Lisa Baumfeld (1877-1897) - Liebesgedichte

Lisa Baumfeld

 

Lisa Baumfeld
(1877-1897)



Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 





Von meiner Seele

An jenem Tag erschuf Er meine Seele -
Gewittersturm zerwühlte grell die Luft
Und Blitze rissen feuerhelle Pfade
Aus dumpfer Nacht in lichte Ewigkeit ...

An jenem Tag erschuf Er meine Seele
Und formte sie unendlich gross und schwer,
Liess Donnerstimmen brausend sie durchschüttern
Und kühne Blitze züngeln ätherwärts ...
Goss von des Morgens trunk'nen Sonnenflammen
Viel trunk'nes himmelklares Gold hinein -
Und auch den Duft von fremden, stillen Kelchen,
Und blasse Töne ... dämm'rig ... traumesweich ...
Dann hauchte Er ihr seinen Odem ein
Und sandte sie hinab ...
An jenem Tage,
Von Gottesodem, Gottesglanz geschwellt
Sank sie hinab auf gottesferne Erde
Und sank ... doch weh! da starrte ihr im Weg
Vielleicht ein Fels - vielleicht ein menschlich Wesen -
Da klirrte sie und stöhnte und zerriss -
Und von der grossen, sonnenschweren Seele
Ward mir ein kleiner wunder Theil geschenkt!
Ihr blieb die Ahnung weiter Lichtmyriaden
Und abgrundtiefes, banges Heimweh nur ...

Von jenem Donner blieb ihr ... dumpfes Grollen ...
Tiefdunkler, zornig ungestümer Trotz ...
Von jenem Blitz zuckt rastlos irres Flackern
Und kühnes Fragen, dem die Antwort fehlt.. .
Denn ach! der Einblick in die grosse Helle
Gieng mir verloren mit dem Seelenglied.

Und Sonne blieb als brennendes Verlangen
Und Durst nach allem, was da strahlend ist.
Daher das Stürmen - aufwärts - Gottberauscht -
Daher das Sinken, - flügellahm - verzweifelt ...

Drum grollt und stürmt und schmerzt die Seele mich
Und kalter Hochmuth presst um sie sein Gitter,
Dass niemand ahne, was darinnen gährt.

In ihrem tiefsten, nachtumflorten Grunde
Bebt etwas auch von jenem Blumenhauch ...
Ein flüchtig Düften ... flüchtig scheue Thränen
Und scheuer Durst nach Liebe ... Liebe ... Liebe!
So kindhaft weich, fromm, schmiegsam ... hingegeben
Geschloss'nen Aug's ... in Seele aufgelöst.

Ich fühl' das selten ... nur in Dämmerstunden
Bei Geigenklang, bei bangem Fliederduft ...
Da kommt ein weinend Wünschen über mich,
Nach meiner Seele losgeriss'nem Flügel,
Aus allen Fasern strömt ihm Heimweh nach,
Das alte Heimweh ... unfassbar und trostlos ...
(S. 3-4)
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Sehnsucht

"... Psyche, my soul." ... Edgar Poe

Du hast dereinst in heissen Stunden
Oft weinende, wünschende Sehnsucht empfunden,
Oft glühend begehrendes, drängendes Brennen,
Den ewigen Urquell des Seins zu erkennen
Und lichtgesättigt ... erkennend vergeh'n ...

Du hast oft dämm'rig verträumtes Weh'n
Und leises, lindlallendes Sehnen gefühlt
Nach mildem Balsam, der Wunden kühlt,
Nach schlummernder, stillender Friedensnacht ...

Dann wolltest du duftende, klingende Pracht
Und ewiger Schönheit berauschende Flut
Und ewiger Liebe beglückende Glut ...
Und immer hast du dich gesehnt und gequält
Nach dem Einzigen, Einen, das immer dir fehlt',
Und hast dereinst in heissen Stunden
Oft weinende, wünschende Sehnsucht empfunden ...

Das ist vorbei ... du bist so stille!
Verstummt all dein irrender, rastloser Wille,
Verstummt ist das alte, süss-traurige Lied,
Das dich so oft gequält, gemüht,
Und endlich magst du glücklich sein!

