Philosophie der Liebe

Liebesgedichte an die Liebe, über die Liebe
und das menschliche Herz
von deutschen Dichtern und Dichterinnen

 


Franz Marc (1880-1916)
Rotes und gelbes Reh



Maria Clementine François
(1823-1844)


Liebe und Haß

I.
Lieb' ist eine Sonne,
Haß ist kalter Wind.
Liebe weckt Blumen der Wonne,
Die Haß entblättert geschwind.


II.
Seht doch an die Erde,
Wie sie herrlich blüht,
Wenn in tiefen Herzen
Warme Liebe glüht.
Seht doch an die Erde,
Wie so grau und fahl,
Wenn sich Groll und Hassen
In das Herz uns stahl!


III.
Lieb' thut so wohl dem Herzen,
Haß thut dem Herzen weh,
Warum dann, statt zu lieben,
Uebtet Haß ihr je?

Traf ich doch auf Erden
Noch keinen Menschen an,
Der nicht Etwas hätte,
Was man lieben kann.


IV.
Zur Liebe nur geboren,
Zur Liebe selbst erkoren
Ist des Menschen Herz.
Wird sie ihm genommen,
Wird es welk verkommen,
Bricht es still in Schmerz.

Kalt zurück sich ziehen,
In sich selbst verglühen,
O daß schmerzt so sehr!
Stets der Liebe offen,
Immer stark im Hoffen,
Schweigt das Herz so schwer.

Als du hassen wolltest,
Fühlt' ich doch, du grolltest
Mir aus Liebe nur.
Und ich selbst – ich trage -
Was ich oft auch sage -
Sie im Herzen nur!

Aus: Marie Clementine François Gedichte einer früh Verklärten
in chronologischer Folge. Eine Erinnerungsgabe. Trier 1844 (S. 272-273)



 


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