Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 




Carl Busse
(1872-1918)


Auf der Treppe

Und hatten wir beide die Zeit verpaßt,
Daß dunkel die Treppen lagen,
Ich hab' deinen zitternden Leib umfaßt
Und hab' dich emporgetragen.
Kein
Sterbenswörtchen von Liebe und Glück,
Kein stammelndes
Wörtchen von Treue,
Bog dir nur leise das Haupt zurück
Und küßte dich immer aufs neue.

So hab' ich dich nun und halte dich nun
Ganz fest bis ans Ende der Tage,
Laß drohen den Schmerz! - was kann er mir thun?
Ich lach' und halt' ihm die Wage!
Mein Blut, das schäumt wie der Wildbach im März,
Schäumt über alle Schranken,
O du mein junges, glückseliges Herz, -
Mein Gott, wie soll ich dir danken!
_____



Peter Cornelius
(1824-1874)


Wie lieb' ich dich hab'

Und sängen die Vögel dir laut meine Lieb',
Ein
Wörtchen doch heimlich im Herzen noch blieb.

Und könnt' ich mit Perlen umhüllen dich ganz,
Sie könnten's nicht sagen mit all ihrem Glanz.

Und streuten's die Rosen an Duft vor dich hin,
Sie wüßten's doch halb nur, wie gut ich dir bin.

Und rauschten's die Quellen, und braust es der Wind,
Und fänden das Wort sie, das nimmer ich find':

Ja, sängen's die Sterne vom Himmel herab,
Sie könnten's nicht singen, wie lieb ich dich hab'!
_____


Marie Eugenie Delle Grazie
(1864-1931)


Das Geheimniß

Ich darf nicht weinen, darf nicht klagen,
Nicht äußern meinen tiefen Schmerz;
Die Menschen würden mich gleich fragen:
"Was hast Du? Was bewegt Dein Herz?"

Drum will ich auch kein
Wörtchen sagen
Und still verschließen meine Brust,
Im tiefsten Herzen will ich tragen
Der Liebe Leid, der Liebe Lust.
_____



Amara George-Kaufmann
(1835-1907)


In Deine Liebe möcht' ich
Mich senken ganz hinein,
Da tief ohn' Ende rasten
Und von Allen vergessen sein!

Ein
Wörtchen würd' ich hören,
Das Eine ganz allein,
Wenn ich so läg' und schliefe
In diesem Wonneschrein.

Nicht Engelsgrüße tönten
Mir so beglückend rein;
Denn süßer klingt, als Alles,
Das Wörtlein: Ich bin Dein!
_____



Robert Hamerling
(1830-1889)


Liebesgruss

Ich bin dir ach so ferne,
Und möchte bei dir sein,
Und sagte dir so gerne
Ein
Wörtchen ganz allein.

Es grüssen Rosen ferne
Mit Duft sich liebebang,
Mit gold'nem Strahl die Sterne
Und Herzen mit Gesang.

So wall', o Lied, als Bote
Zu ihrem Herzen hin,
Doch scheu vor ihrem Spotte,
Ertöne nicht zu kühn!

Nur schüchtern nah' dem Kreise,
Dem Himmel ihres Lichts:
Begrüsse nur sie leise,
Vom Herzen sage nichts!
_____



Karl Herloßsohn
(1804-1849)


An Maria

Neig' Dich zu mir herab,
Du meines Lebens Licht,
Dämpfe den Blitzstrahl nicht,
Der aus dem Auge bricht!
Prangt doch die Eiche schön,
Wenn sie in Flammenwehn
Leuchtend muß untergehn.
So in das Aug' Dir sehn -
So möcht' ich untergehn!

Gib mit dem Rosenmund
Mir nur ein
Wörtchen kund
Süß, wie ein Glockenklang,
Wie heil'ger Kirchgesang,
Rührt es die Seele mir.
Büßend und betend komm'
Ich zu Dir reuig, fromm,
Glauben und Tröstung mir
Bringt ja ein Wort von Dir!

