Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 




Alexis Adolphi
(1815-1874)


Das erste
Veilchen duftig

Das erste
Veilchen duftig,
So fromm und frühlingsrein,
Wollt' länger leben und siehe!
Dein Auge muß es sein.

Des Sommers glühende Rose
Wollt' auch nicht sterben bald;
Nun lebt sie auf Deiner Wange,
Von Anmuth hold umwallt.

Die Kirsche fiel im Herbste
In süßer Purpurgluth,
Auf Deiner schwellenden Lippe
Sie nun so selig ruht.

Dich sah  ein Stern am Himmel,
In Liebe zog er aus;
Er fand in Deiner Seele
Wieder sein Heimathhaus.
_____



Rosa Maria Assing
(1783-1840)


An Assing
Den 6 April 1825

Veilchen, zarte Frühlingskinder,
Hast du heute mir gebracht,
Mir gepflückt zur Frühlingsgabe,
Liebend mein dabei gedacht.

Wie der
Veilchen zarte Düfte,
Wie der Frühlingslüfte Wehn
Fühl' ich deiner Liebe Walten
Zart und innig mich umwehn.

Frühling wird es! Frühling ist es
Stets in unserm Glück und Sinn!
Also nehm' ich deine
Veilchen
Still in froher Deutung hin!
_____



Hans Benzmann
(1869-1926)


Am Kamin

III.
Wie ein Veilchen träumt am Hügel
Liegst du still an meiner Brust,
Deiner jungen Seele Flügel
Heben sich in sel'ger Lust . . . . . . .

Süßen Schaum vom Liebesweine
Schlürf' ich heiß in deinem Kuß . . . .
Deine Seele fließt in meine
Wie ein Bächlein in den Fluß . . . .
_____



Matthias Claudius
(1740-1815)


Hochzeitlied

Stand ein junges
Veilchen auf der Weiden,
Lieb und herzig, in sich, und bescheiden;
Und ein wackrer Jüngling über Land
Kam hin, da das
Veilchen stand.

Und er sah das
Veilchen auf der Weiden
Lieb und herzig, in sich, und bescheiden;
Sah es an mit Liebe und mit Lust,
Wünscht' es sich an seine Brust.

Heute wird das Blümchen ihm gegeben,
Daß er's trag an seiner Brust durch's Leben!
Und ein Kreis von edlen Menschen steht
Ernst, und feiert mit Gebet.

Seid denn glücklich! Gott mit Euch, Ihr Beyde!
Seine "Sonn am Himmel" schein' Euch Freude;
Und, in Eurer Freud', in Eurem Schmerz,
Seine "beßre" Euch in's Herz!
_____



Hedwig Dransfeld
(1871-1925)


Herbstveilchen

Nimm sie zurück - aus ihren Augen lacht
Der Lenz mich an mit weichem Liebesblick . . .
Ach, Trug und Traum! Schon dunkelt meine Nacht,
Und meine Toten kehren nicht zurück.

Der Reiher zieht im bleichen Sonnenschein,
Die letzten Falter taumeln lebensmatt,
Rot wie Burgunder flammt der wilde Wein,
Und von der Linde wirbelt Blatt um Blatt.

Ich sah dem Winter mutig ins Gesicht,
Doch nun am Abhang zögert mir der Fuß . . .
Mein Herz war still - stör seinen Frieden nicht
Mit deinem süßen, blauen Frühlingsgruß.
_____



Karl Egon Ebert
(1801-1882)


Lenzestod

Als ich das erste
Veilchen erblickt,
Wie war ich von Farbe und Duft entzückt!
Die Botin des Lenzes drückt' ich voll Lust
An meine schwellende, hoffende Brust.

Der Lenz ist vorüber, das
Veilchen ist todt,
Rings stehen viel Blumen blau und roth,
Ich stehe inmitten, und sehe sie kaum,
Das
Veilchen erscheint mir im Frühlingstraum.
_____



Else Galen-Gube
(1869-1922)


Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt …

Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt,
liegt heut der weiße Winterschnee,
und du, du wandelst nicht mehr
zum Grottenplatz am Erlbuschsee.

