Theodor Apel (1811-1867) - Liebesgedichte

Theodor Apel



Theodor Apel
(1811-1867)



Inhaltsverzeichnis der Gedichte:





Das böse Röschen

Ein Röschen stand am Weg, versteckt
In dichter Dornen Hut;
Das hatte Manchen schon geneckt,
Wenn er die Hand nach ihm gestreckt,
Gestochen bis auf's Blut.

Ein Schäfer kam und trat heran,
Der sprach: "Komm, werde mein!"
Doch Röschen stach den armen Mann,
Daß roth sein Blut herniederrann,
Und sagte trotzig: "Nein!"

Da kam mit Sang und Saitenspiel
Ein fröhlicher Gesell;
Wie griff der nach des Röschens Stiel!
Doch Röschen stach und lachte viel,
Daß Jener stob so schnell.

Und Mancher schaut auf seiner Bahn
Entzückt des Röschens Pracht,
Und Allen, Allen die es sahn,
Hat es das Röschen angethan,
Und spottend nachgelacht.

Zuletzt erschien in gold'ner Wehr
Ein Ritter, hochgeschmückt.
Das Röschen, dem gefiel er sehr:
Nun, denkt es, hab' ich Ruhm und Ehr',
Werd' ich von ihm gepflückt.

Da streckt es aus den Dornen sich
So weit es kann hervor,
Und schaut so süß, so minniglich,
Als spräch' es: "Lieber, hebe mich
Doch gleich zu Dir empor!"

Er sprengt heran; das Röschen glüht
In heißer Minnelust;
Doch, wie es sich zu strahlen müht -
Die wunderschönste Rose blüht
Schon an des Ritters Brust.

Das Röschen schaut ihm lange nach
Mit tiefbetrübtem Sinn,
Und ob es auch nicht wieder stach,
So kam doch Keiner, der es brach,
Und einsam welkt' es hin.


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 5-7)
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Die Anglerin

O Schönste dort am Uferrand,
Wie blickst Du, voller Gluth,
Die Angel in der weißen Hand,
Hinunter in die Fluth!

Die Kiele wogt, sie steigt und sinkt
In grüner Wellen Tanz,
Sie zuckt - ein armes Fischlein blinkt
Im goldnen Abendglanz.

Die weiße Hand, sie faßt es schnell,
Es windet sich in Qual;
Die feuchten Flossen, silberhell,
Umströmt ein Purpurstrahl.

Da seufzt das Mädchen tiefbewegt,
Das Fischlein hakt sie los;
Das Auge voller Thränen legt
Die Angel sie in's Moos.

O schöne, holde Fischerin,
Wie weich ist doch Dein Herz,
Wie rührte Deinen zarten Sinn
Des armen Fischleins Schmerz!

Und siehst auf Menschennoth so kühl
Und ihre Schmerzengluth -
Hast Du für Fische nur Gefühl,
Weil kalt ihr Herzensblut?


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 8-9)
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Grüße nach Süden

Die Schwalben durchirrten im jauchzenden Chor
Die Lüfte mit fröhlichen Bogen;
Da tauchte begrüßend der Morgen hervor,
Sie schwangen sich jubelnd zum Himmel empor,
Und sind in die Ferne gezogen.

Sie flohn vor des eisigen Winters Nahn
Hinunter zum wärmenden Süden.
Ich schaute die Wandrer, die flüchtigen, an
Und dachte, sie werden auf eiliger Bahn
Doch einmal vor Abend ermüden.

Da seh'n sie vielleicht an des Stromes Rand
Herunter auf alte Ruinen;
Die Mauern, die grünender Epheu umwand,
Die werden bis wieder das Dunkel entschwand,
Zur Ruhe den Wanderern dienen.

Und mancher wol ist noch die Kraft nicht versiegt,
Sie will sie noch einmal erproben;
Und wie sie in goldenen Lüften sich wiegt
Da schaut sie dort unten ein Gärtchen und fliegt
Im Bogen hinunter von oben.

Du stehst wol im Garten, von Blumen umringt,
Die spät noch der Herbst Dir geboren,
Und schauest das Vöglein, das freudebeschwingt
Dich enger und enger mit Kreisen umschlingt,
Das ich mir zum Boten erkoren.

Und könnt' es nur reden, es flüsterte leis':
Ich komme vom nördlichen Lande,
Und bringe Dir Grüße so viel und so heiß,
Daß kaum ich sie alle zu sagen Dir weiß,
Am Neckar, am grünenden Strande.


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 10-12)
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Klage

Süße Morgenlüfte wehen
Auf dem Feld, auf bunter Au',
Und auf jeder Blume stehen
Glänzend schön die Tröpfchen Thau.

Da durchbricht mit gold'nem Scheine
Sonnenglanz das Nebelmeer,
Von den Blumen bleibt wol keine
Ungetrocknet, thränenschwer.

Ach, an jedem lieben Morgen
Ist mein Auge thränenfeucht,
Hab' es nie dem Tag verborgen,
Der so Vieler Schmerz verscheucht.

Alles strahlt in Frühlingswonne,
Grüßet froh den jungen Tag -
Kommst Du niemals, holde Sonne,
Die mein Augen trocknen mag?


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 21-22)
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Der Entfernten

Glockentöne hör' ich klingen
Aus dem stillen Thal hervor,
Sanft durch Abendlüfte schwingen
Sie sich leis' zu mir empor.

Thürme seh' ich fern sich heben,
Schon gehüllt im blauen Duft,
Und die leichten Nebel beben,
Klingt das Läuten durch die Luft.

Ach, ich lauschte spätem Läuten
Oft mit Dir in schöner Zeit,
Freude sollt' es uns bedeuten,
Glück, von Oben uns geweiht!

Jetzt, wenn Abendglocken schallen,
Lausch' ich einsam ihrem Sang,
Lasse sie vorüberhallen,
Bis ihr letzter Ton verklang.

Bis das Heer der gold'nen Sterne
Freundlich strahlet durch die Nacht,
Und Dein Bild aus weiter Ferne
Tröstend in der Brust erwacht.

Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 23-24)
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Die einsame Rose

Das Röslein steht am Felsenrand
Auf stillen Bergeshöh'n,
Dort blüht es einsam, nicht gekannt,
Und duftet doch so schön.

Es blicket weit hin in das Land
Wo seine Schwestern stehn,
Und wird auf steiler Felsenwand
Von unten kaum gesehn.

Doch blüht es weiter, wär' es auch
Für Sonne nur und Luft,
Und füllt ringsum durch seinen Hauch
Den Raum mit süßem Duft.

Und Du mein Herz, das einsam, fern
Von andern Herzen schlägt -
Was soll Dein Sehnen, das so gern
Dich in die Ferne trägt?

Was zieht Dich so gewaltsam fort
Zu Lieb' und Leid zurück?
Genügt Dir, wie dem Röslein dort
Nicht hier ein stilles Glück?

So schlage denn zu Andrer Lust
Bis Du zur Ruhe gehst,
Und dann in lieberfüllter Brust
Gebrochen stille stehst.

Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 25-26)
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O könnte doch die Nachtigall

O könnte doch die Nachtigall
Dir meine Grüße bringen,
Der holden Stimme süßer Schall
Der dürfte wol allüberall
Zu Deinem Herzen dringen.

Und wär' der Rose nur ein Mund
Geschenkt für Liebesklagen -
Dir würde, was ich fühle, kund,
Aus Garten, Berg und Thalesgrund
Entgegen Dir getragen.

So grüßet leise mein Gesang
Dich nur aus weiter Ferne
Doch, ob Dich traf des Liedes Klang,
Und froh Dein klopfend Herz durchdrang,
Das wüßt' ich gar zu gerne!

