Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Wendische Liebeslieder



Dahin!

Er
Wo ist mein lieber Goldfuchs hin,
Auf dem ich 'rum getrabt?
Wo ist mein herzig Mägdlein hin,
Das ich so lieb gehabt?

Zu Schanden hab' ich ihn gejagt,
Und sie bekam ich nicht;
Zu Schanden hab' ihn gejagt,
Und sie bekam ich nicht.


Sie
Ach, wo sind meine Nächte hin,
Die ich durchwachet hab'?
Ach, wo sind meine Nächte hin,
Die ich durchwachet hab'?

In Tüchlein hab' ich sie vernäht
In Tüchlein seidenfein,
Verflochten sie in Kränzelein.
In Rautenkränzelein.


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 42)
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Erkaltete Liebe

Als ich des Morgens ging nach Haus
Durch einen grünen Hain,
Begegnet mir ein Mägdelein,
Dass einstens meine war.

Das Mägdelein das sagt zu mir:
'Wo warst du doch, mein Schatz?
Wo warst du doch, mein lieber Schatz,
Dass du nicht zu mir kommst?'

Bin heut gewesen anderswo
Mit dem Gefährten mein,
Den nächsten Sonntag wieder komm'
Ich ganz gewiss zu dir.

Wenn auf den nächsten Sonntag nicht,
So auf den zweiten doch,
Und wenn auch auf den zweiten nicht,
Doch auf die kleine Kirms'.

Wenn auf die kleine Kirmes nicht,
Doch auf die grosse Kirms,
Und wenn auch auf die grosse nicht,
So doch im künft'gen Jahr.

'Ja wenn dir's eher nicht beliebt,
So bleibe wo du bist,
Wohin du deinen Ingwer trugst,
Trag deinen Pfeffer auch.'


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 43)
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Die Begegnung

Kehr um auf die rauhe Seite den Stein!
Zum Liebsten nicht konnte das Mägdelein.

Die Hügel, die Thäler durchlief sie, o weh!
Den Liebsten den fand sie doch nimmermehr.

Gegangen ist's Mägdlein mit traurigem Sinn,
Gegangen auf breiter Strasse dahin,

Wohl auf der breiten Strasse dahin,
Wohl durch die Dresdner Haide dahin.

Da ist ihr begegnet ein Reiter werth
Auf einem Goldfuchs, dem muthigen Pferd.

'Wo gehest du hin, mein Mägdelein,
Wo gehest du hin, mein Liebchen fein?'

"Ich gehe, ich gehe, ich gehe nur
Den Liebsten zu suchen auf Berg und Flur."

'Wohl kenne ich gut den Liebsten dein,
Dein Liebster der wird jetzt in Dresden sein.

Grau ist ihm geworden sein Bart und Haar,
Verrostet sein blitzend Schwert ganz und gar,

Zerrissen ist ihm sein schönes Kleid,
Die rothe Wange ist ihm erbleicht.

Doch willst von dir Kunde du geben ihm,
Ich nehm' dir sie mit, ich bringe sie ihm.'

"So viel als es Riedgras nach Dresden hin giebt,
An jedem Riedgras es Blümelein giebt,

Auf jedem der Blümelein ein Tröpflein perlt,
So viele Mal grüsse den, den ich geliebt.

Mag grau ihm geworden sein Bart und Haar,
Mag's Schwert ihm verrostet sein ganz und gar,

Mag sein ihm zerrissen das schöne Kleid,
Mag sein ihm die rothe Wange erbleicht:

So will ich doch immerdar treu ihm sein,
Gleichwie in dem Wasser die Lilie rein,

Gleichwie in dem Meere das Sandkörnlein,
Gleichwie auf der Eiche das Blättelein,

Gleichwie auf der Eiche das Blättelein,
Wie unter der Eiche das Gräselein."

'Kennst, Mägdelein, du nicht den Goldfuchs mehr,
Kennst, Mägdelein, das blitzende Schwert nicht mehr?

Kennst, Mägdelein, das blitzende Schwert nicht mehr,
Kennst, Mägdlein, du deinen Geliebten nicht mehr?'

