August Apel (1771-1816) - Liebesgedichte



August Apel
(1771-1816)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Liebesbitte

Laß im Hauche deines Mundes
Gern den Sylphen sich berauschen,
Süße Blüthe! leicht im Kusse
Schwebt er um der schönen Schwester
Duftend zarte Wohlgestalt.

Aber, wenn mit schwerem Fluge,
Reichen Honigschatz zu füllen,
Sich die Biene naht, den Vortheil
Sinnend bei dem Liebeskuß;

Dann verschließ die zarten Lippen,
Oder, muß das Opfer fallen,
Dann, du Liebliche, gewähre
Nicht dem rauhen Schatzbewahrer
Süßer Liebe Erstlingskuß!


Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 109)

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Die erste Geliebte

Götterbild von olympischen Höhn, in entzückender Anmuth
Himmlischem Jugendglanz, warst du dem trunkenen Sinn.
Gleich Auroren erschienst du dem Blick, in dem himmlischen Purpur
Schwelgte das Aug, und die Welt stralte vom lieblichen Licht.
Selige Zeit, wo des Auges Genuß ausfüllte die Sehnsucht,
Und für Wünsche zu fromm liebte die kindliche Brust!

Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 121)

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Liebchens Untreu

Ich liebte, da war mir das Leben so neu,
Die Welt war ein blühender Garten,
Und Liebchen umfing mich so liebend und treu,
Konnte kaum, bis ich kam, erwarten.

Ich sah ihr ins Auge, das blickte so klar
Und so hell wie Karfunkelkrystallen;
Ach Liebchen, ach sprich, ist's möglich, ist's wahr,
Kann ich immer allein dir gefallen?

Und sie lachte so froh und so innig zu mir,
Und sie hielt mich so traulich umfangen;
So Liebchen, so fest häng' ich ewig an dir,
Mag nimmer nach Andern verlangen.

Wie war ich da froh, wie die Vögel im Wald!
Wie meint' ich mich sicher geborgen!
Doch Liebe, sie wechselt, sie wendet sich bald,
Und die Freude verkehrt sich in Sorgen.

Ich suche nun Liebchen, und kann sie nicht sehn,
Bin allein mit dem leeren Verlangen,
Und sie läßt mich verlassen und einsam stehn,
Ist zu andrer Liebe gegangen.

Nun wird mir das Leben so todt und so schwer,
Und die Welt zum einsamen Grabe;
Was kann ich denn wünschen und hoffen mehr,
Wenn ich Liebchens Liebe nicht habe!

Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 122-124)

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Untreu

Liebchen, du zürnst? - "Und du fragst,
Treuloser, der Glyceren küßte?" -
Brichst du die Treu nicht selbst, wenn
du die Küsse versagst? -
"Strafe gebührt!" - O, bestrafe wie sonst,
da ich Glyceren untreu,
Dich umfangend im Kuß hing an dem
rosigen Mund!

Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 186)

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Abschied

Laß dich den süßen Schlummer,
Liebchen, nun sanft begrüßen,
Träume von Lieb' und Küssen,
Bis froh der Tag erwacht.

Daß wir uns trennen müssen,
Gibt mir allein noch Kummer;
Gern ließ' ich Haus und Schlummer,
Theilt' ich mit dir die Nacht.

Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 289)

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An Lila

Wend', o wende den zürnenden Blick!
Hab' ich gezürnt um der Schönheit Stralen,
Die mir entflammten so schmerzlich die Brust?
Könntest du zürnen, wenn heiße Qualen
Suchen in Liebe die heilende Lust?
Reizend in göttlicher Schöne zu blühen,
Flammend in Liebe für dich zu erglühen,
Beides, o Mädchen, ist unser Geschick.


Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 290)

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Die Nacht

Gütige Nacht, du enthüllst in dem Herzen
der Liebe Geheimniß,
Aber die Liebenden selbst birgst du mit
dunklem Gewand.

Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 293)

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Die ferne Braut

Einsam saß bei Mondes Scheine
Don Rodrigo in der Laube,
Und er dacht' an die Geliebte,
An die ferne schöne Braut.

Und es dufteten die Blumen,
Und es lispelten die Blätter,
Und die Nachtigallen sangen
Von der fernen schönen Braut.

Und des Mondes Schein bestrahlte
Hell den Ort, wo Sie gesessen,
Als er bei dem Abschied küßte
Die geliebte schöne Braut.

"Blumen, eures Sehnens Düfte
Füllen die geliebten Kelche!
Sänger, mit der Liebe Tönen
Ruft ihr eure ferne Braut!"

"Und zu deiner Erde blickest
Liebend du vom Himmel nieder,
Sanfter Mond; mit Liebesblicken
Küssest du die ferne Braut!"

"Leuchte, daß ich meiner Holden
Süßer Liebe Worte sende,
Daß mein sehnendes Verlangen
Spreche zu der fernen Braut!"

Und in finstrer Wolken Schleier
Hüllte sich des Mondes Antlitz.
"Willst du nicht dein Licht mir gönnen
Für die ferne schöne Braut?"

Und der Page stellt die Kerze
Leuchtend hin vor Don Rodrigo;
Und schon greift er nach dem Blatte
Für die ferne schöne Braut:

Da verlöscht mit schnellem Zuge
Eine weiße Hand die Flamme,
Und der Ahnung banger Schauer
Mahnt ihn an die ferne Braut.

