Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 




Rosa Maria Assing
(1783-1840)


Angst und Beruhigung

1.
Wie ängstlich, ach, toben die Stürme,
Die Nacht ist so finster und kalt,
Der Regen ergießt sich in Strömen,
Gepeitscht von des Windes Gewalt.

Wo magst du, Geliebter, wohl weilen
In dieser unheimlichen Nacht?
Die, bang in die Kissen geschmieget,
Dein Mädchen in Aengsten durchwacht.

Du schweifest im Regen und Sturme
Vielleicht ohne Obdach und Ruh,
Es schließen dem feindlichen Reuter
Die Thüren und Herzen sich zu.

Ach, oder liegst du verwundet,
Verlassen im feindlichen Land,
Und fühlst nur die brennenden Schmerzen,
Und keine sanft pflegende Hand?

Der Regen schlägt hart an die Fenster,
Die Eule schreit bang in die Nacht; -
O bist du vielleicht gar gefallen
In Leipzigs blutiger Schlacht?

Ich raffe mich auf von dem Lager,
Vergehe in Aengsten und Pein; -
Es können nicht ärgre Gespenster
Als meine Gedanken mir seyn!


2.
Und als ich um dich so geweinet,
Gejammert die ganze Nacht,
Da fiel ich ermattet in Schlummer,
Als eben der Morgen erwacht.

Da ward mir gesendet zum Troste
Vom Himmel ein freundlicher Traum:
Ich sah eine glänzende Taube
Mir strahlen wie Silberschaum.

Im rothen Schnäbelchen hielt sie
Ein grünendes Lorbeerreis,
Du hattest mit fröhlicher Botschaft
Sie zu mir gesendet mit Fleiß.

Da pocht' es und stört' mich im Traume,
Die Zofe tritt leis in die Thür',
Und bringet mit rothem Siegel
O Himmel! ein
Brieflein von dir!
_____



Paul Fleming
(1609-1640)


Auch an sie

Du dreier Treueste, die eine Mutter brachte.
darf ich noch so, wie vor ich mündlich oft getan,
auch itzund doch durch Schrift dich sicher reden an,
so lies diß
Brieflein hier, das ich dir, Schöne, machte,
als ich so weit von dir und deiner Stadt gedachte.
Erinnre dich an dir und denke stetigs dran,
was ich so öffentlich nicht schreiben darf, noch kan,
nach dem ich Nacht und Tag und alle Stunden trachte.
Ein Klügling mag ihm das nun deuten, wie er will,
mag raten diß und das, der Glossen machen viel,
die Warheit bleibt bei uns. Es ist nicht Haß, nicht Liebe,
nicht etwas und doch was, erlogen und doch wahr,
nichts Heimlichs, aber doch daher nicht offenbar.
Diß, Jungfrau, leg' ihm für, daß er sich drinnen übe.
_____



Adolf Frey
(1855-1920)


Verratenes Geheimnis

Ich hing in eitel Liebeslust
Und hab mein Blondchen oft geherzt,
Es hat kein Mensch darum gewußt,
Nun zwinkern alle Augen.

Gegangen kam der Mai ins Land,
Der Berg ward grün und schwül die Luft,
Sie läßt ein luftiges Gewand
Dem schlanken Leibe messen.

Sie nestelt sich das Mieder los,
Da lag ein
Brieflein süß versteckt,
Geruhsam wie in Gottes Schoß,
Und heimlich fiels zur Erde.

Und vor dem Spiegel guckt und dreht
Sie bald nach hier und bald nach dort,
Die Alte hat den Brief erspäht -
Nun zwinkern alle Augen.
_____



Ludwig Fulda
(1862-1939)


Beruhigung

Von schwarzer Eifersucht durchdrungen,
Dem Feste fern, hab' ich gewacht,
Voll Zweifel, ob mein Lieb, umschlungen
Von fremdem Arm, an mich gedacht.

Mir war das Herz schon fast zersprungen,
Da ward ein
Brieflein mir gebracht,
Draus klang es wie mit Engelszungen:
"Ich habe nur an dich gedacht."