"Wenn ich den Goldfuchs vergessen hab',
Das blitzende Schwert nicht mehr erkannt,

So kenn' ich auch meinen Geliebten nicht mehr,
Er kommt ja ganz anders gekleidet daher,

Gekleidet in scharlachrothen Sammt,
In lauter hellem grünen Brabant;

In lauter hellem grünen Brabant,
Ganz so als wär' er ein Edelmann."

'So tritt nun, mein Mägdelein, auf mein Schwert,
Von meinem Schwerte steig' auf mein Pferd,

Von meinem Schwerte steig' auf mein Pferd,
Denn nun sollst ewig mein eigen du sein.'


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 44-45)
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Die gemalte Rose

Die Kälbermagd füttert die Kälbchen ab,
Der Bursche das Thürchen dem Mädchen vertrat.

'Geh' mir aus dem Wege, du Liebster mein,
Dass füttern ich möge die Kälbchen klein.'

"Eh' werd' ich dir nicht aus dem Wege gehn,
Eh' du nicht versprichst mir, die Meine zu sein."

'Nicht eher versprech' ich die Deine zu sein,
Bis Winters mir blühet das Röselein.'

Sein Rösslein das wendet der Bursche alsbald,
Und gradewegs sprengt er zum Maler hin.

"O Maler, o mal' mir ein Röselein:
Das erste der Blättlein soll roth mir sein,

Das zweite der Blättlein das male grün,
Das dritte das male mir schön gestreift."

Der Maler der hat ihm das Röslein gemalt,
Das Gärtlein das hat dort im Glanze gestrahlt;

Der Bursche der hat dort das Röslein bezahlt,
So dass sich die Tische tief bogen ein,

Von harten Thalern zog viel er heraus,
Auch Gulden aus Lüneburg zahlte er aus.

Der Bursche der wendet das Rösslein sein,
Er reitet nach Hause zum Mägdelein.

"Hier hast du nun, Liebchen, ein Röselein,
Das mitten im Winter erblühet ist."

'Das ist ja nicht mitten im Winter erblüht,
Das hat dir gewiss wohl der Maler gemalt.'

"Hat er mir's gemalt oder nicht gemalt,
Das Röslein ist mitten im Winter erblüht."

'Was hab' ich doch Ärmste gedacht und gethan,
Dass ich mit dem Burschen zu scherzen begann.

Weil ich mich im Scherze liess mit ihm ein,
Muss ich nun durch Scherz auch sein eigen sein.'


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 47-48)
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Ungetheilte Liebe

Zwei weisse Füsse Täubchen hat,
Der Bursch zwei schöne Liebchen hat.

Und wenn er mit der einen sprach,
Die andre seufzte Weh und Ach.

'O seufze nicht, mein Mägdelein,
Du sollst ja auch mein Liebchen sein.'

"Mit solcher Liebe lass mich sein,
Ich will dich haben ganz allein."

Da nahmen sie sich bei der Hand,
Und führten sich am Wiesenrand.

Und mitten auf dem Wiesenplan,
Da trafen sie zwei Schlösser an.

'Nun will ich, Mägdlein, dass du sagst,
In welchem du wohl wohnen magst.'

"Wo du willst, Liebster, mag es sein,
Hab' ich nur dich, nur dich allein."

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 48)
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Unzertrennliche Liebe

Abends, des Abends war's finster gar sehr,
Niemand im Dörfelein leuchtete mehr.

Niemand mehr leuchtet' im Dörfelein,
Sang keine Lerche mehr dort am Rain.

Heim führt der Bursche sein Mägdelein,
Führet vorbei sie am grünen Hain,

Führt sie am Weidengebüsche vorbei,
Redet so viel und so mancherlei.

Vieles erzählten dort beide sich,
Klagten die Noth sich so bitterlich.

'Wirst du gescholten, mein Liebchen, um mich,
Werd' ich hingegen gescholten um dich.

Möge die Liebe sich trennen geschwind,
So wie wir früher vereiniget sind.

Möge sich trennen mit Regen und Wind,
So wie wir früher vereiniget sind.

Möge sie sich mit dem Winde verwehn,
Und in dem fliessenden Regen zergehn.'

"Fest ist der Stahl und das Eisen gar sehr,
Unsere Liebe ist fester noch mehr.

Eisen und Stahl trennt der Hammer gar bald;
Unsere Liebe weicht keiner Gewalt.

Eisen und Stahl sie verschwinden, vergehn;
Unsere Liebe wird ewig bestehn."

