Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 




Adolf Bekk
(1831-1906)


Im Walde

Ich weiß ein traulich Plätzchen
Im Buchenwalde tief,
Da fand ich jüngst mein
Schätzchen,
Das sanft im Grünen schlief.

Es lag ihr Köpfchen holde
Auf weichem Pfühl von Moos,
Durch's Laub wie Regen von Golde
Der Sonnenschimmer floß.

Und funkelnde Lichter spielten
Um ihre Elfengestalt,
Und säuselnde Lüfte kühlten,
Und träumerisch rauschte der Wald.

Wohl glühten im Schlaf ihre Wangen,
Es wehte ihr Athem so heiß
Und flüsternde Worte klangen
Von ihren Lippen leis.

Ich lag auf den Knie'n, zu belauschen
Der Liebe Orakel im Traum,
Wie störte mich rings das Rauschen!
Zu athmen wagt' ich kaum.

Da rief ein Kuckuck helle,
So tückisch hell im Busch,
Auffuhr mein Liebchen schnelle,
Und war entfloh'n im Husch.

Ein Brünnlein sprang im Walde,
Es war ein dunkler Ort,
Dort trafen wir uns balde
Und tauschten Blick und Wort.

Ich hing an ihrem Munde,
Der Kuckuck rief im Laub -
Wir aber waren zur Stunde
Für alle Rufe taub.
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Richard Dehmel
(1863-1920)


Nicht doch

Mädel, laß das Stricken, geh,
tu den Strumpf bei Seite heute;
das ist was für alte Leute,
für die jungen blüht der Klee!
Laß, mein Kind,
komm, mein
Schätzchen;
siehst du nicht, der Abendwind
schäkert mit den Weidenkätzchen! -

Mädel liebes, sieh doch nicht
immer so bei Seite heute;
das ist was für alte Leute,
junge sehn sich ins Gesicht!
Komm, mein Kind,
sieh doch,
Schätzchen:
über uns der Abendwind
schäkert mit den Weidenkätzchen! -

Siehst du, Mädel, wars nicht nett
so an meiner Seite heute?
Das ist was für junge Leute,
alte gehn allein zu Bett.
Was denn, Kind?
weinen,
Schätzchen?
Nicht doch! sieh, der Abendwind
schäkert mit den Weidenkätzchen! -
_____



Ludwig Eichrodt
(1827-1892)


Zur Laute

Laß uns plaudern, liebes
Schätzchen,
Sitz an meiner Seite nieder!
Hier an dem gewohnten Plätzchen,
In der trauten Dämmrung wieder.

Laß dir aus dem lieben süßen
Angesicht die Locken streichen,
Lasse dir die Wange küssen
Und den schönen Mund desgleichen.

Wenn ich jemals dich betrübte,
So verzeihe mir du Gute,
Unbedachtsam ja, Geliebte,
Spricht man oft mit jungem Blute.

Schau mich an, laß dich umarmen,
An die Brust voll Inbrunst pressen,
An dem treuen lebenswarmen
Busen alle Qual vergessen!

Lächelnd schläft der Geist der Wonne
In der Wange süßen Grübchen,
Süßres unter dieser Sonne
Gibt es nicht als süß ein Liebchen.

Schönres als die heilge Treue,
Holdes Hoffen, lustge Thränen,
Kühnes Fodern, zarte Scheue,
Und ein unergründlich Sehnen.
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Heinrich Heine
(1797-1856)


Hüt dich, mein Freund, vor grimmen Teufelsfratzen,
Doch schlimmer sind die sanften Engelsfrätzchen.
Ein solches bot mir einst ein süßes Schmätzchen,
Doch wie ich kam, da fühlt ich scharfe Tatzen.

Hüt dich, mein Freund, vor schwarzen, alten Katzen,
Doch schlimmer sind die weißen, jungen Kätzchen.
Ein solches macht ich einst zu meinem
Schätzchen,
Doch rät mein
Schätzchen mir das Herz zerkratzen.

O süßes Frätzchen, wundersüßes Mädchen!
Wie konnte mich dein klares Äuglein täuschen?
Wie konnt dein Pfötchen mir das Herz zerfleischen?

O meines Kätzchens wunderzartes Pfötchen!
Könnt ich dich an die glühnden Lippen pressen,
Und könnt mein Herz verbluten unterdessen!
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Hermann Löns
(1866-1914)


Maiandacht

Von dem Dom acht Glockenschläge schallen,
Aus den Fenstern flimmert Kerzenglanz,
Tausend hübsche kleine Mädchen wallen
Nach dem Dom mit Buch und Rosenkranz.

Tausend hübsche stramme Burschen warten
An der Kirchtür und flüstern leis:
Schätzchen, um halb neun im städt’schen Garten!
Tausend Mündchen flüstern: Ja, ich weiß!

Drinnen senken sich die hübschen Köpfchen,
Und das Knie das Kirchenpflaster küßt,
Unter all den Löckchen und den Zöpfchen
Kein Gedanke bei der Predigt ist.

"Gott sei Dank! Die Predigt ist zu Ende,"
Schnell nach draußen strömt der bunte Hauf,
Und des Schloßparks breite Laubgelände
Nehmen die verliebten Pärchen auf.

Welch ein Küssen, Drücken, süße Sünden!
Selbst das frommste Herzchen wird gerührt –
Kalter Himmel, deine Schrecken schwinden,
Und die heiße Hölle triumphiert.
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Albert Traeger
(1830-1912)


Im Verborg'nen

Die Welt weiß Deinen Namen nicht,
Sie kennt auch nicht Dein lieb' Gesicht,
Die Welt ist zu beklagen,
Es sollen d'rum zu jeder Frist,
Wie lieblich Du, mein
Schätzchen, bist,
Ihr meine Lieder sagen.

Manch' Veilchen, das im Grünen blaut,
Von keinem Auge wird geschaut,
Der Wind nur hat's gefunden
Und trägt den wonniglichen Duft
In's Weite hin auf weicher Luft,
Bis Jeder ihn empfunden.

Zur Ferne wird mit duft'ger Spur
Durch Haus und Stadt, durch Wald und Flur
Dein süßer Zauber gehen,
Ob Keiner Dich gesehen auch,
Sie fühlen Deiner Schönheit Hauch
In meinen Liedern wehen.
_____



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