Rudolf Baumbach (1840-1905) - Liebesgedichte




Rudolf Baumbach
(1840-1905)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Drohungen

Bist mir noch nicht gesinnt,
Schlehenäugiges Försterkind,
Meine Lust und Labe?
Wär' ein jedes Blatt am Baum
Eine Zunge, sie könnten kaum
Sagen, wie lieb ich dich habe.

"Bist gewandert viel herum,
Fandest am Weg wohl manche Blum',
Die du durftest brechen.
Reizt des Waldes Blüthe dich?
Fahrender Knabe hüte dich!
Möchtest am End dich stechen."

Bleibt mir deine Gunst versagt,
Kaltes Herz, so sei's gewagt;
Aufwärts will ich steigen.
Saliges Fräulein wunderschön
Droben auf den luftigen Höh'n
Wird sich in Huld mir neigen.

"Saligem Fräulein herzlich gern
Gönn' ich einen solchen Herrn,
Wünsche viel Vergnügen;
Magst alsdann am Bergeshang
Nach Belieben tagelang
Träumend im Grase liegen."

Lässt du nicht das Necken sein,
Spring' ich in den See hinein,
Wo er unergründlich.
Drunten im Krystallpalast
Als der schönen Nixe Gast
Trinke ich Wonne stündlich.

"Wohl bekomm's, ade, ade!
Nixe wartet dein im See
Bei den Fröschen und Unken.
Wasser wird dir heilsam sein
Auf den vielen, vielen Wein,
Welchen du heuer getrunken."

Försterkind, verzeih' dir Gott
Deine Härte und deinen Spott!
Fahren will ich von hinnen.
Lindenmüllers Isebill,
Deine Freundin und Gespiel
Wird mich gerne minnen.

"Was die mit dem falschen Zopf?
Täglich wächst am Hals ihr Kropf,
Täglich wird sie gelber.
Trauter, lass den schlechten Spass!
Eh' ich dich der Freundin lass',
Nehm' ich dich lieber selber."
(S. 24-26)
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Rührmichnichtan

Plaudernd mit Müllers Töchterlein
Ging ich im Maiengrüne,
Und der Vater schritt hinterdrein
Mit bedenklicher Miene.
Plötzlich stand er stille am Bach,
Winkte mich näher heran und sprach:

Seh' Er, mein Freund, dies Kraut sich an,
Wächst nicht in allen Landen,
Ist geheissen Rührmichnichtan.
Hat Er mich recht verstanden?
Also sprach er mit ernstem Ton,
Hob den Finger und ging davon.

Sonnenschein rings auf den Büschen lag
Und auf zwei goldenen Zöpfchen. -
Ob es wohl sticht? Ob es brennen mag?
Schüttelt die Kleine ihr Köpfchen.
Als ich es endlich berührte bang,
Rührmichnichtan mir entgegen sprang.
(S. 27)
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Wo der Weg zum Liebchen geht

Wo der Weg zum Liebchen geht,
Liegt ein alt Gemäuer,
Wenn der Mond am höchsten steht,
Ist's dort nicht geheuer.
Waldfrau sitzt auf einem Stein,
Nickt in stiller Trauer.
Kalt wie Eis durch Mark und Bein
Rieselt mir der Schauer.
Bis zum ersten Hahnenschrei
Trägt sich zu so mancherlei,
Stille!

Weiter geht's. An See und Moor
Flüstern Schilf und Binsen,
Nixenfräulein steigt empor
Aus den Wasserlinsen,
Will mit ihrer Glieder Reis
Halten mich und bannen,
Doch ich schlage stumm ein Kreuz,
Fahre schnell von dannen.
Bis zum ersten Hahnenschrei
Trägt sich zu so mancherlei,
Stille!

Weh' es kommt der wilde Tross,
Kommt die Jagd die tolle
Und voraus auf schwarzem Ross
Lichtumstrahlt Frau Holle.
Schau' mich nicht so glühend an,
Lockst mich nicht zur Minne,
Lenkst mich nicht aus meiner Bahn,
Schöne Teufelinne!
Bis zum ersten Hahnenschrei
Trägt sich zu so mancherlei,
Stille!