"Winkst du mir aus fernen Welten,
Daß du meiner Lieb' entflohen,
Daß der Liebe süßen Worten
Nicht mehr lauscht die schöne Braut?"

Und er schwingt sich schnell zu Rosse,
Und er eilt durch Nacht und Dunkel,
Eilet ohne Rast und Schlummer
Zu der fernen schönen Braut.

Und in Morgensonnenglanze
Sieht er schon das Schloß erglühen,
Und die Fenster, wo sie harrte,
Don Rodrigo's schöne Braut.

Und er schwingt sich von dem Rosse,
Eilt durch schwarz beflorte Pagen,
Und auf schwarzem Sammt gebettet
Sieht er ruh'n die schöne Braut.

Und er sinkt an ihre Seite,
Und erwachet nimmer wieder.
In des Grabes engem Bette
Ruht er bei der schönen Braut.

Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 297-300)

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Sehnsucht

Herz, was sehnest du dich?
Nimmer doch kann es seyn;
Liebendes Herz, ach brich,
Nimmer wird sie ja dein.

Hast du sie doch gesehn,
Liebender, trunkner Blick!
Wähltest im Augenblick
Lieben oder Vergehn.

Denn nur bei ihr allein
Ist Glück des Lebens.
O könnt' es, könnt' es seyn! -
Liebendes Herz, ach nein,
Es ist vergebens.

Aus: Cicaden von August Apel
Berlin Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1810 (S. 301-302)

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Luna

Die Sonne schloß den Stralenlauf
In goldner Abendpracht;
Da hob am Horizont herauf
Sich Luna durch die Nacht.

Erröthend blickt' ihr Angesicht
Zum fernen Westen hin,
Es scheut das prachterfüllte Licht
Der Jungfrau stiller Sinn.

Und höher steigt sie nun empor,
Da Nacht die Welt umhüllt,
Und nur der Sterne stiller Chor
Des Himmels Plan erfüllt.

Und Alles huldigt nah' und fern
Der lieblichen Gewalt,
Und liebend schaut ein jeder Stern
Die holde Lichtgestalt,

Die, gleich des goldnen Traumes Bild
Den Schlaf der Nacht durchstralt,
Und lieblich bald, bald himmlisch mild
Die Wolkenbilder malt.

Und eh' noch Hyperions Licht
Oestlich dem Meer' entsteigt,
Hat sich ihr keusches Angesicht
In Westen schon geneigt.

Doch Eos' goldner Morgenglanz
Weckt Luna's stillen Neid,
Ihr gnügt nicht mehr der Schönheit Kranz,
Den ihr die Nacht geweiht.

Sie zögert, bis aus goldner Flut
Auror' in Purpur steigt,
Und sieht entzückt, daß nicht der Glut
Ihr sinkend Licht erbleicht.

Und länger weilt sie, bis das Heer
Der Sterne scheu entflieht,
Wenn es dem frohbewegten Meer
Den Gott entschweben sieht.

Und endlich, in vermess'nem Wahn
Dünkt sie dem Gott sich gleich,
Will mit ihm wandeln seine Bahn,
Theilen des Tages Reich.

Da tritt in klarem Himmelslicht
Der Morgenstern zu ihr:
Wo ist dein glänzend Angesicht,
Der Nächte schönste Zier?

Schau dich im spiegelnden Krystall
Des hohen Aethers an;
Du wandelst hin, ein dunkler Ball,
Auf fremder Stralenbahn.

Verschwunden ist der Silberschein,
Der sonst dein Haupt geziert,
Als du der Sterne goldnen Reih'n,
Der schönste selbst, geführt.

Und Luna sieht es und sie sinkt
Beschämt zur Nacht zurück:
Dort nur, bei stillen Sternen winkt
Der Lieblichen das Glück.


Aus: Cicaden von August Apel
Zweites Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 151-154)

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Sehnsucht

Ist jedes Glück mit dir verschwunden,
Der süßen Liebe goldner Wahn,
Will jener himmelvollen Stunden
Nicht eine mehr sich lächelnd nahn?

Aus aller Bäume Wipfeln winket
Schnell hingeblühter Liebe Lust,
Aus Mond und allen Sternen blinket
Erinn'rung Wehmuth in die Brust.

O, kehre lächelnd froh mir wieder,
Geliebter Täuschung süßes Glück;
Tief beugt die Wahrheit mich darnieder,
Komm, gieb den Frieden mir zurück!


Aus: Cicaden von August Apel
Zweites Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 162)

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Phyllis
(Ballade)

Hoch vom Felsenufer schaute
Phyllis bang' in's Meer hinaus.
Wenn der Morgen dämmernd graute,
Floh sie schon des Vaters Haus;
Wenn der Sonnenkreis sich neigte,
Sah sie noch mit trübem Sinn,
Ob kein Segel fern sich zeigte,
Trostlos in die Wogen hin.

Monden waren hingeflogen,
Seit das theure Schiff vom Strand
Durch der Meerflut öde Wogen
Eilte nach dem fernen Land.
Da ergossen sich die Klagen,
Angstvoll blickt sie weit in's Meer:
Doch, so weit die Blicke tragen,
Bleibt die grüne Fläche leer.

