Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 




Heinrich Bredelo
(1649-1726)


Er nimmt von der Adelgundchen Abschied/
und versichert sie seiner Treu

Weil das Verhängniß es denn so gefüget/
Daß ich von dir/ mein trautstes Seelchen/ muß;
So lebe frisch und frey und höchst vergnüget/
Und halt bey deinem treuen Diener Fuß/
Liebt' ich nicht ehrlich/
So thät ich thörlich/
Und widerspräche selbst des Himmels Schluß.

Ich werde nicht bey dir alsdenn nur halten/
Wenn dich des Glückes Sonnenschein lacht an.
Nein/ treue Liebe die muß nicht erkalten/
Im Trüben Wetter kennt man erst den Mann.
So wol in Freuden/
Als auch im Leiden
Will ich dich lieben/ weil ich leben kan.

Ich reise zwar nun fort durch Püsch' und Felder
Durch Berg und Thal/ durch manche Wüsteney/
Durch Hügel/ Hecken/ Pfützen/ Sümpffe/ Wälder/
Durch der Kartaunen Knall/ durch Kriegs-Geschrey/
Doch meine Liebe
Wird nimmer trübe/
Sie bleibet dir biß in den Tod getreu.

Gehabt euch wol ihr angenehmen Stündchen/
Da ich mich erst an dieses Bild gemacht.
Gehab dich wol/ du Zucker-süsses
Mündchen/
Gehab dich wol du schwartzer Augen-Pracht/
Du meine Taube
Und süsse Traube
Mein trautstes Adelgundchen gute Nacht.
_____



Julius Hammer
(1810-1862)


Dein
Mündchen ist eine Perlenschrift,
Die blitzend in die Herzen trifft;
Dein Haar ist eine lange Sage
Voll traurig süßer Liebesklage;
Andächt'ge Gebete sind deine Brauen,
Die Brücken in den Himmel bauen;
Die Wimpern sind wie Epigramme,
Aus denen hervorschießt Geistesflamme;
Die Stirn ist wie ein Titelblatt,
Das hinter sich die Weisheit hat;
Dein Kinn - ein rührend Scherzgedicht,
Das lächelnd von ernsten Dingen spricht;
Und deine Wangen - ein ganzer Diwan
Von Liedern, rosig aufgethan. -
O Buch der Schönheit ohne gleichen
Voll welterleuchtender Himmelszeichen,
Laß mich in dir des Lebens Wesen,
Des Lebens tiefst Geheimniß lesen!
_____



Heinrich Heine
(1797-1856)


Auf meiner Herzliebsten Äugelein
Mach ich die schönsten Kanzonen.
Auf meiner Herzliebsten
Mündchen klein
Mach ich die besten Terzinen.
Auf meiner Herzliebsten Wängelein
Mach ich die herrlichsten Stanzen.
Und wenn meine Liebste ein Herzchen hätt,
Ich machte darauf ein hübsches Sonett.
_____



Heinrich Heine
(1797-1856)


Mädchen mit dem roten
Mündchen,
Mit den Äuglein süß und klar,
Du mein liebes, kleines Mädchen,
Deiner denk ich immerdar.

Lang ist heut der Winterabend,
Und ich möchte bei dir sein,
Bei dir sitzen, mit dir schwatzen,
Im vertrauten Kämmerlein.

An die Lippen wollt ich pressen
Deine kleine, weiße Hand,
Und mit Tränen sie benetzen,
Deine kleine, weiße Hand.
_____



Hermann Löns
(1866-1914)


Maiandacht

Von dem Dom acht Glockenschläge schallen,
Aus den Fenstern flimmert Kerzenglanz,
Tausend hübsche kleine Mädchen wallen
Nach dem Dom mit Buch und Rosenkranz.

Tausend hübsche stramme Burschen warten
An der Kirchtür und flüstern leis:
Schätzchen, um halb neun im städt’schen Garten!
Tausend
Mündchen flüstern: Ja, ich weiß!

Drinnen senken sich die hübschen Köpfchen,
Und das Knie das Kirchenpflaster küßt,
Unter all den Löckchen und den Zöpfchen
Kein Gedanke bei der Predigt ist.

"Gott sei Dank! Die Predigt ist zu Ende,"
Schnell nach draußen strömt der bunte Hauf,
Und des Schloßparks breite Laubgelände
Nehmen die verliebten Pärchen auf.

