Wörtchen und Wörtlein
in der deutschen Liebeslyrik
Ausgewählte Gedichte
deutscher Dichter und Dichterinnen
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Helmina von Chézy
(1783-1856)
Ständchen
Ich kenn ein' Lilje schlank und rein,
Das ist ein süßes Mägdelein,
Ich kenn ein' Ceder, wunderhold,
Da blicket durch der Sterne Gold,
Das ist das Haupt mit Locken fein,
Das ist der lichten Augen Schein!
Ich kenn ein Wörtlein
silberrein,
Das Wörtlein
führt in Himmel ein,
Das heißt allein: ich liebe dich!
Sagst Du es nicht, so sterbe ich,
Hört ich's von deinen Lippen an,
Nur einmal nur, gern stürb ich dann!
Ich kenn ein' Rose wundersüß,
Die Rose ist das Paradies,
Von zarten Lippen ist's ein Kuß,
Nach dem ich ewig schmachten muß -
Du, aller Huld und Schönheit reich,
Gieb mir den Kuß, den Tod zugleich!
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Peter Cornelius
(1824-1874)
Nachts
Nachts bin vom Traum
Schlaftrunken ich erwacht;
Wach war ich kaum,
Da hab' ich gleich an dich gedacht.
Die Lippe sprach
Ein wunderheimlich Wort
Dem Herzen nach,
Dann träumt' ich selig weiter fort.
Flieht einst auch dich
Treulos die süße Ruh',
Denk' auch an mich,
Sprich auch der Liebe
Wörtlein du!
Sanft lockst du dann
Die Ruhe, die dich mied,
In Traumesbann
Wiegt dich aufs neu' der Liebe Lied.
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Max Dauthendey
(1867-1918)
Weil ich deinen Kuß noch fühle
Schwüle geht im Herzen um,
Weil ich deinen Kuß noch fühle.
Geh' ums Leben heut herum,
Möcht' kein Wörtlein
von mir geben,
Nur das Herz möcht' mir entschweben,
Lippen blieben gerne stumm.
Tragen von der Liebesstund
Noch die süße Blüte und
Alle Glieder sagen warm:
Arm macht niemand je mich wieder.
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Luise Deusch
(1871-1925)
Vertrösten
Wie ich meine Liebste kleide?
Bin ein armer Liedermann,
Der ihr kein Geschmuck und Seide,
Keine Schühlein schenken kann;
Der ihr auch kein Feuer schüren
Und ihr bauen kann kein Nest,
Den man gar vor fremden Türen
Oft vergeblich warten läßt.
Währt zu lange dir das Warten,
Sehnst du dich nach solchem Tand?
Hab' doch meinen stillen Garten,
Mein geheimes Wunderland,
Habe meine Silberstollen
Und Kristalle blinken dort,
Liebste wirst du glauben wollen,
Bis gehoben ist mein Hort?
Sag ein Wörtlein
mir nur leise,
Sängers Ohr fängt jeden Laut —
Daß, ob eigen meine Weise,
Du doch gern dich ihr vertraut.
Meine Schätze sind Gedanken,
Die kein Räuber nehmen kann,
Einmal, Liebste, wirst du danken
Mir, dem reichen Liedermann!
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Arthur Fitger
(1840-1909)
Lied
Singend über die Heide
Steigen Lerchen empor,
Goldige Knospen der Weide
Dringen am Ufer hervor,
Und der Himmel so wunderblau!
Allüberall hellsonnige Schau!
Ich und mein Lieb, wir beide
Wandeln durch sprießendes Rohr.
Kargen Worts ist der Kummer
Zehrend in tiefer Brust;
Aber noch tausend Mal stummer
Ist unsägliche Lust:
"Ich bin ja Dein und Du bist ja mein!"
Das mag ihr einziges
Wörtlein sein;
Hat doch kein Weiser, kein Dummer
Jemals ein bessres gewußt.
Wolken über uns schwellen,
Kaum daß ein Windzug sie blies;
Traumhaft schwatzen die Wellen
Über dem farbigen Kies,
Ferne nur, ferne noch Lerchenlied -
Seliges Schweigen die Seele durchzieht,
Engel erschließen die hellen
Pforten zum Paradies.
