Adolf Bekk (1831-1906) - Liebesgedichte

 

 


Adolf Bekk
(1831-1906)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Winterabend

Hörst du das Feuer knirren?
Die Flammen kosen und girren
Und brennen zusammen in Liebe.

Ach wie so schön dich die Gluthen,
Mein prangendes Mädchen umfluthen!
Sie strahlen zurück wie die Liebe.

Hörst du den Pendel sich regen
In ebenmäßigen Schlägen,
Als wacht' er ob unserer Liebe?

Draußen rauscht's in den Föhren,
Daß Niemand vermöge zu hören
Das trauliche Schwätzen der Liebe.

Rüttelt es auch an den Thüren -
Der Sturm möchte selber verspüren
Den seligen Frühling der Liebe.

Sagt er's den trauernden Bäumen,
Dann mögen sie freudiger träumen
Von Mondmainächten der Liebe.
(S. 21-22)
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Im Walde

Ich weiß ein traulich Plätzchen
Im Buchenwalde tief,
Da fand ich jüngst mein Schätzchen,
Das sanft im Grünen schlief.

Es lag ihr Köpfchen holde
Auf weichem Pfühl von Moos,
Durch's Laub wie Regen von Golde
Der Sonnenschimmer floß.

Und funkelnde Lichter spielten
Um ihre Elfengestalt,
Und säuselnde Lüfte kühlten,
Und träumerisch rauschte der Wald.

Wohl glühten im Schlaf ihre Wangen,
Es wehte ihr Athem so heiß
Und flüsternde Worte klangen
Von ihren Lippen leis.

Ich lag auf den Knie'n, zu belauschen
Der Liebe Orakel im Traum,
Wie störte mich rings das Rauschen!
Zu athmen wagt' ich kaum.

Da rief ein Kuckuck helle,
So tückisch hell im Busch,
Auffuhr mein Liebchen schnelle,
Und war entfloh'n im Husch.

Ein Brünnlein sprang im Walde,
Es war ein dunkler Ort,
Dort trafen wir uns balde
Und tauschten Blick und Wort.

Ich hing an ihrem Munde,
Der Kuckuck rief im Laub -
Wir aber waren zur Stunde
Für alle Rufe taub. -
(S. 23-24)
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Arzt Amor

Der Sohn des reichsten Hirten lag
Damöt am Fieber krank,
Bereits nun in den vierten Tag
Verschmäht er Speis' und Trank.

Und als er, ach, zu sterben kam,
Wie schluchzt der Freunde Schaar!
Wie rast im allzu herben Gram
Der greisen Eltern Paar!

"Scheint denn die alte Sonne heut'?
Sind denn die Götter taub?
Noch in des Lebens Wonnezeit
Und schon des Herbstes Raub?"

"Damöt! Damöt! so weinen sie;
Was pocht da an die Thür?
Gewiß der Tod, so meinen sie, -
Ein And'rer tritt herfür.

Und tritt so fest und kecke auf,
Und streicht den grauen Bart,
Und blickt so steif zur Decke auf
Nach weiser Männer Art.

Ja wär' er nicht so zart und klein,
Fast wie ein Kind zu schau'n,
Und wär's nur um den Bart allein,
Man wich' ihm aus mit Grau'n.

Und als er nun Damöten nahm
So leise bei der Hand,
In's Antlitz welch Erröthen kam
In's Aug' dem welch ein Brand!

Er schien nicht länger krank zu sein,
Das war den Eltern lieb,
Ein blühend Mädchen, schlank und fein,
Arzt Amor ihm verschrieb. -

Wem hab' ich diese Mähr' erzählt?
Euch jung verliebtem Gelicht,
Daß ihr euch draus die Lehre schält:
Mit Liebe scherzet nicht.

Arzt Amor eurer Wunden lacht,
Er ist gar hoch gelehrt,
Und wen er nicht gesunden macht,
Den bringt er unter die Erd'.
(S. 27-29)
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Ich laß' Dich nicht

Ich laß' Dich nicht, o Du mein Fluch und Segen!
Die Wunde, die Du schlugst, ich will sie hegen
Und pflegen in der allzutreuen Brust,
Wenn noch so herb, der Schmerz um Dich ist Lust.

Ich laß' Dich nicht, du reizendes Verderben,
Mein Leben Du, um das ich möchte sterben!
Zu lieben Dich, Du unglückselig Glück,
Ist ja mein selig trauriges Geschick.

Ich laß' Dich nicht, Du allerschönste Lüge!
Ich fleh' Dich an: betrüge mich, betrüge!
Bei Deiner Seele Ruh' fleh' ich Dich an:
Daß Du mich liebst, zerstöre nicht den Wahn!

Ich laß' Dich nicht, du quälendste der Wonnen!
Und wärest Du zu tödten mich gesonnen,
Im finstern Grabe nicht, das glaube mir,
Ich fände meinen Frieden nur bei Dir.

