Friedrich Bach (1817-1865) - Liebesgedichte

 


Friedrich Bach
(1817-1865)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





Liebe

Liebe ist ein kluges Hühnchen,
Kaum, daß es das Ei zerbrach,
Läuft es schon auf festen Füßen
Seiner Lieblingsneigung nach!

Liebe ist die Frucht der Beere,
Die gar frühe zeitig ist,
Hat ein Tag nur heiß geschienen,
Und ein Südwind sie geküßt!

Liebe ist die Eintagsfliege,
Die im Sonnenstrahle spielt,
Bis sie Abends ihre Flammen
In den stillen Wassern kühlt!
(S. 5)
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Die Vogelbeere

Ueppig steht die Vogelbeere,
Uebersä't mit rothen Früchten;
An der Traube hängt ein Sperling,
Pickt ein Beerchen ab, und flieht!

"Willst du grollen, liebes Mädchen,
Wegen des geraubten Kusses?
Können diese holden Brauen
Trotzig sein und finster schauen?"

"Ueppig steht die Vogelbeere,
Uebersä't mit rothen Trauben;
Ueppig steht die rothe Traube,
Ueberreich an Purpurbeeren!"

"Und des einz'gen Kusses wegen
Willst du grollen, finster blicken?
Bleiben dir nicht tausend and're,
Zu vergöttern, zu entzücken?"
(S. 5-6)
_____



Zurechtweisung

Laß von ungerechtem Grolle,
Schönes Kind, dich nicht besiegen.
Traurig steh'n die finstern Mienen
Zu den vielgeliebten Zügen.

Sieh', sie steh'n dir wie dem Baume;
Kaum beginnt er noch zu wüthen,
Hat er auch schon abgeschüttelt
Alle seine weißen Blüthen!

Und sie steh'n dir, wie dem Strome;
Kaum beginnt er aufzuschäumen,
Ueberschwemmt er schon die Blumen,
Die so zierlich ihn umsäumen!
(S. 6)
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Beruhigung

Sie senden Lauscher aus und flüstern:
"Was kann denn also sie entzünden,
Daß sie fortan auf allen Wegen
Sich immer suchen nur und finden?"

O, sei nicht furchtsam mehr und spröde!
Wir reden traulich fort und fort;
Im Kuß ergänzen wir die Rede,
Fehlt dem Gefühle ja das Wort!

O, laß sie späh'n in unsern Thaten,
Was wohl in uns so magisch spricht;
Wie könnten sie es nur errathen?
Wir wissen es ja selbst noch nicht!
(S. 6-7)
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Vorwurf

1.
Ich will dich nicht, o Mädchen, richten,
Die meine Kraft gebrochen hat;
Ich will nicht mit dir kämpfen, Rose,
Die grausam mich gestochen hat;

Vielleicht, daß ich nach wenig Monden
Desselben Weges zieh' daher;
Wenn alle Rosen dann verdorret,
Wen lüstet 's dann nach Dornen mehr?

Ich will mit dir nicht kämpfen, Rose,
Die grausam mich gestochen hat;
Ich will dich auch nicht richten, Mädchen,
Die meine Kraft gebrochen hat!


2.
Trauernd saß ich an der Quelle,
Die aus hartem Felsen spritzt,
Wusch das Blut von meinen Händen,
Tief gestochen, tief geritzt.
Und ich sprach zur muntern Quelle:
Fließe hin zur Rose dort,
Netze sie mit meinem Blute
Und verkünd' ihr dieses Wort:

"Rosenstrauch, du stolze Pflanze,
Hättest du denn doch bedacht,
Eh' in dir die Lust, so grausam
Zu verwunden, noch erwacht:
Nimmer kann das Blut des Armen,
Sollt' er auch ermattet sterben,
Fließt es hin zu deinen Füßen,
Deine Röslein röther färben!"


3.
Seht dort den guten, geschäftigen Mann,
Umhüpft von dem frohen Schwarme,
Er theilt die erbeuteten Rosen aus,
Und verbirgt die zerstochenen Arme!

Und sterb' ich, verberg' ich auch meinen Schmerz
Mit meinem Leben tief erdenwärts;
Nur Rosengesträuche, die flüstern am Grab:
"Kehrt ein, ihr Bienlein, ihr Wand'rer, pflückt ab!"


