Wörtchen und Wörtlein
in der deutschen Liebeslyrik
Ausgewählte Gedichte
deutscher Dichter und Dichterinnen
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Georg Friedrich Daumer
(1800-1875)
Lodoiska
I.
Das niedliche Figürchen,
Des Haares zierlicher Scheitelbau,
Die langen Locken zur Seite herab
Und draus hervor das schöne,
Geistreiche, feine
Gesichtchen,
Ein wenig trotzig, allein, wenn's lacht,
Wie wunderlieblich aufgehellt!
Ach könnt' ich es lachen sehen
In meinen umstrickenden Armen!
Ach dürft' ich es lachen lehren
Vor inniger Lieb' und Lust!
III.
Dein Gesichtchen,
ach,
Dieses schöne, blasse,
Macht, daß ich so jach
Jedes andre hasse,
Dich allein mit Geist und Herz umfasse;
Liebliches, geliebtes Ungemach!
Deine Brüstchen, ach,
Diese weißen Wellen,
Bis zum Taumel schwach
Lausch' ich ihrem Schwellen;
Hier sich eine Heimath zu bestellen,
Flohen Engel wohl vom Himmelsdach.
Deine Füßchen, ach,
Diese wunderleichten,
Machen tausendfach
Meine Seele beichten,
Wenn mein Auge hin nach dem erreichten
Reize staunt, für ihn alleine wach.
Ohne Maß in mir
Toben heiße Flammen;
Meiner Brust Begier,
Wirst du sie verdammen?
Jene Bande, welche dich umklammen,
Jene schnöden, sind sie Bande dir? -
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Georg Friedrich Daumer
(1800-1875)
Liane
III.
Dies liebe Gesichtchen,
es ist
Das Zarteste, was der Natur,
Der geisterhaft gesteigerten, gelang.
Aus süßromantischem Mondenschein,
Philomelenton und Rosenarom,
Aus jenem Lichte, Duft und Klang
Der sommernächtlichen Blüthenflur,
Worin mit ihrem Elfenchor
Titania schwärmet und Oberon,
Hat sie's gewoben und geformt;
Nicht reinster Ausdruck nur der Seele scheint es;
Ganz, wie es ist, so scheint es Seele nur.
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Ludwig Jacobowski
(1868-1900)
Idyll
Wie deine Wangen glänzen
Du süßes Lieb;
Schweratmend liegst du da,
Der Leib schimmernd und
Schmiegsam wie Weidengerte,
Mit Funkelaugen
Und wirrem Haar ...
Selig erschöpft,
Mit der Hand,
Mit der kleinen weißen Hand
Deckst du mir,
Schamhaft errötend
Die lächelnden Augen zu
Und dann
Mit einem Ruck
Voll drolligen Zornes
Wendest du plötzlich dich um
Und zeigst mir des Nackens
Rotschimmerndes Rund.
Wie'n kleines Kätzchen
Knurrst du und murrst du
Und preßt das erhitzte Antlitz
In's verschwiegene Kissen ...
Endlich nach langem
Lachen und Kichern
Wendest du zu mir
Das kleine Näschen,
Das rote Mündchen,
Die Funkelaugen
Und schneidest, ein unartiges Kind,
Ein dummes Gesichtchen
Und zeigst mir neckisch
Des Züngleins rosige Spitze.
Ach Lockenkopf, sei nicht so thöricht
Und schneid' nicht naiv
Solch dummes Gesichtchen,
Dann flüstre ich ein Wörtchen
Ein einziges, dir
Ins kleine liebliche Öhrchen
Dann bist du klug,
So klug,
Nicht wahr,
Du Liebling,
Du kleines Kätzchen,
Du Lockenköpfchen,
Denn Liebe macht klug,
So klug ...
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Karl Gottfried Ritter von
Leitner
(1800-1890)
Entschuldigungs-Briefchen
Du zürnest wohl, daß ich die letzte Woche
Versäumt den Posttermin; doch, Liebchen, koche
Zu arge Rache nicht im kleinen Herzen,
Und geh', ich rathe dir, zu hastig nicht,
Es möchte dich die Eile schmerzen,
Mit deinem Vielgetreuen in's Gericht.