"Wo verweilst du, theures Leben?
Hält ein Sturm den Schiffer auf?
Aber leicht am Himmel schweben
Wolken hin in stillem Lauf.
Mächtig hält mit ernstem Zügel
Seine Flut Poseidon an,
Nur der mildern Lüfte Flügel
Ebnet sanft die Wellenbahn.

Wieder hellt die Felsenpfade
Schon Selene's Angesicht,
Und noch immer dem Gestade
Nahn die theuren Segel nicht! -
Könntest du die Schwüre brechen,
Stürzen mich in ew'ges Leid?
Demophon! - die Götter rächen
Zürnend streng den heil'gen Eid.

Stürme sind mir treu geblieben,
Treu des Meeres wilde Flut,
Denn sie sahn mein treues Lieben,
Meines Herzens heiße Gluth:
Und auf stiller Wogen Rücken
Schwamm der Flotten sich'res Heer;
Wellen wollten mich beglücken -
Nur dein Herz war liebeleer.

Konnt' ich trau'n den falschen Lippen?
Nannt' er sich nicht Theseus Sohn?
Theseus', der auf Naxos' Klippen
Treuer Liebe selbst entflohn? -
Götter! ja, ich bin verlassen!
Treulos ist sein ganz Geschlecht!
Doch die Rache wird ihn fassen,
Denn die Götter sind gerecht.

Konnte dieses Lächeln trügen,
Treue heucheln dieser Blick?
Konnten seine Lippen lügen,
Scherzen mit der Liebe Glück?
Nein! der Treue festen Glauben
Hält das liebend treue Herz,
Nicht Verzweiflung soll ihn rauben,
Nicht der hoffnungslose Schmerz!"

Und am dunklen Himmelsbogen
Glänzet matt der Sterne Schein;
Nacht ruht auf den schwarzen Wogen,
Dämm'rung hüllt die Felsen ein.
Blicke geben nicht mehr Kunde,
Doch die Liebe weckt den Muth,
Und sie ruft mit bangem Munde
Sehnend in die weite Flut.

Demophon! - so ruft sie bange -
Weit ertönt der Stimme Schall.
Demophon - mit dumpfem Klange
Widerhallt's im Felsenthal.
Doch, von ferner Lust getragen
Schwebt kein Laut der Liebe her;
Einsam schallen ihre Klagen,
Antwort rauscht nur Fels und Meer.

"Tödtet mich mit eurem Blitze!"
Ruft sie laut zu Göttern auf.
Neunmal zu des Felsen Spitze
Wendet angstvoll sie den Lauf.
Und zum kühlen Bett der Wogen,
In das grüne Wassergrab
Fühlt sie mächtig sich gezogen,
Beugt zum Fall sich schon hinab.

Aber schnell, an harter Klippe,
Hemmt den letzten Schritt der Fuß,
Und es stockt auf starrer Lippe
Plötzlich ihres Leid's Erguß.
Des Gewandes Falten weichen
Glatter Rinden engem Band,
Und zu schön verschlung'nen Zweigen
Theilt sich die gehobne Hand.

Und wo ringelnd sich ergossen
Goldne Locken von dem Haupt,
Sieht man Blätter grünend sprossen,
Und der Wipfel steht umlaubt.
Doch die Zweige selbst, - im Winde
Klagen sie der Liebe Schmerz,
Denn des Baumes starre Rinde
Fesselt nicht das treue Herz.

In des Meeres blaue Weiten,
Nach Athene's ferner Stadt
Wollen sich die Zweige breiten,
Neigt sich sehnend jedes Blatt.
Doch die Treue wird im Baume
Selbst des Kummers sich'rer Raub,
Von des Leides schwerem Traume
Sinkt der Zweige dürres Laub.

Und beim Stral der Morgenröthe,
Von der Schiffe Ruderklang
Widerhallt die nahe Rhede,
Und es tönt der Schiffersang.
Und voraus im Meer geschwommen
Naht schon Demophon dem Strand,
Denn der Erste will er kommen,
Küssen das geliebte Land.

Und er forscht mit bangen Blicken -
Niemand harrt am öden Meer;
Und er sucht auf Bergesrücken, -
Todt ist's überall und leer.
Und es führen ihn die Frauen
Hin zum steilen Felsenhang,
Wo mit der Verzweif'lung Grauen
Die Geliebte sterbend rang.

Und, wie fest mit Liebesarmen
Er den theuren Stamm umschlingt,
Muß die Todte selbst erwarmen,
Daß sie Leben neu durchdringt.
Und es glüht der Liebe Flamme
Mächtig in dem starren Leib,
Und noch in dem harten Stamme
Liebt als Baum das treue Weib.

Wo die Blicke sonst gesprochen,
Blickt ein junges Aug' hervor:
Schnell sind Knospen aufgebrochen,
Blätter drängen sich empor:
Wie die Worte sich ergießen
Liebend von dem holden Mund,
Eilen Zweige jetzt zu sprießen,
Grünend bei der Liebe Bund.

Und, wie sich die Purpurlippen
Oeffneten, der Liebe Gruß
Vom geliebten Mund zu nippen
In entzückend süßem Kuß;
Wie die Wange lieblich glühte
Bei der Liebe sel'gem Traum;
So, in Himmelspracht erblühte
In des Lieben Arm der Baum.