4.
Dafür, daß du den Felsen zerspalten mit schwerem Schlag,
Bringt dir die off'ne Wunde den Edelstein zu Tag!

Dafür, daß du die Erde zerpflügt mit scharfem Schwert,
Hat sie dir schön're Blüthen und reich're Früchte bescheert!

Dafür, daß du in's Wasser gesenkt den schweren Stein,
Glänzt es im Silberschaume, im Regenbogenschein!

Dafür, daß du den Käfig verhängt der Nachtigall,
Singt sie dir schön're Weisen mit wundersüßem Schall!

Dafür, daß du am Baume gerüttelt hast im Groll,
Verhaucht er süße Düfte, schneit dich mit Blüthen voll!

O Mädchen, das mich hinhält, mich quält und dann noch flieht,
Auch meine Rach' ist edel, ist nur ein zartes Lied!
(S. 7-8)
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Im Herbst

Siehst du das Jahr und sein Verscheiden?
Siehst du der Blätter bunte Spiele? -
Dein Blick, er scheinet mich zu meiden,
Und du errathest, was ich fühle!

Die Hände liegen in einander,
Das Herz, es schlägt im Fieberwahn,
Noch einmal geh'n wir mit einander,
Um unser Glück ist es gethan!
(S. 9)
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Sie an Ihn

Den schlichten Quendel wirst du verschmäh'n,
An der duftenden Münze vorübergeh'n.

Doch wird dich nicht lang' die Rose ergötzen,
Bald wird sie dich mit den Stacheln verletzen.

Dann wirst du dich wieder zur Erde bücken,
Den goldenen Löwenzahn abzupflücken,
Er wird dir Gift in die Wunde drücken!

Da wird es dich nach den Blumen, die prangen,
Den bunten, tückischen, nicht mehr verlangen!

Da wirst du ihn suchen, den grünen Quendel,
Die duftige Münze, den schlichten Lavendel!

Wo die verschmähte vor Kurzem verdorrt,
Da wuchert die täuschende Nessel fort!

Dann wirst du glauben, die Münze zu brechen,
Und es wird dich die Nessel stechen!
(S. 9)
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Compendiöser Liebeskalender

Die weißen Schneeglöckchen blüh'n im Wald:
"Noch ist mein Herz wie Schnee so kalt!"

Der Nießwurz eröffnet die Kelche gar früh:
"Wie bin ich so närrisch verliebt in sie!"

Die Maßliebchen nicken aus grünem Gras:
"Ich habe dich lieb über alles Maß!"

Die Klatschrose blühet, der flammende Mohn:
"Schon singen die Spatzen am Dache davon!"

Es blüht das Vergißmeinnicht tief an dem Fluß:
"Noch diesen Kuß, weil ich scheiden muß!"

Die Todtenblume ist aufgeblüht:
"Ich sing' meiner Liebe ein Todtenlied!"

Nun grünt nur noch einsam das Wintergrün fort:
"Ich bleibe dir treu und halte dir Wort!"
(S. 10)
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Schmerz

Ich saß auf einem Steine,
Der meine Thränen sog,
Wenn ich mein irres Antlitz
Zur Erde niederbog.

Und in die Erde weint' ich,
Sie sog die Thränen ein,
Und gierig ließ sie schwinden
Der grelle Sonnenschein!

Und in den Rasen weint' ich,
Und meine Thräne schwand
So wie ein Regentropfen
Im weiten Wüstensand.

Nur eine kleine Blume,
Schon bald geknickt und bleich,
Die meine Thräne netzte,
Erhob sich im Gesträuch,

Und hob die schönen Augen,
Und sah mich freundlich an -
Da stiegen meine Schmerzen
In Duft verklärt hinan!
(S. 10-11)
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Die Locke

In dem Garten blüht die Blume,
In dem Garten welkt die Blume,
Und in Staub zerfällt die Blume! -
Doch die Blume, ausgerissen
Aus der mütterlichen Erde,
Kannst du in's Gedenkbuch legen,
Daß sie nicht zu Moder werde. -
In die Fremde mußt' ich zieh'n,
Von dem Haupte der Geliebten
Löst' ich eine dunkle Locke
Ab in wildem Liebesglühen!
Monde wechseln, Jahre flieh'n,
Seh' ich einstens dich als Greis,
Darf ich wohl mit Thränen klagen:
"Unsr're Haare werden weiß!"
Doch die Locke, abgeschnitten
Von dem jugendlichen Haupte,
Dankbar wird sie noch nach Jahren
Ihre dunkle Farbe wahren!
Und die Liebe, aus der Heimath
Ihrer Freuden, ihrer Schmerzen,
Mit Gewalt herausgerissen -
Ewig bleibt sie frisch im Herzen.
(S. 11)
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Schluß

Die Hagebutte flammet
Im purpurrothen Kleid,
Längst hat die Rosenblüthen
Ein kühler Wind verstreut!
"Wohl würd' ich nicht so flammen
Spät in des Herbstes Tagen,
Hätt' ich im frühen Lenze
Die Rose nicht getragen!"