Und jede Spur, sie ist verweht,
wo wir gelagert, Brust an Brust,
verweht das stille
Veilchenbeet,
das manch Geheimnis mitgewußt.

Wer ruft nach mir? – Ein Seufzer glitt
aus meiner Brust im Sehnsuchtsweh …
Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt,
liegt heut der weiße Winterschnee. - -
_____



Friedrich Andreas Gallisch
(1754-1783)


Die gepflückten Veilchen

Sie war die gefälligste Schöne,
Der fröhlichste Jüngling war er;
Sie sang in sein Flötengetöne,
Er tanzte voll Lust um sie her;
Sie lagen vereint unter Buchen,
Und seufzten vereint nach Genuss:
Da hub er an
Veilchen zu suchen,
Und pflückte bey Spiel sie und Kuss!

Sie giengen am Abend nach Hause!
Er pfiff seinen Sorgen ein Lied,
Sie weinte in einsamer Klause:
"Die
Veilchen sind alle verblüht!
Den May hat ein Sturmwind zerstöhret!
O tragt mich in's düstere Grab!" -
So klagt sie, und härmt sich, und zehret
Ihr jugendlich Leben bald ab!

Du armes, du liebliches Mädchen,
Sonst unter den Schwestern beym Spiel
Die fröhlichste Seele im Städchen,
Dich tödtet dein sanftes Gefühl!
O sey du ein Beyspiel der Jugend
Von zärtlichem fröhlichen Sinn:
Ein Schritt von dem Pfade der Tugend -
Und alles, ach! alles ist hin!
_____



Emanuel Geibel
(1815-1884)


Es stand ein
Veilchenstrauß an meinem Bette,
Der duftete mir zu gar süßen Traum:
Ich lag am Abhang einer Hügelkette,
Und überblüht von
Veilchen war der Raum:
So viele wuchsen nie an einer Stätte,
Man sah vor ihrem Blau den Rasen kaum;
Da sprach das Herz: Hier ging mein Lieb, das traute,
Und
Veilchen sproßten auf, wohin sie schaute.
_____



Wilhelm Gerhard
(1780-1858)


Das
Veilchen

Was glänzt unter Blättern
Im Morgenthau,
Bescheiden verborgen,
So lieblich blau?

Was füllet das Plätzchen
Mit Nektarduft?
Was würzt mit Gerüchen
Die Frühlingsluft?

Du bist es, o
Veilchen!
Der Holden Bild,
Die sittsam die Schönheit,
Wie du, verhüllt.

Dort prangen die Tulpen
Mit stolzem Sinn,
Wohl ziehet ihr Schimmer
Das Auge hin;

Doch laß ich die Stolzen
Am Wege stehn.
Dich such' ich, o
Veilchen,
Nur du bist schön!

Laß immer dich pflücken,
Und folge mir
Zum schüchternen Liebchen,
So ähnlich dir.

Dort ziere bescheiden
Die holde Brust,
Und stirb dann verwelkend
In stiller Lust!
_____



Hermann von Gilm
(1812-1864)


Das
Veilchen

Dunkler als des Himmels Bläue,
Duftender als Rosmarin
Schaut das
Veilchen, das getreue
Aus dem ersten Wiesengrün.

Stolz und prahlend buhlt die Rose
Dort mit jedem Morgenwind,
Doch das
Veilchen birgt im Mooße
Sich wie ein geängstigt Kind.

Denn von allen Eck und Enden
Geht's hinaus auf seinen Fang –
Ach, und vor gewissen Händen
Ist ihm unaussprechlich bang.
_____



Hermann von Gilm
(1812-1864)


Der Schmetterling

Ein
Veilchen blühte still verborgen,
Da fliegt ein Schmetterling vorbei
Und setzt sich fern, sitzt bang voll Sorgen,
Das
Veilchen grüßt: "Recht guten Morgen!"
Und frägt, warum er traurig sei.