Reich' mir die schöne Hand,
Und ich bin festgebannt; -
Der Fesseln schönste wand
Dann sich um meine Hand!
Sprengen werd' ich sie nie!
Doch mit des Mundes Glut
Küss' ich sie roth, wie Blut;
- Wird durch den heißen Arm
Vielleicht Dein Herz auch warm? -
_____



Ludwig Jacobowski
(1868-1900)


Idyll

Wie deine Wangen glänzen
Du süßes Lieb;
Schweratmend liegst du da,
Der Leib schimmernd und
Schmiegsam wie Weidengerte,
Mit Funkelaugen
Und wirrem Haar ...
Selig erschöpft,
Mit der Hand,
Mit der kleinen weißen Hand
Deckst du mir,
Schamhaft errötend
Die lächelnden Augen zu
Und dann
Mit einem Ruck
Voll drolligen Zornes
Wendest du plötzlich dich um
Und zeigst mir des Nackens
Rotschimmerndes Rund.
Wie'n kleines Kätzchen
Knurrst du und murrst du
Und preßt das erhitzte Antlitz
In's verschwiegene Kissen ...
Endlich nach langem
Lachen und Kichern
Wendest du zu mir
Das kleine Näschen,
Das rote Mündchen,
Die Funkelaugen
Und schneidest, ein unartiges Kind,
Ein dummes Gesichtchen
Und zeigst mir neckisch
Des Züngleins rosige Spitze.
Ach Lockenkopf, sei nicht so thöricht
Und schneid' nicht naiv
Solch dummes Gesichtchen,
Dann flüstre ich ein
Wörtchen
Ein einziges, dir
Ins kleine liebliche Öhrchen
Dann bist du klug,
So klug,
Nicht wahr,
Du Liebling,
Du kleines Kätzchen,
Du Lockenköpfchen,
Denn Liebe macht klug,
So klug ...
_____



Andreas Ludwig Jeitteles
(1799-1878)


Anliegen

Laß' mich dir ein
Wörtchen sagen
Leise, leise nur in's Ohr;
Darf ich's, Mädchen, darf ich's wagen?
Nur mit Zittern, nur mit Zagen
Brächt' ich's, Holde, sonst hervor.

Allerdings sind wir alleine,
Wer vernähme diesen Laut?
Aber, allerliebste Kleine,
Was ich fühle, was ich meine,
Wird nicht gern der Luft vertraut.

Denn die Luft schon unausbleiblich
Trüg' es in die Weite fort;
Schon die Luft ist mir zu leiblich
Greifbar für das unbeschreiblich,
Unverkündbar zarte Wort.

Mein lebendigster Gedanke
Werd' in's Ohr nur dir geweht:
Unvermittelt, ohne Schranke,
Bis zu deiner Seele ranke
Meine sich im Bittgebet.

In das Ohr nur leise, leise
Laß' mich hauchen meinen Schmerz,
Daß auf diesem Liebesgleise
Rascher mein Verlangen reise
Von dem Herzen in das Herz!
_____



Johann Ritter von Kalchberg
(1765-1827)


An Käthchen

Wohl in der Welt ich manches Mädchen
Im Blüthenschmuck der Jugend fand,
Das seiner Reize Zauberfädchen
Gar schlau um Männerherzen wand;
Doch keines hab' ich noch gefunden,
Das, holdes Käthchen, ganz dir glich,
Die Männerherzen zu verwunden
Verstehst nur du so meisterlich.

Sie, deiner Anmuth Zauberspiele
Erweckten auch in meiner Brust,
Schon lange schlummernde Gefühle,
Nun wogend zwischen Schmerz und Lust.
Dir nah und doch von dir getrennet
Muß ich vergeh'n in stiller Qual,
Die Gluth geheimer Sehnsucht brennet
In meinem Innern tausendmal.

Es ewig an mein Herz zu drücken
Das Liebchen mit dem Rabenhaar,
Der Schwarzen Augen Flammenblicken,
Des vollen Busens wallend Paar;
Zu küssen seine Rosenwangen,
Die Purpurlippen, honigsüß,
Ist, ach, das glühende Verlangen,
So mir die Lebensruh' entriß.

Drum, schlankes Käthchen, hab' Erbarmen,
Sprich mir das
Wonnewörtchen: Dein!
Und lass' in deinen Schwanenarmen
Der Dichter Glücklichsten mich sein.
Trink, - nicht in kaltem Weltgetriebe -
Im Schatten der Verschwiegenheit
Den wahren Nektarkelch der Liebe,
Den dir mein Herz so liebend beut.
_____



Hedwig Kiesekamp (Ps. L. Rafael)
(1844-1919)


Botschaft

Rausche, Sturmwind, rausche,
Lausche, du Welle, lausche!
Sturmwind, sollst ein
Wörtchen sagen,
Welle soll es weiter tragen
In die weite Ferne.

In dem fernen Lande
Mägdlein lauscht am Strande!
Lauschet wohl viel' Tag und Nächte
Ob nicht Eines Kunde brächte
Von dem Heißgeliebten.