Doch meine Seele seufzet: - Nein,
Mir ist so eisig, eisig' kalt!
Ich wollt', sie käme wieder bald!
Das schmächtige, duftige, todkranke Weib,
Mit ewig verlangendem, bebendem Leib
Und ewig verlangenden, schmerzlichen Blicken ...
Denn Schmerz und Verlangen ist höchstes Entzücken ...
Und süsser Genuss sind todtraurige Lieder ...
Ich sehne, ich sehne nach Sehnsucht mich wieder!
(S. 8-9)
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Phantaisie d'Amour

... Du aber kennst mich nur, wenn ernst und bleich
mein Wesen ist gestimmt, harmonisch ... gleich ...
Und alles wird in mir: Gedanke, Seele ...

Ahnst du den Sturm, den ich dir scheu verhehle,
Und jene Glut, die in den Pulsen brennt,
Und die man zitternd, schaudernd nur erkennt ...?
Und aller Nerven krankes, heißes Beben ...
Den wilden Fieberdurst in mir nach Leben ...?
Ahnst du, welch toller Wahn mich oft umflirrt?

Sieh' nicht auf mich ... weil mich dein Blick verwirrt ...
Ich will dir beichten:
Oft in schwüler Nacht
Hab' ich ein fernes Märchenland erdacht,
Wo goldigblonde Sommerlüfte kosen
Und blasser Flieder blüht und purpurtrunk'ne Rosen,
Wo alles Klang und Farbe, Duft und Glanz
Und Elfenlied und leichter Elfentanz,
Und alle Brisen süß vom Blumenhauch geschwellt ...

Im Frühlingsschatten' grünlich matt erhellt,
Wo dämm'rig Klingen, dämm'rig Träumen webt,
Ein Elfenpaar sein Märchenleben lebt ...
Das Paar sind du und ich, in duft'gem Liebestraum ...
Vom Ast flockt rosenroth thaufeuchter Blütenschaum
In deine Locken ... weiche Frühlingsthränen ...
Und dir zu Füßen ich.
In traumhaft stillem Sehnen
Schau' ich empor und küsse dein Gewand.
Da legst du lächelnd deine weiße Hand
mir auf die Stirne ...
Laue Lüfte fächeln ...
Ich fühle nichts als dich - dich, dein geliebtes Lächeln ...
Und schau' dir tief und durstig in die Augen,
Um schauernd deine Seele einzusaugen ...
Ringsum ist Stille ... Erd' und Himmel lauscht ...
Da sink' ich an dein Herz, betäubt, berauscht,
Und häng' an dir mit schwerem, langem Kuß ...

Und alles rings versinkt, wird Flamme, Glut, Genuß ...
Ich weiß nichts mehr von mir ...
Fernher tönt leises Singen ...
Lass' mich in diesem Kuß ... vergeh'n ...
verglüh'n ... verklingen ...
(S. 10-11)
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Sünde

(Gemälde von Franz Stuck)
Allein die Sünde ist unendlich reich ...
(Loris)

... Ein weißes Weib lehnt in den dunklen Falten
Mit steinig weißen, grau'nhaft schönen Gliedern,
An die sich gleißend eine Schlange schmiegt ....
Mit bleichem, sündhaft schönem Antlitz ...

Aus seinen Zügen leuchtet, blaßroth schwellend,
Ein wundersüßer Mund, der vieles sagt,
Und lächelnd ... viel verschweigt ...
In ihrem Aug', dem trunk'nen, zaubertiefen,
Brennt sehnsuchtsfeucht ein Blick, der lockt und fängt
Und schmeichelnd kost und tödlich wundet
Und glühendheiß macht und den Sinn verwirrt ...

Wer bist du, seltsam Weib?
Was glüht in deinen Lippen?
Was rauscht sirenengleich
Aus deiner Augen Meer?

»Mein Name ist der älteste hienieden.
Ich bin im Hauch der starren Tuberose,
Der schweren, die in weißen Gluten brennt ...
Ich bin, wo tolle Rhytmen wirbeln
Und Menschen lachend sich dem Klang hingeben
Und sinnberauschet in den Tod sich wirbeln ...
In allem Dufte, der dich trunken macht
Und süß zu Tode küßt und duftet ...
Bin im Accord, der brausend dich durchflutet,
Und deine Seele streichelt und zerreißt,
Dich elend macht und doch unsagbar glücklich!