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Amara George-Kaufmann
(1835-1907)
In deine Liebe möcht' ich
Mich senken ganz hinein,
Da tief ohn' Ende rasten
Und von Allen vergessen sein!
Ein Wörtlein
würd' ich hören,
Das Eine ganz allein,
Wenn ich so läg' und schliefe
In diesem Wonneschrein.
Nicht Engelgrüße tönten
Mir so beglückend rein
Denn süßer klingt als Alles
Das Wörtlein:
Ich bin dein!
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Frieda Jung
(1865-1929)
Briefe
Ein Wörtlein!
Schaut so klein sich an,
Daß es mein Mund bedecken kann,
Mein heißer, roter Mund.
Und birgt doch eine Welt für mich!
O Gott! Er schreibt: „Ich liebe dich!"
Das macht mein Herz gesund.
Ein Wörtlein!
Sieht so winzig aus!
Und wankt um mich doch rings das Haus
Bei jedem Federstrich!
Und fliegt und bebt mir doch die Hand,
Als hielt' ich einen Feuerbrand!
""Ach, du! Und ich ..! Und ich ..!""
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Christian Morgenstern
(1871-1914)
Das Wörtlein
Kürzlich kam ein Wort zu mir,
staubig wie ein Wedel,
wirr das Haar, das Auge stier,
doch von Bildung edel.
Als ich, wie es hieße, frug,
sprach es leise: »Herzlich.«,
Und aus seinem Munde schlug
eine Lache schmerzlich.
Wertlos ward ich ganz und gar,
riefs, ein Spiel der Spiele,
Modewort mit Haut und Haar,
Kaviar für zu viele.
Doch ich wusch's und bot ihm Wein,
gab ihm wieder Würde,
und belud ein Brieflein fein
mit der leichten Bürde.
Schlafend hats die ganze Nacht
weit weg reisen müssen.
Als es morgens aufgewacht,
kam ein Mund - es - küssen.
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Clara Müller-Jahnke
(1860-1905)
Flamme
Was sträubst du dich der süßen Glut,
die züngelnd schon dein Haupt versengt,
die liebeheißen Atems dich
mit Flammenarmen eng umdrängt?!
Die Glut bin ich - und du bist mein!
wirf ab, wirf ab das Alltagskleid:
gib deine ganze Seele hin
in ihrer nackten Herrlichkeit!
Umschlingen will ich glühend dich
und pressen dich ans heiße Herz,
die Kette schmelzen, die dich band,
in meinem Kuß wie tropfend Erz!
Und flüstern will ich dir ins Ohr
ein Wörtlein,
zaub'risch wunderfein,
daß du nichts andres denken sollst,
als mich allein, als mich allein . . .
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Hugo Salus
(1866-1929)
Sehnsucht
Meine Sehnsucht hat so weiche Schwingen,
Daß sie nur für Zephyrwellen taugen,
Hat so märchen-märchentiefe Augen,
Daß sie bis zum letzten Himmel dringen.
Meine Sehnsucht kommt an Frühlingstagen,
Wie ein Hauch die Stirne mir zu küssen,
Kommt ein Wörtlein
mir ins Ohr zu sagen,
Daß sich meine Lider senken müssen.
Und das Wörtlein
hat nicht Sinn noch Kunde,
Aber ist so seltsam süß im Klange,
Und mein Herz vergeht im Überschwange,
Und zum Seufzer wird der Hauch im Munde ...
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Franz Stelzhamer
(1802-1874)
Aus: Liebseligkeit
XVI.
Sie blicket heraus, Sie
blicket herab
Mit leuchtendem Blick auf die Straßen,
Bis ich sanft winke mit Augen und Stab
Der holden, jungfräulichen Blassen.
Mein Auge spricht, es winket der Stab:
"Komm' auf ein Wörtlein
herab, herab!"
O, süßestes Wort, das ich dann flöße,
O Blick, o Druck, den ich blicke und drück',
O, meiner Wonnen unendliche Größe -
Gibt Alles versüßt und doppelt zurück!
_____
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