Welch ein Küssen, Drücken, süße Sünden!
Selbst das frommste Herzchen wird gerührt –
Kalter Himmel, deine Schrecken schwinden,
Und die heiße Hölle triumphiert.
_____



Margarethe Pilgram-Diehl
(1817-1875)


Liebeshauch

Kristallene Blumen glitzern
Am kleinen Fensterlein;
Dahinter sitzt mein Mädchen
Und denkt in Liebe mein.

Sie haucht mit dem warmen
Mündchen
Die kalten Blumen an: -
So haben die rothen Lippen
Mir Liebe angethan!
_____



Max Schaffrath
(1813-1877)


Mädchens Liebreiz
Dezember 1834

Mädchen hold,
Treu wie Gold,
Schön und reizvoll, ohne Mängel,
Rein wie Paradieses Engel!
Aug' und Wange, Mund und Brust,
Alles, Alles winket Lust!
Dem die Wonn' aus tausend Quellen springet,
Der sich deine Huld erringet!

Augenpaar,
Schwarz und klar,
Sanft umwölbt vom Brauenhügel,
Reiner Seele reiner Spiegel!
Ziehst so mächtig wunderbar,
Nach dir hin, du Augenpaar!
Ihm, dem huldvoll diese Augen blinken,
Schönsten Glücks Gestirne winken!

Thräne hell,
Wie der Quell,
Stillen Antheils treue Kunde,
Fließest in der Rührung Stunde.
Ha, die ihrem Aug' entquillt,
Wem die süße Perle gilt,
Sohn des Glückes, auch im schwersten Leiden,
Immer bleibst du zu beneiden!

Mündchen klein;
Perlenreih'n,
Blendend weiße Elfenklippe,
Schimmerst durch das Roth der Lippe,
Die aus Purpursammt gewebt.
Wem ihr Mund entgegenbebt,
Wem sie leise lispelnd Liebe flüstert,
Lächelt Lieb' und Lust verschwistert!

Wangen weich,
Rosen gleich,
Mild durchglüht von Flammengüssen,
Zarte, duft'ge Liebeskissen!
Ha, der Jüngling, der entzückt
Der Gewährung Blüthen pflückt,
Dem zum Kuß sich diese Wangen neigen,
Seligkeit ist ihm zu eigen!

Runder Arm,
Weiß und warm,
Stillen Kosens stummer Sprecher,
Beutst den wonnerfüllten Becher
Liebend dem Geliebten dar. -
Wer von ihrem Armenpaar
Innigfest den Nacken fühlt umschlungen,
Hat den Himmel sich errungen!

Zarte Brust,
Götterlust,
Dicht verhüllt ins enge Mieder,
Wogst von Sehnsucht auf und nieder,
Birgst ein Herz, so treu und gut!
Wer an ihrem Busen ruht,
Hingeschmiegt in seligem Umwinden,
Dem muß Erd' und Himmel schwinden!
_____



Georg Scherer
(1828-1909)


Dein
Mündchen ist ein kleines Rosenbeet,
Das immerfort in voller Blüte steht.

Zur Rosenzeit nun laß mich Rosen pflücken,
Mit ihrem Duft und Tau das Herz erquicken.

"Ein Diebstahl? Nein, den kann ich nicht erlauben;
Man darf den Garten nicht des Schmucks berauben."

Und doch ist's Rosen-Art: je mehr man pflückt,
Je reicher sich das Beet mit Blumen schmückt.

"Verwegner Dieb! Ich werd's der Mutter sagen." -
Und ich bei'm Liebesgott dich selbst verklagen:

Für mich allein läßt er die Rosen glühn
Und will nicht, daß sie ungepflückt verblühn.

Drum gib sie! Solcher Reichtum, solcher Reiz
Verträgt sich schlecht mit launenhaftem Geiz.

Und reut dich das Geschenk - bei meinem Leben!
Mit Zinseszins will ich's zurück dir geben.

Du zögerst noch? ... (Ich hab' ihn doch bekommen,
Den ersten Kuß, - die andern rasch genommen!)
_____



Adolf Schults
(1820-1858)


Schenkenlieder

2.
Stundenschlag,
Den ganzen Tag
Will ich Deiner vergessen:
Du mein Glas,
O sei das Maaß
Meine Stunden zu messen!

Mägdelein,
Komm', schenk' mir ein
Noch ein liebliches Stündchen!
Alles leer?
So reich' mir her
Zum Ersatze Dein
Mündchen!