Im Herzen hab' ich längst gewußt:
Du bist mein Glück, mein Leben!
Warum, Du meine süße Lust,
Soll nicht das Herz in Deiner Brust
Mir wieder Liebe geben? -


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 27-28)
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Ein Traum

Mir träumt', ich läg' in tiefer Nacht
Sanft schlummernd Dir zur Seite,
Da war's, als ob in milder Pracht
Ein Schimmer sich verbreite;

Als ob des Waldes Dunkelgrün
Mit Gold sich überzöge,
Manch' Vöglein, aufgeweckt vom Glüh'n,
Leis' singend ihn durchflöge.

Auf Knospen ward der Liederklang
Wie milder Thau gegossen,
Die zitternd sich im süßen Drang
Dem linden Hauch erschlossen.

Da schaut' ich auf Dein Angesicht,
Und sah mit süßem Bangen,
Es war von Deiner Augen Licht
Dies Alles ausgegangen.

Und sieh, ich fühlt' in meiner Brust
Die Zauberpracht entsprießen,
Des Waldes Grün, die Sangeslust,
Die Knospen sich erschließen.

Wol ist der Traum mir längst entschwebt,
Längst sind wie Silberwogen
Die holden Bilder, ihm verwebt,
Vorüber mir gezogen.

Doch lieb' ich heute noch den Traum
Und Dich, die mir so ferne -
Viel weiter sind im Himmelsraum
Ja noch die lieben Sterne!

Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 31-32)
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O laß in Deines Blickes Milde

O laß in Deines Blickes Milde
Mich ruh'n in sel'gem Traum versenkt,
Und schauen, wie mit eignem Bilde
Dein liebes Auge mich beschenkt.

Laß träumen mich, daß Deiner Seele
Mein Glück, wie Du mir, theuer bist -
Und trügt mein Hoffen - o verhehle
Den Irrthum mir noch kurze Frist!

Oft brachte Täuschung mir das Leben,
Der Liebe hatt' ich längst entsagt -
Du hast die Hoffnung mir gegeben,
Daß sie auch mir noch einmal tagt.

Wie stark, von Deinem Arm umwunden,
Schau' ich auf Leiden, auf Verlust;
Doch jedes Glück, das ich empfunden,
Empfind' ich neu an Deiner Brust.

Den heil'gen Schauer fühl' ich wieder
Wie einst bei'm Abendglockenklang,
Bei'm Jubelton der Frühlingslieder,
Der jauchzend durch die Lüfte drang.

Der ersten Liebe hoffend Bangen,
Der Wonnerausch der ersten Gluth
Entflammt, gelehnt an Deine Wangen
Noch einmal den erloschnen Muth.

Aus Deinen lieben, frommen Zügen
Les' ich der Hoffnung Himmelslicht;
Ach laß die Hoffnung mich betrügen,
Nur störe mich in Träumen nicht!

Und laß in Deines Blickes Milde
Mich gläubig ruh'n noch kurze Frist,
Und wähnen, daß in meinem Bilde
Dein Aug' des Herzens Spiegel ist.


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 34-35)
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Die Sterne leuchten durch die Nacht

Die Sterne leuchten durch die Nacht
In weiten, stillen Raum,
Nur mich, der ich an Dich gedacht,
Beglückt kein sanfter Traum.

Du liegst wol jetzt in tiefer Ruh,
In süßem Traum versenkt,
Und freundlich schwebt deß Bild Dir zu
Dem Du Dein Herz geschenkt.

Auch ich, der ich Dir ferne bin,
War einst Dir werth und lieb,
Und Deine Liebe schwand dahin,
Wie treu ich Dir auch blieb.

Doch treu bin ich Dir noch vereint
Zu meiner eig'nen Qual,
Und wenn Dein liebes Bild erscheint,
Grüß' ich es tausendmal!


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 36-37)
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Ich liebe Dich und meine Seel' ist Dein

Ich liebe Dich und meine Seel' ist Dein,
Mein ganzes Leben möcht' ich Dir nur weih'n,
Du schaust mich an mit liebevollem Blick,
Doch ahnet mir, uns lacht nie Liebesglück!

Aus Deinem Augen strahlet sel'ge Lust,
Und Himmelsfriede wohnt in Deiner Brust;
Auf wen Du blickst, dem wird im Herzen Ruh -
O lächle mir auch Ruh und Frieden zu!


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 38)
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Du willst, ich soll Dich nun vergessen

Du willst, ich soll Dich nun vergessen,
Da Du mir nicht mehr eigen bist,
Doch hab' ich nie ein Herz besessen
Das leicht, was es geliebt, vergißt.

Du warst mir theuer wie mein Leben,
Ich hätte beider Augen Licht
Mit Freuden hin für Dich gegeben,
Die jetzt mir Wort und Treue bricht.

Ich weiß, ich darf Dich nicht mehr lieben
Da mich Dein Wille von Dir treibt,
Doch ist Dein Bild mir nachgeblieben
Das mir auch jetzt noch theuer bleibt.

Dein Bild, wie mir es einst erschienen,
Voll Reiz der Unschuld, klar und rein,
Und noch bezaubern diese Mienen,
Dieselben Augen sind noch Dein.

Drum, wenn ich freundlich auf Dich schaue,
Mein Auge liebend auf Dir ruht,
Denk nicht, daß ich Dir wieder traue,
Und fürchte nichts von meiner Gluth;

Und glaube nicht, daß dieses Feuer
Dir oder Deinem Reize gilt;
Dich lieb' ich nicht, doch ewig theuer
Bleibt mir der Einstgeliebten Bild.


Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 48-49)
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Ohne Ruh und ohne Frieden

Ohne Ruh und ohne Frieden,
Immer weiter ohne Rast,
Treibt es Dich, den armen Müden,
Fort in ewig wilder Hast.

Schaue doch des Tages Wonne
Wie er Alles neu belebt,
Ew'gen Lauf die goldne Sonne
Durch die blauen Lüfte schwebt;

Sieh' den reinen Glanz der Sterne,
Freue Dich der stillen Pracht,
Sieh' den Mond, der nah und ferne
Ruhe leuchtet durch die Nacht.

"Kann die Sonne Frieden geben?
Kann es Mond und Sternenlicht?
Sehnsucht können sie beleben,
Ruhe bringen sie mir nicht;

Machen nur das Herz mir trübe,
Flüstern alte Schmerzen zu -
Nur die Liebe, nur die Liebe
Giebt uns Frieden, giebt uns Ruh!"

Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 52-53)
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Das Lied der Geliebten

Da tönt ein liebliches Singen
Tief aus dem Thal hervor,
Dem alten Wanderer dringen
Die Töne so traut an's Ohr.

Er sinkt auf die Moosbank nieder,
Er lächelt still und lauscht,
Vom Klange geliebter Lieder
Aus alter Zeit berauscht:

"Aus schönem, reizendem Munde,
Da hört ich dies Lied einmal,
Es war mir willkommene Kunde,
Sie wartete meiner im Thal.

Da flog ich, ein rüst'ger Geselle,
Hinunter durch Schlucht und Gestein.
Die Klänge, sie luden so helle
Zum Liebchen den Glücklichen ein.

Da hielt sie mich innig umfangen,
Mein Haupt an der himmlischen Brust
Küßte sie Lippen und Wangen
In stiller, in seliger Lust.

Und spät, als die Sonne gesunken,
Als kühlender Thau sich ergoß,
Erstiegen wir wonnetrunken
Das festlich erleuchtete Schloß.

Die Eltern, Geschwister, Verwandten,
Sie kamen und jubelten laut,
Rothsprühende Fackeln entbrannten
Zum Gruß dem Geliebten, der Braut.

Wir riefen den künftigen Zeiten
Entgegen den freudigen Gruß,
Sie zeigten in fernesten Weiten
Nur Liebe, nur Lebensgenuß."

Da rauscht's an des Wanderers Lager
Vorüber in eiligem Lauf,
In's Horn stößt lustig der Schwager,
Der Alte steht langsam auf:

"Das Lied ist lange verklungen,
Verweht das erträumte Glück,
Tod ist, die es einst mir gesungen,
Was weil' ich und denke zurück?"

Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848 (S. 92-94)
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Das Jahr der Liebe

Winter

Ich stand am See, mit harten Eiscrystallen
Hatt' ihn bedeckt des rauhen Winters Wüthen,
Schneeflocken, aufgeweht vom Winde, sprühten
Vom Baum und Strauch, auf die sie leicht gefallen.

Und all mein Blut fühlt' ich zum Herzen wallen,
Ich dachte sehnend an die Zeit der Blüthen,
Wo unter grünem Laub die Rosen glühten,
Und süß erklang das Lied der Nachtigallen.

Da naht ein holdes Kind mit Angst und Bangen,
Sie strauchelt, schwankt - das Eis hat kein Erbarmen -
Ich eile hin, sie schnell noch aufzufangen;

Wie fühl' ich gleich mein kaltes Herz erwarmen,
Schon ist gestillt mein Sehnen und Verlangen,
Die schönste Rose liegt in meinen Armen!
(S. 159)
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Wie reizend Dank und Schüchternheit sich paaren!
Die höchste Gluth ist auf der Wang' entglommen,
Und kaum vermag ihr Mund, von Angst beklommen,
Des Herzens Dankgefühl zu offenbaren.

Doch auf dem glatten Wege drohn Gefahren,
Mein Arm wird freundlich lächelnd angenommen,
Und bis wir an den sichern Ort gekommen,
Darf ich vor neuem Falle sie bewahren.

Wol mag ich nun des Winters Lob erheben -
Doch bald schon ist der böse Pfad geendet,
Gefahrlos liegt der Weg vor uns und eben.

Noch einen Blick den lächelnd sie mir sendet,
Und meine Rose seh' ich mir entschweben,
Mein Herz mit ihr, sie hat es mir entwendet.
(S. 160)
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Ich seh' ihr nach mit sehnsuchtvollen Blicken,
Indem ich emsig auszuspähen trachte,
Ob sie nicht einmal noch verstohlen, sachte
Wird einen Gruß an mich zurückeschicken.

Kann Liebe denn so schnell ein Herz umstricken?
Ich, der so oft die Schwärmer schon verlachte,
Ich steh' im strengsten Winterfrost und schmachte
Nach einem Blick, nach einem flüchtgen Nicken!

Dann bin ich still den Weg zurückgeschritten,
Hier war's, wo fest die Arme sie umschlangen,
Als auf dem Eis der Fuß ihr ausgeglitten;

Auf meinen Arm gestützt war sie gegangen,
Ich sehe noch die Spur von ihren Tritten -
O süße Thorheit, die mein Herz befangen!
(S. 161)
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Das holde Bild lebt tief in meinem Herzen,
Ich hinge gern ihm nach in süßen Träumen,
Doch ruft ein Ball; ich darf ihn nicht versäumen,
Könnt' ich auch leicht was er mir beut verschmerzen.

So geh' ich denn; da strahlen tausend Kerzen,
Der Freude volle Becher seh' ich schäumen,
Musik ertönt in reichverzierten Räumen,
Ich aber bleibe fern von Tanz und Scherzen.

Doch wie, will mich mein Auge nicht belügen,
So seh' ich dort das liebe Mädchen wieder,
Sie ist's, sie ist's, die Ahnung kann nicht trügen!

Jetzt blickt sie auf, und lächelnd dann hernieder;
Die Freude lebt in allen ihren Zügen,
Und Freude bebt durch alle meine Glieder!
(S. 162)
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Zu ihr nun such' ich eilend vorzudringen,
Und theile schnell der Herrn gedrängte Schaaren
Die sie umflattern gleich geschwätzgen Staaren,
Um einen Tanz von ihr sich zu erringen.

Kaum wag' ich meine Bitten anzubringen,
Doch freundlich blickt sie auf mit ihren klaren,
Glanzvollen Augen, und es offenbaren
Die Lippen meinem Wunsche das Gelingen.

Ihr schöner Arm ruht traulich in dem meinen,
So muß der Ball, wie kaum vor wenig Stunden
Der rauhe Winter, mich mit ihr vereinen.

Ich halte mit dem Arme sie umwunden,
Und drücke fest die Hand der lieben Kleinen,
Froh überrascht, daß ich sie hier gefunden.
(S. 163)
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Die Rose schläft verhüllt im grünen Moose,
Der Knospe Spitze kannst Du kaum erkennen;
Doch Dir verkündet gleich ihr dunkles Brennen:
Hier ruht die Blumenkönigin, die Rose.

Und wenn sich dann bei milder Luft Gekose
Die Knospendecken von der Blüthe trennen,
Wer möchte da der Reize Zahl benennen,
Die sich entfalten in dem zarten Schoose!

Ich sah Dich tief gehüllt in Winternacht,
Doch von den Augen, von dem lieben Munde
War gleich die Gluth in meiner Brust erwacht.

An Dich nur dacht' ich seit der ersten Stunde;
Nun seh' ich Dich verklärt in höchster Pracht,
Und immer tiefer wird des Herzens Wunde.
(S. 164)
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Das Sprichwort sagt: wovon das Herz Dir voll,
Das wird von Deiner Lippe bald verkündet;
Vom süßen Rausch fühl' ich mein Herz entzündet,
Das hoch in Deiner lieben Nähe schwoll;

Daß mir das Blut so heiß zum Herzen quoll,
Das ist in Deinem holden Reiz begründet,
Ich fühle mich so innig Dir verbündet,
Doch weiß ich nicht, wie ich es sagen soll.

Du sahst mich an, und Deine Blicke riefen
In meiner Brust hervor die heißen Triebe,
Die dort in unbewußter Ruhe schliefen;

O, daß ein Gott mir auf die Lippen schriebe:
Hier strahlt Dein Bild in dieses Herzens Tiefen
So steh' ich stumm vor Dir in stummer Liebe.
(S. 165)
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Ich muß hinaus, mich will's nicht länger leiden,
Im Zimmer ist mir ängstlich und beklommen,
Sie wollte heute früh zur Eisbahn kommen,
Und hat es leise mir vertraut im Scheiden. -

Noch ist sie fern; soll ich sie lange meiden?
Doch ihren Namen hab ich ja vernommen,
So mag mir denn des Eises Fläche frommen,
Die theuren Züge zierlich einzuschneiden.

Doch halt! dort seh' ich plötzlich sie erscheinen.
Wie leicht und schnell hat sie die Bahn durchflogen,
Ein Gruß - und ihre Hand liegt in der meinen.

Da trifft ihr Blick die scharfgeschnittnen Bogen,
Sieht sie zu ihrem Namen sich vereinen,
Und flüchtge Gluth hat schnell sie überzogen.
(S. 166)
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An ihrer Hand darf ich sie nun begleiten,
Ihr Führer sein auf glatter Eisesbahn;
So sehn wir nicht, daß graue Wolken nahn,
Und schnell am blauen Himmel sich verbreiten.

Jetzt stürmt das Wetter los von allen Seiten,
Ein Schneegestöber ist der ganze Plan;
Da lächelt schützend uns ein Hüttchen an,
Nach dem geschwind wir unsre Schritte leiten.

Hier sitz' ich nun allein mit meiner Schönen,
Allein, allein, im fernen Gartenhause,
Wie Mancher wird mein schüchtern Herz verhöhnen!

Ich spreche wenig, Pause folgt auf Pause,
Und meine Worte, kaum gehört, vertönen,
Wie leises Lispeln in dem Sturmgebrause.
(S. 167)
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Es tönt vom Boden her ein leises Klingen,
Ein Kettchen ist's, das sie am Hals getragen;
Ich heb' es auf, und ängstlich hör' ich fragen:
"Wo ist das Kreuz, wie kam es von den Ringen?"