"Ich komm' herauf von jener Heide,
Da sind sie alle schön geschmückt
Mit Gold auf ihrem Flügelkleide –
Den stolzen Blumen ihre Freunde -,
Nur mich hat keine angeblickt.

"Ich hab' kein Gold auf meinem Flügel,
Es hat's der Mond, der Sterne Licht,
Es hat's der Baum auf jedem Hügel,
Es hat's der Bach auf seinem Spiegel; -
Nur ich bin arm, ich hab' es nicht!"

Doch bei der ersten Sterne Schimmer
Lag er beim
Veilchen duftberauscht,
Und diese Eine Nacht hätt' nimmer
Um all' des Goldes Glanz und Flimmer
Der arme Falter eingetauscht.
_____



Hermann von Gilm
(1812-1864)



Falter und
Veilchen

Ein
Veilchen war's mit gold'nem Ringe
Im tiefen violett'nen Blau;
Es stritten d'rum zwei Schmetterlinge,
Die schönsten auf der weiten Au.

Und als in diesem wilden Streite
Der Goldstaub von den Flügeln flog,
Da klang ein Seufzer durch die Weite,
Der auch an mir vorüberzog:

"O wären meine Farben trübe,
Wär' ich nicht duftend und nicht schön,
So könnt' den Frühlingstag der Liebe
Ich thränenlosen Auges sehn!

Wie war ich gestern noch so fröhlich!
Sie nahmen meine Ruhe hin,
O daß ich so ein unglückselig,
So schönes, armes
Veilchen bin!"

Da spricht der eine Falter: "Werde
Dir Ruhe bringen!" und entflieht,
Und sterbend fällt er auf die Erde,
Als ihn das
Veilchen nimmer sieht.
_____



Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)


Das
Veilchen

Ein
Veilchen auf der Wiese stand
Gebückt in sich und unbekannt;
Es war ein herziges
Veilchen.
Da kam eine junge Schäferin,
Mit leichtem Schritt und munterm Sinn,
Daher, daher,
Die Wiese her, und sang.

Ach! denkt das
Veilchen, wär ich nur
Die schönste Blume der Natur,
Ach, nur ein kleines Weilchen,
Bis mich das Liebchen abgepflückt
Und an dem Busen matt gedrückt!
Ach nur, ach nur
Ein Viertelstündchen lang!

Ach! aber ach! das Mädchen kam
Und nicht in acht das
Veilchen nahm,
Ertrat das arme
Veilchen.
Es sank und starb und freut' sich noch:
Und sterb ich denn, so sterb ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füßen doch.
_____



Johann Christoph Friedrich Haug
(1761-1829)


Als er Louisen ein
Veilchen bot

Ich schwöre nicht nach Dichtersitte,
Dass dieses
Veilchen schöner blüht,
Wenn es in deines Busens Mitte
Vom Anhauch deines Lebens glüht.
Nah' ist des armen Blümchens Ende!
Es welkt dahin im Abendroth,
Und ach! - und findet da den Tod,
Wo ich das Leben fände.
_____



Heinrich Heine
(1797-1856)


Deine weißen Liljenfinger,
Könnt ich sie noch einmal küssen,
Und sie drücken an mein Herz,
Und vergehn in stillem Weinen!

Deine klaren
Veilchenaugen
Schweben vor mir Tag und Nacht,
Und mich quält es: was bedeuten
Diese süßen, blauen Rätsel?
_____



Heinrich Heine
(1797-1856)


Die blauen Veilchen der Äugelein,
Die roten Rosen der Wängelein,
Die weißen Liljen der Händchen klein,
Die blühen und blühen noch immerfort,
Und nur das Herzchen ist verdorrt.
_____



Frieda Jung
(1865-1929)


Ihr Gärtchen

Und ist ihr Gärtchen noch so klein,
Platz hat darin der Sonnenschein
Und Platz der Maienregen,
Ein Rosenstock, ein Lilienreis
Und Tausendschönchen, rot und weiß
Und
Veilchen allerwegen.