Die Süße hat getanzt, gesungen
Vor buntem Schwarm die halbe Nacht,
Hat lächelnd sich im Kreis geschwungen
Und doch dabei an mich gedacht.

Sie hat den Alten wie den Jungen
Die Köpfe gründlich heiß gemacht;
Doch bei dem Sieg, der ihr gelungen,
Hat sie getreu an mich gedacht.

Und als das laute Fest verklungen
Und sie entschlafen leicht und sacht,
In ihres Traumes Dämmerungen
Hat sie an mich, an mich gedacht.

Hätt' ich die ganze Welt bezwungen,
Erbeutet aller Fürsten Macht,
Nichts Köstlichers hätt' ich errungen,
Als daß sie nur an mich gedacht.
_____



Hans Hopfen
(1835-1904)


Sie sagen All', du habest mich verlassen,
Erlegen sei dein Mut dem langen Leid,
Sie wispern's leis, sie schrei'n es auf den Gassen
Und wünschen Glück zur neuen Zeit.

Dein Vater schickt mir uns'rer Liebe Pfänder,
Zerdrückte
Brieflein und ein Bischen Gold,
Vergessne Reime, halbvergilbte Bänder,
Und schreibt dazu, du habst es so gewollt.

Ich weiß nicht, ob sie deine Truhn erbrachen,
Ob du gefoltert eine Lüge sprachst,
Ich weiß nur, daß sie eitel Thorheit sprachen,
Daß du mir nimmerdar die Treue brachst.

Ich weiß nur, daß verbannt auch und mit Kränken
Dein Sinn an meiner Seele hängen muß,
Weil deines schönen Hauptes stilles Denken
Der beste Theil von meinem Genius.

Sie können's nicht und werden's nie begreifen,
Die dich bedräut um den verfehmten Mann,
Daß wahre Liebe selbst in Qual nur reifen,
In Glut sich stählen, doch nicht sterben kann.

Ich aber weiß es, daß du allerwegen
Mit Leib und Seele, sonder Wahl und Zwist
Auch ohne deiner Sippschaft Gunst und Segen
Mein Lieb, mein Weib durch Gottes Güte bist.

In diesem Glauben will ich Alles tragen,
Was täuschend du in Liebeslist ersannst,
Und darf dir unter Thränen lächelnd sagen:
Geh' hin, verlaß, vergiß mich, wenn du kannst!
_____



Ludwig Jacobowski
(1868-1900)


Mandelblüte

Vom Mandelbaum nur eine einz'ge Blüte,
Dazu ein
Brieflein dunkelblau Papier
Mit hundert Wünschen, daß mich Gott behüte ...
Von wem ist's anders als von dir?
Das ganze Zimmer öffnet sich der Blüte,
Dem holden Gruß mein innigstes Gemüte! ..
O weh, wie sehnt es mich nach dir!
_____



Gustav Wilhelm Jahn
(1818-1888)


Wundersam

Wie ist so wundersam es doch
Um zweier Herzen Lieben!
Kein Sänger hats besungen noch,
Kein Dichter hats beschrieben.

Denn immer bleibt Lied und Gedicht
Nur außen an der Pforte;
Was drinnen, läßt sich sagen nicht,
Und faßt sich nicht in Worte.

Erst stand ich Dir so fremd und fern,
Und konnte harmlos scherzen;
Dann sah ich Dich ein wenig gern,
Dann gern von ganzem Herzen;

Und endlich hieb ich kühn darein,
Ein zweiter Alexander -
Und gestern war ich noch allein,
Und heut sind wir selbander!

Und heut kann ich nach Herzenslust
In Deinen Augen lesen,
Was gestern selbst Du nicht gewußt:
Daß Du mir gut gewesen.

Und wenn ich heut ins Aug Dir seh,
Wallt mir das Herz inwendig;
Vom Scheitel bis hinab zur Zeh
Wird all mein Blut lebendig;

Als ob, was ich nur hab und bin,
Herz, Seele, Leib und Leben
Auf möcht und eilend zu Dir hin,
Um sich Dir ganz zu geben!