Nur mühsam kann sie sich zum Lächeln zwingen,
Schwer scheint sie das Verlorne zu beklagen,
Ich will sogleich durch Sturm und Wetter jagen,
Um es wo möglich wieder zu erringen.

Da fühl' ich mich am Arme fest gehalten -
Was ist das? darf ich meinen Augen trauen?
Aus Angst für mich erbleichten diese Augen?

Ich seh' die schönste Hoffnung sich entfalten;
In diesem Zittern, diesem zarten Grauen
Ist mir ein ganzer Himmel aufgegangen!
(S. 168)
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Ich eile fort, den Sturm und Schnee besiegend,
Mag auch mein Mädchen mir den Gang verpönen;
Und das Geschick will meine Mühe krönen,
Das Kreuz erblick' ich auf dem Eise liegend.

Ich trag' es schnell zurück zu meiner Schönen,
Es fern schon freudig in den Händen wiegend;
Wie läßt sie, sanft an meine Brust sich schmiegend,
Des heißen Dankes Worte nun ertönen.

Und ihre Hände schlägt sie dann zusammen
Um meine kalten, beugt mit warmem Hauchen
Den schönen Mund zu meinen Fingern nieder.

Und gleich beleben sich die starren wieder -
Du würdest doch ein einzig Wort nur brauchen,
Um mich zum höchsten Feuer zu entflammen!
(S. 169)
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"Wir sehn uns wieder," sagten wir beim Scheiden,
"Und bald, recht bald in den bestimmten Stunden."
Im voraus wird die Freude schon empfunden,
Mit der wir uns an schöner Aussicht weiden.

Doch bald schon soll der Trennung bittres Leiden
Mein frohes, freuderfülltes Herz verwunden,
Und sie, der ich so innig bin verbunden,
Sie soll ich bald, vielleicht auf immer meiden.

Ich kehre heim, ein Brief ist angekommen,
Die Aufschrift kenn' ich, schnell ist er erbrochen
Und trübe Botschaft les' ich angstbeklommen:

Er ruft mich fort auf jahrelange Wochen,
Fort, eh' Du noch ein Wort davon vernommen
Und Treue wir uns, ew'ge Treu versprochen.
(S. 170)
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Frühling

Die Thauluft weht aus südlich milder Zone
Belebend warm hinauf zum rauhen Norden;
Das alte Laub, das längst schon dürr geworden,
Verdrängt die Knospe von des Baumes Krone.

Schon grüßen wieder mit bekanntem Tone
Die muntern Vöglein aus dem Sängerorden,
Bald jauchzt der Mai in hallenden Accorden,
Und Wald und Fluren dienen ihm zum Throne.

So weht auch ihr, betrübter Zeiten Reste,
Wie dürre Blätter fort, dem Wind zum Raube,
Was weilt ihr noch am frohen Frühlingsfeste?

Schon paart sich girrend hier die Turteltaube,
Die kleinen Sänger tragen dort zu Neste,
Und Freude sprießt empor im grünen Laube.
(S. 171)
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Der Lenz erwacht mit seinen Ungewittern,
Die uns zum Scheidegruß der Winter sendet:
Er läßt noch einmal, eh' er sich geendet
Vor seiner Macht den Wald, die Flur erzittern.

Mag nun des Winters Sturm die Eichen splittern,
Ist meine Reise doch mit ihm vollendet,
Und nicht mehr wird, der Heimath zugewendet,
Der Sehnsucht Schmerz das Leben mir verbittern.

Jetzt komm' ich an, auf heißer Sehnsucht Schwingen
Eil' ich entzückt nach der Geliebten Wohnung
Und lasse hell der Thüre Glocke klingen.

Der Schlüssel knarrt, ein Kerl schreit ohne Schonung:
"Niemand zu Haus!" und alle Riegel springen
In's Schloß zurück mit greulicher Betonung.
(S. 172)
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Die Veilchen duften, Primeln und Narzissen
Und Hyazinthen blühn im stolzen Glanze,
Ein jeder Garten wird zum Blumenkranze,
Die bunte Flur zum reichgestickten Kissen.

Geschäftig ist die Biene schon beflissen,
Wie sie den Honig in die Zellen schanze,
Und Schmetterlinge schwärmen, wie zum Tanze,
Die müßigen, die nichts von Arbeit wissen.

Die Fraun und Mädchen ziehn im bunten Drange
Hinaus, der Luft sich wieder zu versöhnen,
Die sie entbehrt so schmerzlich und so lange,

Und schwärmen nun, begrüßt von Jubeltönen,
Durch Wald und Flur im süßen Müßiggange,
Den Schmetterlingen gleich, den reizend schönen.
(S. 173)
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Zu Roß, zu Roß! die Räume muß ich meiden,
Wo überall Bekannte mir begegnen!
Der Sturmwind tobt, und graue Wolken regnen,
Doch können sie die Flucht mir nicht verleiden.

Ich will ja nichts, als nur von hinnen scheiden;
Die fernen Pfade wähl' ich, die entlegnen -
Wol Mancher sieht mir nach, dem wild Verwegnen,
Nicht ahnend, welche Wehn mein Herz zerschneiden.

Das Pferd geht ungeleitet seine Wege,
Mag es, wohin es immer will, mich tragen,
Nur soll es weiter, immer weiter gehn.

Fort trabt es über Äcker, Waldgehege
Und bleibt zuletzt, erschöpft vom langen Jagen,
In einem Dorf am Thor der Schenke stehn.
(S. 174)
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Die Stürme schweigen, milde Lüfte dringen
Mit sanften Hauchen an die Knospendecken,
Die Keime von dem Schlummer aufzuwecken,
Aus dem sie langsam erst empor sich ringen.

Wol manche Knospe wird noch heute springen,
Sie braucht nicht ängstlich mehr sich zu verstecken -
Und Bienen summen hin und her, und necken
Sich mit den ersten, bunten Schmetterlingen.

Und tief ergriffen schau' ich in das Leben,
Wie sich's bewegt und regt in reicher Blüthe;
O solch' ein Anblick muß das Herz erheben!

Und laut ertönt's im freudigen Gemüthe:
Viel Schönes hat der Himmel uns gegeben,
Ja groß, sehr groß ist des Allmächtgen Güte!
(S. 175)
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Im Grase liegend, an begrünter Weide
Schaut' ich hinunter auf die Silberwogen,
Wie murmelnd sie die bunte Flur durchzogen,
Die Blumen spendet ihnen zum Geschmeide.

Da rauscht der Busch, und sieh, im leichten Kleide
Naht, wie die Sonne schön am Himmelsbogen
Mein Mädchen, eilt an's Ufer, schnell, verwogen,
Und doch besorgt, daß sie Gefahr vermeide.

Und Blumen pflück' ich, weiße, rothe, blaue;
Ihr Boten, sprecht zu ihr mit lauten Zungen
Vor aus der Fluth, der ich euch anvertraue.

Jetzt sind die Blumen hin zu ihr gedrungen,
Sie sieht, wie sehnsuchtsvoll nach ihr ich schaue,
Ein Freudenruf - wir halten uns umschlungen!
(S. 176)
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Von heißem Rausch ist mein Gemüth befangen,
Nichts kann ich denken, als nur sie zu lieben,
Und alles Andre muß wie Staub zerstieben,
Sobald ihr liebes Bild mir aufgegangen.

So werd' ich unter Hoffen, Sehnen, Bangen
Im ewgen Kreiseslauf umher getrieben,
Und nichts ist in der Seele mir geblieben,
Als nur nach ihr das glühendste Verlangen.

Der Tag ist hin, die Sonne sinket nieder,
Das Dunkel naht, die Strahlen werden trüber,
Und kühler Thau verkündet uns den Abend.