Fliege, Sturmwind, schnelle,
Eile, du Silberwelle!
Küsse, schmeichelnd ihr die Füße,
Bring' ihr meines Herzens Grüße,
Sag: - wie ich sie liebe!
_____



Karl Ernst Knodt
(1856-1917)


Im Dom

Ein stiller Dom. Die Wände himmelblau.
Darinnen lauter Licht, lauter lebend Licht;
und niemand sonst, als Du, geliebte Frau
- und unsre Andacht, die kein
Wörtchen spricht.
_____



Thekla Lingen
(1866-1931)


Je t'aime

»Je t'aime« - in den Baum geschrieben
Hat seine Hand mit keckem Scherz;
Kennt er denn nicht das
Wörtchen »lieben«?
Doch süss erschrocken steht ihr Herz.

»Je t'aime« - in das Mark gezwungen
Hat er's dem Baum im tiefen Wald;
»Ich liebe dich!« hat sie gesungen,
Dass es im Walde wiederhallt.

»Je t'aime« - kann sie doch nicht singen,
Denn gar zu fremd ist ihr das Wort;
»Ich liebe dich!« so wird es klingen
In ihrem Herzen fort und fort.

»Je t'aime« - wo ist der Freund geblieben?
Das fremde Glück entwich so bald!
Er kannte nicht das
Wörtchen »lieben«,
Und weinend geht sie durch den Wald ...
_____



Hermann Löns
(1866-1914)


Im Stangenholz ...

Im Stangenholz ruschelt es leise,
Die Uhlenflucht beginnt,
Zu schüchtern flüsternder Weise
Erstirbt der Tagewind.

Nun, Liebste, laß uns gehen
Tief in den Wald hinein,
Wo die Buchen wie Säulen stehen,
Versilbert vom Mondenschein.

Wo schwarze Schatten liegen
Auf der Wege hellem Grund,
Da will ich mich an dich schmiegen
Mit Herz und Hand und Mund.

Kein
Wörtchen will ich sagen,
Will sein ganz stumm und still,
Meines Herzens lautes Schlagen
Allein zu dir sprechen will.
_____



Richard Pohl
(1826-1896)


Geheimniß

Ich flüsterte leis in den einsamen Bach
- Er schien mir so still und verschwiegen -
Drei
Wörtchen, so lieb, die bei Tag und bei Nacht
In seligste Träume mich wiegen.

Doch als ich dem Bach das Geheimniß verrieth,
Hat eilig er's weiter getragen;
Eine liebliche Blume am Ufer ihm blüht,
Der durft' er schon heimlich es sagen.

Die Blume dem Schmetterling schüchtern verrieth,
Was der nicht konnte verschweigen -
Die Nachtigall sang es - da tönte das Lied
Bald schmetternd von allen Zweigen.

Und als es durchflogen den rauschenden Wald,
Hat sich's zu den Bergen geschwungen,
Und höher und stärker, mit Sturmes Gewalt,
Ist's bis zu den Wolken gedrungen:

"Sie liebt mich, sie liebt mich!" - So schallte es laut! -
Mir wollte das Herz fast zerspringen,
Daß Himmel und Erde, was sie mir vertraut,
Das süße Geheimniß nun singen!
_____



Robert Prutz
(1816-1872)


Das Wort

Es summt ein Wort mir rastlos in den Ohren,
Ganz leise nur, mit ungewissem Klang,
Und will ich's nennen, hab's schnell verloren,
So lockt und neckt mich's wie Sirenensang.

Ich kann nicht sagen, was darin enthalten,
Es ist nicht Frühling, Rose, Sonnenschein,
Doch will der Himmel sich zum Wort gestalten,
Der ganze Himmel, muß es dieses sein.

Es ist ein Klang aus jenen flücht'gen Stunden,
Da eine schöne, liebe Heuchlerin
Mit weichen Armen zärtlich mich umwunden,
Mir ganz bethörend Herz, Gemüth und Sinn.

Da hab' ich oft von ihrem Rosenmunde
Mit gier'gem Ohr dies
Wörtchen abgelauscht,
Und spielend haben manche lange Stunde
Wir dieses
Wörtchen kindisch ausgetauscht.

Wenn sie es sprach, wie bebt's mir in den Sinnen!
's war mehr als Flöte, mehr als Lerchensang,
Ein Paradies voll Seligkeit lag drinnen,
Ich konnt' es hören Tag' und Monde lang.

Es war ein Spiel! Des Spieles ward sie müde
Und hat sich ruhig, lächelnd abgekehrt;
Doch mit ihr wandte sich mein Glück, mein Friede –
Sie war so schön, sie war so liebenswerth!