Aus: Cicaden von August Apel
Zweites Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 165-172)

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Lord Hereford

Bei dem Liebchen saß Lord Hereford,
Sie tranken den perlenden Wein:
"Gute Nacht, Du trauteste Molly,
Heut bleibst Du bis morgen allein.

Nach der Stadt hin muß ich eilen
An den Hof des König's zur Stund,
Bewahre mir Lieb' und Treue,
Versprich es mit Hand und Mund!"

Sie gab ihm Hand und Küsse,
Er eilte geschwind davon;
Doch schwang er sich nicht zu Rosse,
Er harrt' auf der Minne Lohn.

Schön Harriet wollt' ihn finden
In dem Garten um Mitternacht,
Da harret' er lang' und hatte
Den Morgen herangewacht.

Es trat schön Harriet leise
Zu der Schwester an's Kämmerlein:
Ach, Molly, thu auf die Thüre,
Laß Schwester Harriet ein.

Da war ein Küssen und Kosen,
Sie legten sich beid' ins Bett;
Nie waren Schwestern so liebend,
Als Molly und Harriet.

Sie hatten noch viel sich zu sagen,
Als die Lerche das Frühlicht sang;
Da ward im Garten Lord Hereford
Die Zeit des Wartens zu lang.

Er schlich zu Molly's Kammer,
Den Schlüssel in der Hand,
Wie ward ihm, als er bei Molly
Einen Schlafgefährten fand!

Er zog das scharfe Eisen
Und schwang's hoch über das Bett;
Laut schrie die zärtliche Molly,
Stark faßte den Lord Harriet:

"Gemach, gemach, Lord Hereford!
Hast Du so wenig Vertraun,
Weil an Dir, Du falsche Seele,
Weder Lieb' noch Treue zu schaun?

Du wolltest Harriet finden
In dem Garten um Mitternacht,
Drum hast Du Molly betrogen,
Und wirst nun ausgelacht."

Lord Hereford bat vergebens,
Die Schwestern eilten davon;
Statt neues Liebchen zu finden,
War ihm auch das erste entflohn.

Aus: Cicaden von August Apel
Zweites Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 295-298)

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Ständchen

Bist Liebchen dort oben im Stübchen allein,
Ist heut nicht die Mutter zu Haus,
So tritt an das Fenster im Mondesschein,
Und guck' mit dem Köpfchen heraus!
Am Himmel da blinken
Die Sternlein und winken
In's Freie die blinkenden Aeuglein heraus.

Bist, Liebchen allein, daß die Mutter nichts hört,
So sprich mir ein freundliches Wort!
Die Gassen sind leer und wir sind nicht gestört,
Laß nicht ungetröstet mich fort!
Die Saiten die rauschen,
Beim Schalle, da tauschen
Wir beide manch heimliches, trauliches Wort.

Schläfst Liebchen vielleicht in dem Stübchen allein,
Wirst nicht von der Mutter bewacht,
So laß mich, Du Schönste, zum Fenster hinein
Und gieb mir die fröhlichste Nacht!
Mit Seelchen und Leibchen
Bist bald ja mein Weibchen,
Da hüt' ich Dich selbst statt der Mutter bei Nacht.


Aus: Cicaden von August Apel
Zweites Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 299-300)

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Serenate

Laß meiner Liebe Sorgen
Der stillen Nacht mich klagen;
Am Tage ruht verborgen
Mein Schmerz in stummer Brust.

Soll ich dem Glück entsagen,
Laß mich das Opfer nennen!
Darf ich es dir bekennen,
Leid' ich den Tod mit Lust.

Aus: Cicaden von August Apel
Drittes Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 156)

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Minnelied

Du, süßer Minne,
Stralende Königinne,
Laß mich dein' Gunst erwerben.
Verderben, sterben,
Muß ich in meiner Pein,
Allein, allein,
Darf ich um deine Minne süß nicht werben.

Dein Augenlichte
Gibt seligen Berichte
Von Himmels klarem Scheine.
Erscheine, meine
Erwählte Liebesbraut!
Vertraut und laut
Sag' ich, daß ich dich meine und sonst keine.

Du Herzens Wunne,
Du, aller Sinnen Sunne,
Mein Herz hast du entzündet.
Entzündet findet
Es nirgend Ruh,
Nur du, nur du
Kannst heilen mich, wenn Minne mich mit dir verbindet.

Aus: Zeitlosen von August Apel
Berlin 1817 In der Schüppelschen Buchhandlung (S. 81-82)

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William's Liebchen
Nach dem Englischen

In dem duftenden Garten zu Bloomhill
Saß Nanny auf blühendem Gras,
Sie saß vom Morgen zum Abend,
Da wurden die Wangen ihr naß.

Da wurden die Wangen ihr naß,
Es hob sich der Busen vom Sehnen
Es fielen vom Auge die Thränen
Mit dem Thau in das blühende Graß.

Wo bleibst du, mein trauter William?
Schon erblaßt der röthliche Schein;
Es färben sich schwarz die Wolken,
Im Dunkel bin ich allein.

Im Dunkel bin ich allein,
Die Liebe hat mich verlassen,
Es weichet und will erblassen
Des Lebens lieblichster Schein.