Sicher vor dem Geisterschwarm
Sitz' ich hier im Stübchen,
Schlinge meinen linken Arm
Um mein plaudernd Liebchen.
Dass ich Spul und Höllenkunst
Siegreich abgeschlagen,
Wird von meiner Holden Gunst
Süssen Lohn mir tragen.
Bis zum ersten Hahnenschrei
Trägt sich zu so mancherlei,
Stille!
(S. 30-31)
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Der Schwanenritter
Ein Heldenlied in vier Aventiuren

Erste Aventiure
War einst ein Ritter vom heiligen Gral,
Ein fröhlicher Zechkumpan;
Sass Tag und Nacht beim Stammpokal
Im Schank zum weissen Schwan.

Dem Wirthshaus gegenüber lag
Ein Erker hoch und breit;
Dort spann am Rocken den ganzen Tag
Beatrix, die rosige Maid.

Und wenn ihr Engelsangesicht
Sich grüssend herüberbog,
So merkte der liebende Zecher nicht,
Wie ihn der Kellner betrog.

Und sah der Ritter die Jungfrau an,
Vergass er das Trinken gewiss;
Und blickte die Magd nach dem weissen Schwan,
Ihr flächserner Faden zerriss.


Zweite Aventiure
Es klingt Trompete, Bass und Geig',
Es brummt die Münsterglock',
Beatrix trägt einen Myrtenzweig
Im röthlichen Haargelock.

Und neben ihr im Festgewand -
Ihr wisst es alle, wer. -
Im Schwan am selbigen Abend stand
Des Ritters Sessel leer.

Doch als das Fest vorüber war,
Der Held zur Schenke schritt;
Er zahlte seine Schulden baar,
Sein Stammglas nahm er mit.


Dritte Aventiure
O Honigmond, o Flitterglück,
Berauschender Liebeswahn!
Der Ritter sah mit keinem Blick
Hinüber nach dem Schwan.

Wie Schwalbenflug die Zeit verrann,
Das Paar des Küssens vergass,
Beatrix wieder am Rocken spann,
Nachdenklich der Ritter sass.

Beatrix hat ein Zünglein spitz
Und Nägel lang und scharf. -
Wie sehnt sich der nach dem Wirthshaussitz,
Der nicht in's Wirthshaus darf!

Horch! Kampfgeschrei und Wiederhall
In Frau Beatrix Haus.
Es fliegt der Ritter Knall und Fall
Zerkratzt zur Thür hinaus.


Vierte und letzte Aventiure
Und wieder sitzt beim Schwanenwirth
Der Held vom heiligen Gral,
Und auf dem Steintisch klappt und klirrt
Sein grosser Stammpokal.

So oft derselbe ward gefüllt,
So oft auch trank ihn aus
Tiefernst das hohe Heldenbild
Und ging nicht mehr nach Haus.

Beatrix klagte: "Hin ist hin!"
Und ihre Hände rang. -
Hie schliesst vom Ritter Lohengrin
Der düstre Heldensang.
(S. 39-41)
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Heinrich Frauenlob

Ein Sänger war vor Zeiten,
Der zarte Lieder wob.
Er thät zum Klag der Saiten
Für Frauentugend streiten.
Drum hiess er Frauenlob.

Und als im Sterbekleide
Im Sarg er lag zu Mainz,
Vor Weh und Herzeleide
Laut klagten Frauen und Maide
Am Uferland des Rheins.

Die edlen Frauen senkten
In's Grab ihn selber ein,
Den Sarg sie ihm besprengten,
Die schwarzen Schollen sie tränkten
Mit Rüdersheimer Wein.

Ihr meiner Augen Weide
In Zöpfen blond und braun,
Ihr meines Herzens Freude,
Ihr morgenschönen Maide,
Ihr minniglichen Frau'n!

Soll eure Huld mich laben,
Macht's nicht wie die zu Mainz.
Ob Mägdlein oder Knaben
Den todten Leib begraben,
Das ist mir alles eins.

Giesst nicht den Saft der Reben
Auf's Grab dem stillen Mann;
Kredenzt ihn mir im Leben,
So will ich die holden Heben
Lobsingen, solang ich kann.
(S. 63-64)
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Sehnsucht

Nun sind der Tage schon sieben vorbei,
Seitdem ich zuletzt sie gesehen.
Wie die hungernde Katze den heissen Brei,
Umschleich' ich ihr Haus auf den Zehen.

Verhüllt ist ihr Fenster bei Tag und bei Nacht,
Verriegelt ist Thor und Pforte,
Und drinnen die keifende Muhme wacht,
Wie Fafner bei seinem Horte.

Geduld! Bald kommt die Walpurgisnacht,
Wo die Hexen treiben ihr Wesen;
Dann öffnet die Muhme das Fenster sacht
Und reitet hinaus auf dem Besen.

