Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Ibn Mathruh
(gest. 1251)


Sie ist versöhnt: durchmisst des Thales Strecken


Sie ist versöhnt: durchmisst des Thales Strecken,
Und lässt die Schwerter in den Schneiden stecken,

Bewahrt vor ihrer Blicke heissem Brodem
Mit dem sie Löwen niederwirft zu Boden,

Wer kann von euch wohl bauen auf sein Herz?
Nicht ich, indem das meine voll von Schmerz,

O meine beiden Freunde, helft im Fieber!
Dem Herzen, welches frei, ich opfert lieber!

Sie raubt' es mir am Tage, wo ich voll
Die Wimpern sah vom schwarzen Alkohol,

Wenn sie bis zu dem Tode mich betrübte,
So schaut des Todes Aug' doch auf Verliebte,

Ich saugte gern den dunklen Mund so süss,
Wenn mir der Späher nicht verwehrte diess',

Wo ist der Weg zu dem Genossen, traun?
Zum Weiss der Schultern und der Lanze Braun,

Die Haare sind gewebt von Poesie,
Es neiget sich die Schönheit über Sie.

Die Dünngebaute wahrt den Wuchs als Lanze,
Und wenn sie geht, so ist's als ob sie tanze;

Der Flaum um ihre Lipp' ist das Elif,
Das Mim des Mund's zieht sie beim Lachen schief.

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Mit seinem Blick er durch das Herz mir fährt,
Das schneidender als ein arab'sches Schwert,

Ich nahm den Blick im Herze auf mit Sehnen,
Mit Sehnsucht nach dem Blitz von ihren Zähnen,

Du, der Du tadelst ihrer Blicke Schmachten,
Lass dieses sein, sie ist doch all mein Trachten,

So oft der Ost an ihr vorübergeht,
Er zu mir her die Ambradüfte weht.

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Geniesset nur im Thal der stillen Freuden,
Und lasst die Schwerter ruhen in den Scheiden!

O! hütet euch vielmehr von ihren Blicken,
Wie Viele fangen sich in deren Stricken!

Wer kann von euch sich auf sein Herz verlassen?
Ich kann das meine nimmer mehr erfassen.

O! meine beiden Freunde, seht mein Herz,
Es opfert fröhlich sich als Sklav dem Schmerz,

Seitdem ich ferne von den Wimpern darbe,
Die ich geschminkt mit meines Herzens Farbe;

Es wecket mich vom Tode auf zum Leben
Das Aug, zu dem sich Liebende erheben,

Ich schätze mehr als Milch die dunklen Lippen,
Der Späher nur verbeut davon zu nippen.

Wie kann ich zum Genusse je gelangen,
Der zwischen Eidechs' und dem Dorn' befangen?

Im här'nem Zelt, wo Verse niedersteigen,
Wann alle sich vor ihrer Schönheit neigen,

Vor Ihr, der Dünngewachsenen, der Schlanken,
Die mit des Löwen Gang wie Zweige schwanken.

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Ich liebe Sie, die gleich dem Speere Schlanke
Indem ich noch in frischer Jugend ranke,

Die wie der Vollmond glänzet wie ein Zweig,
Die gehet wie die wilde Kuh, die schwanke,

Und deren Haare auf die Hüften fallen
Wie Schlangen auf dem Sand zum Zaubertranke.

Die Wang ist Eden und der Speichen will
Dass Kewser seine Süssigkeit ihm danke;

Wer ihre Stirne und ihr Haar nicht sah,
Dem kömmt an Vollmondsnächte kein Gedanke,

Das Seltsame, dass ihre schwere Hüfte,
Das Herz umschlingt als eine leichte Ranke.

Kewser: der Quell des Paradieses

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Vom Hause Jahssab's traf mich einer von den Blicken,
Die schärfer als das Schwert, das Araber sonst zücken;

Ich gab ihm Aufenthalt inmitten meiner Rippen,
Verlangend kühlen Zahn und Honig ihrer Lippen.

O Du, der tadelt mich, weil Blick gestört dem Frieden,
Zurückgezogen bin des Tadels ich zufrieden;

Wenn sie sich regt, so weht der Wind von Leden's Strauch,
Und Aloe antwortet dann den süssen Hauch.

Leden, Laudanum; Ssabr, Aloe.
Das Wortspiel ist mit Ledun, das Innere, und Ssabr, Geduld,
die bitter wie die Aloe.


