ich Fesseln
am Hals eine Kette
Die Kette schmerzt bei jeder Bewegung.
Mutter, ich bin getroffen,
ich brenne für ihn,
Djemil Beg Tekir-daghly,
der kann mir helfen.
(S. 188-189)
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VIII.
Dieses Judenmädchen ist wahrlich blühend,
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne Jüdin.
Wir lieben, wahrlich, was weiss wie Schnee ist,
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne Jüdin.
Ihre Schuhe sind Arbeit von Smyrna
und gewichst, oh.
Erbarmen, oh schöne Jüdin,
Komm' doch, Selma, mit den verliebten
schwarzen Augen, Selma.

Dieses Judenmädchen wird zum Islam übertreten.
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne Jüdin,
Wir wissen, wahrlich, sie wird mich heiraten
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne Jüdin.
Ihre Schuhe sind Arbeit von Smyrna etc.

Dieses Judenmädchen geht ins Bad,
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne Jüdin,
Wir wissen, wahrlich, sie wird rein,
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne Jüdin.
Ihre Schuhe sind Arbeit von Smyrna etc.

Zwei Damen stehen und schauen vom Dache
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne Jüdin,
Wir wissen, wahrlich, vieler Leute Seelen
setzt sie in Brand,
Erbarmen, Erbarmen, oh schöne Jüdin.
Ihre Schuhe sind Arbeit von Smyrna etc.
(S. 189-190)
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IX.
Oh du niedlich in den Hüften
dich wiegendes Kind,
In Brand gesetzt hast du die ganze Welt;
Wenn du schon brennst, so entflamme
doch nur mich allein
Nicht setze die ganze Welt in Brand.

Dich hab ich geküsst, dich hab ich geliebt
Erbarmen, du blühendes Kind,
für dich da bin ich erglüht.

Wer dich liebt (und ein Held ist ???)
(Der hat Kummer, deinetwegen ???).
Aber für dich, meine Schönste
Gibt es keinen besseren Schatz als mich.
Dich hab ich geküsst, etc.
(S. 190-191)
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X.
Dich hab ich geliebt, geliebt als ich
ein Kind noch war!
Wie eine Rose bin ich verwelkt,
ich Arme, mein Beg!
Im Liebeskummer bin ich vergrämt, mein Beg!
Mein Beg, dahin schwind ich im Liebesgram.
(S. 191)
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XI.
Zwei Nachtigallen kamen
und setzten sich ins Schilf.
Oh grüsset von mir
die sich zierende Menusch.
Oh rufet mir meine Menusch;
meine Wunde die soll sie verbinden,
Für meine blutende Wunde Arznei
soll sie bringen.

Zwei Nachtigallen kommen und setzen
sich hin auf die Klette.
Oh grüsset von mir doch
die zierliche Jette
Oh ruft doch die Jette,
meine Wunden zu verbinden,
Für meine blutenden Wunden
Arznei soll sie bringen.
(S. 191)
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XII.
Kommet, Mädchen, kommet,
weinet alle zusammen,
Legt ab die bunten Kleider,
legt schwarze an
Wenn der Mann mit dem Maultier kömmt,
sagt ihm die Wahrheit.
Töte nicht, Muslim, töte nicht,
Gestehe dein Verbrechen.
Mein Schicksal, Mutter, hat sich erfüllt,
Wieder bin ich zur Witwe gemacht.

Meines Abdul Häuser liegen nebeneinander
Die goldgestickte Jacke ist mit Blut getränkt
Muslim, wie hast du eine solche
Seele vernichten können.
Töte nicht, Muslim, töte nicht, etc.

Des Abdul Eheweib, diese Frau Zeinep
Um den Hals trägt sie fünfzehn
grosse Goldstücke,
Deren Wert ist gross,
man kann sie nicht kaufen.
Töte nicht, Muslim, töte nicht, etc.

Des Abdul Haus ist voll von glänzenden Spiegeln
Mein Pferd bringe ich gesattelt und gezäumt
Wenn du dem Muslim frägst,
o Jesid-Gläubiger.
Töte nicht, Muslim, töte nicht, etc.