Zum Bloxberg fliegt sie wie Wirbelwind,
Wo Teufel und Truden tosen,
Und während die Alte den Satan minnt,
Wird mich ein Engelein kosen.
(S. 75)
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Horch auf du träumender Tannenforst

Horch auf, du träumender Tannenforst,
Horcht auf, ihr blühenden Hecken,
Du Specht am Stamm, du Falk im Horst,
Ihr Rehe in euren Verstecken,
Du grüne Eidechs auf dem Stein,
Du Eichhorn in den Zweigen:
Das schönste Mädel Land aus Land ein,
Das gab sich mir zu eigen.

Der Eine brachte ihr Blumen dar
Mit seidenen Bändern umschlungen,
Ein Anderer Steine und Perlen gar,
Ein Dritter hat sie besungen.
Da kam ein fahrender Gesell,
Nicht hat er Geschmeide geboten,
Er hat ihr geschaut in die Aeugelein hell
Und geküsst ihre Lippen, die rothen.

Erst hat sie geweint, dann hat sie gedroht,
Am Ende mich fest umschlungen;
Es hat der sehnenden Minne Noth
Ihr Herz zu meinem gezwungen.
Und wäre des Reiches Herrlichkeit
Vom Kaiser als Tausch mir beschieden,
Ich spräche: Herr Kaiser, Ihr thut mir leid,
Geht weiter Herr Kaiser in Frieden.

Nun rausche lauter, du Wasserfall,
Stimm' ein in meine Freude,
Schwingt eure Glocken und Glöckchen all'
Ihr bunten Blumen der Haide,
Singt eure schönsten Melodein,
Ihr Finken auf den Zweigen.
Das schönste Mädel Land aus Land ein,
Das gab sich mir zu eigen.
(S. 76-77)
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Reue

Schwer die Brust von Reu' und Herzeleide,
Zieht ein Knabe durch die grüne Haide.

"Sonne lichte Sonne," spricht er flehend,
"Alles wissend bist du, alles sehend;

Gieb mir Kunde von der Magd, der blassen,
Die ich einst am Quell im Wald verlassen."

Sonne spricht: "Ich sah auf meinem Gange
Manch verlass'nes Weib mit bleicher Wange,

Aber die du liessest grambeladen,
Sah ich nicht von meinen lichten Pfaden."

Als der Mond erscheint zur Abendstunde,
Fragt der Knabe auch den Mond um Kunde:

"Sahst du nicht von deiner Himmelshöhe
Jene Eine, die ich liess im Wehe?"

Spricht der Mond: "Wohl sah ich manches arme
Weib gequält von übergrossem Harme,

Aber jene, die du einst betrogen,
Sah ich nicht von meinem Himmelsbogen."

Leis im Grase flüstern zwei Narzissen:
"Weder Mond noch Sonne kann es wissen,

Wo sein blasses Liebchen ist zu finden,
Doch wir Blumen könnten's wohl ihm künden,

Die wir in der Erde uns verbergen,
Bis der Lenz uns weckt aus unsren Särgen."
(S. 80-81)
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Liebchens Garten

Sind die Mauern noch so hoch,
Noch so steil die Zinnen,
Liebe überspringt sie doch -
Schwupp! Schon bin ich drinnen.
Durch den Garten wie ein Dieb
Schleich' ich auf den Zehen.
Möchte meine stille Lieb
Heimlich einmal sehen.

Veilchen, Primel, Tausendschön
Bei einander wohnen,
Neben Hyacinthen stehn
Stolze Kaiserkronen;
Buchsbaum und Vergissmeinnicht
Schmückt der Beete Ränder,
Feuerbohn' und Winde flicht
Grün sich um's Geländer.

Summend um das Blüthenreis
Goldne Käfer schwirren,
Taub' und Tauber schleierweiss
Schnäbbeln sich und girren,
Schwalbenschwanz und Pfauenaug
Blüthenhonig trinken,
Lustig im Hollunderstrauch
Singen bunte Finken.

Wo der Stumpf der Eiche steht,
Ist ihr Lieblingsplätzchen,
Doch ich komme heut zu spät,
Finde nicht mein Schätzchen.
Aber auf des Tischleins Mitt'
Unter'm blauen Flieder
Lag ein Band mit goldnem Schnitt:
Heines Buch der Lieder.

Bald darauf ich Abschied nahm
Durch die Welt zu wandern;
Als ich endlich wieder kam,
War sie eines Andern.
Ehrsam durch das Gartenthor
Bin ich eingetreten,
Fand statt buntem Blumenflor
Grünzeug auf den Beeten.

