Mathilde Berensmann (1851-?) - Liebesgedichte

 

 

Mathilde Berensmann
(1851-?)



O komm zu mir

Es rauschet in den grünen Zweigen,
So heimlich flüsternd, froh erregt,
Eröffnet ist der Frühlingsreigen,
Und überall klingts lustgewegt:
O komm zu mir, ich hab' dich lieb,
Vom Herzen lieb!

Die Nachtigall im duft'gen Flieder
Singt ihrer Klage süßes Lied,
Im meinem Herzen hallt es wider,
So sehnsuchtsvoll, so liebdurchglüht:
O komm zu mir, ich hab' dich lieb,
Vom Herzen lieb!

Ach, rings ist alles nur voll Hoffen,
Und Wonne schwellt so manche Brust,
Ruft sie vom höchsten Glück betroffen
Sich der Erfüllung froh bewußt:
O komm zu mir, ich hab' dich lieb,
Vom Herzen lieb!

Nur ich allein muß einsam stehen
Mit meinem Leid, mit meiner Lieb,
Im Winde wird mein Lied verwehen,
Das einzig mir von allem blieb:
O komm zu mir, ich hab' dich lieb,
Vom Herzen lieb!

Vergebens harr' ich süßer Kunde,
Es dringt kein Echo mir zurück,
Und ach, kein Wort aus teurem Munde
Verkündet mir ersehntes Glück:
O komm zu mir, ich hab' dich lieb,
Vom Herzen lieb!
(S. 21-22)

In Musik gesetzt von K. Kapeller, Breslau
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Ob dir's bewußt?

Ob dirs bewußt was mächtig mich durchglüht
Und mich vergessen läßt so manche Stunde
In Kummer zugebracht?
Ob dirs bewußt, was für dich knospt und blüht
Auf meines Herzens tiefgeheimsten Grunde,
Geweckt durch Zaubermacht?

Ob dirs bewußt, was mich im Traum umschwebt,
Am Tage füllt mir jeglichen Gedanken
Mit neuer Lebenslust?
Wonach mein Sehnen, meine Hoffnung strebt,
Was meinen Geist hebt über alle Schranken,
Ob dirs, ob dir bewußt?

Ach dir es einmal, einmal nur gesteh'n
Mit flehenden, mit gluterfüllten Worten,
Was mir beseelt die Brust;
Doch dann würd' ich's gewiß im Aug' dir seh'n,
Selbst wenn auch Thränen meinen Blick umflorten -
Wie dirs schon längst bewußt!
(S. 22)
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Gedichte aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888


Biographie:

Berensmann, Frl. Mathilde, Ps. Amber, Iserlohn, Bachstrasse 14, am 21. Februar 1851 in Iserlohn geboren, geriet durch den Tod des Vaters aus Wohlstand in bitterste Not. Ihren Plan, sich zur Lehrerin auszubilden, konnte sie erst nach schweren Prüfungsjahren als Haushälterin und Gesellschafterin während eines Engagements in England verwirklichen. Infolge geistiger und körperlicher Überanstrengung, da sie zum Studium nur über die Abend- und Nachtstunden verfügen konnte, kehrte sie krank an Leib und Seele in die Heimat zurück und fand ihre völlige Genesung in dem herrlichen Godesberg. Hier entstand manches Lied, auch fanden Novellen in verschiedenen Zeitschriften Aufnahme, wie z. B. im "Dichterheim", "Deutscher Dichterfreund", "Dresdener Frauenzeitung", "Von Haus zu Haus" u.a. Auch ein Opernlibretto "Der Schützling" hat sie geschrieben; von einem Dresdener Komponisten in Musik gesetzt, ist es erst kürzlich zur Aufführung eingereicht worden.

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
 

 

 


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