Von der Landungsbrücke ist (schon)
aufgebrochen die Vorhut der Kamele
In meiner Hand habe ich die Walze
und im Ofen den Rost
Von rotrotem Blut ist gefärbt
der Saum des Kleides.
Töte nicht, Muslim, töte nicht, etc.
(S. 192-193)
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XIII.
Schatz, Schatz, Schatz, für wen
bin ich entbrannt, Schatz?
Stambul hab ich verlassen,
wohl über die See.
Verliebt hab ich mich
in die Augen von? Dir?
Hör nicht, sagte ich, aber du hörtest
auf die anderen.
Auf dem Zweiglein schaukelt
die Birne sich, auf dem Aste
der Vogel, Schatz, Schatz!
Mit jedem Kusse werden deine
Kirschenlippen süsser, ach, ach.

Schatz, Schatz, Schatz, für wen bin
ich entbrannt, Schatz?
Aus Stambul lasse ich meinen Fess kommen,
Wenn ich sterbe, wer wird um mich
weinen, Schatz, Schatz
Hör nicht, sagte ich, aber du hörtest
auf die anderen.
Auf dem Zweiglein schaukelt
die Birne sich, auf dem Aste
der Vogel, Schatz, Schatz.
Mit jedem Kusse werden deine
Kirschenlippen süsser, ach, ach.
(S. 193-194)
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XIV.
Als ich nach Skutari ging, fand ich
ein Taschentuch.
Rahat-lokum tat ich hinein ins Tuch
Als ich meinen Kjatib suchte, fand ich
ihn an meiner Brust
Er gehört mir, ich gehöre ihm,
was gehts die andern Leut an;
Meines Kjatib neuer Anzug,
wie schön er ihm steht.

Ich will nicht, ich will nicht,
solchem Luxus trau ich nicht.
Einen Wagen will ich nehmen,
dich mein Schatz drin 'rumzufahren,
Musikanten lass ich spielen,
dich mein Schatz zu amüsieren.

Als wir von Skurati zurückkamen,
da hat uns das Wetter erwischt,
Mein Kjatib ist ganz verschlafen
und verkatert auch.
Sein schöner langer Rock
ist ganz voll Kot jetzt,
Aber er gehört mir, ich gehöre ihm,
was gehts die andern Leut an;
Meines Kjatib neuer Hemdkragen,
wie schön er ihm steht.
Ich will nicht, ich will nicht, etc.
(S. 194-195)

Rahat-lokum: Sultansbrot; Zuckerwerk
Kjatib: wörtlich Schreiber, d. h. kleiner Beamter
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XV.
Der Tod, ist er fars oder sunnet?
Wegen einer Seele werde ich mich
nicht demütigen.
Und wenn es selbst hiesse, hier,
tritt ein ins Paradies -
Ohne mein Liebchen trät' ich nicht ein,
lieber verzicht ich.

Und wenn es selbst hiesse,
die Morgenröte sei da
Und wenn sie selbst Reiter
auf jeden Weg stellten,
Und wenn man ausstechen wollt' gar
mir die Augen,
Ohne mein Liebchen trät' ich nicht ein,
viel lieber verzicht ich.
(S. 195)

fars ist das Wort Gottes, sunnet ist die Überlieferung des Propheten.

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XV. A.

(Er) Was soll der Granatstrauch ohne Granatäpfel,
Was soll der Rosenstrauch ohne Rosen.
Was soll der Bursche ohne einen Schatz.
(Sie) Lass mich in Frieden, geh, Churschut.
(Er) Aus der Scheide zog ich das Schwert,
Die Hoffnung schnitt ich aus dem Herzen
Eher sterb ich, als dass von dir ich lasse.
(Sie) Gib mir doch Ruhe, geh, Churschut.
(Sie) Churschut, du frevelst gegen Gott,
Gesetz und Sitte,
Du, von allen Helden der herrlichste,
Du dieses Landes der einzigste -
Lass mich in Frieden, geh, Churschut.
(S. 196)
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XVI.
(Sie): Bitte, Müller, sei so gütig,
Mahle meinen Weizen, meinen Weizen
Ich schenk dir meinen Halsschmuck.