Da endlich seh' ich die Geliebte wieder,
Und weile stumm der Holden gegenüber,
Mein Herz an ihrer süßen Nähe labend.
(S. 177)
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Mit Dir durchwandelnd dichtbelaubte Hallen,
Seh' ich mit Schnee bedeckt die dunkeln Locken;
Die Blätter sind es von den Blüthenglocken
Des Äpfelbaums, die auf Dein Haupt gefallen.

Vom Wind umweht, auf harten Eiscrystallen
Sah ich Dich einst, umsprüht von weißen Flocken,
Langsamen Schrittes, schwankend und erschrocken,
Vom Fall bedroht, die glatte Bahn durchwallen.

Welch' hohe Gluth war auf Dich ausgegossen,
Als meinem Arm die Rettung war gelungen;
Ich sah in ihr mein schönstes Glück erblühen.

Nun hab ich fest Dich an das Herz geschlossen,
Doch hast Du selbst den Arm um mich geschlungen,
Und Liebe macht die Wange Dir erglühen.
(S. 178)
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Ein Röslein, das am Busen sie getragen,
Entriß sich seiner Haft am schönen Orte;
O sicher wäre, wenn es hier verdorrte,
Das ihr so lieb gewesen, zu beklagen.

Du fühltest dort des lieben Herzens Schlagen,
Du warst so nah der zarten Lebenspforte,
Glückselige Rose, hättest Du doch Worte,
Um, was du dort erlauschtest, mir zu sagen!

Ob schneller auch begann das Herz zu pochen,
Sobald ihr schönes Auge mich gewahrte,
Und wenn von mir der süße Mund gesprochen?

Ob jenes Glühen, das jungfräulich zarte,
Oft auch bei anderm Anlaß ausgebrochen?
Ob es vor mir allein sich offenbarte?
(S. 179)
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Der holden Wange liebliches Erröthen
Gewährte mir nur unbestimmte Kunde,
Mehr sprach Dein Lächeln, mit dem Blick im Bunde,
Daß Deine Lippen nicht mein Wort verböten.

Doch jeden Zweifel muß ich jetzt ertödten;
So töne denn das Wort aus Deinem Munde:
Ist mir genaht des Lebens schönste Stunde,
Soll ich vergehn in Schmerz und Liebesnöthen?

Du senkst erglühend stumm die Augenlieder,
Doch ruht die Hand geduldig in der meinen,
Und langsam hebt sich schon das Auge wieder.

Da beug' ich mich zu meiner lieben Kleinen,
Zu ihren lächelnd süßen Lippen nieder,
Im stummen Kuß uns ewig zu vereinen!
(S. 180)
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Vom Himmel strahlt in ungetrübter Reine
Der volle Mond durch laue Lüfte nieder,
Gewürzger Hauch entquillt Jasmin und Flieder,
Vermählend sich dem milden Silberscheine.

Die Vögel singen in dem dichten Haine
Dem kleinen Weibchen ihre Liebeslieder -
Und in der dunkeln Laube sitz' ich wieder
Mit Dir, mein Kind, im traulichen Vereine.

Du bist mir liebend an die Brust gesunken,
Und drücktest meine Hand Dir an die Wange,
Um die erhitzte langsam abzukühlen.

Ist es ein Wunder, wenn ich wonnetrunken
Nach keinem Wort aus Deinem Mund verlange,
Versunken ganz in seligen Gefühlen?
(S. 181)
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Der Sommer naht, mit glühend heißem Strahle
Des Frühlings Blüthenschöpfung zu versengen,
Daß sie, die früh die Knospe zu zersprengen
Gewagt, die Kühnheit mit dem Tod bezahle.

Und schon verstummt der Vögel Chor im Thale,
Die Schwüle muß die kleine Brust verengen,
Mag auch der Thau die matte Flur besprengen,
Der Frühling kehrt doch nicht zum zweiten Male.

Was kümmerts mich? ich habe Dich errungen!
Aus Deinen Augen les' ich Glück der Liebe,
Dein lieber Arm hält mich so fest umschlungen.

So welket nur, ihr zarten Frühlingstriebe!
Ist doch Dein holdes Ja zu mir gedrungen,
Daß ewger Frühling mir im Herzen bliebe!
(S. 182)
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Sommer

Die Rosen blühn, den Sommer zu verkünden,
Der Frühling will durch ihre Pracht uns zeigen,
Ihm sei der Blumen schönste noch zu eigen,
In ihr ein Angedenken sich zu gründen.

Da wird es still in Wald und Felsenschlünden,
Der Nachtigallen holde Lieder schweigen -
Doch bald wird früher auch der Tag sich neigen,
Mich meinem Mädchen früher zu verbünden.

Drum fort mit trüben, wehmuthsvollen Klagen!
Es blühn ja, süße Düfte zu verbreiten,
Die Rosen auch in heißen Sommertagen.

Und, freundlich durch das Leben uns zu leiten,
Erblühn, wenn warm und treu die Herzen schlagen,
Der Liebe Rosen uns in allen Zeiten.
(S. 183)
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Die dunkle Nacht mit ihrer sanften Kühle
Ist auf die matte Flur herabgesunken,
Und dürstend wird der feuchte Thau getrunken
Von welken Blättern nach des Tages Schwüle.

Eintönig hallt aus sumpfgem Wiesenpfühle
Der Frösche Schrein und Klageruf der Unken,
Und durch die Blumen ziehn, wie Feuerfunken
Glühwürmchen hin im lustigen Gewühle.

Da fängt sich eines in den dunkeln Haaren;
Mein Mädchen lacht - ich muß mich schnell bemühen,
Viel andre Sternchen noch hinzuzufügen.

Nun läuft sie an den Bach, den ruhig klaren,
Sie sieht ihr Haupt im Strahlenkranze glühen,
Und jubelt auf vor innigem Vergnügen.
(S. 184)
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"Brich mir die Rose dort, daß ihre süßen,
Bedeutungsvollen Düfte mich entzücken;
Oft werd' ich sie an meinen Busen drücken,
Muß ich entfernt von Dir die Zeit verbüßen."

Wer hört nicht gern von solchem Wort sich grüßen?
Ich eile fort, die Rose schnell zu pflücken;
Doch kaum erfaßt, beim ersten leisen Rücken
Fällt auch entblättert schon sie mir zu Füßen.

Ist's so gemeint - beginn ich nun wie schmollend -
Ist das der Liebe Gleichniß bei den Schönen,
Ein öder Stiel, im Staub die Blüthe rollend?

Ha - ruft sie bös - so willst Du mich verhöhnen!
Und wendet sich ob meiner Rede grollend,
Und zürnt und trotzt und will sich nicht versöhnen.
(S. 185)
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Das Mädchen:

"Gieb mir die Hand, ich will die Linien schauen,
Die, Deinen Sinn verrathend, hier sich winden,
Ob auch Dein Herz die Schmeichelreden binden,
Und ob ich darf auf Deine Worte bauen.

Da seh' ich langes Leben, Gunst der Frauen,
Und Reichthum, Glanz, doch - müßt' ich auch erblinden -
Von Treue nicht die kleinste Spur zu finden,
Nun sage selbst, kann ich Dir noch vertrauen?"

Der Jüngling:

"Indeß Du hier verfolgt der Hände Falten,
Las ich in Deines Angesichtes Zügen,
Wie sie so schön, so reizend sich gestalten:

Da sah ich denn mit wonnigem Vergnügen,
Daß sie nur Liebe, reine Lieb' enthalten -
Nun sage Du, ob diese Zeichen trügen?"
(S. 186)
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Ich stand mit ihr im Schatten alter Rüstern;
Des Mondes Licht war hell und rein entglommen,
So müssen denn Gebüsch und Bäume frommen,
Und uns mit ihrer Blätter Nacht umdüstern.

Da hör' ich jetzt mein Mädchen ängstlich flüstern:
"Siehst Du, Geliebter, dort die Leute kommen?
Wir sind verloren, wenn sie uns vernommen,
Denn Alles ist nach Klätschereien lüstern."