Mein Reich ist, wenn der silberweiße Mond
Sein schimmernd Gift in Erdenwunden hinweint,
Und Lieb' und Wahnsinn durch die Lüfte rasen ...
In blassen schönen Frau'n kannst du mich fühlen.
Ich weh' als Athem in des Mundes Gluten,
Ich zuck' in ihrer Hand, die dich erbeben macht ...
Ich bin im Duft der weichen Frauenhaare
Und hab' an ihrer Brust, der kalten, dich durchfröstelt
Und fiebre in dem Kuß, der dir das Herz versengt ...

Komm', komm' zu mir! Ich weiß ein schönes Märchen
Und weiß, dein Herz ist krank ... ich küsse dich gesund!
In meinem Arm ist seliges Verbluten ...
Komm', komm' zu mir! Ich weiß ein schönes Märchen ...
(S. 16-17)
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Parfum Tubéreuse

"Mon âme voltige sur les parfums ..." (Baudelaire)

Ich will aus schwerem Duft und Sünden
Ein süsses Zauberreich begründen.
Und tödten will ich Schmerz und Seele.
Und glücklich sein, wenn ich dich quäle!

Sieh', droben die zitternden, grausamen Sterne,
Die gähnende, schwindelnde, ewige Ferne,
Und alles, was oft mich durchgraut und umflirrt,
Und was die Gedanken zum Wahnsinn verwirrt -
Es will mich erfassen, durchfiebern, umkrallen...

O! lass' die Gardine, die rauschende, fallen!
Und lehn' dich so träg' an den weiten Kamin
Ge'nüber der Ottomane hin!
Ich will mich in die Seide schmiegen,
Den Kopf so müde seitwärts biegen,
Wie du es liebst ...

Zurückgelehnt.
Ganz still und schmerzlich süss versehnt,
Umhaucht von fliederheller Seide,
Umzuckt von flackerndem Geschmeide,
Berauscht von dem eig'nen berauschenden Leib ...
Ganz Schönheit und Lächeln ... und Märchen und Weib ...

Die Ampel webt ihren blassrothen Schein,
Das Feuer knistert so heimlich darein,
Aus all den zärtlichen Falten quillt
Ein lähmend süsser Hauch, und schwillt
Die rothe Luft ... so eng, so heiss ...

Du starrst mich trostlos an ... ich weiss!
Mein Duft, und wie ich oft gelacht,
Das hat dich so trostlos ... so elend gemacht!
(S. 18-19)
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Hellgrün

Das war ein fröstelnd banger Abend damals ...
In Hildgards Zimmer. Aus dem Steinkamin
Glitt röthlich Flackern über seid'ne Decken
Und Sammt und Schleifen ... Alles wellengrün,
Wie Wasser, das in Lunas Kuss vereiste,
So kühl und hell und herzlos wellengrün.

Am Sofa sie. In Falten reich und rauschend
Fiel schwermüthig' das weisse Kleid hinab
Und milde Perlen flossen durch die Haare -
Das mondscheinblonde, weiche Frauenhaar,
In dessen Netz ich mich verstrickt ... zu Tode -
Sie wusste, dass mich Perlen traurig machen,
Und darum trug sie Perlen ... Ihre Hand
Lag in dem grünen Schaum der leichten Spitzen,
So weiss und willenlos und todesmatt ...
Und in dem Glas die sterbenden Narcissen ...
Verbebend schwellten sie die blasse Luft,
Und dufteten so räthselhaft, so schauernd ...

Und da geschah's ... ich stürzte vor sie hin
Und sagte ihr - was die Narcissen hauchten ...
Und sagt' ihr alles ...
Hildgard blickte auf.
Ihr schönes Antlitz, schön und kalt wie immer;
Und ich zerquälte mich, die weissen Runen
In Hildgards Antlitz zu versteh'n, und schwieg
Und harrte zitternd ... Da durchklirrte gellend
Ihr silberweisses lautes Lachen mich ...

