Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Abderrahman
(Anfang des 7. Jh.s)


Ich denke Leila's und Semawe's auch beiseit


Ich denke Leila's und Semawe's auch beiseit,
Das ist's, womit mich Dschudi's Tochter hat geseit;

Gewonnen habe ich ihr Herz durch meine Sagen,
Ich darf sie schau'n, und mich zum Schützer ihr antragen,

Wie aber kann mit ihr ein Stelldichein wohl frommen,
Wann mir Wallfahrtende statt ihr entgegenkommen!

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Nach dir, o Tochter Dschudi's, seufzt mein Herz,
Und nichts vertritt den irren wüsten Schmerz,

Mit ihren Oehmen lebt' ich nachbarlich,
Der Stamm von Ikl zog mein Herz an sich;

Sie schmähten mich, ich sagte: lasst es sein,
Wem fällt Verringerung des Freundes ein?

Leicht ist nun mein Gebein, der Leib gering,
Es ist doch um die Lieb' ein seltsam Ding'.

O du, der tadelt meine Leidenschaft,
Du tadelst den, dem du scheinst tadelhaft.

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Abderrahman: der Sohn Ebu Bekr, des Chalifen; seine Mutter war auch die Aische's, der Gemalin des Propheten. Als sein Vater, der Genosse der Höhle bei der Auswanderung des Propheten, war Abderrahman zu jung, um mit ihm auszuwandern; er verliess Mekka erst unmittelbar vor der Eroberung, an deren Tage er erst den Islam zugleich mit Moawije angenommen haben soll. Er war ein berühmter Bogenschütze; Abderrahman kam in's Gerede mit Leila, der Tochter Dschudi's Ben Ada Ben Amru Ben Ebi Omer el-Gasani, die er auf das heftigste liebte.
Abderrahman erblickte sie zuerst auf einer Handelsreise inmitten von Sclavinnen, und war ganz ausser sich. Was hast du, fragte ihn Omer, dass du so melancholisch? Abderrahman bekannte seine Leidenschaft für die Tochter Dschudi's, die er nur ein einziges Mal zu Jerusalem gesehen. Omer schrieb an den Befehlshaber der Gränze, dass, wenn Damaskus erobert würde, die Tochter Dschudi's dem Abderrahman als Beute gegeben werden solle. Sie wurde gefangen genommen, und Omer brachte sie ihm zu. Aische wollte dagegen Vorstellungen machen, aber er sagte: Es ist vergebens Schwester, denn das Wasser ihrer Zähne ist für mich Granatensaft. Den grössten Beweis seiner Liebe gab er aber dadurch, dass er sie wieder ihrer Familie zurückstellte. Abderrahman starb am Berge Habeschi, in der Nähe von Mekka, und wurde in dieser Stadt begrabe. Aische, als sie an seinem Grabe stand, sagte auf die Genosssenschaft Dschodeime's mit den beiden Dichtern Malik und Okail anspielend:
Wir waren wie Dschodeime's Freunde eine Zeit,
Bis dass das Loos uns mit Gewalt zerstreut:
Doch als getrennt wir worden, schien es mir,
Als schliefen eine Nacht beisammen wir.
 


 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Erster Band
Das Jahrhundert vor der Hidschret und die
ersten vierzig Jahre nach derselben
Wien 1850
(S. 440)

 

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