Stumm bin ich nun; doch, wie es Mädchen eigen,
Ist einmal nur der Rede Strom im Fließen,
Dann bringt man nimmer wieder sie zum Schweigen.

Und weil sie nimmer sonst vom Reden ließen,
Muß ich den Mund auf ihre Lippen neigen,
Um fest das Plaudermäulchen ihr zu schließen.
(S. 187)
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Das Mädchen:

"Ich wollte Dir die schönste Rose geben,
Die lang gepflegt in meinem Garten glühte;
Da sah ich in der kaum erschloßnen Blüthe
Des Morgenthaues helle Tropfen schweben.

Und meine Brust durchzog ein leises Beben,
Und Ahnung sprach: o wahre Dein Gemüthe,
Nur Thränen giebt für alle Lieb' und Güte
Zurücke Dir das undankbare Leben!

Was soll't ich thun? ich hatte doch die Rose
Gepflegt, um als Geschenk sie Dir zu reichen;
Nun les' ich trüben Sinn in ihrem Schoose.

So mache, wenn Du kannst, dies Bild entweichen,
Und deute mir der frohen Zukunft Loose
Aus dieser Blüthe warnungsvollem Zeichen."
(S. 188)
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Der Jüngling:

"So dachtest Du, als Du die Rose pflücktest,
Den Thau in ihr der Thräne zu vergleichen?
Und wolltest doch sie Deinem Freunde reichen,
Daß Du sein Herz durch Dein Geschenk entzücktest!

Und als Du sie an Deinen Busen drücktest,
Da mußte schnell der feuchte Thau entweichen;
Wie bliebe wol bei ihr der Thräne Zeichen,
Wenn Du mit solcher Nähe sie beglücktest?

So konnt' ich oft, wenn ich an Dich gedacht,
Den bittern Schmerz in meiner Brust beschwören,
Wie Tageslicht vertreibt die dunkle Nacht.

Nun willst Du mir für immer angehören!
Und so, geschützt durch Deiner Liebe Macht,
Kann nichts im Leben je mein Glück zerstören."
(S. 189)
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Der Jüngling:

"Ob ich Dich liebe? ob mein Herz für Dich,
Wie sonst, so glühend noch im Busen schlage?
Wie, Mädchen, kämest Du zu dieser Frage,
Wenn nicht die Lieb' aus Deiner Brust entwich?

Wann fandest Du mein Herz veränderlich?
Ich war Dir treu seit jenem ersten Tage;
Und gab ich Anlaß Dir zu einer Klage,
Dann treffe schwer des Himmels Rache mich ..."


Das Mädchen:

"Halt ein, halt ein! wozu dies wilde Tosen?
Willst Du nicht eine Frage mir erlauben,
Und darf ich nur mit süßen Worten kosen?

Wie kann ein Wort nur Deinen Frieden rauben,
Wie Dich der kleine Scherz so sehr erbosen?
Ich will ja gerne, was Du willst, Dir glauben."
(S. 190)
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Das Mädchen:

"Jetzt halte still den Kopf und wanke nicht,
Ich möchte tief Dir in die Augen sehen,
Ob meine Züge Dir im Herzen stehen,
Wie oft Dein Mund betheuernd zu mir spricht.

Da seh' ich wol mein eigen Angesicht,
Doch ach, so klein! wie kann es da geschehen,
Daß dieses Bildchen, ohne zu vergehen,
Die Bahn sich tief zu Deinem Herzen bricht?"

Der Jüngling:

"Wie magst Du nur die armen Augen schelten,
Als ob die Schuld an ihrem Willen läge,
Das sie Dein liebes Bild zum Zwerg entstellten!

Die Hand an's Herz, hier fühlst Du warme Schläge,
Sie mögen Dir als heilge Bürgen gelten,
Daß fest Dein Bild sich in die Brust mit präge!"
(S. 191)
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Es schwillt der Strom, doch schützt mit sichern Schranken
Ein fester Damm die Flur vor Wuth der Wellen,
Du siehst sie schäumend sich an ihm zerschellen,
Und kraftlos dann zum Strom zurückeschwanken.

Doch brachten sie nur einen Ort zu Wanken,
Dann werden bald sie weit und weiter schwellen,
Es dringt der Strom aus tausend neuen Quellen,
Bis Damm und Flur in trübe Fluth versanken.

So seh' ich meine Liebe nun verblühen,
Und unaufhaltsam all mein Glück zerrinnen,
Seitdem in mir die düstern Zweifel walten.

Ich fühl' es wol, umsonst ist alles Mühen,
Vertraun und Frieden wieder zu gewinnen,
Den Strom der Eifersucht zurückzuhalten.
(S. 192)
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Du sprichst von Liebe mir und ew'ger Treue,
Die nimmermehr Dein reiner Sinn gebrochen,
Und doch verschwindet nicht des Herzens Pochen,
Es glückt mir nicht, daß ich die Furcht zerstreue.

So duster, wie nach böser That die Reue,
Liegt jedes Wort auf mir, das Du gesprochen;
Unmöglich ist's, daß, wie vor wenig Wochen,
Ich sorglos Deiner Liebe noch mich freue.

Da sagtest Du noch nichts von heißem Lieben,
Doch ward es mir durch jede That verkündet,
Ein Blinder hätte Dich verstehen müssen.

Ich zweifle jetzt bei Deinen heißen Küssen,
Wol wird mein Herz durch Deine Gluth entzündet,
Doch weiß ich nicht ob Du mir treu geblieben.
(S. 193)
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Es wächst die Nacht und streift mit dunkler Schwinge
Vom Thron des Tags die goldnen Feuerrosen,
Der Morgen zaudert, ob den liederlosen,
Vergilbten Au'n er seine Grüße bringe.

Die Sonne rollt in täglich kleinerm Ringe,
Wie müde schon, mit Flur und Wald zu kosen,
Und frostig mahnt oft rauher Stürme Tosen,
Daß bald der Reif die weiße Fahne schwinge.

Du, Sommergott, zerstörst im Fliehn die Blüthe,
Die liebend erst Dein warmer Strahl entfaltet,
Eh' frostberührt ihr Lebenshauch verglühte.

Noch ist der Liebe Flamme nicht erkaltet.
So tödte sie, die deinem Blick entsprühte,
Eh' sie versiegt, eh' langsam sie veraltet.
(S. 194)
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Herbst

Die Flur ist leer, des Waldes Lieder starben,
Der Garten prangt, doch prangt er ohne Düfte,
Der Landmann birgt vor Wuth der rauhen Lüfte
In sichre Scheuern seine schweren Garben.

Doch läßt Natur nicht unser Auge darben,
Sie schmückt mit Reiz der eignen Schönheit Grüfte,
Und strahlen siehst Du Wald und Felsenklüfte
In wunderbarer, reicher Pracht der Farben.

O hätt' auch ich in sichre Hut genommen
Der Liebe Rosen, die mir jetzt entweichen,
Ich stände nicht betrübt in diesen Räumen!

Jetzt mag ich, nur von meinem Schmerz beklommen,
Des Herbstes reiche Farbenpracht vergleichen
Mit der Erinnrung traurig süßen Träumen.
(S. 195)
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Was nützt es, länger noch hinauszuschieben,
Was Du mir doch einmal gestehen mußt;
Ich sah es längst, Du bist Dir schuldbewußt,
Auf Deinem Antlitz steht es klar geschrieben.

Aus Deinem Herzen hast Du mich vertrieben,
Es schlägt für mich nicht mehr in Deiner Brust -
Du schweigst? - nun denn, ich trage den Verlust,
Seh' ich die liebste Hoffnung auch zerstieben!

Das Feuer, das aus Deinem Angesicht
Mein Herz, mein Auge liebeselig tranken -
Ich seh' es wol, es war ein flatternd Licht.

