Arabische Dichter

Aus der Literaturgeschichte der Araber

von  Joseph von Hammer-Purgstall (1850-56)



Moslim Ibnol-Welid
(gest. 823)


Was ist das Leben, wenn wir nicht der Liebe


Was ist das Leben, wenn wir nicht der Liebe
Am Abende geniessen,

Und wenn wir Morgens nicht vom hellen Aug'
Und Wein sind hingeschmissen.

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Wir tranken still, und manchmal gab dafür
Sie Speichels Süssigkeit zu kosten mir.

Was war's? - geschmettert nieder zum Erbarmen
Lag ich gestützet auf der Schönen Armen,

Der Schlanken, deren Leib, ein dünnes Rohr,
Inmitten zweier Hügel schoss empor;

Ich brachte zu die Nacht mit der Gaselle
Als Mönch, der Nacht durchwacht in seiner Zelle.

Und als gesunken war das Reich der Nacht,
Im Orient des Morgens Streifen lacht,

Da folgte dem Gekose das Gewein',
Die Trennung ist das End vom Stelldichein;

Die Seufzer steigen, wann sich Thränen senken,
Und Blicken folget nach ein langes Denken.

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Ich liebe Winde, die nach Süden wehen;
Und neide Winde, die nah Norden gehen;

Ich scheu' dich, Wind, ich fürchte, du erklärest,
Dass du, was ich begehre, nicht gewährest.

Ich flieh' die Freundin, fürchtend, auf sie falle
Verdacht, sie habe Schuld von meinem Falle,

Und wenn ich blind für euch zum Sohn nicht tauge,
So fürcht' ich doch des Nebenbuhlers Auge.

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Ich trug die Trennung von dem zarten Reh,
Dem gram, der tadelt meiner Liebe Weh;

Was übrig noch von meiner Jugend Tagen,
Ist Wahlplatz nur, worauf ich werd' erschlagen.

Es raubte mir des Hochgenusses Gut
Der Nebenbuhler, der auf seiner Huth;

Ich trank, - und als hernach begann Geschmeichel,
Vertrat den Wein des Mädchens süsser Speichel.

Sie wehrte doch von ihr die Liebe ab,
Indess sie mir den Hochgenuss nicht gab;

Ich musste mich mit einem Blick begnügen,
Und liess den Knöchelring beiseite liegen.

Von ihrem Auge ward ich lustberauscht,
Indess der Wein durch meine Glieder rauscht;

Ich strecke aus die Hand nach ihrem Nacken,
Doch konnte ich den Nelkenstrauss nur packen.

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Ich trag' die Flucht der reizenden Gaselle,
Und die mich schmäh'n, dass ich die Schöne wähle;

Die Tage dauern nicht, die Wahlstatt ist
Das Herz, die Jugend Nichts als heisse List;

Ich raubte eines Tages des Lebens Lust,
Wachsam darauf und ihrer wohl bewusst;

Ich trank mit ihr so lang Etwas im Glas,
Und hielt mich dann an ihres Speichels Nass.

Mich hielt die Liebe ab, ihr weh' zu thun,
Doch konnte ich auch ohne sie nicht ruh'n;

Ein einz'ger Blick war mir genug,
Und ihren Knöcheln gab ich freien Zug.

Mit Liebe tränkten uns're Augen sich,
Indess der Wein durch alle Glieder schlich;

Und wünsche ich des reinen Mafta's Spur,
Umarm ich Nackens statt der Nelken Schnur.

Bald kose ich mit ihr in Heimlichkeit,
Bald koste ich des Speichels Süssigkeit;

Was ist die Lust, als dich zu betten warm,
Berauscht auf des Schwarzauges weichem Arm,

Des schlanken Mädchens, dessen Leib ein Rohr,
Sich aus der Hüft Sandhügeln hebt empor.

Ich hab' mit ihr wie frommer Mönch die Nacht
Aufrichtig und aufrechten Sinn's durchwacht.

Doch als die Nacht vollendet ihren Lauf,
Und sich des Morgens Säule richtet auf,

Da trat an des Genusses Stell Gewein,
Dass enden muss ein jedes Stelldichein;

Es folgt ein Seufzer eine Thräne nach,
Und Blicke nähren nur die Hoffnung schwach.

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O sage mir Sorur, wie bleib' ich noch am Leben,
Am Trennungstage, wo die Senften fort sie heben!

Omm Medd! es schenke Gott das längste Leben dir,
Wenn fühllos du beim Zug der Senften vom Revier.

Siehst du denn nicht, es zieht von hier dein Liebster fort,
Es wird anwildern dich hinfort des Mistbeets Ort,

O hätte uns die Fluth des Euphrat's berichtet,
Wohin die Karawan der Liebsten sei gerichtet;

Wie schön der Tod, nachdem sie sich von uns getrennt,
Wie schändlich Leben, wenn man diess noch Leben nennt.