Auch jenes
Wörtchen hab' ich längst verloren,
Denn mit dem Zauber schwand das Zauberwort;
Nur leise, leise summt's mir in den Ohren,
Vergessen möchte' ich's, dennoch summt es fort!

Und wenn im Frühling sich die Blätter regen,
In Thal und Wald die Erde sich belebt,
Dann klopft mein Herz mit ungestümen Schlägen
Laut möcht' ich nennen, was mich leis durchbebt.

Es ist umsonst, ich find' es nimmer wieder,
Es ist nicht Frühling, Rose, Sonnenschein,
Doch mehr als Flöte, mehr als Lerchenlieder –
Es muß ein Wort für Glücklichere sein.
_____



Gustav Renner
(1866-1945)


Erfüllung

Wie selig nun die Tage fliehn,
Wie still die Nacht, wie still die Nacht,
Und übers Herz die Träume ziehn
In lichter Märchenpracht.

Ich weiß nichts mehr von Welt und Zeit,
Nur daß ich dein, nur daß ich dein,
Doch Tag und Nacht und Ewigkeit
Schließt dieses
Wörtchen ein.
_____



Joachim Ringelnatz
(1883-1934)


Ein Liebesnacht-Wörtchen

Ja – – ja! – – ja!! – – ja!!! – –
Du hast so süße Höschen.
Nun sind wir allein. Und es ist Nacht.
Ach hätte ich dir doch ein Röschen
Mitgebracht.
_____



Anna Ritter
(1865-1921)


Schweigen

Du gehst vorüber …
Nebel steigen auf,
Die mir dein Bild, das zärtliche, vertraute,
In eine ungewisse Ferne rücken,
Wie bald, wie bald,
Ist Alles todt und leer
Und keine Klage, kein Verlangen mehr
Wird dann die Kluft, die tiefe, überbrücken.
Ach, und zu schweigen!
Aus dieser Lippen blühendem Thor
Trete kein
Wörtchen lächelnder Hoffnung,
Kein Wehlaut schluchzender Sehnsucht hervor,
Kein leuchtender Blick soll dich grüßen!
Nur meiner Thränen blinkenden Thau
Streue ich blasse, schweigende Frau
In bitterer Noth dir zu Füßen.
_____



Friedrich von Schlegel
(1772-1829)


An Selinde

1.
Als das Köpfchen an mir ruhte,
Konnt' ich nicht ein
Wörtchen sagen;
Konnte glühend von Verlangen,
Keine Liebkosung doch wagen.
Sieh so glühend muß ich lieben,
Und Du fühlst nicht meine Klagen!
_____



Emil Prinz von Schönaich-Carolath
(1852-1908)


Gern will ich in deinem schwarzen Haar
Verbergen die blasse Wange,
Gern will deine Augen perlenklar
Ich küssen glühend und lange;

Will küssen dich wild und inbrünstiglich
Bei Nacht und am hellen Tage -
Allein das
Wörtchen "ich liebe dich"
Verlange nicht, daß ich's sage!

Wohl seh' ich, daß deine Wange glüht,
Daß deine Stirn sich umdunkelt,
Daß Hohn deinen rothen Mund verzieht,
Und trotzig dein Auge funkelt -

Doch ehe ich spräche dieß eine Wort,
Würd' ich dich tausendmal lassen
Und würde geduldig tragen hinfort
Dein bitterstes, tiefstes Hassen.

Ich will dich küssen inbrünstiglich
Bei Nacht und am hellen Tage -
Allein das
Wörtchen "ich liebe dich"
Verlange nicht, daß ich's sage.
_____



Kurt Schwitters
(1887-1948)


Große Liebe
1937

Es war die Nacht zum Lillebummer Schützenfest.
Er hielt das Mädchen fest an seine Brust gepreßt.
In seinen Augen standen süße Zähren,
Er war dabei, ihr 'alles' zu erklären.
'Du bist das schönste Mädchen, das ich je geliebt',
Sprach Adolar, 'weil es keine schönre gibt'.
Fühlst du, wie unsre Seelen ineinander fließen
Und donnernd sich ins tiefe Meer des Glücks ergießen?'
Sie sagte nur das eine
Wörtchen: 'Ja!'
Weil sie das tiefe Meer des Glücks nicht sah,
Weil sie nicht fühlte, wie die Seelen flossen,
Sich brausend ineinander gossen.
Da sprach er: 'Holdes Kind, fühlst du es nicht,
Wie jetzt mein Herz zu deinem Herzen spricht?
Wie meine Lippen sich auf deine neigen,
Um dir im Kuß das Paradies zu zeigen?'
Sie sagte nur das eine
Wörtchen: 'Nein',
Sie fühlte nicht des Kusses süßen Wein,
Weil Adolar, der sie jetzt küssen müßte,
Vor vielen tausend Worten sie nicht küßte.
Er preßte weiter sie mit Heldenmut
So fest, wie es nur große Liebe tut.
_____



