Alois Leopold Altmann (um 1843) - Liebesgedichte

 



Alois Leopold Altmann
(um 1843)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Hermine an den Mond

Mond, des Himmels Silberkrone,
Wenn du meine Klage hörst,
Blick' herab von deinem Throne,
Ehe du dein Antlitz kehrst!
Dem Geliebten meine Grüße
Bring' in deinem stillen Lauf,
Bring' ihm meiner Sehnsucht Küsse,
Nimm mein Flehen gnädig auf.

Künd' ihm meine heiße Liebe,
Künde sie durch deinen Glanz;
Siehe, wie Herminens Triebe
Flechten an der Liebe Kranz!
Wenn ich an des Theuren Seite
Mich der Liebe werd' erfreu'n,
Will ich dir im edlen Streite
Nachtviol'n und Rosen streu'n!

Blumen sind der Liebe Gabe,
Nach den Lüften wallt ihr Duft,
Stürzt sie auch der Sonne Labe
Oft in die zu frühe Gruft.
Also schwinden uns're Tage,
Jagen nach dem nahen Ziel,
Wohl uns, wenn wir ohne Klage
Rückseh'n auf ihr eitles Spiel! —

Uns'rer Jugend kurze Freuden
Fliehen wie der Welle Schaum;
Ach, und jahrelange Leiden
Folgen ihrem süßen Traum. —
Möcht' ich meines Blüthenlebens
Jetzt so still genährte Lust
Nimmer, nimmer doch vergebens
Suchen in der leeren Brust! —
(S. 22-23)
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An die Geliebte

Kalt und einsam war mein Leben,
Herbe Dornen schuf es nur,
Doch durch deinen Blick vergöttert
Lacht mir eines Edens Spur.

Und es blühet mir ein Leben
Schön in nie empfund'ner Lust,
Was ich immer nur geahnet,
Glüht mit Wahrheit in der Brust.

Einen Himmel seh' ich offen,
Lächelt mir dein Auge zu,
Spricht dein Mund in seiner Milde,
Träum' ich von der Sel'gen Ruh.

Ach, in diesem Paradiese
Möcht' ich walten ewig fort,
Doch das Höchste bald entbehren
Ist des Lebens hartes Wort.

Laß uns denn die Wonne pflücken,
Die das Glück uns dargebracht,
Eh' es seine Gunst umschleiert
Mit des Scheidens düst'rer Nacht.
(S. 98-99)
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Mariens Bild

Wenn sich mit seinem süßen Lächeln
Der Morgen von dem Lager hebt,
Die sanften Weste mich umfächeln,
Und alles milde Ruh' umwebt;

Wenn fromme Täubchen lustig girren
Auf meiner Hütte Binsendach;
Die freien Lerchen fröhlich schwirren
Zu keinem leisen Kummer wach:

Dann fühl' auch ich ein frohes Leben
In meiner freudeleeren Brust,
Hinaus eil' ich in's heit're Leben
Mit einer lang entbehrten Lust.

Und zarte Blümchen muß ich pflücken,
Gestützet auf der Hoffnung Stab,
Das holde Lockenhaupt zu schmücken,
Das mir so viele Wonne gab.

Und ist mir jene wohl gar ferne,
Die sich in diesem Bilde zeigt,
So schmück' ich es doch allzu gerne,
Weil mir dabei der Kummer schweigt.

D'rum nimm denn hin an jedem Tage
Den Kranz, den Liebe dir erzieht,
Ich flecht' ihn ohne jede Klage,
Wenn unerhört das Herz auch glüht.
(S. 100-101)
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Marie

Auf den grünen Triften
Hör' ich in den Lüften
Einen schönen Ruf,
Der mit süßen Schmerzen
Spricht zu meinem Herzen,
Den die Liebe schuf:
Ach, er spricht: Marie!

Oft mit warmem Bangen
Ist die Brust umfangen,
Forsch' ich nach dem Quell,
Spricht mit sanften Worten,
Himmlischen Accorden
Es so lieblich hell:
Siehe doch Marie!

In der Vögel Sange
Tönt mit holdem Drange
Mir ein Flistern zu,
Frag' ich dann mit Eile
Wie nach meinem Heile,
Sagt's mit Himmelruh:
Siehe doch Marie!

Alle Lebensfreuden
Will ich gerne meiden,
Eines such' ich nur,
Daß ich es gewinne,
Streben meine Sinne
Nach des Schönen Spur;
Und es ist: Marie!

Sie nur ruft der Himmel
Fern im Sterngewimmel,
Sie, nur sie allein;
Also soll mein Leben
Auch in einem Streben
Eine Sehnsucht seyn;
Diese sey: Marie!
(S. 105-106)
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Die Sehnsucht

Sieh, wie blüh'n die Rosen heiter,
Diese lächelt jener zu,
Mich nur treibt die Sehnsucht weiter,
Läßt mir nimmer Rast noch Ruh.