Gurke, Rübe und Spinat,
Kürbis und Melonen,
Erbsenschoten, Kopfsalat,
Blumenkohl und Bohnen,
Fenchel, Dill und Salbei auch,
Petersilg' und Kümmel,
Zwiebel, Sellerie und Lauch
Dufteten zum Himmel.

Um die Körbe sonder Ruh'
Summend schwärmt die Imme,
Aus dem Stall die sanfte Kuh
Ruft mit tiefer Stimme;
Zarte Ferkel quieken fein
Hinter ihren Gattern,
Bunte Hühner gackern drein,
Und die Gänse schnattern.

Suchend wand ich mich durch Kraut,
Kohl und Runkelrübe,
Hab' vergebens ausgeschaut
Nach der Jugendliebe.
Aber auf dem Eichenstumpf,
Ihrem Lieblingseckchen,
Lag ein angefangner Strumpf
Und ein Kinderjäckchen.
(S. 87-89)
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Frau Weisheit und Frau Minne

Den Wanderstab zur Hand ich nahm
Die weite Welt zu schauen,
Und als ich an den Kreuzweg kam,
Begrüssten mich zwei Frauen,
Die eine ernst, im Faltenrock,
Die andre Rosen im Gelock,
Wie Schmetterling und Spinne:
Frau Weisheit und Frau Minne.

Sie winkten beide mit der Hand
Und beide sprachen: "Wähle!"
Ich sah nach rechts, nach links und stand
Mit Zweifel in der Seele.
"Lasst mich's bedenken unterwegs.
Die Wahl ist schwer; ich überleg's,
Durch wen ich mehr gewinne,
Durch Weisheit oder Minne.

Ich zog den ganzen Sommertag
Durch Wiesen, Wälder, Haiden.
Die Wahl mir schwer im Herzen lag,
Nicht konnt' ich mich entscheiden.
Am Ende kam ich an ein Haus,
Da hing ein grüner Busch heraus.
Beim Weine fand ich drinne
Frau Weisheit und Frau Minne.
(S. 108-109)
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Märzenwind

Kühl war die Märzenluft, heiss war mein Blut.
Wind kam geflogen und nahm mir den Hut.

Ueber den Gartenzaun ward er geweht.
Dort hat gefangen ihn Nachbars Margreth,

Hat ihm die Erde geblasen vom Rand
Und ihm ein Veilchen gesteckt unter's Band,

Warf ihn herüber mir ohne ein Wort.
Als ich ihr danken wollt', war sie schon fort.

Nun musst ich täglich am Gartenzaun steh'n,
Wart' auf den Wind, doch der Wind will nicht weh'n.

Gretchen auch schau' ich durchs Gartenstacket,
Aber nicht einmal den Blondkopf sie dreht.

Hilft mir der Wind nicht, so werf ich hinein
Selber den Hut ihr und steig' hinterdrein.
(S. 113-114)
_____



Der Liebesbrief

Wie lieb' du mir, wie gut ich dir,
Ich möcht' es gern dir schreiben,
Doch eh' ich schreibe auf Papier,
Viel lieber lass' ich's bleiben.

Da geh' ich in mein Gartenland
Und mustre Beet um Beet.
Bei Tulipan und Amaranth
Die weisse Lilie steht.
"Frau Lilie, deine Blätter gieb!"
"Für wen?" - "Ei, für mein trautes Lieb."
Die Lilie thut sich neigen,
Die Blättlein sind mein eigen.

Du hältst mein Herz in enger Haft,
Ich möcht' es gern dir schreiben,
Doch nicht mit schwarzem Tintensaft,
Viel lieber lass' ich's bleiben.

Da schau' ich, wo auf nassem Feld
Der Regenbogen ruht,
Und hab' ich ihn, so wird gestellt
Darunter flugs der Hut.
"Von deinen Sonnenfarben gieb!"
"Für wen?" - "Ei, für mein trautes Lieb."
Da träufelt ohne Ende
Die bunte Farbenspende.

Ich denke dein, mein Herzgespiel,
Und möcht' es gern dir schreiben,
Doch nicht mit schnödem Gänsekiel,
Viel lieber lass' ich's bleiben.