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 53)
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Die trauernde Geliebte

Ich bin traurig bis zum Sterben,
Darf's doch Niemandem vertrau'n.

Traurig lege ich mich nieder,
Traurig steh' ich wieder auf.

Weit von mir ist der Geliebte,
In der Fremde, in dem Krieg'.

Wenn er wüsste, was ich denke,
Würd' er kommen, trösten mich.

Doch wohl würd' er also sagen:
Schweige, Mädchen, weine nicht.

Mir ist ja um dich, um deine
Holde Schönheit selber leid.


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 67)
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Das überredete Herz

Wie so ganz traurig ist mein Herz,
Dass es verführet ist.
Verführet ist es nicht, ach nein,
Nur überredet ist's.

Durch ein so schönes Mägdelein,
Durch ihren feinen Mund,
Durch ihrer Wangen Rosenroth,
Durch ihrer Stirne Glanz.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 104)
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Nelken und Muskate

In meines Vaters Garten stehn
Zwei Bäume sich so nah.
Auf diesem wachsen Nelken hier,
Muskat auf jenem da.

Die braunen Nelken riechen gut,
Muskate schmeckt so süss.
Äss' mein Geliebter eine nur,
Blieb er mir treu gewiss.

Wie will er essen eine nur,
Wenn er kein Wörtlein spricht.
Ein Wörtlein, ja, das spricht er wohl,
Doch mir nur gönnt er's nicht.


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 104)
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Erkaltete Liebe

Mägdelein wandelt' im Garten herum,
Liebster der fuhr an dem Garten vorbei.

'Sage, wonach du blickst, Mägdelein mein,
Sage, wonach du blickst, herzliebes Kind?

Blicktest du hin nach den Äpfelchen roth,
Blicktest du hin nach der Laube so grün?'

"Nicht blick' ich hin nach den Äpfelchen roth,
Nicht blick' ich hin nach der Laube so grün.

Nicht blick' ich hin nach der Laube so grün,
Sondern nach meinem geliebtesten Freund."

'Lass dir's nicht, Mägdlein, zu Herzen gehn,
Dass dein Geliebter ein Falschbub' ist.

Dass dein Geliebter ein Falschbub' ist,
Gestern versprach einer andern er sich.'

"Mag er versprochen sich haben, mag's sein,
Wie er es will, im Namen des Herrn.

Alles das wird mir ja kommen zurück,
Wenn zu Verstande er kommen wird.

Sein liebes Leben ist ja noch so jung,
Sein liebes Köpflein ist ja noch so schwach.

Boshafte Leute beredeten ihn,
Falsche Gefährten verführten ihn.

Ich aber gönn' ihm all Liebes und Gut's,
Ich aber wünsche von Herzen ihm Glück.

Schlimm wird's ihm gehen und leid wird mir's thun,
Gut wird's ihm gehen und gern werd' ich's seh'n."

'Dank dir, o Dank dir, du Mägdelein mein,
Dass du mir Gutes hast zugedacht.

Da du so alles Gute mir gönnst,
Müssen wir balde nun unser sein.

Voriges Jahr warst mein Schätzelein fein,
Heuer wirst du nun mein Eheweiblein.'

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 119-120)
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Weiblicher Edelsinn

Gedenkst du an mich noch, Schönliebster mein,
An unsere Liebe so treu und so rein?

Gedenkst du, wie sonst wir uns waren so gut,
Und nun ganz erloschen der Liebe Gut?

Das wird dir, mein Liebster, noch kommen gewiss,
Dass mich so dein falsches Herze verliess.

Doch soll es dir leid sein, wird schlimm dir es gehn,
Wird gut es dir gehen, gern werd' ich es seh'n.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 127)
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Das bedeutungsvolle Röslein

Röslein, mein Röslein mir besser gefällt,
Als wie die ganze weite breite Welt.

Schau' ich mein liebliches Röselein,
Denk' ich gleich an die Geliebte mein.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 127)
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Die Birnen

Dort auf Sprembergs grünen Höh'n,
Ja, ist ein Birnbaum zu sehn.

Hat geblüht im Sonnenschein,
Ja, hat gereift im Mondenschein.

Kam daher ein leiser Wind,
Ja, Birnlein fielen ab geschwind.

