Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Isa Ben Hadschiri
(gest. 1235)


Die Wolke tränkte jenen Grund mit Wasser klar


Die Wolke tränkte jenen Grund mit Wasser klar,
O! von den Jahren, welch' ein hochbeglücktes Jahr;

O Alwet, ich gedenke der vergang'nen Tage,
Indem ich jene Zeit, die schnell verfloss'ne, klage.

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Dein schwarzes Maal, ich seh' es thronen
Auf einem Sitz von Anemonen;

Die schwarzen Locken sind die Boten,
Womit Du uns zur Lieb' entboten.

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Schmücke nur getrost die Wangen,
Dass als Anemon' sie prangen.

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Schlanke, deren Stirn und deren Haar
Licht und Finsterniss erschafft fürwahr,

Läugne nicht das Maal auf ihren Wangen,
Schwarze Punct' auf Anemonen hangen.

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Verse aus dem Kerker:

O Geliebte! welcher Ruf entriss
Durch die Trennung mich dem Paradies?

Möge nie der Schmerz sich wiederholen,
Der durch Trennung mir das Herz zerriss;

Ohne Dich war mir die Welt zu enge,
Wie denn erst im finsteren Verliess.

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Der Morgenwind erreget die Begier,
Kommt er von Nedschd, er sei willkommen mir,

Die alte Liebe hebet ihre Flügel,
Denk' ich an jenen Stamm, an jenen Hügel,

Wer zeigt mir nicht den Weg zu jenen Halden,
Wo die von Sefkollewa sich aufhalten!

Nachdem sie fern, ist Kummer meine Speise
Und Thränen sind der Trank von meiner Reise.

O weh! des langen Tages, der uns trennt!
Der Liebende entschuldigt, was uns trennt.

Sie fanden passend der Trennung Kleid,
Doch endlich ward es ihnen doch zu weit,

Sie nahmen auf mein Herz, o ehrenwerth!
Der Nehmende und der es ihm beschert.

O weh! o weh! des Tages von Hadschir,
An dem so süss das Sterben dünkte mir!

Der Tag, der trennte uns von den Genossen,
An dem die Thränen sich als Strom ergossen,

An dem kein Laut der Turteltaube scholl,
Kein Laut des Ostwinds uns entgegenquoll.

Gewähre Gott den Wunsch dem fern Verbannten,
Dem statt des Trost's zunächst nur Leiden standen;

Nachdem ihr fort, wusch ich mit meinen Thränen
Das Thal, so dass im Grün sich Saaten dehnen,

Es ward mir lieb durch Klagen und durch Weinen,
Es würde klagelos mir schön nicht scheinen.

Es einte uns die Lust am Ort, der rein,
Der Ostwind hauchte Nachmittags darein,

Die Zeit verkürzte uns den Trennungsarm,
Ausstreckend zum Genuss die Hand, so warm;

Bei Gott! wie war ich dann erstaunt, entzückt,
Wie waren mir Verstand, Vernunft entrückt.

Durch meine Liebe zu dem schönen Reh,
Von dem ich den Genuss doch nimmer seh',

Gaselle türkische, die um zu tödten,
Sich eingebürgert in arab'sche Stätten,

Von Stirne unruhstiftend, hoch gethan,
Von Wimpern schläfrig, weiss und scharf vom Zahn;

Weh' dem, der wühlt in ihrem finst'ren Haar,
Weil dort von Skorpionen droht Gefahr.

O Du, der Dich von mir abwendest hart,
Wodurch verdiente ich, dass diess mir ward!

Ich überliess Dir ja mein Herz zum Raub',
Ich fliege an dem Berg als Sonnenstaub.

Nedschd: arabisches Gebirgsland

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Hast Du Mitleid mit Gefühlen meinen,
Lass mich auf die Spur der Sänften weinen,

Überlade mich nicht mit Genüssen,
Welchen ihre Folgen folgen müssen;

Jugend lieget zwischen ihr und mir,
Mög' sich sehnen stets die Welt nach Ihr!