Und ist ihr Gärtchen noch so klein,
Es zwitschern doch die Vögelein
Drin ihre Frühlingslieder;
Auch hat es reichlich Platz genug
Für Bienen- und für Falterflug
Rings um den blauen Flieder.

Und ist ihr Gärtchen noch so klein,
Der Hans, der findet doch hinein
Zu seiner treuen Liese;
Und wenn sie ihm entgegenfliegt,
Meint er, das kleine Gärtchen liegt
Direkt am Paradiese.
_____



Albert Knoll
(1809-1843)


Des
Veilchens Grab

Lag ein geknicktes
Veilchen
Auf einem nackten Stein;
"Ach,
Veilchen, armes Veilchen,
Sollst weicher begraben sein!"

Sie nimmt das todte
Veilchen,
Steckt's in den Busen tief,
Wo, tiefer als das
Veilchen,
Geknickte Liebe schlief.
_____



Amalie Krafft
(1778-1852)


Rose und
Veilchen

Die Rose glüht,
Haucht wonniges Entzücken,
Man huldigt ihrer Schönheit Macht.
Verborgen still vor allen Blicken,
In einsam lauer Frühlings-Nacht
Das
Veilchen blüht.

Die Rose hebt
Mit Stolz sich in die Lüfte,
Sie glänzet hoch im Sonnenstrahl;
Doch spendend seine süßen Düfte
Im dunklen Gras, im tiefen Thal
Das
Veilchen lebt.

Der Rose Blick
Beherrscht des Gartens Höhen,
Sie ist sich ihres Thrones bewußt.
In treuer Liebe zu vergehen,
Zu sterben an geliebter Brust
Ist
Veilchens Glück.

Die Rose glüht,
Die duftet schmeichelnd Allen,
Und sie ergötzet jeden Blick.
Doch einem Liebling zu gefallen,
Ihm bringend stiller Liebe Glück
Das
Veilchen blüht.

Die Rose wirbt
Um Beifall nicht vergebens,
Ihr wird der Preis, den sie gehofft,
Ruhm ist bei ihr der Zweck des Lebens.
Verlassen und vergessen oft
Das
Veilchen stirbt.
_____



Else Lasker-Schüler
(1869-1945)


Als ich noch im Flügelkleide . . .

Unter süßem
Veilchenhimmel
Ist unsere Liebe aufgegangen,
Und ich suche allerwegen
Nach Dir und Deinen Morgenwangen.

Und den Ringelrangelhaaren
Rötlichblonden Rosenlocken,
Und den frühlingshellen Augen,
Die so frischfreifrohfrohlocken.

Zwischen dicken Gummipflanzen
Lauern hinter Irdentöpfen
Strickpicknadelspitze Augen
Tücksch aus bitteren Frauenköpfen.

Daß die beiden alten Damen
Hinter unsere Liebe kamen
Und Dich in Gewahrsam nahmen,
Sind die Dramen unserer Herzen.
_____



Nikolaus Lenau
(1802-1850)


Das
Veilchen und der Schmetterling

Ein
Veilchen stand
An Baches Rand,
Und sandte ungesehen
Bei sanftem Frühlingswehen
Süßen Duft
Durch die Luft.
Da kommt auf schwankendem Flügel
Ein Schmetterling über den Hügel,
Und senket zur kurzen Rast
Zum
Veilchen sich nieder als Gast

Schmetterling
Ei! Veilchen! wie du thöricht bist,
Zu blühn, wo niemand dein genießt!