Längst ist der Fluß versickert
Im weichen Sand und Moos:
Das Strombett treibt noch üppig
Blumen aus seinem Schoß;
"Wohl würd' ich nicht so prächtig
Wogen in Grün und Gold:
Hätt' nicht in meinen Armen
Dereinst ein Strom gerollt!"
(S. 12)
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Liebe

Du warmer Frühlingshauch, der die Natur durchdringt,
Daß sich nun Baum in Baum mit tausend Aesten schlingt,
O Liebe!

Schlachtschwerter, die im Kampf geraucht von heißem Blut,
Zu Tempelglocken schmilzt sie deine Flammengluth,
O Liebe!

Ich leb' und sterb' in dir, ein Bergmann, der nicht bebt
Wenn ihn im Silberschacht die wilde Fluth begräbt,
O Liebe!

Bin ich's allein? O sagt, was warnt ihr mich so bang'?
Ich stürze mich in dich, Meer voll Syrenensang,
O Liebe!

O schönes Inselland, o Felsen von Magnet,
Nach dem mein Sehnen wie zu Sagenzeiten geht,
O Liebe!

Du hältst mein Lebensschiff in deinem Zauberbann,
Daß es nur hin zu dir, zu dir nur steuern kann,
O Liebe!

So reiß' aus ihm an dich die Eisenklammern all',
Daß es die Fluth begräbt, ich juble noch im Fall:
O Liebe!
(S. 63)
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Die Blume am Wasser

Die Blume nicket hinab in die Wasser,
Sie rauschen und spülen vorüber:
"Und ziehst du, Holde, mit mir nicht fort,
So muß ich einsam von Ort zu Ort!"

Es kommen Wogen um Wogen, die Blume zu küssen,
Bald hat sie doch eine mit sich gerissen -
"Und sollt' ich auch längst in der Fremde weilen,
Es wird dich die Liebe dennoch ereilen!"
(S. 64)
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Frauenliebe

Ist das Weib die jähr'ge Blume,
Und ein starker Baum der Mann,
O dann müh't euch nicht, zu fragen,
Wer wohl treuer lieben kann!

Lieb' ist Blüthenzeit des Lebens -
Jährlich neu erblüht der Baum;
Immer wechselnd, immer reicher
Träumt er seinen Liebestraum.

Einmal blüht die zarte Blume,
Einmal nur, doch voll und schön -
Frauenliebe kehrt nicht wieder,
Wenn sie Stürme rauh verweh'n.
(S. 64)
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Liebeslied

Ihr Arme seid Brücken
Zum Himmelreiche -
Ihr Wangen und Lippen
Seid Rosensträuche -
Ihr Locken seid dunkle,
Schattende Lauben,
Ihr blauen Augen
Seid sanfte Tauben!

So reich' mir die Hände
Zur Liebesbrücke,
Und Wangen und Lippen,
Daß ich Rosen pflücke, -
Umwogt uns schattend,
Ihr dunklen Lauben,
Und Liebe girret,
Ihr sanften Tauben!
(S. 65)
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Liebeslast

Brecht, ihr Bäume, brecht, ihr Zweige
Vor der Last der gold'nen Früchte!
Brich, mein Herz, und unterliege
Diesen tausend Liebeswonnen!

Freudig jagen meine Pulse,
Doch die Thränen quellen vor:
Brich, mein Herz, und unterliege
Dieser reichen Liebeslast!
(S. 65)
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Asyl

Bin ich vom wilden Leben müdgehegt,
Hat seine Pflugschar mit der scharfen Schneide
Tiefinnerst mir die junge Brust verletzt:

O dann versink' ich gern im Blumenmeer
Der Liebe! Schützend schlägt das Laub zusammen,
Und Blüthenträume flüstern um mich her.