Lüftchen Nedschd's, das zart und zitternd weht,
Meines Herzens Sehnsucht nach Dir steht;

Frage ich den Blitz nach jenem Land',
Sagt er mir, was füllt das Herz mit Brand.

O Blitz! erinnern sich die Steppen mein,
Da gebrochen die Verträge mein?

Kann die Schlucht noch eines Tages sein
Für die trauten Freunde Stelldichein?

Ausser Kasimet ist wild die Welt
Und zu eng dem Aug' das weite Feld,

Die Verschleierte von Masemin,
Die der Schönheit Ei und Königin,

Sagte mir: Du bist verliebt in mich;
Ich zu ihr: wer wär' es nicht in Dich!

Weh! dass mir den Abschied sie gegeben,
Rein war mit der Zaub'rin das Leben,

Teriak keiner sänftiget die Schmerzen,
Die ihr Biss verursacht meinem Herzen.

Wenn von Nedschd's Gebirg' es wetterleuchtet,
Thränenstrom sogleich mein Aug' befeuchtet,

Wenn mein Herz als Fels die Zunge schwert,
Scharfes Wort Verliebten doch entfährt;

Nimmer soll ich ihres Leibs geniessen,
Wird der Schlummer meine Augen schliessen.

Kasimet: die Landschaft

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Gaselle aus dem Haus Scheiban,
Ob der ich Nachts nicht schlafen kann,

Von Babel's Blick, von Feuerwangen,
In deren Gluth mein Herz befangen,

Ich sprach zu Ihr der biegsam Schlanken,
Als ich sie sah gleich Ästen wanken: *

Du stahlest mir den Schlaf; sie sprach:
Du sprichst diess nicht den Kurden nach. **

* Wie den Ast des Erak, eines biegsamen Dornenbaumes
** diess ist keine Neuerung der Kurden;
vermuthlich so viel, als: dieses ist nicht galant, nicht ritterlich,
denn die Kurden waren von jeher (schon unter den alten Persern)
durch ihre Ritterlichkeit berühmt,
am meisten aber als der Verfasser schrieb, nämlich
unter der Herrschaft der Nachkommen Ssalah-eddin's.

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Es füllt mit Thränen sich das Auge mir,
Mit zitternden erwartungsvoll nach Dir,

Ich opf're mich auf verfall'nen Spuren,
Aus Sehnsucht nach den Stätten von Aamir,

Die Sehnsucht zaubert Dich mir vor's Gesicht,
Ich sehe Dich als ständest Du allhier;

Es scheinet zwar als trüge ich geduldig,
Doch krümmen sich die Rippen aus Begier,

Es betet an das Maal die Gluth der Wangen,
Und wird doch nicht verbrannt, wiewohl Kafir, *

Noch wunderbarer ist Dein Blick verheissend,
Der Wahrheit Wort, wiewohl ein Zaub'rer schier,

Kann der Getödtete sich noch beschäft'gen,
Es strömet aus mein Blut von Lust und Gier;

Seit kund mir ward der Ast von seinem Wuchse,
Umfliegt mein Herz als Vogel das Revier,

Mein Aug' ergiesst in Fluthen sich als Teich,
Weil finster sich ergiesst des Bartes Zier,

Die Wange grünt von üpp'gen Wuchs des Flaums,
Der selbe überzieht wie Striche wirr.

* Kafir: Ungläubiger

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Wer lebt der Lust und Leidenschaft ergeben,
Kann ohne Flamm' und ohne Trunk nicht leben,

Die Thräne stellt das Blut des Herzens vor,
Sie strömt, wann Freunde sich von hinnen heben,

Es tragt in dieser Welt sich alles leicht,
Nur Trennung nicht; ich schwör's bei meinem Leben!

Wenn sich Gelegenheit zum Spiel' beut dar,
So lass den Feuerstein rasch Funken geben,

Geniess die Zeit, so lang sie rein, das Leben
Wird sich als Wasserspieg'lung bald heben,

Als Spiegelung, die zwischen Erd' und Himmel
Nicht lange zwischen beiden kann vorschweben;

Die Tauben singen zwar auf's Zärtlichste,
Indem sie Ton in Ton melodisch weben,

Der traute Freund von allen Sorgen frei,
Wird keinen Zweifel, keiner Angst erbeben;

O kränk' ihn nicht mit Schmähungen,
Womit man tadelt neuer Liebe Streben,

Der wahren Freunde gibt es wen'ge,
Und unbeständig sind die Herzen eben.

