Philosophie der Liebe

Liebesgedichte an die Liebe, über die Liebe
und das menschliche Herz
von deutschen Dichtern und Dichterinnen

 


Franz Marc (1880-1916)
Rotes und gelbes Reh



Ernst Anton Zündt
(1819-1897)


An die Liebe

Liebe, göttliches Erglühen,
Heißersehnter Morgenstrahl,
Laß an deine Brust mich fliehen,
Seelige im Erdenthal!
Denn allein durch dich erschließen
Sich die Reize der Natur,
Dürfen wir dich froh begrüßen
Feurig nahend deiner Spur.

O, in deinen holden Armen
Schwillt der Busen himmelan;
Dem du zeigtest dein Erbarmen,
Naht ein übersel'ger Wahn.
Alles rings um ihn verkläret
Sich in deiner Harmonie;
Und von keiner Last beschweret,
Schweigt die trunk'ne Phantasie.

Du aus reiner Aetherfülle,
Holde Göttin süßer Lust,
Ach, in dieses Haines Stille
Sankest du an meine Brust;
Und es rauschten goldne Flügel
An des Nackens Fülle dir,
Lenktest mit dem Rosenzügel
Deine Täubchen du zu mir.

Cypris, die des Armen Hütte
Ausgeschmückt zum Königssaal,
O, du führtest meine Schritte
Her in dieses stille Thal,
Ließest auf der Jungfrau Wangen
Meiner Lippen Hauch verweh'n!
Und in schmerzlich süßem Bangen
Möcht' ich so geliebt vergeh'n!

Jeder freue sich der Liebe,
Jeder segne sein Geschick,
Jeder rufe seiner Liebe
Ersten schönen Tag zurück!
Und er kehre immer wieder,
Neue Freuden in dem Schoos,
Neue Kränze, neue Lieder:
Was der Göttin Huld entfloß.

Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 10-11)



 


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