Bursche las die Birnen ein,
Ja, trug sie hin zum Mägdelein.

An ihr helles Fensterlein,
Ja, in ihr weisses Bettelein.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 131)
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Beharrliche Liebe

'Abend schon winket,
Die Sonne sie sinket
Und bald wird es Zeit sein,
Zu reiten heim.

Liebchen, nicht wieder
Vom Fenster schau nieder,
Wenn dort auf dem Wege
Ich reite heim.

Schau auf die Seite,
Denn falsch sind die Leute
Beneiden uns beiden
Die Lieb' und Treu.'

"Lass sie nur grollen
Und thun was sie wollen:
Wir werden verbunden
Darum doch sein.

Wird's nicht zum Frühjahr sein
So wird es über's Jahr sein:
Wir werden verbunden
Darum doch sein.

Wird's nicht im Land' sein,
So wird's ausser Land's sein:
Wir werden verbunden
Darum doch sein.

Geht's nicht zur Thür' ein,
Grab' unter der Erd' mich ein:
Wir werden verbunden
Darum doch sein."

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 148-149)
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Die traurigen Gedanken

Den Abschied gegeben hat Herzliebchen mir:
Wohin ich will könnt' ich nun hingehen von ihr

Mag hingehn, wohin ich will, hinter mir her
Gehn meine Gedanken so traurig und schwer.

Das Herz thut mir wehe, zum Tode betrübt,
Und alles das, weil es, mein Mädchen, dich liebt.

Ein Körbchen gegeben hat Herzliebchen mir,
Ich sollt' in die Pilze gehen von ihr.

Mag hingehen, wohin ich will, hinter mir her
Gehn meine Gedanken so traurig und schwer.

Das Herz thut mir wehe, zum Tode betrübt,
Und alles das, weil es, mein Mädchen, dich liebt.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 159)
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Sie kann ihn nicht vergessen

In meines Vaters Hofe
Da steht ein Reitertross.
'Ach, meine lieben Reiter,
Ich klag' euch meine Noth.

Hab' meinen Schatz verloren,
Habt ihr ihn nicht gesehn?'
"Im Hain, im Wald, im grünen Wald,
Dort lieget er und schläft."

'Was wächst auf seinem Grabe?'
"Ein grüner Rosmarin."
'Was steht darauf geschrieben?'
"Du sollst vergessen ihn."

'Wie sollt' ich ihn vergessen,
Wenn ich ihn immer seh?
Seh' ich ihn nicht am Tage,
Träum' ich doch Nachts von ihm.'


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 169)
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Räthsel

'Nun sage mir, mein Mägdelein:
Was mag im Winter grüne sein,
So schön, so frisch, so grün?'

"Das Tannchen auf dem Berglein dort,
Das grünt im Winter immerfort,
Das ist so frisch, so grün."

'Nun sage mir, mein Mägdelein,
Was mag im Sommer ohne Blüthe sein,
Wohl ohne Blüthe weiss?'

"Am Berglein dort steht Farrenkraut,
Daran man keine Blüth' erschaut,
Wohl keine Blüthe weiss."

'Nun sage mir, mein Mägdelein,
Was theurer mag als Silber sein,
Als Silber rein und klar?'

"Mein Rautenkranz, die Ehre dein,
Muss theurer wohl als Silber sein,
Als Silber rein und klar."

'Nun sage mir, mein Mägdelein,
Was leichter mag als Federn sein,
Als federn von der Gans?'

"Wenn wir zusammen kommen hier,
Das ist ja leichter dir und mir
Als Federn von der Gans."

'Nun sage mir, mein Mägdelein,
Was ist wohl schwerer als ein Stein,
Wohl als ein Mühlstein gross?'

"Wenn von einander scheiden wir,
Das ist ja schwerer dir und mir
Als wie ein Mühlstein gross."


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 177)
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Der Wettstreit

'Mädchen, willst du unser bleiben,
Kennen lernen fremdes Land,
Musst ein Söhnlein du empfangen,
Bleiben eine Jungfrau rein.'

"Soll ein Söhnlein ich empfangen,
Bleiben eine Jungfrau rein,
Musst du mir ein Wieglein machen,
Doch dran schneiden keine Schnitt."

'Soll ich dir ein Wieglein machen,
Doch dran schneiden keinen Schnitt,
Musst du mir die Windeln waschen,
Doch bleib' Seif' und Wasser fern.'