Und wie der Pilgersmann den Baum umfängt,
Die Hand gefaltet, wenn ein Heil'genbildniß
Im dunkeln Schirm der grünen Aeste hängt:

So flücht' ich dann an deine Brust bewegt,
An der ein Bildniß hängt am gold'nen Kettchen,
In der ein Herz voll Lieb' und Andacht schlägt.

Dein mondenklares Antlitz - selig stumm,
Durchleuchtet hell die Wetter meines Hauptes,
Und wandelt sie zu Lämmerwölkchen um; -

Und du, o Hand auf meiner Stirne! Du
Durchwallst, ein Elfe, die empörten Wellen
Des heißen Zorns und streichelst sie zur Ruh'.
(S. 66)
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Seufzer

Ach, was ist das schöne Morgenroth,
Das im Osten seine Rosen streut?
Eine Wetterwolke, trüb' und schwer,
Wenn die Sonne steigt im Aethermeer.

Was ist meine Ruh'?! - Ein Morgenroth,
Steht die Sonne freundlich neben mir; -
Wenn sie flieht, - entweichet Roth und Gold,
Von der Wolke, die nun finster grollt.
(S. 66)
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Liebessehnsucht

Sind Schlangen die Locken an deinem Haupt,
O, laß sie umringeln mein Haupt und mein Herz,
Nie hätt' ich dann süßer zu sterben geglaubt!

Und ist dein Aug' eine dunkle Nacht,
Da wär' ich wohl gern zum ewigen Schlaf,
Zum ewigen Traum, zur Ruh' gebracht.

Und ist dein Aug' ein spiegelnder See,
Ich stürze verzweifelnd in seinen Grund,
Da löst sich auf immer mein Groll und mein Weh.

Sind Wangen und Lippen ein Rosenstrauch,
O laß mich ihn nehmen in's Schlafkämmerlein,
Daß er süß mich betäube mit tödtlichem Hauch!

Und ist ein Himmel deine Stirne, so frei,
So laß sie mich küssen im Todeskampf,
Daß ich bald im Himmel und glücklich sei!
(S. 67)
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Vorüber

Ich sah dich oft allein und spät am Tag
Vom Fenster nach dem Waldesrande blicken;
Die Abendwinde strichen durch den Hag,
Und alle Bäume sahst du weh'n und nicken.

Da rauschte wohl das Laub so wunderlich,
So seltsam schlug der Klang an deine Ohren,
Als irrte dort ein Wand'rer still für sich
Und hätte wieder einsam sich verloren.

Da dringt zu dir ein wohlbekannter Laut;
So beugt auch nicht der Wind die jungen Tannen!
Doch fürchte nichts! Die Spur im Heidekraut,
Waldgruß und ich, - wir schwinden schnell von dannen!
(S. 67)
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Erinnerungen

Um das schmucke Haus im Thale spinnt der Abend seine Schleier,
Vor dem Fenster rauscht die Linde und der Weinstock am Gemäuer.

Laubwerk ziert die breiten Thore, Kinder spielen an den Stufen,
Fern im Walde braust der Gießbach, und die Nachtigallen rufen.

In dem Felde lieg' ich träumend, erdwärts wallen meine Haare,
Und im Busen weckt Erinn'rung Muth und Unmuth junger Jahre.

Und mir ist's, als säh' ich wieder sie, die herrlichste der Frauen,
Mir mit weißen Armen winken, aus dem Fenster niederschauen.

Süße Wehmuth übermannt mich, stimmt in Wohllaut alle Saiten
Meines Herzens, und sie lauschet meinem Lied von schönen Zeiten.

"Denkst du noch des blassen Träumers? Wie er zittert, süß erschrocken,
Weil im flücht'gen Tanz ihn streifte eine deiner duft'gen Locken!

Siehst du ihn am Thoressteine nächtig in die Sterne starren,
Wenn hinauf zu deinem Chöre jubeln und Guitarren?

Siehst du ihn vor dir im Kahne mit verschränkten Armen hüten
Seines Busens heiße Flammen und vom Wellentode brüten?!

Lebe wohl! mich engt das Leben, in dem ungewissen Meere
Schiff' ich nun als Rudersklave seiner flüchtigen Galeere!

Und die Wellen schlagen drohend aus dem nächtigen Gebiete,
Doch mir steigt aus ihrem Schaume keine neue Aphrodite.

