Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 





Ludwig Fulda
(1862-1939)


Glück

Nun sag' mir, du goldenes Märchen,
Du meines Lebens Mai:
Ist wohl ein glücklicher
Pärchen
Auf Erden als wir zwei?

Wir alle beide vergaßen,
Was anderen wichtig blieb,
Und haben nur über die Maßen,
Ganz über die Maßen uns lieb.

Du bist mir Himmel und Heiland,
Bist meine Königin
Auf einem verzauberten Eiland,
Von dem ich der König bin.
_____



Max Kalbeck
(1850-1921)


O, Mann?

Die lieben Augen sind's! die blonden Härchen!
Die vollen Wangen mit den runden Grübchen! -
Du bist mir nah und doch so fern, o Liebchen,
Wir wandeln einsam, ein getrenntes
Pärchen

- Dem Himmel sei's geklagt! - schon manches Jährchen! -
Gott Amor lacht uns aus, das lose Bübchen! -
Wann kommt der Tag, wo ich im eig'nen Stübchen
Dich froh als Braut umfange, liebes Clärchen?

Wann seh ich dich im leichten Morgenhäubchen
Geschäftig in der Küche, holdes Püppchen,
Zu kochen mir ein kräftig gutes Süppchen?

Wann küss' ich dir dein wirthschaftliches Händchen
Und sage: Sieh, hier fehlt mir noch ein Bändchen,
Ein Knöpfchen hier! - Näh' mir es an, mein Täubchen!?
_____




August Friedrich Ernst Langbein
(1757-1835)



Der Mund und die Augen

Die Augen stritten mit dem Munde
Und sagten frei,
Daß er zu einem Liebesbunde
Nicht nöthig sei.

"Ha!" rief er staunend, "welch Erfrechen
Wie lächerlich!
Mein süßes Amt ist's ja, zu sprechen:
Ich liebe dich!

Und jeden Liebesbund besiegelt
Ein Honigkuß,
Den ich doch wohl, was ihr auch klügelt,
Verspenden muß."

"Freund," war die Antwort, "wie entglühet
Der Minne Bund?
Siehst du es, wie die Schönheit blühet?
Du blinder Mund!

Wir setzen schnell das Herz in Feuer,
Und ohn' ein Wort
Geht manches Liebesabenteuer
Oft Jahre fort.

Wir leuchten, wann auf zarten Blättern,
Die Goldsaum schmückt,
Man heimlich, weil die Alten wettern,
Sich Briefchen schickt.

Und können Blicke sich erreichen,
Da drückt kein Joch;
Es mögen Lauscher uns umschleichen,
Wir sprechen doch!" -

"Ach, eure Sprache!" rief mit Lachen
Der Mund darein.
"Mischt euch doch nicht in fremde Sachen!
Die Sprach' ist mein.

Wenn mich ein Nothfall in die Bande
Des Schweigens zwingt,
Kommt nimmer ein Gespräch zu Stande,
Das Freude bringt." -

Er war, den Satz mehr auszuführen,
Just recht im Lauf,
Da thaten sich des Saales Thüren
Urplötzlich auf.

Versammelt war zu einem Feste,
Mit Spiel und Tanz,
Ein volles Hundert edler Gäste
Im größten Glanz.

Genannt sei nur Emil und Klärchen
Aus dieser Schaar!
Ein junges, wunderschönes
Pärchen,
Das gut sich war.

Vor Gegenfeindschaft aber brannten
Längst für und für
Die Väter, Mütter, Ohm' und Tanten
Von ihm und ihr.

Und all' die grämlichen Gemüther,
Sie saßen da,
Und waren scharf des
Pärchens Hüter
Von fern und nah.

Emil war immer auf den Füßen,
Mit stillem Plan,
Schön Klärchen mündlich zu begrüßen,
Und kam nicht an.

Die Basen hatten sich, wie Drachen
Der Zauberwelt,
Die einen großen Schatz bewachen,
Um sie gestellt.

Und drang er schier zur Holdgesinnten
Durch's Drachennest,
So hielt ein Ohm ihn plötzlich hinten
Am Rocke fest.

Er kämpfte mit den bösen Leuten
Sechs Stunden lang,
Und konnte nicht das Glück erbeuten,
Wonach er rang.

Doch ging, trotz aller ihrer Tücke
Und Gegenwehr,
Indeß die Liebespost der Blicke
Rasch hin und her.

Süß war die Botschaft, die sie brachte:
"Treu bis zum Tod!"
Und das entzückte Paar verlachte
Das Sprachverbot. -

"Was sagst du?" riefen jetzt die Augen
Dem Munde zu.
"Wer mag wohl Liebenden mehr taugen,
Wir oder du?