Vernimm, eh' du mich legst in Acht und Bann,
Die Gründe der Versäumniß; dann erst, dann,
Wenn du's vermagst, - verdamme mich.
Ein Mädchen, blond mit blüthenrothen Wangen
Und sanftem Aug', das fast dem deinen glich,
Hielt liebend mich im Liljenarm umfangen.
Wir saßen süßvertraut im Mondenscheine
Gesehen nur vom stillen Liebessterne;
Sie nannte sich wohl tausend Mahl die Meine
Und küßte mich, und ich, - ich litt es gerne.
Ich zog sie selbst an meine Brust, und herzte
Den kleinen Schelm, und küßte, lacht' und scherzte.
Wie konnt' ich da zur Trennung mich entschließen,
Des Brief's gedenken, den ich dir versprach?
Es konnte leicht das liebe Kind verdrießen,
Wenn sein Gekos' ich scheidend unterbrach.
D'rum wirst vergeben du, daß ich geblieben;
Und nicht, wie ich verheißen, dir geschrieben.
O ziehe nicht das glühende
Gesichtchen
In finst're Falten! - Offenbar
Entschuldiget mich obiges Geschichtchen.
Sey freundlich, Liebchen! - Du wirst doch nicht gar
Den kleinen Fehler schon so strenge strafen;
Hab' ich doch sonst die Stunde nie versäumt.
Und wahrlich! - hätt' ich nicht von dir geträumt,
Ich hätte nicht gewagt, sie zu verschlafen.
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Eduard Mörike
(1804-1875)
Begegnung
Was doch heut nacht ein Sturm gewesen,
Bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!
Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
Das halb verschüchtert um sich sieht;
Wie Rosen, die der Wind zerblasen,
So unstet ihr Gesichtchen
glüht.
Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
Er will ihr voll Entzücken nahn:
Wie sehn sich freudig und verlegen
Die ungewohnten Schelme an!
Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
Die Zöpfe schon zurecht gemacht,
Die heute Nacht im offnen Stübchen
Ein Sturm in Unordnung gebracht.
Der Bursche träumt noch von den Küssen,
Die ihm das süße Kind getauscht,
Er steht, von Anmut hingerissen,
Derweil sie um die Ecke rauscht.
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Joachim Ringelnatz
(1883-1934)
Kleines Gedichtchen
Kleines Gedichtchen,
Ziehe denn hinaus!
Mach ein lustiges
Gesichtchen.
Merke dir aber mein Haus.
Geh ganz langsam und bescheiden
Zu ihr hin, klopf an die Tür,
Sag, ich möchte sie so leiden,
Doch ich könnte nichts dafür.
Antwort, nein, bedarf es keiner.
Sprich nur einfach überzeugt.
Dann verbeug dich, wie ein kleiner
Bote schüchtern sich verbeugt.
Und dann, kleines Gedichtchen du,
Sag noch sehr innig: »Geruhsame Ruh«.
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Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)
Naturbeschreibung
Manches Antlitz ist ja sauber,
Manches Kind so übel nicht,
Doch es fehlt der süße Zauber,
Der sogleich zum Herzen spricht,
Auf mein Mädchen paßt das nicht!
Ihr Gesichtchen
das ist sauber,
Ihr Gesichtchen
hat den Zauber,
Welcher Leib und Seel' umflicht.
Manches Kind mit rotem Munde
Spricht gar klüglich hübsch und fein;
Kommt nur nicht vom Herzensgrunde,
Dringt auch nicht zum Herzen ein.
Auf mein Mädchen paßt das nicht!
Jeder Laut der süßen Kehle
Ist ein Stückchen ihrer Seele,
Mich ergreift, was sie nur spricht.
Manches Mädchen mag man leiden,
Manchem Kinde ist man gut,
Aber muß man morgen scheiden,
Wird nicht trübe drum der Mut.
Auf mein Mädchen paßt das nicht!
Sollt' es einmal mir geschehen,
Daß ich von ihr müßte gehen,
Sicher mir das Herz zerbricht.
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