Da trat zu ihr hin Herr Waters
Und sprach: Was weinest du hier?
Du schönes, du liebliches Mädchen,
Komm, folge zum Tanze mir.

Komm, folge zum Tanze mir!
In leuchtenden prächtigen Sälen
Wird dich der Kummer nicht quälen,
Komm, weine nicht länger hier.

Ich folge dir nicht, Herr Waters,
In den leuchtenden Saal zum Tanz,
Mir ist mein William lieber,
Viel lieber, als Pracht und Glanz.

Viel lieber, als Pracht und Glanz,
Ist mir des Geliebten Umfangen.
Er ist mein einzig Verlangen,
Wähl' ein anderes Mädchen zum Tanz.

Da trat zu ihr hin Lord Kraddock,
Er sah sie voll Mitleid an,
Was weinst du, o liebliches Mädchen,
Um William, den treulosen Mann?

Um William, den treulosen Mann,
Sollst du, Schönste, länger nicht weinen,
Komm mit mir, von Allem dem Meinen
Sieh, Mädchen, als Herrin dich an.

Ich danke dir wol, Lord Kraddock,
Doch kann ich nicht theilen die Glut,
Meine Liebe kann ich nicht theilen,
Nicht geben um Geld und Gut.

Nicht geben um Geld und Gut
Kann ich mein Herz und die Liebe,
Ob William mir treu nicht bliebe,
Löscht doch nichts im Herzen die Glut.

Da trat Lord Kraddock's Knappe
John Percy zu ihr: ich stand
Dabei als Herr William geworben
Um Lady Harriet's Hand.

Um Lady Harriet's Hand
Warb William, drum lasset ihn schwinden,
Euch will sich Lord Kraddock verbinden,
Mit euch theilen Güter und Stand.

Und hat sich mein William erwählet
Die Lady zu seinem Gemal,
So kann ich dich einzig lieben
Meines Herzens erste Wahl.

Meines Herzens erste Wahl
Bleibt William; ihm will ich im Leben
Mich lieber zum Liebchen ergeben,
Als Lord Kraddock zum Ehgemal.

Sie sprach es und suchte sich Blumen,
Brach Wermuth und Rosmarin,
Die Myrthe lies sie grünen,
Die Lilie lies sie blühn.

Die Lilie lies sie blühn,
Und die Rose, die duftend erglühte,
Die schöner als Rosen blühte,
Brach Wermuth und Rosmarin.

Da kam ein Ritter im Dunkel,
Er schwang sich vom Rosse herab,
Er umfing die weinende Nanny
Und küßte die Thränen ihr ab.

Er küßte die Thränen ihr ab,
Weg rief er mit traurigem Kranze!
Mit dem Ringlein in funkelndem Glanze
Gibt dir Wilhelm die Treu bis zum Grab.

Aus: Zeitlosen von August Apel
Berlin 1817 In der Schüppelschen Buchhandlung (S. 83-88)

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Klage

Blickst du Mond, still nieder zum Blütenlaubdach?
Sieh, der Frosthauch bleichte die grünen Blätter,
Kalter Herbstwindstoß in den Zweigen schüttelt
Welkendes Laub hin.

Einst, entzückt, durch sprossender Blätter Mattgrün,
Voll von Sehnsucht blickt' ich hinauf zur Lichtbahn,
Wenn im Frühlingsglanz das Gebüsch erblüht, und
Fern von der Waldung

Scholl Gesang sanftflötender Nachtigallen,
Durch des Abends steigenden Thau ergoß sich
Süßer Wollusthauch von der Blüten Balsam -
Duftenden Kelchen.

Selge Lust drang in das Herz, der Ahnung
Leises Zittern bebt in der Brust, ein namlos
Süßes Himmelsglück, wie des Traums unnennbar
Göttliche Bildung

Hielt den Sinn voll trunkener Lust gefesselt.
Doch in Sehnsucht klopfte das Herz, es fand nicht
Ruh im Frühlingsglanz und der Nachtigall Lied
Weckte der Wehmuth

Süßen Schmerz. Vorklänge verborgner, lächelnd
Nahnder Zukunft schien der Gesang, da trat mir
Hold im Frühlingsschmuck die Gestalt des Mädchens
Freundlich entgegen.

Ihrem Aug' entstralte das Licht des Himmels,
Nachtigallton hauchte der Mund. Wie Blumen
Blühn in Balsamduft, so erblüht ihr Reiz in
Himmlischer Anmuth.

Doch das Glück schwand flüchtig im Lauf der Stunden,
Mit des Frühlings Lüften verwehte scheidend
Mir die Wollustzeit der beglückten Liebe;
Weit zu der Heimath

Zog sie fort, wo schöner die Sonne lächelt,
Keine Herbstluft rauheren Frost herbeiführt,
Noch der Nordwindhauch das Gezweig vertrauter
Lauben entblättert.

Blick, o Mond, nicht nieder zum Buchenlaubdach!
Oed und einsam trauert der Sitz der Liebe
Trüb und wehmuthvoll in das Blattgeflüster
Tönet der Klagruf.