Was half dein Streben, was dein Ringen?
Du schwiegst bezähmt!
Die Freiheit unsrer geist'gen Schwingen
War ungelähmt." -

"Ja, zehnmal! ja, ihr Haberechte!"
Rief wild der Mund,
"Doch drücktet ihr, als Obermächte,
Euch ohne Grund.

Ihr möget noch so hoch euch stellen
In eurem Sinn:
Ich bleib' in tausend Liebesfällen
Doch wer ich bin.

Fragt Liebende nur im Vertrauen!
Und, wer nicht lügt,
Gestehet euch, daß bloßes Schauen
Ihm nicht genügt.

Und dränget ihr durch Felsenwände,
Schafft das Genuß?
Die reinste Liebe lechzt am Ende
Nach einem Kuß."
_____



Hermann Löns
(1866-1914)


Maiandacht

Von dem Dom acht Glockenschläge schallen,
Aus den Fenstern flimmert Kerzenglanz,
Tausend hübsche kleine Mädchen wallen
Nach dem Dom mit Buch und Rosenkranz.

Tausend hübsche stramme Burschen warten
An der Kirchtür und flüstern leis:
Schätzchen, um halb neun im städt’schen Garten!
Tausend Mündchen flüstern: Ja, ich weiß!

Drinnen senken sich die hübschen Köpfchen,
Und das Knie das Kirchenpflaster küßt,
Unter all den Löckchen und den Zöpfchen
Kein Gedanke bei der Predigt ist.

"Gott sei Dank! Die Predigt ist zu Ende,"
Schnell nach draußen strömt der bunte Hauf,
Und des Schloßparks breite Laubgelände
Nehmen die verliebten
Pärchen auf.

Welch ein Küssen, Drücken, süße Sünden!
Selbst das frommste Herzchen wird gerührt –
Kalter Himmel, deine Schrecken schwinden,
Und die heiße Hölle triumphiert.
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Alfred Mombert
(1872-1942)


Piccolo und Piccola

Dienten beid in einer Schenke,
schleppten Bier und wischten Bänke,
Piccolo und Piccola.

Schliefen beid in einer Kammer,
Kauten beid an einem Jammer,
Piccolo und Piccola.

Hart das Lager, kalt der Winter,
und zwei schöne Bettelkinder,
Piccolo und Piccola.

Kinderpärchen! Liebespärchen! -
Nur das Ende fehlt dem Märchen
Piccolo und Piccola.
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Anton Renk
(1871-1906)


Das war in einer hellen Sommerzeit.
Frei war die Seele und der Himmel weit,
Da sah ich dich, ein sechzehnjährig Kind -
Du warst – was weiß ich! – wie die Kinder sind.

Und in den Wald wir miteinander gingen,
Wenn Sonnenstrahlen in den Fichten hingen;
Und wo ein Bach sich in dem Grunde fand,
Half sicher dir hinüber meine Hand;

Wenn im Gesträuch ich eine Beere sah,
Dann bückt' ich mich und sagte leise: Da!
Und deine Kinderfragen fragtest du,
Und ich – ich hörte voller Andacht zu.
So gingen wir – ein seltsam stilles
Pärchen,
Und uns zur Seite wandelte das Märchen.

Am Himmel fern verloht ein Wolkenbrand.
Nun gibst du mir zum Abschied deine Hand,
Wir schweigen beide und wir wissen kaum,
War's Himmelsleuchten oder war es Traum.

Nun ist verglüht der Wolke letzter Saum.
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Johann Ferdinand Schlez
(1759-1839)


Adam's erstes Erwachen
1782

Wo der Phrat am Blumenufer hallte,
Gieng einst Vater Adam auf und ab;
Lauschte, wenn im Hain das Echo schallte,
Dem sein Ruf die Täuscher-Stimme gab;
Spähte, wo ein West in Büschen rauschte,
Einem Bilde nach, dem seinen gleich;
Denn, was er im Paradies belauschte,
Sah er, Paar und Paar, durch Liebe reich.

Sah den Löwen mit der Löwinn irren,
Die ihm sanft die goldne Mähne strich,
Hört' ein Taubenpaar auf Palmen girren,
Sah, wie treu sich jedes
Pärchen glich,
Wie sogar das Haideblümchen seine
Buntgeschmückte Freundinn um sich fand,
Und nur Er, der Arme! war alleine;
Denn kein Weibchen bot ihm Kuss und Hand.