Zärtlich tönt von düstern Zweigen
Froher Vögel Melodie;
Aber ich muß ewig schweigen,
Leb' ich ewig auch für sie.

Ach, für jene himmlisch Holde,
Meiner Liebe schönsten Hort,
Die im zarten Abendgolde
Einst mir gab der Treue Wort:

Schlug mein Herz mit süßem Sehnen
Und mit einer frommen Lust,
Doch es war ein eitles Wähnen,
Liebe starb in ihrer Brust.

Und so will ich stille tragen
Meiner Leiden Riesenschmerz;
Nimmer, nimmer will ich klagen,
Bricht auch Sehnsucht mir das Herz.
(S. 107-108)
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Das Bild der Geliebten

Hold wohl sind Aurorens Stunden,
Wenn vom Nebelflor entbunden,
In des Phöbus gold'nen Strahlen
Sich die grünen Fluren malen;
Aber holder ist doch eines noch.

Hold wohl ist der Thetis Prangen,
Wenn vom Nymphenchor umfangen
Sich des Herzens heiße Triebe
Zeigen in verschämter Liebe;
Aber holder ist doch eines noch.

Holder als des Frühlings Rosen,
Wenn sie mit den Schwestern kosen,
Eint sich in Mariens Bilde
Zarter Reiz und Engelsmilde,
Von der Tugend Himmelsglanz umstrahlt.
(S. 111)
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An die Lerche

O Lerche, sprich, was soll dein Schwirren,
Im freien Flug von Flur zu Flur,
Du scheinst beglückt herumzuirren
In der bezaubernden Natur!

Und singst den tiefgefühlten Frieden,
Der deine fromme Brust beseelt;
Ach, der hat längst mich schon gemieden,
Indem mir die Geliebte fehlt.

Doch willst du, Holde, mich beglücken,
Und ist dir meine Ruhe werth,
Erlaube mir, dich hinzuschicken
Zu der, die stets mein Herz begehrt.

Dort, wo das dichte Laub der Reben
Des Fensters Rand beschattend kühlt,
Dort weilt mein Hoffen, weilt mein Streben,
Dort lebt mein liebes Engelsbild.

In seinen reinen Feuerblicken
Vermählt sich Glück und Lust so hold,
Des Halses reizendes Entzücken
Umfließt der Locken wogend Gold.

Und willst du noch den Namen wissen,
"Marie" nennt sich die edle Maid,
Vergiß nicht, freundlich sie zu grüßen,
Und meld' ihr ihres Sängers Leid.
(S. 112-113)
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Mein Glück

Mancher liebt die Jagd, und lächelt,
Treibt das Thier die grimme Noth,
Wenn's vom Blei getroffen, röchelt,
Und sich streckt im herben Tod;

Mancher schlürft die höchsten Freuden
Aus des Kelches flüss'gem Gold,
Und vergißt des Daseyns Leiden,
Denn der Augenblick ist hold;

Mancher schifft mit hohen Masten
Durch die Meere weit und breit,
Und die ferngeholten Lasten
Sind des Lebens Seligkeit;

Mancher liebt des Goldes Schimmer,
Liebt der Edelsteine Pracht,
Alles andre däucht ihm Flimmer,
Der ihm keine Freude macht:

Mich durchschauert süße Wonne,
Lächelt mir Mariens Blick,
Nur in ihres Blickes Sonne
Sproßt und blüht mein Lebensglück.

Ach, den Himmel dieser Augen
Trübte niemals eine Schuld,
In dem Himmel dieser Augen
Waltet nichts, als Engelshuld.
(S. 114-115)
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Der Liebe Lust und Schmerz

Ahnest du das irre Bangen
Das mich drängt in meiner Brust?
Sieh' es hält den Geist umfangen
Reiner Liebe Schmerz und Lust!

Welch' ein namenloses Sehnen
Ruft, und ruft mich zu dir hin,
Darf ich nur dich nahe wähnen,
Athmet freier Herz und Sinn.

Schimmert aus beglückter Ferne
Deines Kleides zartes Weh'n,
Glaub' ich meines Lebens Sterne
An dem Himmelszelt zu seh'n.

Dir die Flaumenhand zu drücken
In dem seelenvollen Kuß —
Wer beschreibt wohl mein Entzücken,
Meines Daseyns Hochgenuß?

Muß ich dich dann fühllos sehen,
Ist dein Blick so streng, so kalt,
Ach, wie möcht' ich still vergehen
Ob des Schmerzes Allgewalt.