- "Was sagst du ... Glück und Liebe? weisst du noch nicht
Du thör'ger Knabe ... dass das Märchen sind?"
Dann ward sie still und fragte traurig leise:
"Und weisst du nicht, dass Hildgard niemals liebt,
Weil sie nicht lieben kann?" - Ich schluchzte grollend:
"Was lässt du mich zu deinen Füssen knie'n
Und glüh'n und bluten? ... weisst es doch schon lange -
Mein Gott - so lang!" ... Sie sah mich spöttisch an:

"Warum? Mon Dieu! Weil ich Narcissen liebe,
Und alles, was die lange Zeit betäubt!
Et pourquoi pas, mon Dieu, si cela m'amuse?!..."
(S. 25-26)
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Qualen

Sieh', ich verdurste! all mein Wesen lechzet
Nach deiner Seele, deinem tiefsten Selbst!
Du bist mir jetzt so quälend fern geworden!
Ich will mich fest in deine Seele saugen,
Ich will, ich muss all deine Thränen schlürfen,
Muss mich ertränken in dem fremden Ich.
Es drängt mich fiebernd aus mir selbst hinaus:
Der eig'nen Psyche aufgepeitschte Fluten
Will ich ... muss ich zu Füssen dir verbluten!
(S. 32)
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Sommertraum

Golddurchflammte Ätherwogen,
Schwerer Äste grüne Bogen,
Süss verwob'ne Träumerei'n ...
Sommer, deine warmen Farben,
Helle Blumen, gold'ne Garben
Leuchten mir ins Herz hinein ...

In dem Wald, dem dämm'rig düstern,
Hörst du's rauschen, lispeln, flüstern,
Elfenmärchen - Duft und Schaum ...?
Blumenkinder nicken leise,
Lauschen fromm der alten Weise
Von des Waldes Sommertraum ...

Und der See, der windumfächelt
Lallend plätschert, sonnig lächelt,
Netzt das Schilf aus lauem Born ...
Rosen blühen am Gelände,
Rosenglut, wo ich mich wende,
Und im Herzen tief ein Dorn ...
(S. 36)
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Sehnsuchtslied

Blass und klingend fiel die Sonne
In das morgenfeuchte Laubnetz ...
Aus den Ranken, blass und klingend,
Schwebte licht ein wehes Lied.

Sehnsuchtswirr und qualvoll zärtlich, ...
Ängstlich schauernd vor dem Leben,
Und mit tausend feinen Fasern
Durstig doch nach Leben lechzend ...
Durstig nach dem Ungelebten,
Das im weiten Liladuft liegt ...

Aus den Ranken, blass und klingend,
Schwebte licht ein weisses Wehlied,
Und es sang von einem Garten,
Den die Sonne schmeichelnd einspinnt, ...
Wo aus grossen Blumenkelchen
Dunkle Rosenträume aufblüh'n ...
... In der Ferne, kindisch kosend,
Plaudert eine liebe Spieluhr.
Über allem, liladuftig,
Webt ein weiter Sommerhimmel,
Und ein flüchtig süsses Hauchen ...
... Feuchter Flieder, weisse Rosen ...
Und von stiller, blonder Freude,
Und das Ungelebte, Liebe ...
Sehnsuchtswirr und qualvoll zärtlich
Klang das alte Lügenmärchen,
Und ich sog es ein, verdurstend,
Und ich weiss doch - niemals! niemals -
(S. 41)
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An den Meister

"Es war ein Räthsel an ihm ..." (Ibsen)

- - - sie haben oft vom Frühlingshauch gesungen,
Und von dem Blust, der allen Menschen blüht,
Und wohlverständlich war das Lied der Menge ...

Fernab, in Nordens meerumbraustem Eiland,
Träumt, abseits von dem Allerweltsgestade -
Ein einsamer Mann seines Lebens Gedicht.

Und die Menge hört seine seltsamen Worte
Und hört sie kopfschüttelnd und wandelt weiter
Und kann die Worte nicht versteh'n.

Denn die Rosen, die seiner Leier entblühen,
Sind bleiche, fremdartig brennende Blumen,
Die einen mit glutheiss beklemmendem Athem -
Durchleuchten, darchbeben, erzittern machen -
Halb dämm'rig bekannt und halb räthselhaft raunend.

Es ist die kranke, bleichbrennende Blume
Der kranken, bleichbrennenden Menschenseele;
Der Menschenseele süssschauriger Athem
Pulst glühend in seiner Dichtung Born ...

Und Töne erklingen darin, wie verträumtes,
Nur halb begriff'nes, wolkiges Sehnen,
Und schwellendes, blühroth lebendiges Leben,
Und tobender Zweifel nachtdüst're Dämonen -
Und wieder das ferne, verschleierte Säuseln ...