Und all dies Glück, weil gestern noch
Ein
Brieflein ich geschrieben:
Wie ist so wundersam es doch,
Um zweier Herzen Lieben!
_____



Christian Morgenstern
(1871-1914)


Das Wörtlein

Kürzlich kam ein Wort zu mir,
staubig wie ein Wedel,
wirr das Haar, das Auge stier,
doch von Bildung edel.

Als ich, wie es hieße, frug,
sprach es leise: »Herzlich.«,
Und aus seinem Munde schlug
eine Lache schmerzlich.

Wertlos ward ich ganz und gar,
riefs, ein Spiel der Spiele,
Modewort mit Haut und Haar,
Kaviar für zu viele.

Doch ich wusch's und bot ihm Wein,
gab ihm wieder Würde,
und belud ein
Brieflein fein
mit der leichten Bürde.

Schlafend hats die ganze Nacht
weit weg reisen müssen.
Als es morgens aufgewacht,
kam ein Mund - es - küssen.
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Christian Morgenstern
(1871-1914)


Unter der linken Brust
band ich dein
Brieflein fest,
da mag es wohnen nun
bis morgen früh.

Unter der linken Brust
ist mir so wohl, so weh
und beide Hände noch
preß ich darauf.

Unter der linken Brust
drückt sich ein Engel ab,
drückt sich dein Engel rot
in weißen Schnee.

Und unterm weißen Schnee
liegt mein rotrotes Herz,
küßt durch den weißen Schnee
dein Siegel rot.

Unter der linken Brust
band ich dein
Brieflein fest
mit meinem blonden Haar
wie als wärst du's!
_____



Eduard Mörike
(1804-1875)


Jägerlied

Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee,
Wenn er wandelt auf des Berges Höh:
Zierlicher schreibt Liebchens liebe Hand,
Schreibt ein
Brieflein mir in ferne Land'.

In die Lüfte hoch ein Reiher steigt,
Dahin weder Pfeil noch Kugel fleugt:
Tausendmal so hoch und so geschwind
Die Gedanken treuer Liebe sind.
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Louise Otto
(1819-1895)


Ein Fenster hinter dichten Eisenstäben,
Das klein und schmal kaum einen Blick verstattet
Das nur ein wenig aufwärts zu erheben,
Geringelt Glas, darin das Licht ermattet.

Ein enger Raum wie eine Klosterzelle,
Der Wände Grau, die Farbe der Bedrängnis.
Verscheucht schon früh des kurzen Tages Helle,
Verdunkelt noch das einsame Gefängnis.

Ein bleicher Mann, versunken in Gedanken,
Lehnt an dem Fenster sucht des Himmels Bläue,
Denn auch in seines Kerkers enge Schranken
Schaut noch dies Blau! - die Farbe ewger Treue!

Und seines Mädchens, seiner Trauten Farbe!
Er denkt an sie, die ihm die einzig Eine,
Und wie er leide, wie er duld und darbe,
Er fühlt sich reich, denn sie bleibt doch die Seine!

Sie denkt wie er, sie weiß warum er leidet -
Vor einer Welt hat stolz sie's ausgesprochen:
Wer für den Glauben seiner Seele streitet
Hat nichts vor Gott, noch vor sich selbst  verbrochen.

Ein
Brieflein hält er zwischen seinen Händen,
Denn nicht verbannt ist solches Liebeszeichen,
Sie dürfen sich einander Grüße senden,
Wenn strenge Fristen auch dazwischen streichen.

Was kann sie andres ihm als Liebe schreiben,
Der keinen Trost bedarf um nicht zu wanken?
Sie meldet ihm, daß Myrt, und Lorber treiben
Und frisches Grün der Hoffnung Epheuranken!