Doch nicht in Zweifeln ließest Du mich schwanken -
So will ich denn, ob auch das Herz mir bricht,
Für die Gewißheit wenigstens Dir danken.
(S. 196)
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Die Frucht verläßt den Ast, der sie getragen,
Kann er doch fürder nicht ihr Nahrung reichen;
Die Raupe wird von kahler Pflanze weichen,
Um andre, blätterreiche zu benagen;

Die Vögel fliehn nach warmen Sommertagen,
Ein mildres Land in Eile zu erreichen -
Wer sieht darin des schnöden Undanks Zeichen,
Wer möchte der Verlaßnen Loos beklagen?

Ich seh' die Früchte fallen, wenn sie reifen,
Die Raupe suchen, was ihr Nahrung spendet,
In warmes Land die muntern Vögel schweifen -

Und, daß mein Mädchen sich von mir gewendet,
Kann es so schmerzlich mein Gemüth ergreifen,
Da ich es weiß, daß Alles einmal endet?
(S. 197)
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Auf, raffe Dich empor aus düstern Träumen,
Das Leben ruft, das Dich schon oft erfreute!
Wie sonst, so reizend lacht es Dir noch heute,
Was willst Du hier den schönen Tag versäumen?

Komm, folge mir zu freien Waldes Räumen,
Hier wirst Du noch des Grames sichre Beute;
Der Wald, der Dir im Frühling Blumen streute,
Giebt Lust Dir auch bei herbstentlaubten Bäumen.

Der Jagdruf tönt, fort, nimm das Feuerrohr,
Durch Wald und Flur dem Wilde nachzujagen,
Schon wartet Dein der Freude lauter Chor.

Was Dich bedrängt, das mußt Du niederschlagen;
Dem muthgen Kämpfer strahlt die Freude vor,
Sei stark - und neu wird ihre Sonne tagen.
(S. 198)
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Du klagst, wenn Dir ein lieber Freund geschieden,
Und hüllst Dich ein in Flor und schwarze Tracht,
Sank ein Verwandter in des Grabes Nacht,
Ward er im Leben auch von Dir gemieden;

Und trauerst Du, läßt Jeder Dich in Frieden -
Und mich, der um sein Liebstes ward gebracht,
Mich ruft zur Freude man und scherzt und lacht -
So seltsam ist der Menschen Brauch hienieden!

Ich weiß es wol, es trocknen alle Zähren,
Und jedes Leid ist endlich zu verschmerzen,
Auch mir wird wieder sich das Glück verklären.

Doch wohnt die Trauer noch in meinem Herzen,
Drum wolle Zeit und Ruhe mir gewähren,
Und laß allein mich, fern von Lust und Scherzen.
(S. 199)
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Ich denke ruhig jetzt an Dich zurücke,
Und dann erscheint, so freundlich und so mild,
Dein theures, ach, noch jetzt geliebtes Bild,
Wie mir es einst erschien in meinem Glücke.

Dann mahnt mich plötzlich meines Herzens Lücke;
Ich fliehe fort, durchstürme schnell und wild
Die welken Fluren, Wälder und Gefilde,
Ob mich die Flucht dem bittern Gram entrücke.

Und bin ich dann erschöpft zurückgekehrt,
Sink' ich ermüdet auf das Ruhebette,
Bis Schlummer mir vielleicht die Schmerzen wehrt;

Dann naht Dein Bildniß in der Träume Kette,
Und weckt mich auf - von neuem Leid versehrt
Späh' ich umsonst, wie ich vor ihm mich rette.
(S. 200)
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Du liebst, wenn harter Winterfrost begonnen,
Zu weilen in des Blumenhauses Räumen,
Die Sommertage Dir zurückzuträumen,
Und Dich im Geist am warmen Strahl zu sonnen.

Und hast Du Dir das holde Bild gewonnen,
So magst Du gern im grünen Hause säumen -
Da rauscht der Sturm in den beschneiten Bäumen
Und schnell ist Dir der schöne Traum zerronnen.

So mögen oft im Traume mir sich zeigen
Die hingeschwundnen, schönen Sommertage,
Wo mir Dein ganzes Herz noch war zu eigen.

Und wenn ich leise Deinen Namen sage,
Dann fahr' ich auf - doch meine Lippen schweigen,
Und stumm ertönt im Herzen meine Klage.
(S. 201)
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Ich sah Dich krank und Deine Wang' erbleichen;
Es war im Traume nur, doch auch erwacht
Bedrängte mich der Sorge düstre Macht,
Und wollte nicht aus meinem Busen weichen.

Es treibt mich fort, Dir nahe mich zu schleichen;
Und es gelingt; ich lausche still und sacht -
Da stehst Du in der Jugendblüthe Pracht,
An Reiz und Anmuth Keiner zu vergleichen.

Wol ist die Angst aus meiner Brust entschwunden,
Vom Zauber Deiner Gegenwart beschworen,
Doch neuer Schmerz wird nun von mir empfunden.

Ich sehe Dich, die einst mein Herz erkoren,
Der ich mit ganzer Seele war verbunden,
Und ewig, ewig bist Du mir verloren!
(S. 202)
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Bekannte Räume grüß' ich seufzend wieder,
In denen einst mein Glück sich mir entfaltet,
Im stillen Haine, traurig umgestaltet,
Blickt Baum und Strauch betrübt zur Erde nieder.

Hier tönten einst der Nachtigallen Lieder,
Jetzt rauscht der Blätter Fülle welk, veraltet,
Und wo der Liebe Blüthenreich gewaltet,
Dringt Winterfrost an meine starren Glieder.

Es treibt mich fort mit ungestümem Drange,
Doch muß ich hier am Ort des Leids verweilen,
Wie festgebannt von eines Dämons Zwange.

So strebt umsonst der Vogel fortzueilen,
Gefesselt durch den Feuerblick der Schlange,
Muß er sich selbst das Todesloos ertheilen.
(S. 203)
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In schöner Zeit, da froh die Knospen sprangen
Und Nacht und Tag den neuen Glanz ergossen,
Thautropfen warm den keuschen Kelch umflossen,
Da sprachst Du ernst mit hocherglühten Wangen:

Wann erst im Herbst vorbei der Blüthen Prangen,
Wird mir und Dir ein neuer Frühling sprossen,
Dann ist der Herzen heilger Bund geschlossen,
Der Liebe Stern für's Leben aufgegangen!

Der Herbst ist da, die dürren Blätter knarren,
Wild reißt der Sturm sie los vom Mutterbaume,
Bis Zweig' und Äste kahl in's Weite starren.

Thor, ruft der Sturm, wach' auf aus tollem Traume,
Du willst auf ihres Schwur's Erfüllung harren,
Willst Schlösser baun aus luftig, lockerm Schaume?
(S. 204)
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Der Wandrer, der von dunkler Nacht betrogen,
Umsonst nach sicherm Weg den Wald durchschreitet,
Steht endlich still; von neuem irrgeleitet
Fühlt er die Hoffnung seiner Brust entzogen.

Da glänzt das Morgenroth am Himmelsbogen,
Schnell hat es sich am Horizont verbreitet;
Wie fühlt der Arme gleich die Brust erweitet,
Und glaubt das Schicksal wieder sich gewogen!

Fest ist der Tag dem Morgenroth verbündet,
Die Sonne naht, das Dunkel zu verjagen,
Ward einmal nur der erste Strahl entzündet.

Und soll auch ich die kühne Hoffnung wagen,
Es werde mir ein neues Glück verkündet,
Und wolle wieder mir entgegen tagen?
(S. 205)
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Ich stand am See, mit harten Eiscrystallen
Hatt' ihn bedeckt des rauhen Winters Wüthen;
Schneeflocken, aufgeweht vom Winde, sprühten
Vom Baum und Strauch, auf die sie leicht gefallen.