O weh' der Liebenden! wie soll sich ihr erbarmen,
Vor lauter Suchen sind zerrissen sie, die Armen!

Die schönsten Tode sind die solcher Art beweinten,
Der Tode glücklichste, die solcher Art gereinten;

Wer wird begünstigen den Laut von meinem Weinen,
Wenn die Geliebte mich verfolgt mit Qual und Peinen.

Die Liebe trug geduldig ich, weil ihr ergeben,
Sie kostete vor mir gar Vielen schon das Leben;

O du, der deine Flucht mir willst als Sünd' aufbinden,
Es traf mich deine Flucht erprobet schon in Sünden.

Ich wüsste nicht, wofür ich sollte danken dir,
Hingegen bist du selbst zu Dank verpflichtet mir;

Wenn du gewährest mir Genuss, verstand'st es nicht,
Verstehst hingegen wohl, wie scharf die Trennung sticht.

Nach dir ist mir gewährt hinfüro keine Freude,
Von dir beraubt, bin ich geweihet nur dem Leide;

Die Blicke helfen dir, sie leiten dich zu mir,
Zu meinem Geiste, der betrübet ist und wirr;

Was mir die Liebe auch für Kleider leget an,
So ist doch jedes Kleid für mich ein Überthan.

Mich schwächt die Liebe nur, seitdem ich ihr ergeben,
Sie kann vor mir hervor Nichts als die Schwäche heben.

Mich quält des Mädchens Liebe, der ich mich geweiht,
Und ihre Liebe ist für mich nur Widrigkeit;

Bettläg'riger geniesset, wenn auch aus Erbarmen
Die Ammen ihn als Kind, als Kranken nur umarmen.

Die Augenschminkerin vertreibt durch Schminke nicht
Die wachen Nächte und des Schlafes Bleigewicht;

Die Liebe ihr geweiht, in meinem Herzen bleibt,
Und wie der frische Stamm im Frühling Zweige treibt.

Man sagte ihr: Dein Bruder ist in dich verliebt,
Durch deine Liebe wirr und in den Tod betrübt;

Sie wandte sich hinweg, abwendend sich, sie sprach:
Was will der Dichter denn, er folgt dem Zuge nach.

Man war auch ehmals sicher nicht vor meiner Pein,
Wie soll man vor Erniedrigung nun sicher sein;

Zweifache Liebe macht mir neue Doppelsorgen,
Die sich von aussen zeigt, und die im Herz verborgen.

In meinem Herzen sitzt die Liebe stät und fest,
Sie kann sich wählen nicht allhier ein and'res Nest,

Ich hörte, dass man viel aus Neide von mir sprach,
Und dass man mir aus Neid Spitznamen sagte nach.

Mag sein, dass durch den Spott die Liebe sich bewährt,
Für mich ist zum Genuss Satyre gar nicht werth.

Ich wählte sorgenlos das Ehrenkleid der Liebe,
Und trag' auch einen Strick als Ehrenkleid aus Liebe;

Mich widert an, wer mir die Liebe hält zum Bösen,
Verpfändet ist mein Herz, ich kann es nicht auslösen,

Die Liebe sucht mich auf mit Mordgier ohne Mass,
Und doch ist zwischen ihr und zwischen mir kein Hass.

Wie viele Dinge sind verschwunden in Gesetzen,
Die als die Richtschnur sich die Stämme selber setzen.

Die Eine sagt, du liebest nicht in Wirklichkeit,
Denn liebtest du, so würdest spotten du der Zeit.

Ich sprach: In meiner Liebe ist der Geist versteckt,
Und in dem Geiste tief die Lieb' verborgen steckt,

Die Liebe hat zerstückt mein Herz zum Zeitvertreib,
Ich habe nun kein Herz und habe keinen Leib;

Es liebt das Herz, der Leib weiss nichts von dieser Pein,
Denn wüsste er davon, so würd' er fett nicht sein.

Wenn sich die Liebenden mit Liebe wollten brüsten,
So würde ihnen wohl die mein' am meist' gelüsten;

Man tadelt mich, dass sorgenfrei ich Lieder singe,
Doch waren vor mir schon die Dichter guter Dinge.

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Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten drei Jahrhunderte der Hidschret.
Dritter Band
Unter der Herrschaft der Beni Abbas, vom ersten Chalifen Ebul Abbas
bis zum Tode des neunten Chalifen Wasik,
d. i. vom Jahre der Hidschret 132 (749) bis 232 (846)
Wien 1852
(S. 643ff)

 

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