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Auf den Frühling:

Es schwor der Frühling hoch bei schöner Mädchen Wuchs
Und bei dem Astgeflecht von Myrte und von Buchs,

Und bei der Blüthenpracht der hohen Segensbäume,
Die aus des Ärmels Reis' ausstreuen Moschusseime,

Bei der Levkoien Gold und bei der Rose Thron,
Und bei dem hellen Grün von dem Basilikon,

Und bei des Vogelchors gewiegten Melodien,
Die alle Welt damit wie Sängerchor durchzieh'n,

Und bei dem Quell, der fliesst auf dem Gesteine hin,
Als wären es Korallen, Perlen und Rubin:

Die lust'ge Bruderschaft, die Lust will ich bedenken
Und ihnen frohe Zeit allhier zum Leben schenken,

Ich bin der Zeiten Schmuck, es kennet meinen Werth
Der Frohe, welcher sich mit Sklavinnen bethört,

Ich nahm vertrauensvoll die ausgelass'ne Hand,
Sie sei für meine Treu mir stätes Unterpfand;

Sag: Gott ist gross! wie schön und süss ist nicht die Zeit
Des Frühlings, welche treuen Brüdern ist geweiht.

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Sein Wuchs ist wie der junge Ast so fein,
Sein Speichel wie der alte Wein so rein,

Ein neuer Mond, mein Herz sein Horizont,
Gaselle, die in meinem Auge wohnt,

Er nennt die Schönheit, die erhab'ne rein,
Ergründet jeden Sinn, wenn noch so fein;

Es liegt mein Herz in seiner Sklaverei,
Die Thrän' allein, sie gehet los' und frei.

Ein Türk', der für die Heimath nicht entbrennt,
Der seiner kleinen Höhlen nicht erwähnt,

Auf seinen Wangen ist die Kohl' entzunden,
In meinem Herzen wird der Brand gefunden,

Von Farbe braun' gleicht er dem braunen Speer,
Sein Flaum gibt sich der Anemone her,

Der junge Bart auf seinen Wangen wallt,
Der Lippen Speichel ist der Wein, wenn alt;

Wenn Wetterleuchten schwach von Jemen wittert,
Gedenkt mein Herz, wie zart von Lust er zittert,

Ein Vollmond von Gesicht, gen den der Mond,
Wann voll, als Maal nur an dem Himmel thront,

Um seines Gleichen fehlt der Feind dem Feind,
Um seines Gleichen quält der Freund den Freund,

Unwissend sind die Menschen seiner Liebe,
Was hält ihn ab zu folgen seinem Triebe?

Bei Gott! es kann mein Herz nicht reiner sein
Und sollt' ich mich mit ihm dem Laster weih'n,

Beglücket kann nur der am Morgen sein,
Wer trank von seinem Zahn den Abendwein.

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O Taube Lewa's, Taube von Akik,
Halt Deine Weheklage nicht zurück,
Traf Dich vom Freund wie mich ein hart Geschick?
Bei Gott! Du klagest nur in meinem Sinn,
Tragst zu Soleima meine Bitte hin.

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Als von Irak alsdann die Hauche kamen
Und wir uns finden mussten dort zusammen,
Da stand mein liebend Herz in hellen Flammen;
Kamelin zieh' des Nachts nun immerhin,
Mir tragen meine Hoffnungen Gewinn.

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Ich schwör's beim Pilger, der wallfahrtend reiset,
Den schwarzen Stein zu schau'n sich glücklich preiset,
Und um das heil'ge Haus pflichtschuldig kreiset:
Erfüllet ist, was ich gehoffet kühn,
Mir ist geworden, was unmöglich schien.