Aus: Zeitlosen von August Apel
Berlin 1817 In der Schüppelschen Buchhandlung (S. 89-92)

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Pygmalion

Sei gegrüßt, Einsamkeit!
Holde, verschwiegene, treue Geliebte,
Bei dir findet das Herz
Die lang vermißten
Himmlischen Götter,
Heilige Ruh' und stillen Frieden.

Ein Knabe wandelt' ich
Im Rosengarten und Eichenhain:
Was schmückest du Rose
Mit Perlen das Haupt,
Wenn die Sonn' aufsteigt
Mit dem Morgenroth? -
Ich habe gebadet die Brust
In dem Thaue der Nacht,
Des röthlichen Morgens
Erröthende Braut! -
Was brausest du Sturm
In dem Eichenhain
Zu der Vögel Morgengesang? -
Es wandelt der Lenz und die Liebe
Durch das Gebüsch und die Wipfel
Rauschen vereint den fröhlichen Gruß.

Da ward mir's zu eng
In der stillen Wohnung
Bei Vater und Mutter.
Wo erröthet in Liebe
Die Braut für mich,
Schön und zart, wie die Knospe der Rose,
Umperlt vom Thaubad?
Wer begrüßt mit mir
In Jubelsturm
Den erwachenden Lenz und die Liebe?

Hinaus trat ich,
In der klopfenden Brust
Glühende Jugendlust.
Vor mir küßte
In röthlichem Morgenglanz
Der Himmel die blühenden
Wangen der Erde.
Um mich tönt' in den Lüften
Der Freude hallender Morgengruß.

Und der Knospe des Sylfen gleich
Schwoll mir das Herz
Und wollte sich öffnen,
Liebende Flügel zu schwingen
Um die Blumen des Gartens,
Und mit Lüften des Abends
Unter den Elfen des Hains
Auf Thaugeweben
Zu tanzen den Mondreihn.

Und ich küßte die Blüten.
In leichtem schwebenden Flug
Saugt' ich die Küsse
Süßduftender Lippen.
Wollte nur leben
Durch die Geliebte
Und mit der Welkenden
Sterbend verblühn.
Da nahte die Biene
Mit scheltendem Gesumm;
Und die Blüte, verschüchtert
Entzog dem Kusse
Den liebenden Mund.
Und in der Trauernden
Süßestem Nektar
Schwelgte der Räuber,
Ließ die Zerstörte
Welkend zurück.

In dem Kreise der Brüder
Blickt ich umher:
Hinaus, in das Leben,
Mit glühendem Herzen,
Gleich Phöbus' Stralen
Zu wecken die schlummernden
Kräfte der Welt!

Und sie blickten mich an,
Und lachten des Thoren,
Die Häupter schüttelnd,
Dünkten sich weise
Im Schlummer der Kraft.

Da zog ich allein aus,
Im Herzen die Flammen
Alter Heroen,
Zu kämpfen, zu streiten,
Zu stürzen die Riesen
Verhöhnendes Uebermuths;
Zu rufen, wie Zeus,
Mit Worten des Donners
Die schlummernden Geister
Zu Leben und That.

Götter, ihr saht es!
Schatten der Helden,
Ihr habt's vernommen!
Ihr regtet freudig
Die grauen Häupter
In tiefer Felsengruft.
Aber der Lebenden keiner
Hörte den weckenden Ruf.

Und ergrimmt rief ich:
Täuschung ist Liebe,
Fabel sind Götter,
Märchen die Helden!
Sollt' ich verweilen
Bei solchem Geschlecht?

Da floh ich zu dir,
Holde, verschwiegene, treue Geliebte,
Stille Gefährtin, Einsamkeit!
Dich lieben die Götter,
Und alter Heroen
Ernste Gebilde
Steigen gerne zu dir herauf.

Und sinnend sitz' ich
In deinem Tempel,
Wie der göttliche Titan,
Der alte Prometheus,
Bild' ich mir selber
Hier meine Welt.
Williger fügt sich
Der harte Marmor
Bildenden Händen,
Als draußen der Menschen
Dumpfes Geschlecht.
Und hoch umstehn mich
In hehrem Kreise
Die Götterbilder,
Die ich mit liebenden,
Götterbewegten
Händen geformt.

Auch du, der ersten Jugend
Geliebtes Sehnsuchtbild,
Nimmer von mir gesehn,
Aus heißer Liebe
Heiligem Brunnquell
Gleich Aphroditen
Göttlich Geborene,
Dich sucht' ich verblendet,
Draußen im Weltgewühl,
Und kindisch greifend
Nach todtem Schatten,
Erreicht' ich niemals
Dein hohes Wesen.
Hier stehst du lebend
Durch meine Liebe,
In voller Schönheit
Der Götterjungfrau,
Wie du des Jünglings Augen
In heiligen Träumen erschienst.

Mögen sie draußen,
Sklaven der Thorheit,
Sich weise dünken!
Ich rief mir die Götter
Herab vom Olymp.
Mit ihnen befreundet,
Schaff' ich mit ihnen,
Und lebe mit Göttern
In seliger Lust.

Aus: Zeitlosen von August Apel
Berlin 1817 In der Schüppelschen Buchhandlung (S. 161-169)

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Kandaules
Ballade

Kandaules herrscht' in der Lyder Land
Aus Herakles Stamme gezeugt;
Sein Name war weit den Menschen bekannt,
Des Reiches Feinde hatt' er gebeugt.
Nun ruhten die blutigen Schwerter und Speere,
Und er schützte die Künste, des Friedens Ehre.