Ein Seufzer, dann ein Lächeln - und aufs neue
Küßt er den Brief, der Wonne ihn bereitet,
Singt dazu leis' ein Lied von Lieb und Treue,
Von Gottes Hand, die sie, wie ihn geleitet.
_____



Aloys Schreiber
(1761-1841)


Der Falke

Im Eichenschatten, auf dem Bühle
Sitzt, an des Felsenbrünnleins Rand,
Herr Friedewin in Morgenkühle,
Den treuen Falken auf der Hand.

Der Falke schwingt sich in die Lüfte,
Doch zieht er nicht auf Raub und Tod,
Er trägt ein Blatt voll Rosendüfte,
Er ist der Liebe treuer Both'.

Das
Brieflein bringt er zu Erlinen
Der schönen Jungfrau hold und zart,
Der Ritter schwur, nur ihr zu dienen;
Doch ist ihr Vater stolz und hart.

Die Liebe hat sich viel zu sagen,
Dem Herzen ist die Trennung schwer,
Die leisen Wünsche und die Klagen
Die trägt der Falke hin und her.

Doch heut ist er umsonst geflogen,
Er findet sie am Erker nicht,
Und durch den off'nen Fensterbogen
Sieht er ein kleines, mattes Licht.

Die Jungfrau ruht, im Todtenkleide,
Die Händ' gefaltet, auf der Bahr';
Als Gottesbraut ist ihr Geschmeide
Ein Kranz von Rosmarin im Haar.

Der Falke flattert zu der Leiche,
Er nimmt den Kranz, und flieht davon,
Er kreiset drey Mahl um die Eiche,
Und nieder fällt die Todtenkron'.

Ich will die Kron' ihr wieder bringen,
Ruft Friedewin im irren Schmerz;
Das Leben läßt sich bald bezwingen,
Im Grabe ruht mir schon das Herz.

Mein festes Schloß, es mag zerfallen,
Nur einen Stab noch nehm' ich mir,
Dann will ich fort als Pilgrim wallen,
Und suchen so den Weg zu ihr.

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Adolf Schults
(1820-1858)


Taubenpost

Wenn ich doch zwei Täubchen hätte,
Die für mich auf Reisen gingen,
Ei, wie sollten um die Wette
Lustig sie die Flügel schwingen.

Flattern sollten sie und schwirren,
Wenn sie vor Dein Haus gekommen,
Und vor Deinem Fenster girren,
Bis Du sie hereingenommen.

Und zwei
Brieflein, feingefalten,
Goldgerändet, fein beschrieben,
Sollten sie im Schnabel halten,
Meldend, daß ich treu geblieben.

Waizenkörner, rund und golden,
Müßten dann das Paar erquicken;
Furchtlos sollten Dir die Holden
Aus der lieben Hand sie picken.

Und wenn sie gelabt die Speise,
Sollten sie die weißen Schwingen
Wieder regen zu der Reise,
Deine Antwort mir zu bringen.
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Franz Stelzhamer
(1802-1874)


Wenn dann mein Herz in Sehnsuchtsgluten
Sich hat versenget und verbrannt,
Da kommt auf einmal von der Guten
Ein zartes
Brieflein eingesandt -

Ein Brief! ein Brief!
Ertönet jede Leibesfiber,
Des Lebens Elemente klingen,
Die Pulse hüpfen froh und singen:
Ein Brief! ein Brief!
Ein ganzer Himmel zieht vorüber.

Gepresset an den Mund,
Gedrücket an die Brust,
Ist mir schon magisch kund
Des Briefes inn're Lust.

Und erst, wenn schon verrauschet
Der Sturm, erbrech' ich das Sigill
Und stelle mich schön unbelauschet,
Und lese tiefgeheim und still.

Auf daß in Keines Ohren dränge
Des süßen Liebeshauches Weh'n;
Damit es Niemand's Aug' gelänge
In meinen Bildersaal zu seh'n.

Ein güld'nes Kästchen wenn ich hätte
Besetzt mit Steinen auf und um,
Das müßte sein die Liegestätte
Für Liebchens Evangelium.
_____



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