Alle Schöpfung, die zur Lust und Wonne
Gott dem Wurm und Elephanten schuf,
Tönt dem Ersten unter Mond und Sonne,
Tönt dem Menschen keinen Freudenruf.
Müd und trauernd sank er endlich nieder
In den Arm der ersten süssen Ruh;
Euphrats Wogen rauschten Schlummerlieder
Ihm und holde Traumgesichte zu.

Sieh! ein Weib, schön wie die Morgenröthe,
Die den ersten Gruss der Schöpfung bot,
Fand ihn hier. Die seidne Locke wehte
Um ihr Haupt, beglänzt vom Abendroth.
Grosse, himmelsblaue Augen rollten
Ihr im rosig blühenden Gesicht;
Wuchs und Bildung waren unbescholten,
Und Gewand barg ihre Reitze nicht.

Adam träumt indess: der Rippen eine
Würd' von ihm gelöst; aus ihr erbaut
Stand ein Weib, wie unser Blick itzt keine
Tochter Evens unterm Monde schaut.
Träumt's; erwacht; - mit hüpfendem Entzücken
Sieht er lebend das geträumte Weib.
"Ha! was zeigt sich meinen trunknen Blicken?
Bein von mir, und Fleisch von meinem Leib!"

Wer verräth das feurige Umarmen,
Wie das Paar sich Brust an Busen schlang?
Wer das strömende Gefühl, den warmen
Kuss der Huldigung, mir im Gesang?
O, die süssen Erstlings-Schäferstunden
Wollen nicht, wie Minnetändeleyn,
Nachgeleyert, wollen nachempfunden,
Selbstgefeyert, nicht geschildert seyn!

Lottchen! Lottchen, mit den Rosenwangen,
Mit dem himmelblauen Augenpaar,
Mit dem Liljenbusen, mit dem langen
Götter-Wuchs und blonden Lockenhaar,
Mit der Männerseele, mit dem Mädchenherzen,
Mit dem süssen Nachtigallenton,
Mit der milden Thräne, mit den leichten Scherzen,
Sey mein Evchen! . . . Ach! . . . ich träume schon.
_____



Franz Stelzhamer
(1802-1874)


Liebseligkeit

I.
Zu Ende ist nun das Märchen,
Kein Titelchen fehlet mehr:
Ein traurig einsames
Pärchen,
Das steht nun in Liebesverkehr!

Von Deinen sonnigen Blicken,
An Deinem erfrischenden Hauch,
Wie wird sich Alles erquicken
Und heben am Lebensstrauch;

Wie wird er Knospen austreiben
Und Blüthen an jedem Reis,
Wie wird das Lenzvöglein schreiben
Um ihn den schimmernden Kreis;

Wie wird es hallen und klingen
In seinem innern Raum;
Wie wird ihn die Nacht umschwingen,
Erfüllen mit schönem Traum!

Auch Dich wird es mächtig erheben -
Ein Herz, ein brennendes Dein!
Ein volles, rollendes Leben,
Das rollet für dich allein!
_____



Kathinka Zitz-Halein
(1801-1877)


Die Liebenden bei Mainz

Meint ihr, es sei ein Mährchen?
Nein, ich erzähl' euch keins,
Es gibt noch treue Liebe,
Ihr findet sie bei Mainz.

Sie ist noch nicht gestorben,
Mag sie gleich selten sein,
Sie lebt auf einer Insel
Die mitten liegt im Rhein.

Dort lebt ein zärtlich
Pärchen,
Sich freuend des Vereins,
Und ihre beiden Herzen
Sind längst schon nur noch eins.

Sie leben harmlos, glücklich,
Von Lasten nie beschwert,
Und vom Geräusch des Lebens
Sehr selten nur gestört.

Wie Paul und wie Virginie,
Wie Daphnis und Chloe,
Ist dieses Paar ganz Unschuld
Weiß nichts vom Lebensweh.

Ein Nichts macht ihren Freude,
Der Unmuth quält sie nie;
Den Lauf des Flusses sehen,
Ist wahre Lust für sie.

Man sieht gemeßnen Schrittes
Sie oft am Ufer geh'n,
Laut redend eine Sprache,
Die sie allein versteh'n.

Sie stürzen miteinander
Sich in die Fluten kühn,
Und er schwimmt wie Leander,
Zu seiner Hero hin.

Dies
Pärchen, das bewandelt
Den Teppich der Natur,
Die einsgewordenen Herzen,
Es sind .... zwei Enten nur.

Es ist gewiß kein Mährchen,
Nein ich erzähl' euch keins,
Es gibt noch treue Liebe,
Ihr findet sie bei Mainz.
_____


 
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