Da geh' ich an das Himmelsthor -
Der Weg ist freilich weit -
Und lange mir ein Englein vor,
Ob's zappelt auch und schreit.
"Ach Englein, eine Feder gieb!"
"Für wen?" - "Ei, für mein trautes Lieb."
Da hört es auf zu hupfen
Und lässt sich willig rupfen.
(S. 129-131)
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Tristan und Isolde

Ein Schiff durchpflügt der Wogen Schwall,
Sie glänzen im Sonnengolde,
Herr Tristan führt nach Kornewal
Die Königsbraut Isolde.

Das Schifflein schwankt, es rauscht der Kiel,
Es wehen Isoldens Locken.
Held Tristan singt zum Saitenspiel,
Da wird ihm die Kehle trocken.

Isolde schickt um Malvasier,
Sie bringen eine Flasche.
Held Tristan holt den Pfropfenzieh'r
Bedächtig aus der Tasche.

Der Stöpsel springt, der Trank ist klar,
Sie trinken allebeide. -
Das ward dem unglücksel'gen Paar
Zu grossem Herzeleide.

Vom zauberkräftigen Minnetrank
Ihre Herzen begannen zu brennen,
Sie wurden beide minnekrank
Und konnten sich nicht mehr trennen.

Sie wurden des Kosens nimmer satt,
Sie starben an ihrem Lieben. -
Von Strassburg Meister Gottfried hat
Die Mär' ausführlich beschrieben.

Ich aber schreibe die Schlussmoral
Gewärtig eueres Dankes:
Nimm, Dürstender, nie zu leicht die Wahl
Des Labung spendenden Trankes!
(S. 145-146)
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Vogelfang

Man fängt die Vögel gross und klein
Am besten an der Tränke;
Mich fing der Wirthin Töchterlein
Beim Weinkrug in der Schenke.

Es war das Netz, das mich bedroht,
Gezwirnt aus blonden Strähnen,
Lockspeise war ein Mündlein roth
Mit schimmernd weissen Zähnen.

Sie hält mich fest, lässt mich nicht heim;
Ich lass' es gern geschehen. -
Es giebt auch Vögel, die auf den Leim
Aus freien Stücken gehen.

Manch einer ist auch unverhofft
Dem Käfig wieder entgangen. -
Zu halten ist weit schwerer oft
Der Vogel als zu fangen.
(S. 165-166)
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Das Zauberschloss

Mein Herz ist voller Sonnenschein,
Mein Aug' ist lauter Glanz;
Heut mag ein andrer Schreiber sein,
Heut nehm' ich mir Vakanz.
Hervor zu lust'ger Reise
Mein graues Streitgewand!
Ich will nach Reckenweise
Durchstreifen das grüne Land.

Wo mag das Abenteuer sein,
Das meinem Sinn behagt?
Im Wald soll's nicht geheuer sein,
Die Muhme hat's gesagt.
Da hausen Kauz und Eule,
Und Drachen hegt das Moor.
Ich schneide mir eine Keule
Und dringe muthig vor.

Durch Sträucher brech' ich mir die Bahn,
Geknickt wird mancher Spross.
Der Wald wird licht, ich halte an
Vor einem Zauberschloss.
Fest fass' ich mein Gewaffen
Und schreite durch's Bogenthor.
Da stürzt mit wüthendem Klaffen
Ein Ungethüm hervor.

Das ist ein Lindwurm ganz gewiss,
Ein Drach von Fafners Brut;
Er fletscht sein fürchterlich Gebiss
Und lechtzt nach meinem Blut.
Doch wie ich lock' und pfeife,
Da streckt er lang sich aus
Und wedelt mit dem Schweife
Und kriecht in's Lindwurmhaus.

Jetzt kommt's heran, es hallt ein Schritt,
Die Stiege ächtzt und knarrt;
Ein Riese aus dem Hause tritt
Mit breitem, rothem Bart.
Er ruft mit lautem Schalle:
"Du kommst zu rechter Zeit;
Herein in meine Halle,
Herein zu Kampf und Streit!"

Und in des Riesen Saal beginnt
Das Kampfspiel ungesäumt.
Steinkrüge unsre Waffen sind,
Darin es wallt und schäumt.
Das Streiten dauert Stunden,
Und Keiner weicht noch siegt,
Bis endlich überwunden
Der Ries am Boden liegt.

Und weiter schreit' ich hoch erregt,
Bis ich ein Gärtlein find'.
Dort ruht von Rosen rings umhegt
Des Riesen schönes Kind.
Die Stirn umflattert lose
Gelock von goldnem Schein.
Das ist die Dornenrose,
Die will entzaubert sein.