Es schützte Schnee der Erde dunkle Hallen,
Daß unverletzt die Keime zarter Blüthen
Zu neuem Leben wieder einst erglühten,
Geweckt vom süßen Lied der Nachtigallen.

So mag auch mir im Herzen Ruhe walten,
Das treulos Glück und Liebe jetzt verließen,
Bis freundlicher die Tage sich gestalten.

Nicht ewig wird das Glück sich mir verschließen,
Und wird es einst sich wieder mir entfalten,
Dann mögen neu der Liebe Rosen sprießen!
(S. 206)

Aus: Gedichte von Theodor Apel
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Jurany 1848
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Maiklänge

Die Blätterspitzen im dunkeln Hain
Zerbrechen der Knospe Gefängnis,
Bei der Frühlingssonne zitterndem Schein
Wird ihnen zu bang in der Engnis.
Die schützenden Decken, sie sprengen sie los,
Erschließen den zarten innersten Schoß
Den Stimmen des Lenzes, der Liebe!

Die Schwalben kommen vom südlichen Meer,
Die frohen, willkommenen Gäste,
Der Storch stolziert auf den Dächern einher
Und sucht sich ein Plätzchen zum Neste,
Die Finken locken und schlagen vor Lust,
Als sollte zerspringen die schmetternde Brust
Bei den Stimmen des Lenzes, der Liebe!

Das Leben drängt sich hervor und quillt
In tausendfarbigen Blüten -
Was willst Du die Sehnsucht, die nimmer sich stillt,
Im Busen verschlossen noch hüten?
Hervor, was im Herzen Dir schlummert so bang,
Dann wird auch die Klage zum Jubelgesang
In den Stimmen des Lenzes, der Liebe!

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 8)
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Vom wilden Röschen

Ich kenn' ein wildes Röschen,
Das blüht so rot im Dornenstrauch,
Das lockt so lieb mit süßem Hauch,
Das sucht mit scharfen Spitzen
Oft mir die Hand zu ritzen -
Das Blut ist kaum zu stillen:
Doch um der Rose willen
Lieb' ich die Dornen auch.

Und hat sie mich gestochen,
Dann blickt sie mich so freundlich an,
Als hätt' sie mir nicht weh gethan;
Und schaut' ich noch so wilde -
Sie duftet lieblich milde.
Zuletzt, was will ich machen?
Ich muß von Herzen lachen
Und bleib' ihr zugethan.

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 7-8)
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Im Frühling

Wenn im holden grünen Mai
Knospen sich erschließen,
Wollen alle Blüten frei
Süßen Duft ergießen.

Naht ein Nachtigallenheer,
Frühlingslust zu singen,
Darf doch nicht der Winter mehr
Kalte Schauer bringen.

Rein will sich der Sonne Macht
Überall bewähren,
Will des Frühlings heil'ge Pracht
Ungestört verklären.

Liebchen, deiner Augen Strahl
Hat mein Herz gewonnen,
Und es blüht wie Berg und Thal
Wenn der Mai gekommen.

Möchte dir bei Tag und Nacht
Tausend Grüße sagen,
Wie im Lenze liebentfacht
Nachtigallen klagen.

Wie die Rose süßen Duft
Auf der Flur verbreitet,
Wenn die linde Maienluft
Durch die Blüten gleitet.

O so laß mich an dem Licht
Deiner Augen sonnen,
Weicht doch auch der Frühling nicht,
Der einmal begonnen!

Und du gleichst der Frühlingspracht,
Wie mein Herz der Blüte,
Die, von warmer Sommernacht
Aufgeweckt, erglühte.

aus: Heidenröslein
Lieder von Liebeslust und Frühlingsfreud'
Gesammelt von Dr. Karl Zettel
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart 1887 (S. 91)
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Vom geliebten Dornenstrauch

In meinem Blumengarten steht
Ein wilder Strauch im Rosenbeet
Voll schwarzer, spitzer Nadeln.
Die Freunde lachen, die ihn seh'n:
"Bei Rosen hier die sauren Schlehn!"
Und spotten laut und tadeln.

"Der Strauch ist seinen Platz nicht werth!
Was wird der Dornbusch so geehrt,
Der häßliche, der alte?"
Ei, zieht mir nur den Mund dazu,
Ich habe meinen Grund dazu,
Daß ich so hoch ihn halte!

Hier war vordem ein wüster Platz,
Bei diesem Busch hat mir mein Schatz
Den ersten Kuß gegeben.
Da pflanzt' ich Rosen rings herum -
Nicht wahr, Ihr Herr'n, nun steht Ihr stumm
Und laßt den alten leben?

Da les' ich Euch im Angesicht:
Den Dornbusch selbst verdienet nicht
Dein ungerath'nes Schätzchen.
Wohl habt Ihr recht, doch laß' ich ihr
Im Herzen, wie im Garten hier,
Das alte, liebe Plätzchen.

Doch du, mein Kind, bedenk ich mich,
Dann juckt und brennt es mörderlich
Wie Nesseln vor der Stirne
Wär' nicht Dein Kuß so glühend heiß,
Dein Hals und Arm so blühend weiß,
Du liebe, böse Dirne!

Und bleib' ich Dir am Tage fern,
Und wenn ich mich nur Abends gern
An Deiner Nähe labe:
Dann denke nicht: ich gräme mich -
Du böser Schatz, ich schäme mich,
Daß ich so lieb Dich habe!

aus: Der neuhochdeutsche Parnaß 1740-1860
Eine Grundlage zum besseren Verständniß unserer
Litteraturgeschichte
in Biographien, Charakteristiken und Beispielen
unserer vorzüglichsten Dichter
von Johannes Minckwitz
Leipzig Arnoldsche Buchhandlung 1861 (S- 8-9)
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Biographie:

Guido Theodor Apel (* 11. Mai 1811 in Leipzig; † 20. November 1867 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller und Stifter.
Theodor Apel wurde als Sohn des Leipziger Ratsherrn und Dichter August Apel geboren. Als Schüler der Nikolaischule und über die Schulzeit hinaus war er mit Richard Wagner befreundet. Von 1830 bis 1834 studierte Apel Rechtswissenschaft an den Universitäten Leipzig und Heidelberg.

Er schrieb Dramen sowie lyrische und erzählende Gedichte. Sein Stück Nähkätchen aus dem Jahr 1858 wurde ein Bühnenerfolg.

Theodor Apel besaß das von seinem Großvater Heinrich Friedrich Innocentius Apel erworbene Rittergut Ermlitz bei Schkeuditz, wo er auch lebte. Er war verheiratet mit Marie, geborene Ploß. Nach einem Sturz vom Pferd war er ab 1856 fast völlig blind.

Seit Beginn der 1860er Jahre engagierte sich Apel für das Andenken an die Völkerschlacht bei Leipzig und ließ auf eigene Kosten 44 Denkmale an den Standorten der Truppen in der Schlacht errichten, die sogenannten Apelsteine. Er verfasste auch einen Führer zu diesen Steinen mit Beschreibungen der Heerführer und dem Schlachtenverlauf.

Seit 1898 trägt eine Straße in der ehemaligen Petzscher Mark (Berliner Bahnhof) in Leipzig den Namen der in Leipzig über 150 Jahre bedeutsamen Familie Apel, die Apelstraße.

Werke:
Melusine (Gedicht, 1844)
Der Hausarzt (1848)
Professor Mispel (Gedicht, 1854)
Günther von Schwarzburg (Drama, 1856)
Nähkätchen (Drama, 1858)
Die Tochter des Präsidenten (Drama, 1858)
Dichters Liebe und Heimath (Drama, 1859)
Führer auf die Schlachtfelder Leipzigs im October 1813 und zu deren Marksteinen (Sachbuch, 1863)

aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Apel

siehe auch Deutsche Biographie:
http://www.deutsche-biographie.de/artikelADB_001-500-02.html

 

 

 


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