Doch war ihm von allem Ueberfluß,
Den die Götter ihm gütig gewährt,
Der Königin Schönheit der höchste Genuß,
Und er hielt sie göttlicher Ehre werth.
Und ließ viel Dichter wetteifernd ringen,
Der schönen Königin Preis zu singen.

Und alle zogen, mit reichem Lohn,
Von dem König begabt, zurück,
Und täglich umringten Künstler den Thron,
Zu erfreun des Königes Herz und Blick;
Und was von Göttern und Menschen geschehen,
War von ihnen lebendig gebildet zu sehen.

Einst kam Bularchus aus fernem Land,
Der Meister in Farb' und Gestalt,
Vom Gastfreund mit Ruhm dem König gesandt,
Ihm zu zeigen der Künste hohe Gewalt.
Und der König ladet zum glänzenden Feste
Bei des Meisters Ankunft die edelsten Gäste.

Und als sie gewechselt manch wichtiges Wort,
Da stellt, auf des Königs Geheiß,
Der Meister sein Bild auf erhabenen Ort,
Und es schließt sich ehrerbietig der Kreis,
Erwartend, wenn auf des Königs Winken
Von dem Bild der deckende Vorhang wird sinken.

Und der Künstler hebet den Vorhang still,
Und die staunende Menge schaut
In des Schlachtgetümmels wildes Gewühl,
Und es pocht jedes Herz in dem Busen laut;
Des Kriegers Rechte greift nach dem Schwerte,
Und die Frauen fliehn mit banger Gebehrde.

Und der König vom Anblick der Schrecken bleich,
Erhebt sich vom goldenen Thron:
Dein Bild acht' ich köstlichem Golde gleich,
Und gleiches Gewicht davon sei dein Lohn;
Und willst du mit deiner Kunst mich erfreuen,
So soll sich der Preis dir immer erneuen.

Und der Meister, beschämt sich verbeugend spricht:
O König, du bietest mir viel!
Das Bild bewegt dich, doch acht' ich das nicht
Der himmlischen Kunst vollendetes Ziel.
Willst du so fürstlichen Lohn gewähren,
So muß seine Kunst der Künstler ehren.

Der König staunt, und der Meister stellt
Vor die Menge ein zweites Bild,
Und jede Brust harrend den Athem hält,
Bis er leichtes Zuges die Tafel enthüllt,
Und der Künstler sieht mit frohem Entzücken
Die Macht der Schönheit in allen Blicken.

Aus der Wogen Schaume sich hebend, stand,
In lieblicher Jugend Gewalt,
Verschmähend das reizende Faltengewand,
Aphroditen's hohe Göttergestalt;
Und des alten Oceans wilde Söhne
Huldigten schmeichelnd der himmlischen Schöne.

Und die Menge lauschte, und sie waget kaum
Der Entzückung leiseres Wort,
Als sei die Gestalt gebildet vom Traum,
Als scheuche sie schreckend die Rede fort.
Nur der König verläßt zuerst das Staunen,
Er wagt's, dem Vertrauten ins Ohr zu raunen:

Schön ist sie fürwahr, o Gyges, es kann
Aphrodite schöner nicht sein!
Doch, laß dich nicht blenden so thörichten Wahn,
Als wohne die Schönheit bei Göttern allein,
Mein ist die schönste der Frauen,
Und neidend müßt' Aphrodite sie schauen.

Da strahlet des Jünglings Auge von Lust,
Zu vernehmen der Königin Preis;
Denn tief wohnt ihr Bild in seiner Brust,
Und er liebte sie lange im Verborgenen heiß;
Doch faßt er sich schnell, und heuchelt Entsetzen,
Daß der König sie will über die Himmlische setzen.

Und der König, glühend von Liebe, spricht,
Aphroditen nicht laß ich den Ruhm!
Du sahst die himmlischen Reize nicht,
Die die Götter ihr gaben zum Eigenthum;
Doch sollst du noch heute die schönste der Frauen
Mit geblendetem Sinn anbetend schauen.

Da regt das Verlangen dem Jüngling das Herz,
Die göttliche Schönheit zu sehn.
Und ihn quälet folternd der nagende Schmerz
Als Zeuge des fremden Glückes zu stehn,
Und sie, die ihm hält die Sinne gefangen,
Zu sehn von des Königes Armen umfangen.

Und der König lächelnd zum Künstler spricht:
Nimm hin den versprochenen Lohn.
Doch, deine Göttin ehr' ich noch nicht,
Ein Jüngling spricht ihren Reizen Hohn,
Und will mir menschliche Schönheit zeigen,
Die keine himmlische soll erreichen.

Da blickt der Künstler den König an,
Und warnend die Hand er hebt:
Die Himmlischen strafen den eitlen Wahn,
Weh dem, der sich über die Götter erhebt!
Gefangen wird er in eigenen Schlingen,
Sein Glück muß selbst Verderben ihm bringen.

Und er nimmt sein Bild, und wendet sich ab,
Und verläßt des Königs Pallast.
Da sinkt die Sonn' in das Meer hinab,
Und der König eilt mit stürmischer Hast,
Ihm folgt der Jüngling mit bangem Erröthen,
Und birgt sich hinter die goldnen Tapeten.