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Ibn Mathruh, auch Philologe. Nachdem er sich einige Zeit zu Kus in Oberägypten aufgehalten, trat er in den Dienst Melik ess-ssalih Ebil-Feth Ejub Nedschm-eddin, des Sohnes Melik el-Kamil, des Sohnes Melik el-Aadil's, als Stellvertreter seines Vaters. Als Melik el-Kamil in der Folge sein Reich erweiterte, demselben Hossenkeif, Harran, Roha, Rakka, Resain und Serudscha i. J. 629 (1232) einverleibte, bestellte er seinen obgenannten Sohn als Stellvertreter in den östlichen Ländern und Ibn Mathruh begleitete ihn dahin, und als Ibness-ssalih i. J. 637 (1239) nach Ägypten ging, folgte ihm Ibn Mathruh zwei Jahre später in der Eigenschaft als Aufseher des Schatzes und ward, als Melik ess-ssalih zum zweiten Male nach Damaskus ging, der Wesir desselben im Jahre 643 (1245); drei Jahre später führte er das Heer wider Himss, welches Melikol-Eschres mit Gewalt dem Melik ess-ssalih entrissen hatte; als die Franken zu Cypern Heer und Flotte wider Ägypten rüsteten, wurde die Belagerung von Himss aufgehoben und wiewohl Ibn Mathruh die Gnade seines Herrn verloren hatte, wurde er doch von demselben beständig in Diensten verwendet. Nach dem Tode Melik ess-ssalih's zu Manssura i. J. 647 (1249), zog sich Ibn Mathruh nach Kairo zurück, wo er nur noch zwei Jahre lebte; geboren war er i. J. 592 (1196), er ward am Berge Mokatham begraben, wo Ibn Challikan seinem Begräbnisse beiwohnte. (...)
Er hinterliess einen Diwan von Gedichten, worin eine lange beliebte Kassidet aus dem Dal, woraus Ibn Challikan die folgenden Verse aufgenommen:
Sie ist versöhnt ...
[siehe das Gedicht oben]
Ibn Mathruh ist der Verfasser des von mehr als einem morgenländischen Geschichtsschreiber (von denen, nebst Ebulfida, Ibn Schihne und Ibn Chaldun die vorzüglichsten) gegebenen satyrischen Gedichten auf den unglücklichen Zug des heiligen Ludwig nach Tunis:

Berauschet war ich von dem Wohlgeruch'
Des frischen Zweig's, den Morgenwind bewegt,
Berauschet war ich nicht vom Trunk' des Weins,
Vom Speichel, der die Kraft des Weines hegt,
Der Tadler kam und schmähte mein Benehmen,
Weil mich die Leidenschaft darniederschlägt;
Nie werde ich von meiner Liebe weichen,
Wenn an der Last so schwer sie auch noch trägt,
So lang ich lebe, will der Lieb' ich leben,
Und sterb' ich dann, der Tod mir nichts verschlägt.

Ausser Ebulfida strömen die Quellen dieser Lebensbeschreibung reichlich in Ibn Challikan, in Ibn Tagriberdi's beiden Werken der Geschichte Ägyptens und der reinen Tränke, in Sehebi's mittlerer Geschichte, nämlich in dem auf der Hofbibliothek befindlichen Buche Iber, d. i. der Übergang, in Dschafer von Edfu, in der Sefinet und in der Geschichte Ibn Kesir's; der Letzte nennt ihn einen der grossen Reise und Kopfbundträger (el-Moteamimin), er hat von ihm vier Distichen, die er auf die Eroberung Jerusalems durch die Türken verfasste, aufgenommen.
Nach Ibn Tagribendi: aus Oberägypten gebürtig und dort erzogen, kam er nach Kairo, wo er sich als Schönschreiber und Philolog auszeichnete und in den Dienst Melik ess-ssalih Nedschm-eddin's, des letzten Fürsten der Beni Ejub in Ägypten, trat. Der Verfasser des Zeitspiegels preist ihn als einen scharfsinnigen dichterischen Emir. (...)
Er wurde an der Karafa unter einem grossen Zulaufe von Menschen bestattet; er ward in den Unterhandlungen Sultan Ssalih's mit den Chuaresmiern bewandert.  Er nahm damals das Kleid der Krieger zu Damaskus an, dann fiel er in das Reich des Melik ess-ssalih ein, welches er bis zu seinem Tode beherrschte. Der Diwan seiner Gedichte ist ein berühmter. Sein Lobdichter war Dschefar und Ibn Tagribedri gibt in seiner ägyptischen Geschichte dreizehn Distichen aus einem Lobgedichte, vorher aber die folgenden aus einer der berühmtesten und längsten Kassideten Ibn Mathruh's:
Geniesset nur im Thal der stillen Freuden
[siehe das Gedicht oben]

Nach Dschafer von Edfu: Er stammte von den Beni Mathruh, welche ehemals im afrikanischen Tripolis herrschten, und denen Abdol-Mumin (der erste Herrscher der Muwahhidin) die Herrschaft entriss; damals begab sich sein Grossvater nach Kuss in Oberägypten; Jahja ward im Jahre 592 (1195) zu Sojuth geboren, kam nach Kairo in den Dienst Nedschm-eddin Ejub's als Aufseher des Schatzes und später als Wesir nach Damaskus, er hinterliess einen Diwan von Kassideten, die sich sowohl durch Zartheit der Gedanken als durch Wohlklang der Reime auszeichnen, darunter die folgenden:
Ich liebe Sie, die gleich dem Speere Schlanke
[siehe das Gedicht oben]

Als er auf dem Wege nach Mekka krank ward:
O Herr! Arznei wird Heilung nicht zu Theile,
Durch Deiner Allmacht Kunst, o Heilender! mich heile,
Ich bin Dein Gast (auf Deines Heiligthums Altan),
Grossmüthige, sie nehmen sich der Gäste an.

In seiner letzten Krankheit befahl er, auf sein Grab die folgenden Verse zu schreiben:
Ich liege nun im Grunde von dem Grabe,
Ein Leichentuch ist all' mein Gut und Habe;
O Du, der seiner Diener sich erbarmet,
Ich bin ein kleiner Diener, der verarmet.

 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Zweite Abtheilung
Von dem Regierungsantritte Mostekifi-billah's
bis zum Ende des Chalifates zu Bagdad im Jahre 656 (1258)
Siebenter Band
Vom achten Jahre der Regierung des ein und dreissigten Chalifen
Moktefi-bi-emrillah bis zum Falle Bagdad's
d. i. vom Jahre der Hidschret 538 (1143) bis 656 (1258)
Wien 1856
(S. 920-923)

 

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