Nur die gute Fee Morgana - Poesie belebt die wüste
Wasserwelt mit ihren Bildern einer zauberischen Küste;

Und ich träume dann vom Ajax, dessen Blute, jäh vergossen,
Purpurfarb'ne Wunderblumen tausendfältig sind entsprossen;

Und vom herrlichen Apollo, dessen Stirn', die gluthzerwühlte,
In der Daphne heißen Armen schnell die Lorbeerstaude kühlte."
(S. 68-69)
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Der Amaranth

Sie zog hinüber in's bessere Land! -
Einst liebten wir uns, einst war sie mir gut.
In ihrem Garten ein Amaranth
Treibt zahllose Blüthen, so roth wie Blut.

In ihrem Garten, da sitz' ich gebannt, -
Einst liebten wir uns, einst war sie mir gut.
In meinem Herzen ein Amaranth
Treibt zahllose Blüthen, so roth wie Blut.
(S. 69)
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Das Bildniß

Ich nahm ihr Bildniß, mein Herz ward schwer,
Ich warf es hinunter in's wogende Meer.

Ich warf es hinab in den schäumenden Gischt,
Daß dort sich ihr Bildniß auf ewig verwischt.

Dort saß ich auch einst, ermattet und krank,
Und sah, wie ebbend die Woge versank.

Da lag zerschellt unter Kies und Stein
Eine schneeweiße Platte von Elfenbein.

Da dacht' ich zurück, wie ich mich wild
Herumgetrieben, im Herzen ihr Bild. -

Wie die Woge des Lebens zusammenschlug,
Ihr Bild zu verwischen im lieblichen Trug.

Und wie es mich auswarf, das ebbende Meer,
Wie die elfene Platte, zerschellt und leer!
(S. 69-70)
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Verlust

Süß träumt sich's in des Winters Banne
Von lauten Nachtigallenchören;
Es täuschet uns die grüne Tanne,
Den Sang im Geiste zu beschwören.

Schön träumt es sich am Meeresstrande
Von stillen, wunderbaren Räumen,
Vom tiefversunk'nen Insellande,
Vom Wrack und von Korallenbäumen.

So drängt's mich noch, mit dir zu sprechen,
Ruhst du auch lang' in harter Truhe;
Im Geiste deinen Sarg zu brechen,
Und dich zu kosen aus der Ruhe!
(S. 70)
_____



Blumensprache

Das Sträußchen gab mir frohe Kunde,
Sie band es mir mit süßen Sorgen -
Die Zahl der Glöckchen wies die Stunde,
Die Farbe: Abend oder Morgen.

Auf ihrem Grabe sah ich heute
Zwölf dunkle Glöcklein lieblich sprossen, -
Nun zieht an meines Lagers Seite
Die Nacht mit ihren Trauerrossen.

Dumpf hallt der Schlag der zwölften Stunde:
Ich fühle deine sel'ge Nähe;
Du lockest mich mit süßem Munde,
Daß ich mit dir zu Grabe gehe!
(S. 70-71)
_____



Todt

"Sprich, wohin bist du entschwunden,
Zarte, liebliche Gestalt?!"
Ruf' ich oft in trüben Stunden
In des Lebens finstern Wald.

Doch das Lied, es hat ja Schwingen,
Pilgert über Land und Meer,
Wird auch dir vorüberklingen
Wie ein bleiches Geisterheer.

Und die Hände, die zum Segen
Mir am Haupte, grabesmatt,
Einst im Scheiden noch gelegen,
Halten dies verwehte Blatt.

Und die Lippen, die mich küßten,
Daß es glühend mich durchdrang,
Flüstern meines Schmerzes wüsten,
Unbefriedigten Gesang.

Und die Augen, Liebesboten
Einst in schöner, gold'ner Zeit - -
Doch was träumt' ich? Ach, die Todten
Weckt nicht Erdenseligkeit!

Deine Hände sind vermodert,
Und dein Haupt sank matt und schwer;
Deine Augen sind verlodert,
Und die Lippe klagt nicht mehr!

Nacht ist's, nur im schlummerlosen
Herzen rauscht dies kleine Lied;
Wie durch welke Grabesrosen
Ein verirrtes Lüftlein zieht.
(S. 71-72)
_____



Unbefriedigte Liebe

Du, meine schöne, du, meine stolze Rose!
Wie bebtest du schüchtern, als ich dich fand!
Doch wie ich dich pflückte mit zitternder Hand,
Da bist du zerfallen - ein sanfter Hauch
Verwehte die Blüthe weit weg vom Strauch.

