Hans Bethge (1876-1946) - Liebesgedichte



Hans Bethge
(1876-1946)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Hedda Maria

Haide

Erst fanden sich die  zögernden Hände,
Dann hat sich Mund auf Mund gefunden.
Du - nun haben die goldenen Stunden
Nimmer ein Ende.
In blühender Ferne
Sind wir allein,
Ich fühle nur Dich und den Schein
Der unendlichen Sterne.
Ich halte Dich fest umschlungen,
So schreiten wir sacht
Durch die Dämmerungen
Der beginnenden Nacht.
Sehnsüchtige Flammen
Verwirren uns Herz und Sinn,
O - nun wandern wir immer zusammen,
Meine Königin.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 15)

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In blassen Ländern . . .

In blassen Ländern, wo auf stolzen Höhen
Rotglänzende Burgen in die Freiheit ragen,
Möcht ich mit Dir im goldenen Lichte stehen
Und Dir die Märchen meiner Sehnsucht sagen.

Denn Du, ich weiss es, kannst es ganz verstehen,
Dies ewige Wünschen in die ewige Ferne.
O dürft ich mit Dir zu den Bergen gehen
Und lauschen auf die Lieder meiner Sterne.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 16)

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Abendsegen

Wir haben an üppig blühendem Kleefeld, ich und Du,
Umflossen vom letzten, lieblichen Sonnenschein,
Dicht beieinander in bräutlicher Sehnsucht gestanden.

Weisse Schwäne fuhren am Abendhimmel dem Süden zu.
Wir sahen ihnen nach, bis sie fern über dem Föhrenhain
Langsam in die sinkende Sonne verschwanden.

Dann lenkten wir schweigend durch der Wiesen dämmernde Ruh
Wieder in das Hasten der Menschen hinein.

Wie war das traurig und trübe. Wir gingen in Glanz allein,
Und unsere Herzen schwebten in blühenden Rosenlanden . . .

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 17)

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Sylter Strand

Sieh, nun haschen sich die Sterne
Leuchtend durch den ewigen Kreis;
Lieder, die kein Seher weiss,
Tauchen aus des Lebens Ferne.

Sieh, des Mondes Strahlen glühn
Silbern durch den bunten Reigen.
Unseres Glückes tiefes Schweigen
Ist wie dunkles Rosenblühn.

Silberlicht und Purpurflammen,
Und die Sehnsucht nicht gestillt.
Unsere Liebe lodert wild
Auf dem schönsten Stern zusammen.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 18)

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Auf Sylt

Die Rottgans schrie. Das Meer lag hüllenlos,
Und an den Dünen hing ein letzter Glanz
Der Himmelsröte, die den Tag beschloss.
Wir wanderten den Strand hinauf. Dein Haar
Trieb mit dem Winde. Aus der Brandung stieg
Ein raunend Lied, wie eine Sage schön.
Wir wanderten den Strand hinauf und stumm:
Nur unsere wundertiefe Liebe sprach
Manchmal ein Wörtlein, dass des Einen Hand
Sich fester in des Andern fügte ein
Oder die Augen tauschten einen Kuss.
Die Rottgans schrie. Das Meer lag hüllenlos,
Und an den Dünen hing ein letzter Glanz
Der Himmelröte, die den Tag beschloss.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 19)

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Clair de Lune

Siehe, nun steigt der silberne Mond
Hinter den blühenden Linden auf.
Lehne Dein Haupt an meine Brust,
Lass uns über den leuchtenden Strom
In die Gärten des Friedens gehn.

Siehe, nun sind wir zwei Selige ganz.
Wie uns der himmlische Schein umfliesst
Und die Herzen uns reicher macht,
Wandeln wir, ein goldener Traum,
Zu den Gärten des Friedens hin.

Fühl es, Geliebte: die schimmernde Nacht
Rührt mit lockendem Heimatklang
All unserer Sehnsucht Tiefen auf.
Süsse Geliebte, nun fürchte nichts mehr,
Siehe, das leuchtende Ziel ist da:
O - nun zieht unser ewiges Glück
In die Gärten des Friedens ein.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 20)

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Selige Stille

Weisst Du die Täler wo die roten Rosen
Der Liebe heimatliche Düfte streun?
Du sollst an meiner leitenden Hand, Geliebte,
Durch die Rosenfelder schreiten,
Dass ich Deinem zarten Haar
Einen Kranz von den glänzenden Blüten
Unter dem Licht der Sterne winde.