Drum, wünschest Du kein hohl Gespenst zum Gatten,
In dessen Näh' die Pulse Dir ermatten,
Von dessen Kuß die Wange Dir erbleicht,
So liebe den, der Gluth um Gluth Dir reicht.

Sie sagen zwar, Du könntest nimmer lieben,
Dein Herz sei kalt und hart und unbeschrieben;
Ich aber wag's, zu schmieden noch dies Erz -
Am Herzen nur erweichet sich das Herz.
(S. 30-31)
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Am Himmel steht der Abendstern

Am Himmel steht der Abendstern,
Und stille wird es nah und fern;
Da denk ich Dein, Du stolze Zier,
Bei Dir, bei Dir
Wär' ich so gern!

Wohl hinter Ros' und Veigelein
In stiller Nacht mit Dir allein,
Herzlieber Schatz, Du reine Zier,
Mit Dir, mit Dir!
Ach könnt' es sein!

Nicht Geld und Gut steht mir zu Sinn,
Eine Krone wär' mir kein Gewinn,
Vielschöner Schatz, Du edle Zier,
Zu Dir, zu Dir
Nur zieht's mich hin.

Hüllt auch der Mond sein Angesicht,
Den Weg zu Dir verfehl' ich nicht,
Geliebter Schatz, Du helle Zier,
In Dir, in Dir
Ist all mein Licht.

Im Fliederbusch, da spielt der Wind;
Was tritt so leis? was pocht so lind?
Wach' auf, mein Schatz, Du holde Zier,
Zu Dir, zu Dir
Laß mich geschwind! - -

Nun gräm' Dich nicht zu sehr hinab!
Ich bleib' Dir treu bis über's Grab,
Herzeigner Schatz, Du meine Zier,
Von Dir, von Dir
Lass' ich nicht ab.
(S. 34-35)
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O Du, mein Paradies!

I.
Die Sterne sind erblichen,
Die Vöglein sind erwacht,
Ade du süße Nacht!
Nun heißt es fortgeschlichen
Und wie ein Dieb entwichen,
Mein traut Gespiel, gib Acht!
Die Vöglein sind erwacht.

Im Neste halb verborgen
Die junge Brut beginnt:
Wie ist die Lust so lind!
Wie ist so schön der Morgen!
Nun schlage dir die Sorgen,
Du allerschönstes Kind,
Nun schlag sie in den Wind.


II.
Ein Röslein wollt' ich brechen,
Das mir im Sinne lag,
Da griff ich in den Hag
Und thät mich blutig stechen.
Nun büß' ich mein Verbrechen -
Du gutes Röslein sag',
Wie ich mich heilen mag.

"Ein Tröpflein Thau geschwinde,
In süßer Morgenstund'
Geschlürft von meinem Mund,
Und eine Balsambinde
Aus meinen Blättern linde
Um deine heiße Wund',
Das machet dich gesund".


III.
Ja nimmer schrieb' ich's nieder,
Ob ich zehn Jahr' lang schrieb',
Wie ich mein Mädchen lieb'.
Die Sonne glänzt hernieder,
Der holde Lenz kam wieder -
Du schöne Welt vergib,
Daß ich dich minder lieb'!

Vergißmeinnicht die zarten,
Blau Veigelein so treu,
Dran ich mein Herz erfreu',
Die blühn in Liebchens Garten,
Auch Rosen aller Arten
Und Liljen keusch dabei -
O du mein schönster Mai!

Mein schönster Mai auf Erden,
O du mein Paradies,
Davon ich nimmer ließ'!
Und ob mir's Engel wehrten
Mit zornigen Geberden -
Ich pflücke Kirschlein süß,
Und Sünde wäre dies?
(S. 36-39)
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Lebwohl dem Liebchen

Lebwohl, lebwohl! es schlug die Stund',
Wo wir uns müssen Mund vom Mund
Und Herz vom Herzen kehren -
Laß rasch den Kelch uns leeren.

Wenn ich jetzt läg' im Sarge todt,
Du weintest Dir die Augen roth,
Zehn Tag und Einen drüber,
Dann wär' Dein Leid vorüber.

So denk', daß ich gestorben sei
Und gingst an meinem Grab vorbei,
Drauf stünde hell geschrieben:
Ich werde Dich immer lieben.

Und wenn Dich oft in Nächten still
Mein Angedenken ängsten will
Und tritt vor Deine Sinnen -
Was sollst Du dann beginnen?

Für meinen Geist, Du frommes Kind,
Der nirgend Rast und Ruhe find't,
Sollst Du, ich werd' es brauchen,
Ein Stoßgebetlein hauchen.
(S. 40-41)
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Ihr Bild

Sie hat euch so sanfte Traumäugelein
In dem seligen, süßen Gesicht -
Ihr Bildniß, das stellt in den Heiligenschein,
Und Sünder, verstockte, mit Herzen von Stein,
Bekehrt es zu Liebe und Pflicht.