Hell stralte des Mondes weißes Licht
Durch die weiten Fenster herein,
Und in hohen, krystallenen Spiegeln bricht
Sich vielfach der sanfte, silberne Schein,
Als wollt' in leuchtenden Strahlenmeeren
Der Himmel selbst die Fürstin verklären.

Und der Jüngling harrt, und es öffnet sich bald
Die Thür, und es tritt in den Saal
Mit dem König die hohe, schöne Gestalt,
Und es küßt die Selene mit liebendem Strahl,
Und wie eine Nymphe im leichten Tanzen,
Schwebt sie, umleuchtet vom magischen Glanze.

Und der Jüngling sieht, wie das weiße Gewand
Um die weichen Formen sich schmiegt,
Und wie der König mit schmeichelnder Hand
Des Schleiers luftige Hülle besiegt,
Daß auf Nacken und Brust sich Schimmer und Schatten
Im lieblichsten Spiele wechselnd gatten.

Und er sieht der Arme liebendes Paar
Gehoben mit lächelnder Lust,
Mit den Rosenfingern lösen das Haar,
Daß es ringelnd wallt über Nacken und Brust,
Und der Schönheit Blüthe bald leise verstecket,
Bald freier des Jünglings Blicken entdecket.

Da bezwingt er länger die Sehnsucht nicht
Und seufzend athmet' die Brust.
Doch der König wendet bang sein Gesicht,
Entsagend der leicht verrathenen Lust,
Und bedeckt nun selbst mit des Schleiers Hülle
Der göttlichen Glieder reizende Fülle.

Dann führt er sie schnell in das Schlafgemach,
Und geängstet eilt er davon:
Erwarte mich nicht, ich bleibe noch wach,
Mich fesselt die Sorg' um Land und Thron.
So eilet er fort, und der Jüngling entdecket,
Daß geheimes Grauen den König schrecket.

Doch den Jüngling der nächtliche Schlummer flieht,
Ihn umschwebet die schöne Gestalt,
Und aus wachen Träumen ihn plötzlich zieht
Eine unbekannte, sanfte Gewalt.
Die befiehlt ihm, zu folgen, mit leiser Stimme,
Und er glaubt sich geopfert des Königs Grimme.

Doch unerschrocken folget er nach,
Geleitet von ihrer Hand,
Und staunend erkennt er das hohe Gemach,
Wo vor wenig Stunden er lauschend stand.
Und die Fürstin, vom Schleier leicht bedecket,
Auf das schwellende Lager hingestrecket.

Und sie blicket ihn an mit zürnendem Blick:
Verwegner! was hast du gethan?
Ich segne, Königin! mein Geschick,
Denn ich sah, was die ersten der Götter nicht sahn.
Und soll für mein Glück mein Leben büßen,
So sterb' ich mit Wollust zu deinen Füßen!

Und die Königin blicket ihn liebreich an:
Dein ist unter zweien die Wahl.
Du tödtest den König, ein tapferer Mann,
Erwirbst dir das Reich, und wirst mein Gemahl.
Doch, bist du zu feig, so verlierst du dein Leben,
Denn der König kann dir dein Glück nicht vergeben.

Da entsetzt sich der Jüngling; er fürchtet die Wuth
Des Königs, die heimlich ihm droht.
Hier glüht ihm der Liebe lebendige Gluth,
Dort erwartet ihn stummer, unrühmlicher Tod;
Und er sinket betäubt zu ihren Füßen,
Er will nicht wählen, er sehnt sich zu müssen.

Befiehl mir, Himmlische, ruft er laut;
Laß mir nicht die schreckliche Wahl!
Dich zu umarmen als meine Braut
Fordr' ich zum Kampfe die Götter all:
Und kann mir das deine Lieb' erwerben,
So muß Kandaules noch heute sterben.

Da reicht ihm die Königin lächelnd die Hand,
Und er küßt sie mit wüthender Lust,
Und sie sieht ihn mit frohem Entzücken gebannt,
An die schwellende, liebeglühende Brust,
Und sie hält ihn fest mit den Armen umfangen,
In Küssen stillend ihr heißes Verlangen.

Da erhob sich der Morgen in Osten fern,
Mit röthlich dämmerndem Schein,
Er erbleicht, der Liebe hellstrahlender Stern,
Und der Jüngling eilt zu dem Könige hinein;
Er will im Rausche die That vollenden -
Bald kehrt er zurück mit blutigen Händen.

Und der Tag bricht an, da schallts im Pallast:
Kandaules, der König, ist todt!
Und es eilen die Boten sonder Rast,
Zu verkünden, der König ist todt!
Und das Volk umringt des Pallastes Pforten,
Es forscht nach dem Thäter, es will ihn morden.

Da naht Bularchus mit ernstem Blick:
Rächt nicht, was die Götter vollbracht!
Der König erhob sich frevelnd im Glück,
Ihn strafet nun Aphroditens Macht.
Der Mensch kann den hohen Göttern nicht wehren,
Was sie wirken, muß er im Staube verehren.


Aus: Zeitlosen von August Apel
Berlin 1817 In der Schüppelschen Buchhandlung (S. 227-240)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/August_Apel


 

 


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