Ludwig Seeger
(1810-1864)


Stille Stunden

Die Lieb' hat stille, heilge Stunden,
Da sitzt sie fromm entzückt, allein,
Und auf den Schatz, den sie gefunden,
Beugt sie sich demuthsvoll herein.
O stört sie nicht, o naht ihr nicht:
Wenn euer Mund ein
Wörtchen spricht,
So ist der Schatz verschwunden!
_____



Maurice Reinhold von Stern
(1860-1938)


Ein Zauberwort

Tief in des Meer's krystall'nem Schooße,
Da liegt die Perle wunderbar
In unscheinbarem Muschelkleide
Oft unentdeckt viel tausend Jahr.

In Bergen und in dunkeln Schachten,
Gar tief in Staub und Schutt versteckt,
Da liegt das edle Gold und wartet,
Bis es der Bergmann aufgedeckt.

So giebt's im Menschenherzen Schätze,
So tief verborgen, unentdeckt,
Bis sie ein kleines
Zauberwörtchen
Zu neuem Dasein aufgeweckt.

Dies kleine
Wörtchen, es heißt "Liebe!"
Das Zauberwort aus Himmelshöh'n; -
Und, wer es kennt, der sieht im Dunkel
Auf einmal helle Pracht entsteh'n.
_____



Karl Streckfuss
(1779-1844)


Das Geständniss

Ein
Wörtchen muss ich dir verkünden,
Ein leises
Wörtchen, dir allein;
Längst fühlt' ich's schon mein Herz entzünden,
Doch schloss ich's tief im Busen ein.
Du siehst mich fragend an? O schlage
Nur jetzt noch nieder deinen Blick,
Mir weicht der Muth, es treibt die Frage
Ins Innerste das Wort zurück.

Nein, sieh mich an - die Wange glühet,
Und zu der Erde sinkt mein Blick,
Mir pocht das Herz, der Athem fliehet,
Und so verscheucht die Furcht das Glück.
Ich kann - ich kann das Wort nicht sagen,
Ob es mein Innres gleich verzehrt,
Denn Reue folgt dem kühnen Wagen,
Wenn uns ein blinder Wahn bethört.

O möchtest du mich doch verstehen,
Und dann dem Schüchternen verzeihn!
Du lächelst? Deine Blicke sehen
Mein schön Geheimniss sicher ein.
Du nick'st mit freundlicher Geberde?
Du zürnest, Holde, nicht auf mich?
Wohl mir, dem Glücklichsten der Erde,
Amana, ja, ich liebe dich!
_____



Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)


Das eine Wort

Du wundersüßes Mädchen,
Ich liebe dich so sehr;
Ich wollt', ich wäre klüger,
Dann sagte ich dir mehr.

So kann ich nichts dir sagen,
Als dieses Wort allein,
Das muß statt aller andren
Dir nun genügend sein.

Du aber bist so lieb ja,
So reizend und so klug,
Drum mein' ich, sagt dies
Wörtchen
Statt aller dir genug.
_____



Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)


Das Jawort

Der Gründer, wißt ihr, strotzt von Gelb,
Nun hört, ich tu' euch kund:
Der größte Gründer von der Welt,
Das ist des Mädchens Mund.

Des Mädchens Mund ist fein und klein; -
Doch, ob ihr's glauben wollt,
Ein
Wörtchen soll darinnen sein,
Das wiegt 'nen Zentner Gold.

Klein wenig tut sich auf der Mund -
Wupp ist das
Wörtchen da,
Und wer es fängt, der tut 'nen Fund,
Das
Wörtchen, das heißt "ja".
_____



Sidonie Grünwald-Zerkowitz
(1852-1907)


Ein Wort - ein Zunder

Im Briefe Dein
Das
Wörtchen klein:
»Ich liebe Dich!«
Wie fesselt's mich!
Daß ich darauf muß immer sehn,
Bis mir die Augen übergehn!

Das Wort im Brief
Wie warf es tief
Mir seine Glut
In Seel' und Blut!
Vielleicht geschrieben ohne Acht,
Was hat dies Wort in mir entfacht!
_____



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