Veilchen
Nicht ungenossen blüh' ich hier,
Ein Schäfer kommt gar oft zu mir,
Und athmet meinen Duft und spricht:
"Ein solches Blümchen fand ich nicht,
Wie Veilchen du! auf Wiesen, Auen,
Ist keines mehr wie du zu schauen!"

Schmetterling
's ist schöner doch, glaub meinem Wort,
Zu blühn auf freier Wiese dort,
In jener bunten Blumenwelt,
Als hier im dunklen Schattenzelt!

Veilchen
Hier bin ich meines Schäfers Wonne,
Dort aber bleichet mich die Sonne,
Und ohne Farbe ohne Duft,
Find' ich zu früh dort meine Gruft.
Drum blüh' ich in der Einsamkeit,
Wenn auch nur Einer mein sich freut.
_____



Ludwig I. von Bayern
(1786-1868)


Der
Veilchenstrauß an **

Gesellend ist das Gleiche sich zum Gleichen,
Drum eilet, sehnend, dir das
Veilchen zu,
Vor welcher alle Blumen still sich neigen,
Und
Veilchen, Rose, Lilie bist du.
_____



Julie Gräfin Oldofredi-Hager
(1813-1879)



Ein versendetes
Veilchen im Briefe

Ob wohl dies
Veilchen Duft behält,
Bis es Dich trifft in weiter Welt?

Ob sich zurück Dein Sinn dann lenkt,
Wie man geträumter Freuden denkt?

Zerpflückt, wie dieses Blüthenstück,
Ist längst ja auch mein Rest von Glück! -

Denn ob der Lenz auch wiederkehrt,
Dem Menschenlenz ist's nicht gewährt! -
_____



Dietrich Ernst Spiegel von Pickelsheim
(1738-1789)


An
Veilchen
welche durch Elmiren frühzeitig zur Flor gebracht worden
und dann an ihrem Busen welkten

Ihr
Veilchen wie beneidens werth
War euer kurzes Leben!
Der Grazie, die euch ernährt
Habt ihrs zurück gegeben.

Ihr keimtet, wuchset, schlosst euch auf
Durch ihre sanfte Pflege.
O, dieser süsse Lebenslauf
Macht meine Misgunst rege!

Die späten Schwestern rief im Thal
Zum Leben, Frühlings Sonne;
Ihr Auge war euch Sonnenstrahl,
Hing über euch voll Wonne.

Für sie verduftetet ihr nur
Die frohen Lebensstunden.
Hat ein Geschöpf in der Natur
Je grössres Glück empfunden?

Uns mäht das Schreckgeripp ins Grab
Mit schauervollen Waffen;
Die schönste Hand, die brach euch ab,
Die je ein Gott geschaffen.

Das Mädchen aller Mädchen trug
Euch an dem Engelherzen;
Ihr fühltet, wenn es wärmer schlug,
Und theiltet Lust und Schmerzen.

Um solch ein Glück den Thron verschmähn,
O das ist wahrlich wenig! -
Nur für sie leben und vergehn
Ja das ist mehr als König.
_____



Julius Rodenberg
(1831-1914)


Beim
Veilchensuchen

Die milden Frühlingsfeuer
Wie stralen sie Tag und Nacht!
Was je dem Herzen teuer,
Erscheint in neuer Pracht.

Mit innigstem Entzücken
Betracht' ich diese Welt;
Ans Herze möcht' ich drücken
Den Wald, die Berge, das Feld.

Beseligt muß ich saugen
Den süßen Frühlingshauch;
Es üben die blauen Augen
Den alten Zauber auch.

Die
Veilchen am sonnigen Raine,
Ich breche sie froh und still;
Und denke dabei an Eine,
Der ich sie bringen will.
_____



Otto Roquette
(1824-1896)


Wenn die ersten
Veilchen blühn

Wenn die ersten
Veilchen blühn
Ist die Rosenzeit nicht fern.
Mädchenwangen rosig glühn,
Trifft sie ein geliebter Stern.