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Er haut mit harten Blicken auf mich ein,
Wie scharfe Schwerter wider grimme Leun,

Das Maal auf seiner Wang' und junger Bart
Sind Myrte mit Granatenblüh' gepaart.

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Du, der in finst'rer Nacht vom Lande Kasimet
Als Traumbild kömmst und ohne Grund zurückegeht,

Verwehr' mir nicht den schönen Traum, ich flehe,
Was schadet es, wenn ich in Lüge Wahrheit sehe.

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Er schwor mir: dass er werde nicht aufhören
Zu sein für immerhin mein treuer Freund;

Was Wunder, (da der Bart auf seinen Wangen)
Dass er als schwarzer Lügner mir erscheint.

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Die Stirne und das Haar der schlanken Maid,
Von Finsterniss und Glanz ihr Zeigen seid,

O läugnet nicht der Wangen Schönheitsmaal,
Die Anemonen haben schwarze Brust zumal.

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Sie sagten als das Lam vom Bart geschrieben ward,
Ein jedes Herz nun frei geheilet geht,

Besuchen will ich seiner Wangen Rosen,
So lange in der Näh' die Myrte steht.

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Du, dessen Nähe ich gehofft, Du weisst,
Dass durch die Trennung ich dem Tode nah,

O sende Deinen Brief mit Trauerbotschaft,
Ich starb' aus Schmerzen eh' ich ihn empfah'.

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Isa Ben Hadschiri: ein Soldat, der dichtete und dessen Diwan viele Distichen (Dubeit) und Volkslieder (Mewali) enthält, von dessen Gedichten Ibn Challikan aus brüderlichen Pietät viele erhalten; er erzählt, dass er einen Bruder gehabt, zwischen dem und Hadschiri grosse Freundschaft obgewaltet habe; als Ibn Challikan i. J. 626 (1228) Irbil verliess, ward Hadschiri verhaftet und schmachtete eine Zeitlang im Kerker, in welchem er Verse dichtete, die Ibn Challikan mittheilt; von seinem Bande zu Mossul befreit, kam er nach Irbil und weihte sich dem Dienste Melikol-Moasem Mosaffer-eddin's, nach dessen Tod er Irbil verliess, später aber wieder dahin zurückkehrte. Dort führte damals im Namen des Chalifen Mostanssirbillah der Emir Schemseddin Jaitekin als dessen Stellvertreter den Befehl; Hadschiri wurde in dessen Gegenwart eines Tages von einem Menschen überfallen, der ihn tödlich verwundete, so dass ihm die Eingeweide zum Bauche heraushingen; in diesem Zustande schrieb er noch drei Distichen an den Statthalter, ihm sein Elend klagend:
Ich klage meinen Zustand Dir, o Herr!
In meinen Gliedern wohnt der Geist nicht mehr,
Als Findelkind wird in dem grossen Haufen
Der Menschen er sich nun verlaufen,
Wie kam es seltsam, dass in Furcht erwachte,
Der sich in dem Hareme sicher dachte.
Er war damals beiläufig fünfzig Jahre alt; seinen Namen Hadschiri hat er von Hadschir, einem Flecken in Hidschaf, er ward aber in der Nähe von Irbil im Dorfe, welches von dem Grossvater Hadschiri's den Namen Homartekin und Taschtekin hatte, geboren.
Nach Ibn Challikan: der Scheich Imam, ausgezeichneter Philolog und Dichter Ebulfadhl von Irbild, berühmt unter dem obigen Namen, aus den Söhnen der Türken, Verfasser eines berühmten Diwans, ein Freund Ibn Challikan's, dem er viele seiner Gedichte mittheilte. (...)
 

 

Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Zweite Abtheilung
Von dem Regierungsantritte Mostekifi-billah's
bis zum Ende des Chalifates zu Bagdad im Jahre 656 (1258)
Siebenter Band
Vom achten Jahre der Regierung des ein und dreissigten Chalifen
Moktefi-bi-emrillah bis zum Falle Bagdad's
d. i. vom Jahre der Hidschret 538 (1143) bis 656 (1258)
Wien 1856
(S. 1072-1085)

 

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