Philosophie der Liebe

Liebesgedichte an die Liebe, über die Liebe
und das menschliche Herz
von deutschen Dichtern und Dichterinnen

 


Franz Marc (1880-1916)
Rotes und gelbes Reh



Kathinka Zitz-Halein
(1801-1877)


Das Höchste im Leben

Was wäre das Leben wenn Liebe drin fehlte?
Wo fände das Unglück erneuerten Muth?
Als gütig der Schöpfer den Menschen beseelte,
Gab er ihm den Funken zur heiligen Glut.
Die Lieb' ist stark
Wie Löwenmark,
Sie lehrt uns den Kummer ertragen,
Hat Balsam für Wunden und Klagen.

Die Liebe streut Blumen auf dornige Pfade,
Die Liebe erhebt uns zum Urquell des Lichts,
Sie trinkt aus dem Borne der ewigen Gnade,
Und höher als Gold oft erfreut sie ein Nichts.
Die Lieb' ist mild,
Der Gottheit Bild.
Und ward auch das Herz oft verwundet,
Die Liebe vergiebt - es gesundet.

Die Lieb' ist verschwistert mit Weh und mit Schmerzen,
Doch trägt sie geduldig ihr vielfaches Leid;
Denn seelige Freuden auch reicht sie dem Herzen
Das ihr sich auf ewig zum Dienste geweiht.
Die Lieb' ist groß
Und schön ihr Loos,
Ob Liebe von Leid auch umfangen,
Ob Leiden sich kehrt in Verlangen.

Die Lieb' ist des Lebens hochheiliger Segen,
Sie flügelt die Seele zum Himmel empor;
Sie weckt unsre Kräfte die fröhlich sich regen,
Sie hilft uns erringen was Unmuth verlor.
Die Lieb' ist Glut,
Sie giebt uns Muth,
Und führet durch Kampfesgewühle,
Zum schönsten, zum herrlichsten Ziele.

Die Liebe macht reich, selbst wenn Bettler sie nähren,
Sie schenkt den Beglückten oft ewige Gunst;
Die Liebe kann Kränze des Nachruhms gewähren,
Sie öffnet dem Jünger die Thore der Kunst.
Die Lieb' ist Heil,
Der beßre Theil
Den gütig die Gottheit gegeben
Dem Menschen zum Trost für das Leben.

Aus: Herbstrosen in Poesie und Prosa
von Kathinka Zitz
Mainz 1846 (S. 21-22)


 


zur Übersicht
 

zurück zur Startseite