Und die Menge höret die seltsamen Worte,
Und hört sie kopfschüttelnd, und wandelt weiter
Und kann die Worte nicht versteh'n.

Denn über allem schwebt ewig das blaue,
Das weltendurchraunende, ewige Räthsel ...

Nur manchmal in der menschenreichen Wüste,
Zuckt' wo ein irres sehnsuchtsmüdes Herz,
Das jene Klänge aus des Meisters Leier
Heisshungrig einsaugt und erbebend fühlt,
Dass drin ein Echo seines tiefsten Selbst klingt ...

Erbebend fühlt es, wie um seine Wunden,
Um aller Menschheit ewig Wundenmal,
Der fremde Meister seine blasse Hand legt;
- 's ist eine feine, weiche, seid'ne Hand -
In ihrem Druck bebt Liebe, lauter Liebe ...
(S. 43-44)
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Frühling

In der Luft, der frühlingsfeuchten,
Blitzt ein jähes, blondes Leuchten.
Lichte Strahlen rieseln nieder,
Singend haucht der schwere Flieder
Meine Träume aus, die alten duftigen Träume ...

Durch die Zweige wühlt ein Sausen,
Gottberauschtes, wirres Brausen ...
Durch den Himmel hör' ich's rasen,
Und in freudigen Ekstasen
Flammen Kelche empor, viel trunk'ne, sonnige Kelche ...
(S. 45)
_____



Sommer

Nun flammt in gold'nen Fluten
Der trunk'ne Sommer durch die Luft,
Der Erde heisse, liebeswilde Gluten
Entbrennen hell in rothem Rosenduft ...

Nun weint in Nächten, lauen, fahlen,
Sehnsücht'ger Mond in bangem Zittergrase,
Nun ist die Zeit der tiefen, grossen Qualen,
Der hohen, schmerzlich wonnigen Ekstase ...

Nun ist die Zeit - wann kommst du wieder?
Wo sonst ein Sang mir durch die Seele schauert,
Wo man aus Blumenkelchen Lieder
Und Klänge schöpft, und gerne bebt und trauert ...

Ich wollt', dass mich ein Weh durchgraute,
Dass eine Thräne mir im Herzen glüht',
Und dass, wie sonst, draus eine schmerzbethaute
Tiefdunkle, glutverwirrte Rose blüht ...
(S. 46)
_____


Bitte

Du stiller, blauer Alpensee
Schenk' mir von deinem Frieden,
Ertränke du mein altes Weh,
Erfrisch' den Geist, den müden!

Ich möchte die Libelle sein,
Die schwebend auf dir ruht,
Ich möchte eine Welle sein
Aus deiner klaren Flut!

Sieh' mir ins blasse Angesicht -
Erfüll', was ich begehrt!
Sag' an, löscht all' dein Wasser nicht
Die Glut, die mich verzehrt? ...
(S. 47)
_____



Une page d'amour

Er liebte sie mit trunk'nem Lebensfieber ...
Er lechzte, aus dem weißen Feenleib
Ihr tiefstes Räthsel durstig einzusaugen ...
So liebte er, und seine Liebe war
Ein heidnisch Lied und duftete nach Rosen
Und feuchter Erde ...
Die er liebte, war
Ein schmächtig Weib mit märchenblauen Blicken,
Und bleicher Hand und dämm'rig blondem Haar,
Und lauter Duft, der blaß in Farben schimmert,
Und lauter Psyche war sie und Musik ...
Sie liebte ihn mit scheu erhob'nen Augen,
Mit schmerzlich tiefem, ungesproch'nem Drang
Zu Füßen ihm, die Seele zu verbluten,
Ihr Leben ihm und Blumen hinzustreu'n ...
In glückgeschwellter, betender Ekstase.

So liebte sie ... Und ihre Liebe war
Wie Glockenton und duftete nach Äther
Und Weihrauch ... Aber er verstand sie nicht.