Liebes Kind,
Wie flüchtig sind
Stunden also gemessen!
Glockenklang,
Wie jammerlang
Sind sie draußen indessen!
_____



Johann Gabriel Seidl
(1804-1875)


Wiegenlied

Wie sich der Aeuglein
Kindlicher Himmel,
Schlummerbelastet,
Lässig verschließt! —
Schließe sie einst so,
Lockt dich die Erde:
Drinnen ist Himmel,
Außen ist Lust!


Wie dir so schlafroth
Glühet die Wange:
Rosen aus Eden
Hauchten sie an:
Rosen die Wangen,
Himmel die Augen,
Heiterer Morgen,
Himmlischer Tag!

Wie des Gelockes
Goldige Wallung
Kühlet der Schläfe
Glühenden Saum.
Schön ist das Goldhaar,
Schöner der Kranz drauf:
Träum' du vom Lorbeer,
Bis er dir blüht.

Liebliches
Mündchen,
Engel umwehn dich:
Drinnen die Unschuld,
Drinnen die Lieb';
Wahre sie Kindchen,
Wahre sie treulich:
Lippen sind Rosen,
Lippen sind Glut.

Wie dir ein Engel
Faltet die Händchen;
Falte sie einst so:
Gehst du zur Ruh;
Schön sind die Träume,
Wenn man gebetet:
Und das Erwachen
Lohnt mit dem Traum
.
_____



Franz Stelzhamer
(1802-1874)


Liebseligkeit

III.
Ihr Auge leuchtet sonnig,
Dabei so bläulich traut;
Wie Bachgelispel wonnig
Erklingt der Rede Laut.

Und flüssig Gold umwallet
Ihr Antlitz reiches Haar;
Die Händchen lustgeballet
Sind wie ein Rosenpaar.

Süßduftig ist Ihr
Mündchen
Wie Erdbeerlein im Wald -
O, Stündchen, holdes Stündchen
Der Lese komme bald!

Ihr Leib ein Lilienstengel,
Der hoch und schwank sich hebt,
Weiß Gott, wie dieser Engel
Auf dieser Erde webt
. . . . !

Und denkt, der Engel
Mit süßem Erdbeermunde,
Der weilt und waltet
Mit mir im Herzensbunde;
Die Blumenweiche,
Goldlockenreiche,
Die wünscht und hoffet
Mit mir das Gleiche;
Ja, die so wonnig
Spricht und so sonnig
Blickt aus Blauäugelein,
O faßt es - die ist mein!
_____



Johann Heinrich Voß
(1751-1826)


Minnelied

Der Holdseligen
Sonder Wank
Sing' ich fröhlichen
Minnesang:
Denn die Reine,
Die ich meine,
Winkt mir lieblichen Habedank.

Ach! bin inniglich
Minnewund!
Gar zu minniglich
Dankt ihr Mund;
Lacht so grußlich,
Und so kußlich,
Daß mir's bebt in des Herzens Grund!

Gleich der sonnigen
Veilchenau',
Glänzt der wonnigen
Augen Blau;
Frisch und ründchen
Ist ihr
Mündchen,
Wie die knospende Ros' im Thau.

 Ihrer Wängelein
Lichtes Roth
Hat kein Engelein,
So mir Gott!
Eia, säß' ich
Unablässig
Bei der Preislichen bis zum Tod!
_____



Oskar Wiener
(1873-1944)


Werbeliedchen

Teufelsmädl, stillgestanden,
Stramm wie die Soldaten stehn!
Ich will Dir ins Auge sehn
Und an deinem Herzen landen.
Bitte, nur ein Viertelstündchen
Laß mich fromm und selig sein:
Solch ein herbes
Kindermündchen
Küßt den ärgsten Sünder rein.

Wundervolle Tage winken;
Und ich hab' dich schrecklich lieb,
Meine Seele bettelt: Gib,
Gib dem Durstigen zu trinken!
Bitte, nur ein Viertelstündchen
Laß mich fromm und selig sein:
Solch ein herbes
Kindermündchen
Küßt den ärgsten Sünder rein.

Ach, auf meinen Wanderfahrten
Trat ich manche Blume tot,
Doch im nächsten Morgenrot
Sprang ich lachend aus dem Garten.
Bitte, nur ein Viertelstündchen
Laß mich fromm und selig sein:
Solch ein herbes
Kindermündchen
Küßt den ärgsten Sünder rein.
_____




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