Sey darum mir hold und milde,
Lächle, wenn das Herz auch schweigt,
Lächle mir im frohen Bilde,
Wenn es gleich der Trug nur zeigt.
(S. 118-119)
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An die Hoffnung

Traute Hoffnung, Born der schönsten Freuden,
Führe mich durch's Pilgerleben hin,
Kränze deinen Priester, drückt ihn Leiden,
Mit der Palme friedereichem Grün.

Spende mir die segensvolle Rechte
Auf des Lebens düstrer Dornenbahn;
Strahle hell im Todesgrau'n der Nächte
Mit des Trostes Himmelslicht voran.

Wo du waltest, flieht der hag're Kummer,
Wo du waltest, stirbt der bleiche Harm;
Gleich dem Säugling ruht mit süßem Schlummer
Dir der Dulder in dem Mutterarm.

Ja, du bietest segnend mir bei Schmerzen
Deinen Nektarkelch mit sanftem Blick,
Und in meinem freudelosen Herzen
Rufst du mir den Frieden neu zurück.

Als ich einst in bitt'rer Abschiedsstunde
Aller Schmerzen stärkste Gluth gefühlt,
Gabst du Frieden meiner Herzenswunde,
Wie des Westes Balsam Rosen kühlt.

Ruft mich meine Sehnsucht nach der Ferne,
Dort die Heißgeliebte zu erspäh'n,
Lächelt mir im Strahlenkranz der Sterne
Dein so süßer Trost — das Wiederseh'n.

Wiederseh'n, du Himmel jeder Wonne,
Herrlich strahlst du in der Sehnsucht Nacht!
Holder sah ich nie die Frühlingssonne,
Wenn sie fern von dunkeln Gräbern lacht!

Selig bin ich, wenn, nach müdem Sehnen,
Mir die Vielgeliebte hold erscheint,
Wenn, entfernt vom fieberhaften Wähnen,
Froh die lang genährte Sehnsucht weint.
(S. 120-121)
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Elegie

Flendus amor meus est
Ovidius

Holder Traum, wie bist du schnell entronnen,
Wo ich mir mit wonnetrunk'ner Brust
Aus des Lebens ungetrübtem Bronnen
Schöpfte des Geschickes heit're Lust!

Fruchtlos streb' ich nach den Hoffnungsauen,
Meinen Geist umnachtet tiefer Schmerz;
Die Geliebte je nur mein zu schauen
Strebt umsonst das liebekranke Herz.

Was das Glück mir schmeichelnd einst versprochen,
Nahm es bald zurück mit Räubershand;
Meines Lebens Stützen sind gebrochen,
Fort ist meiner Wonnen Unterpfand.

In ein Nichts war mir das All entschwunden,
Als sie mir das erste Mal erschien,
Als mein Blick Erwiederung gefunden
In des Auges seelenvollem Glüh'n.

Als die Flaumenhand in meiner bebte,
Ihrer Lippen frommer Zauberkuß
Holden Duft's auf mich herniederschwebte,
Wie der Sel'gen Paradiesesgruß.

Aber dieses Edens holde Räume
Wehrte mir feindsel'ger Götter Neid,
Und es endeten des Glückes Träume
Mit der Einsamkeit und ihrem Leid.

Ach, wie lieblich ruft die Sonn' am Morgen
In den Zweigen ihrem Sänger-Chor;
Und die schwirren, singen, frei von Sorgen,
Senden ihren Gruß zu Gott empor. —

Mich nur ruft sie aus dem kurzen Schlummer
Für die kaum vergess'nen Leiden auf,
Bis des milden Pilgerlebens Kummer
Endlich endet seinen herben Lauf.

Selbst im Liede Frieden zu erstreben
Sucht vergebens meiner Wehmuth Drang,
Denn es schildert grausam mir ein Leben
Wie Petrarkas schmerzlicher Gesang.

Also bleibt kein Trost, kein leises Hoffen,
Daß der Lenz mir wieder werde glüh'n,
Von des Schicksals scharfem Pfeil getroffen
Muß mein einsam Leben früh verblüh'n.
(S. 124-126)
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Liebesklage

Ach, wie haben herbe Leiden
Längst umflort mein Lebensglück,
Und die stillgenährten Freuden
Ruft mir keine Zeit zurück.

Gleich dem blüthenreichen Lenze
Hüpften meine Tage hin,
Und ich flocht mir bunte Kränze,
Froh im Herzen, froh im Sinn.

Doch da kam die falsche Liebe,
Schmeichelt mir mit ihrer Lust,
Und des Daseyns höchste Triebe
Senkte sie in meine Brust.

Felsenfest war mein Vertrauen
Auf ihr süßes Zauberwort,
Um auf sie allein zu bauen,
Gab ich alle Güter fort.