"Soll ich dir die Windeln waschen,
Doch bleibt Seif' und Wasser fern,
Musst du mir nun alsbald sagen:
Wo mein jüngster Bruder ist."

'Soll ich dir jetzt alsbald sagen,
Wo dein jüngster Bruder ist,
Musst du mir von Pferdehaaren
Seide spinnen weich und fein.'

"Soll  ich dir von Pferdehaaren
Seide spinnen weich und fein,
Musst du mir ganz ohne Krümmung
Spillen machen nur von Schilf."

'Soll ich dir ganz ohne Krümmung
Spillen machen nur von Schilf,
Musst du mir die Sterne zählen,
Welche an dem Himmel stehn.'

"Soll ich dir die Sterne zählen,
Welche an dem Himmel stehn,
Musst du eine Leiter machen,
Dass hinauf ich steigen kann."

'Soll ich eine Leiter machen,
Dass hinauf du steigen kannst,
Musst du mir die Tropfen zählen,
Welche fallen niederwärts,'

"Soll ich dir die Tropfen zählen,
Welche fallen niederwärts,
Musst du mir die Grübchen machen,
Dass sie alle bleiben drin."

'Soll ich dir die Grübchen machen,
Dass sie alle bleiben drin,
Musst du mir das Wild auch zählen,
Das im ganzen Walde ist.'

"Wenn ich dir das Wild soll zählen,
Das im ganzen Walde ist,
Musst du einen Zaun mir machen,
Der das ganze Wild umschliesst."

'Einmal, aber niemals wieder
Streiten mit der schönen Maid,
Nimmermehr und niemals wieder
Rechten mit der klugen Maid.'


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 178-179)
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Anmuthige Vergleichung

'Als du zum ersten Mal mich sahst,
Wie war es damals dir?'
"Wie wenn im Sommer Rosen blüh'n,
So grade war es mir.

Die eine ist so schleierweiss,
Die andre roth erblüht,
Gleich wie des Vaters Haar erglänzt,
Wie deine Wange glüht."


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 180)
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Der treumuthige Liebhaber

Im freien Felde da giebt's grosse Kälte,
Um schöne Mädchen da giebt's grossen Krieg.

Sei auch die Kälte so gross, wie sie wolle,
Fröhlichen Muthes geht stets man zum Schatz.

Seien die Kriege so gross, wie sie wollen,
Nimmer doch lass' ich von meinem Lieb.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 181)
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Beständigkeit

Zu Asche werde aller Sand,
Zu Raute alles Gras,
Bevor als wir
Uns beide hier
Vergessen, liebes Kind.

Auf Erlen sollen Pflaumen stehn,
Auf Weiden Kirschen gut,
Bevor als wir
Uns beide hier
Vergessen, liebes Kind.

Auf Stahl soll wachsen Krausemünz'
Und Thymian auf Stein,
Bevor als wir
Uns beide hier
Vergessen, liebes Kind.

Die Linde trage Äpfel rund,
Die Eiche Birnen süss,
Bevor als wir
Uns beide hier
Vergessen, liebes Kind.

Auf Birken sollen Nelken blühn,
Auf Pappeln Rosen roth,
Bevor als wir
Uns beide hier
Vergessen, liebes Kind.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 182)
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Liebesdrang

'Mein Hannchen, mein Liebchen, mein englisches Kind,
Vertraue der Treue, komm zu mir geschwind,
Komm zu mir, komm zu mir, komm zu mir geschwind.

Mein Hannchen, mein Liebchen, willst nehmen du mich,
Dein Lebetag reuet es nimmermehr dich,
Ja nimmermehr, nimmermehr, nimmermehr dich.'

"Ach lass mich zufrieden, halt' an dich dein Herz,
Das bringt deiner Liebe nur Kummer und Schmerz,
Ja Kummer, ja Kummer, ja Kummer und Schmerz."

'Du bist mir die rechte, ich weiss deinen Sinn,
Du stellst uns nur Natze, fängst all' uns darin,
Fängst alle, fängst alle, fängst all' uns darin.

Du narrest die Burschen, betrügest sie all',
Bist du denn von Eisen, bist du denn von Stahl?
Ja bist du, ja bist du, ja bist du von Stahl?