Und endlich kam der Tag, der sie vereinte,
Und endlich kam die Nacht ...
Ein Junimond
Sah weit und sinnend in den schwülen Garten
Und perlte lichte Thränen in den Fluß,
Und weinte auch in den Akazienästen,
Die wirr entbrannt in weißen Phantasien.
Der heiße Mann stand nah' dem Flußgelände
Und preßte wild das weiße Weib an sich -
- Wie kalt du bist, mein schönes Weib!« -
"Mich fröstelt!" ...
- "O, hörst du nicht, wie lauer Abendwind
Mit jenen Zweigen kost? Er küßt die Blüten,
Sie flattern ihm zu Füßen, liebeschwer ...
Der Abendwind und jene Blüten lieben -
Wie du und ich!"
Sie schüttelt den Kopf:
- "Ich hör' ihn anders ... sieh' der Abendwind
Liebt all die weite Schöpfung, darum irret
Er ewig rastlos, darum sehnt er sich,
Der Schöpfung Märchenseele auszutrinken ...
In schauernd tiefer, unentweihter Liebe ...
Weil sie einander ewig Räthsel sind,
Wie du und ich!"
Doch er rief angstvoll, drohend:
"O, du bist krank! Bei dir ist die Natur
Zu wolkenfeinem Seelenhauch verflüchtigt!
Ich heil' das Leid. Komm', folge mir ins Haus!

Ich bin ein Mann mit athmend schnellen Pulsen,
Und ford're Mannesrecht ..." Sie zuckte auf,
Mit fremder Stimme flehend: "Eine Frage!"
- "Gewiß, du seltsam Weib. Bin ich es nicht,
Der alle Räthsel für dich lösen soll?"
Und zitternd frug sie: "Auch das große Räthsel
Der reinen Liebe, ewig unentweiht?"

Ihr Auge sprühte Geisterglanz ... ihm graute ...
"Und weißt du," frug sie, "daß es Liebe gibt,
Die nicht im Krampf der warmen Glieder glutet, -
Die himmlisch ist und Seel' an Seele zieht
In körperloser, ewiger Verschmelzung?"
Er sagte stammelnd: "Schönes, blasses Weib ...
Ich wollt' dich ja so gerne glücklich machen ..."
- Ein Jubelschrei ... sie faßte das Gelände -
"Mir nach, Geliebter! ..." Weh! Und sie verschwand.
Er stürzte nach, und beide sanken, sanken
In unentweihter, ewiger Umarmung ...

Rings wieder stille; leise wob die Nacht,
Der Mond goß lichte Perlen auf das Wasser,
Und sehnend trank der irre Abendwind
Der weiten Schöpfung ew'ge Märchenseele ... -
(S. 50-52)
_____


An ...

Um deine süße, grüne Seele
Ist mir so weh!
Daß ich sie dir im Frühling quäle
Mit Frost und Schnee.

Du Kind, das froh dem Sonnenleben
Entgegenblüht,
Mich hat das kranke Mondesweben
So bleich geglüht ...

Bleib' du! bleib' du an meiner Seite,
Mir ist so bang!
So lang, bis ich ins große Dunkel gleite!
- Vielleicht nicht lang -.
(S. 64)
_____

 

Alle Gedichte aus: Lisa Baumfeld Gedichte
Mit einem Vorwort von Ferdinand Gross
Wien 1900



Biographie:

Baumfeld, Frl. Lisa, Ps. Ewald Bergen u. Lizzy, geboren 27. April 1877 in Wien. Als einzige Tochter eines Dr. jur. (Bankdirektors) genoss sie eine sehr sorgfältige Erziehung und bekundete eine ausssergewöhnliche Begabung, besonders in den philologischen Fächern. Sie beherrschte die französische und englische Sprache mit seltener Vollkommenheit und schrieb schon in ihrem zwölften Jahre Gedichte, welche ein ungewöhnliches poetisches Talent bewiesen. Obwohl sie in dieser Richtung von ihren Angehörigen durchaus nicht ermuntert wurde, pflegte sie diese Begabung mit besonderer Vorliebe und wurden ihre Gedichte in den Jahren 1895 und 1896 in der "Gesellschaft" und in der "Wiener Mode" unter den obigen Pseudonymen veröffentlicht. Eine Sammlung ihrer Dichtungen soll demnächst in Wien in Druck erscheinen. Lisa Baumfeld starb in Wien am 3. Februar 1897, kaum 20 Jahre alt.

aus: Sophie Pataky Lexikon deutscher Frauen der Feder
Berlin 1898

siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lisa_Baumfeld



 

 


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