Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Abdol-Mohsin ess-ssuri
(gest. 1028)


Siehst du das Mädchen, dessen Eigenschaften


Siehst du das Mädchen, dessen Eigenschaften
Mich zwingen, dass ich ihr in Lieb' mich eine,

Ihr Blick ist schärfer als ein indisch' Schwert,
Ihr Wuchs gerad' wie Lanze von Rodeine;

In ihrem Angesicht' ist Jugendwasser,
Vermischt mit der Gluth der beiden Wangen.

Sie kam des Morgens, sprach zu mir:
Von Beiden Eins, je wie es dein Verlangen,

Enthaltung oder Trennung, was dir lieber,
Ich habe andere Bedingniss keine;

Enthaltsam bist du, wenn du liebest mich,
Denn sonst erwartet dich die Trennung meine.

Ich sprach im Zorn zu ihr: so stehe auf!
In aller Eile ging sie dann von hinnen,

Sie trennte sich, warf einen Blick mir zu,
Unmöglich war's, demselben zu entrinnen;

Nun brachen Widerwärtigkeiten ein,
Ich wusste nicht ob ich gewählt das Rechte,

Die Tage waren schwarz, sie waren finster,
Der Tag der Trennung, der Enthaltsamkeit,

Die beiden Tage waren für mich Nächte.
Wer lehret mich hinfüro unterscheiden

Das Silber von dem Gold', wer gibt's mir kund?
Durch die Entfernung hab' ich sie verlernet,

Seitdem als sich zerschlagen unser Bund;
Ich habe mich zur Poesie gewendet,

Die steht als Capital den Händen an,
So war die Lage meines Glücks beschaffen
Eh' als sich mir genaht Ali Hasan.*

*Ali Hasan, hier ist das Machlass der Übergang
von der Geliebten zum Gelobten.

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Wie kann der volle Mond vor dir sich lassen sehen,
Kann voller Mond wie du sich beugen, dann aufstehen?

Du hast kein Schwert, damit die Liebe aufzudringen,
Aus deinen Blicken fährt indess' ein Heer von Klingen,

Die Sonne ist der Tag und doch ist's noch nicht licht,
Bis aus der Finsterniss hervor der Vollmond bricht,

Von Dir kömmt der Genuss, von Dir die Lust, das Leben,
Die Trennung und der Tod, sie sind durch Dich gegeben.

O wäre mir verbürgt das Glück Dich zu geniessen,
O könnte einmal nur der süsse Wein mir fliessen!

Liebkosungen und Reiz sie sind für mich nur Peinen!
Und deine Glieder als hinschmachtend krank erscheinen!

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Die Augen sprechen offenbare Zauberei,
Sie regt die Herzen auf und ist in Ruh' dabei;

Sieht Sie ein leeres Herz, das Liebe noch vermisst,
Spricht Sie: es sei verliebt, und es sogleich dann ist.

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Mit Anmuth hast Du dich von mir gewendet,
Ich opfere mich Deiner Ungnade auf;

Wenn ihre Ungnad' schon Vergnügen spendet,
Wie erst, wenn sie der Huld lässt ihren Lauf.

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Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Zweite Abtheilung
Von dem Regierungsantritte Mosteksi-billah's
bis zum Ende des Chalifates zu Bagdad im Jahre 656 (1258)
Fünfter Band
Von der Regierung des zweiundzwanzigsten Chalifen Kaimbiemrillah
d. i. vom Jahre der Hidschret 333 (944) bis 433 (1041)
Wien 1854
(S. 764-767)

 

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