Scheitert an der Blicke Klippen
Nicht der Mund zu bittrem Leid,
Von den Augen zu den Lippen
Ist es dann nicht allzuweit.
_____



Otto Roquette
(1824-1896)


Märzveilchen

Könntet reden ihr, ihr zarten
Blauen
Veilchen, die ich brach
Früh in meinem stillen Garten,
Da noch kaum der Morgen wach!

In des Nebels kühlem Weben
Sucht' ich schauernd euren Duft,
Und die erste Lerche schweben
Sah ich in der blauen Luft.

Hoch im Blau, bis weit und weiter
Stieg und schwand ihr lieber Ton,
Bis durch Wolken hell und heiter
In den Aether sie entflohn.

Könntet reden ihr, ihr blauen
Zarten
Veilchen, die ich, ach
Für die seeligste der Frauen
Früh in meinem Garten brach!

Seht ihr lächeln sie so milde,
Hält sie euch in ihrer Hand,
Seht empor zu ihrem Bilde,
Wie ihr Aug euch so verwandt!

Alle Lieb' und alle Güte
Liegt in ihrem reinen Blick,
Einer Himmelsseele Blüte
Spiegelt euch eur Bild zurück.

Könntet reden ihr, ihr
Veilchen,
Die ich früh im Nebel brach,
All der Wonne nur ein Theilchen,
Die in meiner Seele sprach!
_____



Charlotte Sophie Sidonie Seidel
(1743-1778)


Die verwelkten
Veilchen
An Theon

Sie sind schon Staub; o Theon schon,
Dahin gewelkt, sie rettete
Nichts, Deine
Veilchen, die ich, ach!
Einst an dem schönsten Frühlingstag
Für Dich, voll reiner Zärtlichkeit,
Gepflückt, für Dich, dem Seligkeit
Der Unschuld sanfte Freuden sind,
Dem mehr, als Glück der Könige
Auch in der kleinsten Scene mehr
Das sanftere Vergnügen gilt,
Das Dir Dein fühlend Herz verleiht.
Dahin sind Deine
Veilchen! nicht
Geschützet von der Unschuld, nicht
Von jener höhern Zärtlichkeit,
Die meinem Angedenken stets
Wird heilig, wird gesegnet seyn.
Sie sind dahin! Dir aber blüht
In meinem Herzen das Gefühl
Der edlen Freundschaft stets, die uns
Einst selbst noch in den Wohnungen
Der Wonne und der Seligkeit
Den ew'gen Lenz verschönern wird.
_____



Charlotte Sophie Sidonie Seidel
(1743-1778)


An das
Veilchen

Warte noch im Schosse mütterlicher Erde,
Liebstes
Veilchen! Keime nicht hervor!
Denn betrüglich steiget eines falschen Lenzen
Sonne lächelnd über dir empor.

Hat sie deiner Hülle tückisch dich entschmeichelt,
So verbirgt sie unter Wolken sich,
Und die Schneegestöber, und der Fröste Schauer,
Die bedecken, trautes
Veilchen, dich!

Warte, bis in deiner Unschuld sanften Blüthe
Dich kein Hauch des rauhen Nords mehr stört,
Bis zu dieses stillen Thales Freuden,
Theon, der dich liebet, wiederkehrt.
_____



Johann Gabriel Seidl
(1804-1875)


Die
Veilchen-Leiche

Wir saßen in der Laube
So selig Hand in Hand;
Da lag zu unsren Füßen
Ein
Veilchen in dem Sand.

Wir sah'n es sinnend liegen,
Da sagtest du zu mir:
"Komm, laß es uns begraben,
Das warme
Veilchen hier!"

Und in dem Sande gruben
Wir ihm ein kleines Grab,
Und legten mit einander
Die
Veilchenleich' hinab.

Und deckten sie mit Rasen
Und frischen Blättern zu,
Und sprachen ernst und sinnig:
"Da,
Veilchen, lieg' und ruh'!"