Du, meine schlanke, du, meine stolze Gazelle!
So wärst du nun mein, der ich verwegen
Von ferne gefolgt auf schwind'ligen Stegen!
Kein Weg mehr - da bäumst du dich stolz in die Luft
Und stürzest vor mir in die felsige Gruft!

Du, meine gold'ne, du, meine stolze Sonne!
Dir zog ich nach auf dem schwanken Kahn.
Du eilst mir entgegen zum Ocean!
So wär' ich bei dir! - Schon fass' ich trunken
Deines Kleides Saum, da bist du versunken!
(S. 72)
_____



Wolken

Lenztag ist's - der Himmel heiter,
Nur ein Wölkchen, trüb' und grau,
Zieht im Westen einsam weiter
Durch das ungetrübte Blau.

Aber, wenige Minuten, -
Und es spinnt im Aethermeere
Lange, lange, graue Ruthen,
Schwarze, schauerliche Flöre.

Schöner Himmel, süßes Lieben!
Eine Wolke, fern versteckt,
Lauscht so lang', bis sie mit trüben
Wettern traurig ihn verdeckt.
(S. 72-73)
_____



Abschied

Es war ein schöner,
Ein wonniger Tag! -
Wir gingen hinab
Die waldigen Höhen -
Sie gab mir träumend
Und stumm ihr Geleite.
Es schlugen die Büsche,
Unheimlich flüsternd,
Sich hinter uns zu,
Als rauschten sie klagend:
"Lebt wohl! Lebt wohl!"
Hinab von den Bäumen
Fielen die Blüthen,
Schneeweiße Blüthen
Mir flatternd um's Haupt.
Die sonnenglitzernden,
Thauüberhangenen
Marienfäden
Umspannten mich
Wie zarte Arme
Im bittern Abschied.
Die tiefern Stauden
Warfen mir Ranken,
Fesselnde Ranken
Um die eilenden Füße -
Und haftend hielt
Die klammernde Klette
Am Kleide mich fest.
Doch warf ich es Alles
Bald weg von mir.
Der Erde gab ich
Die fallende Blüthe;
Der grünen Staude
Die fesselnden Ranken,
Die seidenen Schleier,
Die thaubenetzten
Marienfäden -
Dem Mädchen gab ich
Den Kuß zurück:
Den Kuß der Trennung
Und den thränenden Blick!
Doch trug ich noch lange
Und unbewußt
An meinem Kleide
Die klammernde Klette;
Wie tief im Herzen,
Im leeren, sehnenden,
Verlassenen Herzen
Das herbe Leid!
(S. 73-74)
_____



Melancholie

Meine Seele ist still und in sich gekehrt,
Wie der Wald zur brennenden Mittagszeit,
Wo kein Ruf durch die düsteren Räume dringt,
Und der Baum seine dichtesten Schatten streut.

Wie so hoch, unerreichbar die Sonne flammt!
Wie sie streut in die Wälder den blitzenden Schein,
Da drängt es im Walde sich Ast an Ast,
Und er hüllt sich noch tiefer in Schatten ein.

Wie der Wald zur brennenden Mittagszeit,
Bin ich nun einsam in mich gekehrt, -
So düster, daß nicht meine Ruhe stört
Meine Sonne, so hoch, so unendlich weit!
(S. 74-75)
_____



Unversöhnlich!

O sprich ein Wort zum friedlichen Vergleich,
Noch ist mein Herz an Lieb' und Liedern reich!

Und faßt dich nicht die alte Schwärmerei?!
Du siehst so blaß und ziehst doch kalt vorbei?

So stirbst du hin, ein Schwert, das jäh zerspringt,
Wenn es zum Tod in Feindesbusen dringt;

Erlöschest, wie der Flamme wilde Gluth,
Die zornig aufgezehrt ein theures Gut;

So wie das Bienlein, welches todesmatt
Nach scharfem Stiche stirbt auf grünem Blatt!
(S. 75)
_____



Treulos

Ueber der duftenden Wiese lag die Nacht,
In der Blumen Umarmung lag die Nacht;
Bis zur Erde liebend hinabgesenkt,
Hat sie die zarten Blumen mit Thau beschenkt.