(Der Müller): Es geht nicht, Mütterchen, es ist vergeblich,
Mit deinem Halsschmuck
kann ich nicht mahlen;
Mein Bruder hört es, er mag es nicht leiden.

(Sie): Bitte, Müller, sei so gütig,
Mahle meinen Weizen, meinen Weizen
Ich schenke dir mein ganzes Gold.
(Der Müller): Es geht nicht, Mütterchen,
es ist vergeblich,
Mit deinem Gold kann ich nicht mahlen;
Mein Bruder horcht auf,
er mag es nicht leiden.

(Sie): So gib dich zufrieden, Müller, ich bitte,
Mahle meinen Weizen, meinen Weizen
Ich gebe dir meine Tochter.
(Der Müller): Dies geht, Mütterchen,
jawohl, dies geht
Mit deiner Tochter kann ich mahlen.
Gebrochen war ein Flügel, rasch wird er gemacht.
(S. 196-197)
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XVII.
Zeinep, wie bist du die schönste
in deinem Stamm,
Wie duftet dein Busen
wie bunt bunte Rosen
In der heiligen Nacht im Monat Bairam.
Oh meine Zeinep, meine Zeinep,
meine schöne kleine Zeinep
In drei Dörfern hochgerühmte
schöne Zeinep.

Meine Zeinep hat sich auf den Stein gesetzt.
Sie schenkt ein, sie schenkt ein,
schenkt dem Freunde ein.
Sie hat mich grüssen lassen;
wie mich das wohl freut.
Oh meine Zeinep, meine Zeinep, etc.

Meiner Zeinep lass ich machen
einen goldnen Kamm
Kämme deine Locken,
lass sie fallen in den Nacken
Zu Zeinep will ich gehen,
mein Weg ist gar weit.
Oh meine Zeinep, meine Zeinep,
meine schöne kleine Zeinep
In drei Dörfern hochgerühmte
schöne Zeinep.
(S. 198)
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XVIII.
Im Garten wächst Ytyrschah,
Schön und prächtig, wie der Schah,
Wenn zwei Herzen richtig einig sind
Kann nicht sie trennen, selbst der Padischah.

Komm auf dem Fusssteig, Schatz,
auf dem Fusssteig;
Auf der Strasse ist es schmutzig,
komme auf den Steig.
Mir gehörst du, komm zu mir
Komm am Abend Schatz,
Wenn du willst Schatz, oder
komm am Morgen.

Im Garten gibt es Artischoken,
Artischoken gibt es vielerlei (?)
Meinen Schatz den kenn ich,
Am Hals hat er ein Mal.
Komm auf dem Fusssteig, Schatz,
auf dem Fusssteig, etc.
(S. 198-199)

Ytyrschah: wohlriechende Kletterpflanze;
wörtliche Übersetzung des persischen Wortes: Wohlgeruch des Schah

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XIX.
Das Wetter wird trüb jetzt, 's gibt
wohl bald Schnee,
Im linken Aug' zittert's mir, heut
kömmt wohl mein Schatz.
(S. 199)
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XX.
O mein Mehmed, oh mein Mehmed,
komm leg dich auf meine Kniee,
Mit sürme will ich malen deine
braunen grossen süssen Augen.
Höre nicht, bat ich, und doch hast du
gehört auf die Rede der andern.
Komm doch, oh so komm doch,
oh mein Mehmed, du hast mirs angetan.
Reiche Mastika mir, ein volles Glas,
mit deiner feinen Hand.

In Smyrna die Strasse ist blutig,
man kann gar nicht gehen.
Auf diesen schönen Mehmed
kann man nicht verzichten
Und die in den Mehmed verliebt sind,
die kann man gar nicht zählen.
Oh mein Mehmed, oh mein Mehmed,
du hast mirs angetan.
Reiche Mastika mir, ein volles Glas,
mit deiner feinen Hand.
(S. 200)

sürme: schwarze Farbe, mit der die Orientalen schon
seit den ältesten Zeiten die Lidränder schminken.

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Aus: Felix von Luschen [1854-1924]
Einige türkische Volkslieder aus Nordsyrien
und die Bedeutung phonographischer Aufnahmen
für die Völkerkunde
(Sonderabdruck aus Zeitschrift der Ethnologie Band 36)
Berlin 1904



 


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