Will sich denn dein Herz nicht ergeben? Wie bang'
Wird mir bei dem Lauern, das Warten wie lang'!
Das Warten, das Warten, das Warten wie lang'!'


Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 184)
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Der Geliebte über Alles

'Es ist an dir zu sehen, schönes Mägdelein,
Deine Sorgen sind nicht klein.

Denn deine Bäckelein dir blass geworden sind,
Ihre Farb' ist ganz dahin.

Sie haben nicht mehr also schönen rothen Schein,
Wie sonst bei dem Mütterlein.

Hast du wohl Reue meinetwegen, Mägdelein,
Kehre um zum Mütterlein.'

"Und hab' ich deinetwegen Reue oder nicht,
Um zur Mutter kehr' ich nicht.

Denn mir ist viel lieber der Geliebte mein,
Als mein altes Mütterlein.

Denn mir ist viel lieber der Geliebte mein
Als meine beiden Brüdelein."

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Erster Theil Grimma 1841 (S. 186)
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Süsser Traum

Hüttete Rösslein am Wege da,
Immer nur hin nach Fähro ich sah.

Kam es mir vor bei dem Hüten schier,
Dass mein Schönliebchen käme zu mir.

Gingen umher in dem grünen Hain,
Sangen die Vögel dort gross und klein.

Setzten uns nieder und horchten zu,
Fiel eine Rose mir auf den Schuh.

So wie die Rose ist roth und schön,
Ist auch mein Liebchen anzusehn.

Als ich mich Abends dem Schlaf überliess,
Träumte mir, ach! so süss, so süss.

Dass mein Schönliebchen schliefe hier,
Hier an der rechten Seite mir.

Sie umfing mich so zärtlich und hold,
All' mein' Gedanken sie wissen wollt'.

Weicher ist ihre weisse Hand,
Als ein Kissen von Seide und Sammt.

Rothe Rose, grünes Pfefferkraut,
Das ist mein Liebchen, sie hab' ich geschaut.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Zweiter Theil Grimma 1843 (S. 21-22)
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Die Allerschönste

Habe durchreiset ganz Sachsenland,
Sachsenland und Thüringerland:
Aber so schön ich noch keine dort
Wie mein liebes Liebchen fand.

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Zweiter Theil Grimma 1843 (S. 39)
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Unversiegbare Liebe

Liebster bauete ein Kähnlein,
Baute es von Rüsternholze.
Als es fertig war gebauet
Liess er es auf's Wasser hin.

Schwimme, schwimme, liebes Kähnlein,
Immer näher zu dem Schlosse.
Bei dem Schloss' kam's angeschwommen,
Bei dem Schlosse blieb es stehn.

Schliefen dort noch alle Leute,
Schönes Mädchen ausgenommen.
Dieses sitzet, dieses sitzet
In dem hellen Fensterlein.

Als ihn nun das Mädchen merkte,
In dem weissen Schloss, dem hohen,
Hat es rothes Garn gesponnen,
Hat sie grünes Garn gezwirnt.

Hat gedrehet eine Schnure
Ihrem Herzensallerliebsten:
'Schwinge dich, Herzensallerliebster,
An der seidnen Schnur empor.'

Und geschwungen hat der Liebste
Sich empor an seidner Schnure,
Sich empor an seidner Schnure
Über's Wasser mächtig tief.

Wo das schöne Mädchen weilet,
Wo sein Herzensliebchen wartet.
"Wirst mein Liebchen sein so lange,
Als es tiefe Wasser gient."

'Nun wenn sich verläuft das Wasser
So vergeht auch unsre Liebe.'
"Wasser das verläuft sich nimmer.
So vergeht die Liebe nicht."

Übersetzt von Leopold Haupt (1797-1883)
und Johann Ernst Schmaler (1816-1884)

Aus: Volkslieder der Wenden
in der Ober- und Nieder - Lausitz
Aus Volksmund aufgezeichnet und mit den Sangweisen,
deutscher Übersetzung, den nöthigen Erläuterungen,
einer Abhandlung über die Sitten und Gebräuche
der Wenden und einem Anhange
ihrer Märchen, Legenden und Sprichwörter
herausgegeben von Leopold Haupt
und Johann Ernst Schmaler
Zweiter Theil Grimma 1843 (S. 45)
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