Und sind die Rosen noch so dicht,
Ich breche durch im Nu,
Und wenn ein Dorn mich blutig sticht,
Der Stich heilt wieder zu,
Ich neige sacht mich nieder
Auf ihre Lippen warm,
Sie hebt die Augenlider
Und schlingt um mich den Arm.
(S. 167-169)
_____



Wirthstöchterlein

Und wärst du, Traute, ein Engelein
Und hättest Flügel bekommen
Und trügest um's Haupt einen Heiligenschein,
Dann ginge ich unter die Frommen,
Dann läs' ich täglich mein Brevier
Bei Orgel und Glockengebimmel,
Auf dass Sanct Peter mich zu dir
Einliesse in den Himmel.

Und wärst du, Traute, ein Teufelein
Mit Hörnchen unter den Haaren,
Dem Bösen verschrieb' ich die Seele mein
Und thät' in die Hölle fahren.
Dann glitten wir über den Feuersee
Im sänftlich schaukelnden Kahne
Und tränken duftigen Schwefelthee
Mit des Teufelswürdiger Ahne.

Du bist kein Engel im Glorienschein,
Du bist keine Teufelinne,
Du hast als Evas Töchterlein
Die glückliche Mitte inne.
Zur Hölle nicht noch himmelwärts
Ich meine Schritte lenke;
Der Wirthin Kind besitzt mein Herz,
Mein Weg geht nach der Schenke.
(S. 170-171)
_____



Minnedank

Sommernacht war heiss und schwül,
Schlaflos lag ich auf dem Pfül,
Dachte an meine Traute.
Was ich dachte, ward Gedicht,
Und beim ersten Morgenlicht
Sang ich's schon zur Laute.

Thau an allen Blättern hing,
Vor der Liebsten Haus ich ging
Auf bekannten Wegen.
Wie ich meine Laute stimm'
Leise, leise, zimzerlim,
Thut sich der Vorhang regen.

In die Höh' mein Singen dringt
Gleich der Lerche, wenn sie schwingt
Aufwärts ihr Gefieder.
Fensterlein wird aufgethan,
Und ein Arm wie Marzipan
Wirft mir ein Röslein nieder.

Klappt ein Röslein denn so laut?
Weh, was hat mein Aug' erschaut!
Einen Kupferdreier.
Träf' ein Wetterstrahl mich gleich,
Schlüg' er mich mit einem Streich
Bis in's Erdenfeuer!

Fällt kein Blitz vom Himmel nicht,
Und der Sonne Rundgesicht
Lacht durch Wolkenstreifen,
Auf dem Wetterhahn vom Blech,
Sitzt ein Sperling breit und frech,
Thut ein Spottlied pfeifen.
(S. 183-184)
_____



Liebchen

Liebchen heut in Gesellschaft geht,
Zeigt sich in raschelnder Seide,
Fragt mich, wie ihr das Hütchen steht
Und die Schleppe am Kleide.

Wie ich die schlanke Jugendgestalt
Mustre mit prüfenden Blicken,
Rieselt ein Schauer mir eisig kalt
Plötzlich hinunter den Rücken.

Alles vom Stiefelchen bis zum Hut
Sitzt dir wie angegossen,
Aber wieviel unschuldiges Blut
Ist um dich, Theure, geflossen!

Seidenwürmer wohl tausend und mehr
Mussten ihr Leben lassen
Für den Stoff, den du hinter dir her
Schleppst durch die staubigen Gassen.

Für dein zierliches Stiefelpaar
Musste ein Kälbchen verenden,
Und Hermelin ein Dutzend gar
Mussten die Fellchen dir spenden.

Deine Handschuhe glatt und weich
Gab dir ein blöckendes Lämmlein,
Und die Schildkröt' im kühlen Teich
Lieferte dir das Kämmlein.

Walfisch schwamm im eisigen Meer
Fröhlich hin und wider.
Stirb und gieb dein Fischbein her!
Liebchen braucht es für's Mieder.

Pfeilgetroffen ein Elephant
Musste im Urwald erblassen.
Hat für den Fächer in deiner Hand
Leben und Zähne gelassen.

Sterbend gab dir der Wüstenstrauss
Wallende Federn als Steuer. -
Trinke auch mir die Seele aus,
Reizendes Ungeheuer!
(S. 186-187)
_____


Aus: Lieder eines fahrenden Gesellen
von Rudolf Baumbach
Vierte Auflage Leipzig
Verlag von A. G. Liebeskind 1882

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Baumbach



 

 


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