Und als sie die Hand mir zum Scheiden gab
Und lächelt weinend dabei,
Ihr Köpfchen, das sank auf die Brust herab,
Mir war's, als müßt' ich in's finstere Grab
Zur schönsten Stunde im Mai.

Und wie sie mir dann, schon war ich im Geh'n,
Ihr Kreuzlein am Halse noch wies
Und blickte zum Himmel mit innigem Fleh'n,
Ja, da wußt' ich was Glaube an Wiederseh'n
Und ein Sterben, ein seliges, hieß'.
(S. 43)
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Heimweh

So fremd und verlassen, so traurig allein -
Mir tobte im Herzen der Sehnsucht Pein.

Am Fenster stand ich und blickte hinauf,
Und folgte der Wolken frei schwebendem Lauf.

Da wurden die Augen mir voller Naß,
Ich drückte die Stirne an's kühle Glas. -

Kling, kling, was pocht an die Scheibe so fein?
Grüß Gott, schwarzäugiges Vögelein!

"Grüß Gott, du armer, verlorener Mann!
Nun trockne die Thränen, der Lenz rückt an!"

"Es blühen die Veilchen, es blauet der See,
Es rinnen die Bächlein herab von der Höh'."

Schwarzäugiges Vöglein, doch hier zu Land?
"Du kennst ja die Wege, dich hält ja kein Band."

Ach könnt' ich - ach wär' ich ein Vöglein wie du!
"Dann flögst du der Heimat, der traulichen, zu."

Dort haben die Stürme das Nest mir zerschellt.
"So bau' dir ein neues, das besser hält."

Liebherziger Bote, Eins wüßt' ich gern -
"Sie blüht wie ein Röslein im Garten des Herrn."

Und hielt sie die Treue, und denkt sie an mich?
"Sie grüßt dich und küßt dich und wartet auf dich."

Schwarzäugiges Vöglein, dank deinem Bericht!
Doch daß du mich weinen sahst, plaud're nicht.
(S. 44-45)
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Die Braut des Todten

Wohl zwischen Leichensteinen
Ein junges Mädchen saß,
Die Augen roth von Weinen,
Das Busentüchlein naß.

"Mein Ehr' hab ich verloren,
Den Todten sei's geklagt!
Ein Leben ungeboren
An meinem Leben nagt."

"Ich wollt' ich läg' und schliefe
An meines Liebsten Seit'
Und schliefe fest und tiefe
In alle Ewigkeit." -

Schon zogen mit Geflimmer
Die Sternlein ihre Straß';
Im bleichen Geisterschimmer
Das kranke Mädchen saß.

Da dröhnt vom Kirchenthurme
Die bange Mitternacht,
Vorüber flirrt's im Sturme:
Die Todten sind erwacht.

"Wo bist du, Weib der Schmerzen?
Nun schließ' die Augen zu,
Ruh' aus an meinem Herzen,
Erquicklich ist die Ruh."

""War das nicht sein bewährter,
Sein lieber Schmeichellaut?
O komme, Langentbehrter!
Schon harret dein die Braut.""

""Ich seh' die Pforten springen,
Die Wände strahlen hell,
Ich hör' die Orgel klingen,
Der Priester ist zur Stell'.""

""Nun halte mir die Treue,
Nun gib mir das Geleit,
So mag ich ohne Reue
Dann ruh'n an deiner Seit'.""

Sie wand den Schmuck der Weihe
Statt Myrthen sich in's Haar,
Der Tod im Priesterkleide
Empfing sie am Altar.

Es kniete zu ihrer Rechten
Der schöne, bleiche Genoß;
Das Volk aus Grabesnächten
Durch die Kirche sich ergoß.

Sie hauchte froh beklommen
Ihr "Ja" - da war's vorbei:
Die Lichter all verglommen,
Verstummt die Orgelei.

Die Schatten, leise wallend,
Den Gräbern schritten zu,
Es klang ihr Lied verhallend:
Erquickend ist die Ruh.
(S. 76-78)
_____



Erinnerung

Vorbei, vorbei - November ist es wieder,
Der Regen rieselt an den Fenstern nieder
Und trauernd hier im einsamen Gemach
Sinn' ich dem Räthsel meines Lebens nach.

Was rührt sich da wie säuselndes Gefieder?
O sei gegrüßt, du Göttin sanfter Lieder,
Die oft mein dumpfes Brüten unterbrach,
Gegrüßt, Erinn'rung, unter diesem Dach!

Und sage mir, die dich so flammend schmückt,
Hat ferner Liebe Kuß der Freuden Rose
Glühend erweckt zu neuem Frühlingslose?

Was Wunder wird? - Ich fasse dich entzückt -
Bist du ein Bild, der Sehnsucht Traum entrückt?
Und fühlt mein Lieb jetzt, daß ich mit ihr kose?
(S. 119)
_____


Aus: Ranken Gedichte von Adolf Bekk
München 1862
E. A. Fleischmann's Buchhandlung

 


Biographie:

https://www.sn.at/wiki/Adolf_Bekk


 

 


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