Aber mir die Ruh zu rauben
Lockte sie ihr Wankelmuth;
Ließ mir nichts, als diesen Glauben:
Liebe sey kein bleibend Gut.
(S. 127-128)
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Eduard und Marie
Ballade

An des Himmels klarem Bogen
Ist des Mondes lichter Kahn
Lächelnd hold emporgezogen,
Wölkchen meiden seine Bahn;
Und auch der Sterne
Leuchtende Ferne
Kündet dem Wachenden freundlich sich an.

Aber durch die bunten Scheiben
Stieret Eduard's düst'rer Blick;
Frevelnde Gedanken treiben
Jeden Trost von ihm zurück;
Marternde Schmerzen
Wurden dem Herzen
Seit ihm Marien entriß das Geschick.

"Was soll deiner Sterne Schimmer,"
Also spricht des Wahnsinns Mund,
"Meine Leiden weichen nimmer,
Ewig bleibt mein Busen wund;
And're nur weiden
Sich an den Freuden,
Weh, meine Seele wird nimmer gesund!

Was kann mir dein Himmel frommen,
Alles, was mir theuer war,
Hast mir ja mein Lieb genommen,
Ach, Marie ruht auf der Bahr!
Käm' bald die Stunde,
Heilend die Wunde,
Die mich gesellte der Schlummernden Schaar!"

So von Liebesweh zerrissen,
Flieht er in des Lagers Arm,
Aber Ruhe zu genießen
Wehrt der allzu große Harm;
Furchtbare Bilder
Bringt ihm nur wilder
Höhnend im Traume der Furien Schwärm.

Jetzt, aus kurzem Schlaf geschüttelt,
Starrt er lautlos vor sich hin,
Schauder seine Glieder rüttelt,
Bange horcht der irre Sinn —
Ueber dem Thurme
Jagen im Sturme
Schwere Gewitter im Leuchten dahin.

Und vor seines Lagers Füßen
Wallt sein Liebeshort, Marie,
Gold'ne Ringellocken fließen
Ueber ihren Nacken; wie
Göttergebilde
Grüßt sie so milde,
Winket so traulich, als schied sie noch nie.

"Ach, Marie, du Lebenssonne!
Meiner Seele süße Lust!
Kommst du, die entbehrte Wonne
Neu zu schenken meiner Brust?
In deinen Armen
Laß mich erwarmen,
Daß ich der Freude sey wieder bewußt!"

Aber die Erscheinung schweiget,
Länger strebt ihr weiß' Gewand,
In die freie Ferne zeiget
Ihre zarte Flaumenhand;
Sieht auf die traute
Freundliche Laute,
Die einst die Herzen so innig verband.

"Lieder willst du wieder hören
Von der Herzen Allgewalt? —
Will die Lust dir nimmer stören —
Geh' voran, ich folge bald!"
Und durch die Enge
Nächtlicher Gänge
Führt ihn die leuchtende Himmelsgestalt.

Wieder an des Felsens Ende
Weilt die blasse Führerin,
Faltet auf der Brust die Hände,
Blickt auf den Geliebten hin.
Aber der Sänger
Harret nicht langer,
Sehnsucht verlangt nach des Liedes Gewinn.

Wenn auch Stürme heftig brausen,
Wenn auch Blitz auf Blitz erglüht,
Kräftig singt er ohne Grausen,
Was ihm tief im Herzen blüht.
Singt zu der Saiten
Treuem Begleiten
Liebender Freuden und Sorgen im Lied:

"Kennst du der Liebe
Selige Lust?
Himmlische Triebe
Gibt sie der Brust."

"Kennst du die Thränen
Für dein Geschick?
Ruhig dich wähnen
Nennt sich ihr Glück."

"Fruchtloses Schmachten
Heißt ihre Pein,
Magst daher trachten
Herzlich zu seyn!"—

"Von deinen Lippen
Wieder den Kuß
Innig zu nippen —
Welch' ein Genuß!"

Was ich gesungen,
Nimm du mit Huld -
Ist es gelungen?
Ist sie erbuhlt?

Und der Lautner hat geendet
Seines Herzens wärmsten Sang;
Dem er seine Ruh verpfändet,
Kündete der Saiten Klang.
Forschet verlangend
Zitternd und bangend,
Ob sie auch theilet des Liebenden Drang?

Doch Mariens stille Freuden
Thun die offnen Arme kund;
Für die langgenährten Leiden
Heischt den Kuß des Sängers Mund —
Aber, o Grauen,
Leblos zu schauen,
Hält den Zerschellten der felsige Grund.
(S. 144-149)
_____


Aus: Gedichte von Alois Leopold Altmann
Wien Gedruckt und im Verlage bei Carl Gerold 1843

 

 

Biographie: Lebensdaten unbekannt.



 

 


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