In unserer Kreise Stille soll kein Lärmen, Hedda
Des flüchtigen Tages dringen. Unsere Sterne
Sollen nur des tiefsten Lebens
Friedengewährende Freude strahlen.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 21)

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Zuversicht

Es will etwas zwischen uns treten,
Aber wir dulden es nicht.
Was wir nicht erbeten,
Das trifft uns nicht.

Es will etwas zwischen uns treten,
Aber wir fürchten nichts.
Der Morgen wird kommen und allen Beeten
Schenken die Gaben des Lichts.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 22)

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Ritornell

Vergissmeinnicht.
O die Sonne ist längst gegangen -
Warum fühl ich die Sterne nicht?


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 23)

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Am Strande

Am Strande war es, wo das letzte mal
Ich Deine Hand hielt. Kühl verging der Tag.
Wir sassen fern dem Leben. Vor uns sang
Das Wasser, und am Himmel schwamm das Gold
Der Dämmerung langsam in ein lichteres Reich.
Wir fühlten uns nur und des Abends Nahn
Und sprachen scheu und leise, wie man wohl
Vom letzten Tag verstorbener Mädchen spricht.
Zuweilen kam das Lachen hergeweht
Entfernter Menschen und zerflatterte.
Die Brandung stieg. Ich hatte Deine Hand
Das letzte mal.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 24)

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Trübe Zeit

Denn Du warst mehr als die Geliebte mir:
Du warst mir Licht des Tages und der Nacht
Und goldener Frühling und das Glück und Alles.

Was soll ich nun mit dieser dunkeln Welt,
Darin die Rosen in den Tod geblüht
Und in ein ewiges Grab der Frühling fuhr?
Ich bin ein Blinder diesem Sonnenlicht,
Und von den Bergen, die Ihr köstlich heisst,
Verlangt mich nieder in das graue Tal,
Wo meine Klage an dem Stein zerbricht
Und Eure Lieder meinen Schmerzen fern.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 25)

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Verschiedene Tage

Durch stille Dämmerung. Drauf durch verwegenes Licht.
Da fand ich Dich. Und einen wundervollen Tag
Durchmassen jubelnd wir in göttlichem Sonnenglanz.
Ein düsterer Abend aber sank auf unser Glück.
Die reichsten Blüten schwanden um uns in den Tod,
Und unsere jungen Herzen löschten zuckend aus.
Nun nah' ich fern von Dir dem grauen Ziele mich.
Bald werd ich ruhen, ruhen nach bewegter Fahrt.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 26)

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Wir zwei

Ich fühle: Du denkst jetzt an die Stunden,
Da wir auf unserem bleichen Strande schritten.
Du hast zwar längst Dein eigenes Ziel gefunden,
Aber dabei noch mehr als ich gelitten.
Ich weiss, dass Du Zeiten hast, wie jetzt eben,
Wo Dein Weinen sich nicht mehr beruhigen will:
Da könnte nur ich Dir den Frieden geben,
Aber ich treibe so tief im Leben
Und mache die Sehnsucht niemals still.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 27)

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Bei Sevilla

In dieser andalusischen Mondnacht denke ich nur
An Dich, die nun im Norden fremde Liebe fühlt.
Wie die Azalien blühn. Wie dort das Licht
In der Fontäne rauschende Perlen schiesst.
Die Rosen glühen. Mein Gardenienbusch
Steht wie ein duftgeborenes Märchen da.
Horch, aus Sevillas silbernen Gärten kommt
Guitarrenklang und Lachen; und der Fluss
Geht blinkend durch das Land, ein schöner Traum.

Was soll der Glanz und Schimmer um mich her?
In dieser andalusischen Mondnacht denke ich nur
An Dich, die nun im Norden fremde Liebe fühlt.
Zwei grosse Augen seh ich klagend auf mir ruhn.
Still. Kam da nicht ein Weinen aus der Nacht?


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 28)

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Die goldene Küste . . .

