Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 




Ernst Moritz Arndt
(1769-1860)


Aus: Der Knabe und die Jungfrau

"Ach! Jungfrau, süße Jungfrau schön,
Der Tag ist heiß und lang
Und keinen Schlaf die Augen seh'n,
Ich muß des Vaters Schwate mäh'n,
Da ist kein Nebengang.

Zwar süß ist Schlaf im Sternenschein
Hier in dem grünen Wald,
Wann küsset mich dein
Mündlein fein,
Wann mir dein Brüstlein weiß und rein
Wie Schnee entgegenwallt."
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Ernst Moritz Arndt
(1769-1860)


Aus: Liebesgeflüster

Süß Liebchen, doch schweige! das Süße, Süße flieht,
So blühet die Blume, wie Liebe flüchtig blüht,
Sie duftet am Morgen, am Abend ist sie todt.
Reich her mir dein
Mündlein mit Küssen rosenroth.

Blüht Liebe wie Blumen - o lustig, lustig Bild!
So küsse die Lippe, die Liebe brünstig füllt.
Stirbt Liebe wie Blumen, daß Liebe traurig sei,
Die Blume, die welket, kommt wieder frisch im Mai.
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Rudolf Baumbach
(1840-1905)


Vogelfang

Man fängt die Vögel gross und klein
Am besten an der Tränke;
Mich fing der Wirthin Töchterlein
Beim Weinkrug in der Schenke.

Es war das Netz, das mich bedroht,
Gezwirnt aus blonden Strähnen,
Lockspeise war ein
Mündlein roth
Mit schimmernd weissen Zähnen.

Sie hält mich fest, lässt mich nicht heim;
Ich lass' es gern geschehen. -
Es giebt auch Vögel, die auf den Leim
Aus freien Stücken gehen.

Manch einer ist auch unverhofft
Dem Käfig wieder entgangen. -
Zu halten ist weit schwerer oft
Der Vogel als zu fangen.
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Joseph Freiherr von Eichendorff
(1788-1857)


Der letzte Gruss

Ich kam vom Walde hernieder,
Da stand noch das alte Haus,
Mein Liebchen sie schaute wieder
Wie sonst zum Fenster hinaus.

Sie hat einen andern genommen,
Ich war draußen in Schlacht und Sieg,
Nun ist alles anders gekommen,
Ich wollt', 's wär wieder erst Krieg!

Am Wege dort spielte ihr Kindlein,
Das glich ihr recht auf ein Haar,
Ich küßt's auf sein rotes
Mündlein:
»Gott segne dich immerdar!«

Sie aber schaute erschrocken
Noch lange Zeit nach mir hin,
Und schüttelte sinnend die Locken
Und wußte nicht wer ich bin. -

Da droben hoch stand ich am Baume,
Da rauschen die Wälder so sacht,
Mein Waldhorn das klang wie im Traume
Hinüber die ganze Nacht.

Und als die Vögelein sangen
Frühmorgens, sie weinte so sehr,
Ich aber war weit schon gegangen,
Nun sieht sie mich nimmermehr!
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Ernst Goll
(1887-1912)


Nach Jahr und Tag

Mein Lieb, du hast vor Jahr und Tag
Mir Ruh' und Frieden genommen -
Was beutst du nun hinwiederum
Dein Händlein zum Willkommen?

Was blinkst du mit den Äuglein hell
Sehnsüchtiges Grüßen
Und formst und formst dein
Mündlein rot,
Den trüben Gast zu küssen? -

Dein Händlein ist wie Eis so kalt -
Dein Händlein mag ich nicht halten,
Hast ja damit vor Jahr und Tag
Mein Herz entzwei gespalten.

Dein' Äuglein sind wie Meer so tief -
Dein' Äuglein mag ich nicht sehen,
Mußt' ja darin vor Jahr und Tag
Mein Herze untergehen.

Dein
Mündlein ist wie Glut so heiß -
Dein
Mündlein mag ich nicht küssen,
Hat ja daran vor Jahr und Tag
Mein Herz verbrennen müssen.
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Johann Christoph Friedrich Haug
(1761-1829)


Romantisches Waldliedlein

O wie so grün!
O wie so warm!
Geh, Schäferin,
An meinem Arm!

O wie so still!
O wie so frey!
Horch, was ich will,
Und stimme bey!

O wie so licht!
O wie so blau!
Ach säume nicht!
Sey meine Frau!

O wie so schön!
O wie so mild!
Laß es gescheh'n,
Du süßes Bild.

O wie so reich!
So wonniglich!
Das Gras ist weich.
Komm, lag're dich!

Wie lockt's hier an!
Wie schattet's hier!
Kühn stehlen kann
Ich Küsse dir.

O wie so zart,
O wie so heiß
Geliebet ward! -
O Lust des Mays!

O wie so roth!
O wie so klein!
Dein
Mündlein bot
Mir Spezerey'n.

O wie so weiß
Dein Busen ist.
Der wird - ich weiß -
Nicht satt geküßt.

Doch - wie so grau
Der Wolkenzug!
Komm, süße Frau!
Nun ist's genug.

Wie ungemein
Glückselig ist,
Wen gern im Hain
Feinsliebchen küßt!
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Gottlieb Leon
(1757-1830)


Frauenholds Lenzlied an's Liebchen
Bey der Sendung eines Veilchenstraußes,
da es den ersten May besang

Dieses Sträußchen hier
Lohne, Liebchen, dir!
Laß am Fest des Lenzen
Es dein Hütchen kränzen;
Und sey für den Sold
Deinem Minner hold.

Ach, dein Liedchen klang
Süß, wie Amselsang,
Wenn im Schein des Mayen
Sich die Blümlein neuen,
Und die Jahrszeit grünt,
Und sich alles minnt.

Liebchen, wohl ein Jahr
Bin ich freudenbar:
Seit die Anger grünen,
Muß ich soldlos dienen,
Ach, dein
Mündlein beut
Mir nicht Mayenzeit.

Kußlich
Mündelein,
Wollst mich bald erfreun!
Bring die Zeit der Rosen
Durch dein süsses Kosen:
Dann sing' ich zum Preis
Auch nach Amselweis.
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Johann Martin Miller
(1750-1814)


Noch ein Lied an die Minne

Liebe, süsse Minne, dir
Will ich dienen für und für!
Alles, was mein Herz begehret,
Alles hast du mir gewähret,
Liebchens Auge lächelt mir.

Reinen Engelsinn hat sie;
Wen sie minnt, der trauret nie;
Wer sie Morgens nur erblicket,
Ist den ganzen Tag beglücket;
Und ich sehe täglich sie!

Sittsam ist ihr Aug' und blau,
Wie Violen auf der Au;
Weisser als Narcissen blühet
Ihre Stirn; ihr
Mündlein glühet,
Wie die Ros' im Morgenthau.

Gleich dem milden Sonnenschein,
Lacht sie allen, Groß und Klein,
Weiß sie alle zu entzücken:
Aber mit der Minne Blicken
Lacht sie mir, nur mir allein!
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