Nun hab' ich ihn begriffen
Den ersten Leichenscherz:
Er ward zur Vorbedeutung
Für unser eignes Herz.

Denn so wie wir das
Veilchen
Verscharrt am stillen Ort,
Begruben wir nach Monden
Auch - unsre Liebe dort!
_____



Jegor von Sivers
(1823-1879)



Ein
Decemberveilchen

Am Wintertag wie hast du heut,
Mein
Frühlingsveilchen, mich erfreut,
Von unsichtbarer Mädchenhand
Ein zartes liebes Unterpfand.

Du zauberst mir mit deinem Blau
Zum Lenz die winterliche Au,
Und Frühlingsodem füllt die Luft
Bei deinem wunderbaren Duft.

Kaum lachte mir dein Angesicht
Keimt auch im Busen ein Gedicht.
Nun, kleines Liedlein, wandre du,
Der Geberin des
Veilchens zu;

Verkünd ihr, wie bei Winternacht
Ein Liederfrühling mir erwacht,
Und wie sie selber froh und frei
Die Königin des Lenzes sei.
_____



Viktor von Strauß und Torney
(1809-1899)


Die
Veilchen

Wenn mit der klaren Frühlingslust
Der erste süße
Veilchenduft
Um Beet und Anger zieht,
Da wird mir gleich so morgenjung,
Da fühlt's das Herz wie Lerchenschwung,
Und alles Düstre flieht.

Ich denk' an deinen Jahrestag,
Noch eh' ich dir von Liebe sprach,
Im frühsten Lenz des Jahrs.
Wie werth dir meine Gabe schien!
Ein
Veilchenbusch im ersten Grün
Mit ersten Knospen war's.

Ein
Veilchenbusch, der dicht und voll
Aus offnen Blüthen Düfte quoll,
Belauschte dich und mich, -
Als dich zuerst mein Arm umschlang,
Ich flüsternd an das Herz dir sank:
"Unsäglich lieb' ich dich!"

Drum wird mir's ja so morgenjung,
Drum fühlt's das Herz wie Lerchenschwung
Und alles Düstre flieht,
Wenn mit der frischen Frühlingsluft
Der erste süße
Veilchenduft
Um Beet und Anger zieht.
_____



Christian Felix Weisse
(1726-1804)


An ein
Veilchen

Mein Veilchen, lass die Schmeicheleyen
Des jungen Zephyrs dich nicht reuen,
Du unsrer Gärten erste Zier!
Dich soll ein schöner Loos beglücken:
Den schönsten Busen sollst du schmücken,
Und alle Grazien mit dir.

Ja, an dem Busen von Selinden
Sollst du den stolzen Wohnplatz finden! -
Vor Freuden, seh' ich, zitterst du.
Hier lass dich stolzre Bluhmen neiden,
Und duft' ihr dankbar alle Freuden
Der süssesten Gerüche zu!

Geh hin, zu ihren schönen Händen!
Durch dich, mein  Glücke zu vollenden,
Sey ihr mein treues Herz erklärt! - - -
Umsonst! wie könnte diess geschehen?
Wie bald, wie bald wirst du vergehen,
Da ewig meine Liebe währt!
_____


Sidonie Grünwald-Zerkowitz
(1852-1907)


Alles oder - Nichts

Das
Veilchen spricht mit stolzem Mut:
Bin ich Dir nur zum Pflücken gut,
Mich fortzuwerfen balde:
Laß lieber stehn mich ungepflückt,
Bleib' ich auch fürder unbeglückt
Im tiefen dunklen Walde!

Bin ich an Glück auch nicht gewohnt,
Nicht weiß ich doch, wie Undank lohnt ...
- Könnt' einmal nur gepflückt sein -
Und hast Du nach mir heiße Lust,
Dann will ich auch an Deine Brust
Tiefinniglich gedrückt sein!
_____



zurück zum Verzeichnis
 


zurück zur Startseite