Aber sie blühten erst auf zur Morgenzeit,
Trugen den Duft der Nacht im zarten Kleid,
Und mit den Diamanten der Nacht geschmückt,
Haben sie liebend zum Tag emporgeblickt.

Als sie mit einem Andern zum Altar ging,
Glänzt' an der Hand ihr ein funkelnder Fingerring.
Wie sie die Ringe wechseln! - Ob sie gedenkt,
Daß ich ihr einst vor Jahren den Ring geschenkt!
(S. 75)
_____



Verlassen

So hab' ich denn träumend den Tag verbracht -
Die Stunden verrinnen - die Wangen erblassen -
So bin ich erwacht in dunkler Nacht,
Und bin alleine und verlassen.

So träumt' ich denn, wie der Matrose träumt,
Auf dem glücklichen Eiland der seligen Lieder,
Daß er den Ruf zur Abfahrt versäumt -
Und Heimath und Freunde, nie sieht er sie wieder!

So träumt' ich, ein Vogel auf grünem Baum,
Dessen Blätter verdorrt im nächtlichen Wetter;
Und wie der erwacht aus dem glücklichen Traum,
Da rauschen die fallenden Blätter!
(S. 76)
_____



Zeitenflucht

Da liegt mein Paradies, so sonnig,
In stiller Abendseligkeit!
Hier saßen wir und scherzten wonnig
Und dachten nicht der künft'gen Zeit.

Indeß ich Welt und Liebe singe,
Vergeht die Zeit, ein schwerer Traum -
In immer neue Jahresringe
Hüllt sich die Seele, wie der Baum.

Schon der Gedanke muß ermatten:
Wie viele Jahre floh'n vorbei!
Wie viele Wolken warfen Schatten
In diese stille Siedelei!
(S. 76)
_____



Romanze

Er sprach zu mir in vertraulicher Stund':
"Deine Wangen sind roth, und dein keuscher Mund
Wie die Blüthe des Rosenlorbeers!"

Ich lachte, da sah er mich liebend an:
"Deine Stirn ist weiß wie der Pelikan,
Welcher nistet im rauschenden Rohre!"

Der Pelikan hat sich die Brust verletzt,
Und mit dem Blut seine Kinder geäzt:
Mein Liebster zog aus, und kampferhitzt
Hat er für uns sein Blut verspritzt!

Da sucht' ich ihn auf und sah ihn an:
"Wie bist du so bleich wie der Pelikan,
Welcher nistet im rauschenden Rohre!"

Da küßt' ich ihn weinend: "So bist du nun todt!
Wie quillt aus der Wunde dein Blut so roth,
Wie die Blüthe des Rosenlorbeers!"
(S. 85)
_____



Stille Liebe

Pochet nicht durch laute Reden
Oder deutungsvolle Mahnung
An das streng bewachte Eden
Uns'rer späten Liebesahnung!
Süßes, heiliges Begehren -
Feiervolle Knospenstille -
Einmal nur noch laßt uns leeren
Dieses Glückes ganze Fülle!

Stillen Ganges, wie Planeten,
Bald erhellt und bald verdüstert,
Nie aus ihrer Bahn getreten,
Und doch seelenvoll verschwistert,
Wollen wir im Lauf der Zeiten
Und im Wechsel des Geschickes
Auf verwandten Bahnen gleiten,
Gleichen, zugewandten Blickes!

Nur ein leiser Druck der Hände,
Nun ein einzig' Wort der Liebe,
Und in heiße Sonnenwende
Treten unentweihte Triebe;
Kataraktendonner tosen
An zerstürmten Idealen,
Und der stillen, vorwurfslosen
Minne naht der Tag der Qualen!

Darum pocht mit lauten Reden
Oder deutungsvoller Mahnung
Nicht an das verschloss'ne Eden
Uns'rer späten Liebesahnung!
Süßes heiliges Begehren -
Feiervolle Knospenstille -
Einmal nur noch laßt uns leeren
Dieses Glückes ganze Fülle.
(S. 113-114)
_____


Aus: Gedichte von Friedrich Bach
Herausgegeben von
Julius Reinwarth
Mit dem Bildnisse des Dichters
Prag 1900
J. G. Calve'sche k. u. k. Hof-
und Universitäts-Buchhandlung (Josef Koch)


 


Biographie:

https://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_B/Bach_Friedrich_1817_1865.xml



 

 

 


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