Die goldene Küste Deiner Mädchentage
Lag blütenbunt im Frühlingssonnenschein.
Da hiess ein böser Traum Dich meine Hand
Erfassen. Und ich führte Dich hinweg
Zu andern Gärten, wo der Herbst schon war,
Wo nur noch Astern auf den Beeten standen
Und keine Sonne in den Zweigen hing.
Nun weintest Du. Du warst den Glanz gewöhnt
Der ersten Rosen, die in meinem Reich
Schon angeblüht. Du sahst voll Schmerz zurück,
Und wie das Kind von seinen Märchen träumt,
So träumten Deine Augen von dem Glück,
Da Deine Sehnsucht noch den Sternen galt
Und meine Liebe Deinen Tagen fern.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 29)

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In Andalusien

Dies glaube, meine Königin:
Und wenn die schönsten Frauen lachen
Und ihre weissen Arme winken,
Und wenn die Sterne noch so blinken:
Sie können mich nicht selig machen.
Ich muss die Sehnsucht nordwärts lenken
In mein beschneites Heimatland,
Es kann mich nichts so sehr beschenken
Als wie das lächelnde Gedenken
An unsern toten Liebesstrand.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 30)

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Gunvor auf Haerö

Als Sonne noch in unseren Gärten lag,
Schenktest Du eines Tages mir dies Buch.
Nun grauer Himmel über mir sich wölbt,
Nehm ich es täglich vor, darin zu blättern,
Nicht seinetwegen - nein: um Deinen Blick
Daraus erstehn zu fühlen. Aber ach,
Je mehr ich lese, desto ferner rückt
Dein liebes Bild mir. Nun Dich nicht einmal
Dies Angedenken mehr zurückzurufen
Vermag: wie darf ich da noch hoffen,
Im Leben Dir noch einmal nah zu sein?

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 31)

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Komm, Geliebte . . .

Komm, Geliebte, zu unserem schimmernden Strande.
Siehe, in goldenen Strahlen liegt das Meer.
Über die Lande, über die blühenden Lande
Jubelt der Frühling. Aber mein Herz ist schwer.

Komm, Geliebte. Du, was bleibst Du so lange?
O ich hielt Deine Hände so lange nicht.
Sage, wem lacht Dein Mund? Mein Herz ist bange,
Und ich höre den Jubel des Frühlings nicht.

Komm, Geliebte. Lass die fröhlichen Andern.
Gieb Deine Lippen. Gieb Deine blasse Hand.
Durch die schimmernden Sterne lass uns wandern
Selig in ein seliges Rosenland.

Liebste, der Frühling ist da . . .

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 32)

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Erinnerung

Ich fühle noch das Glück auf Deinen Lippen
Erblühn und ganz mein eigen werden, da
Weit aus der Welt im abendlichen Hain
Das erste mal die Liebe uns umfing.
Denkst Du noch an den Platz? Die Sonne stand
Verglühend hinter einem braunen Feld,
Die Wiesen dufteten, weit um uns her
Grünte der Wald, und aus den Zweigen kam
Ein leises Flüstern, das der Abend war.
Du hattest Dich so eng in meinen Arm
Gelegt, dass ich das Atmen Deiner Brust
Und Deines jungen Herzens Schlag vernahm.
Dein Augenpaar, das so viel Glanz verbarg,
Hatte das Glück Dir lächelnd zugeschlossen,
Und niemals, niemals konnt es möglich sein,
So wähnten wir, dass dieser Traum verflog . . .

Sprich: Denkst Du noch in Deinem neuen Glück
Zuweilen meiner und der Stunde, da
Weit aus der Welt im abendlichen Hain
Das erste mal die Liebe uns umfing?

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 33)

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Ohne Trost

Wohin Du Deine weissen Hände legtest,
Da blühten Rosen auf. Wem Deine Lippen
Einmal gelacht, der wandert durch die Welt
Gesegnet, denn der Zauber jener Stunde
Kann seinen Tagen niemals ganz vergehn.
Wem aber, so wie mir, Dein ganzes Sehnen
Und Deine ganze Liebe ward zu teil,
Der weiss, da Alles nun in Nacht versank,
Nicht mehr, was er mit dieses Lebens Gaben
Und ihrer ewigen Qual beginnen soll.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 34)

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Dort oben . . .

Dort wo die Sonne mit dem Nebel kämpft,
Liegt unsere Heimat. Du, Geliebte, bliebst
Ihr treu: doch nicht mit mir. Sinne nicht mehr
Den Tagen nach, die uns auf ewig tot,
Und wein' nicht mehr. Doch wenn der Herbst sich naht
Und Deine grossen, stillen Augen sehn
Den Nebel greifen übers kahle Feld,
Und Du bist einsam und dem Leben fern -
Dann denk an mich und auch an jenen Mai,
Da ich Dir Rosen in das Goldhaar flocht
Und Du nicht glauben wolltest, dass das Glück
So kurz nur sei wie einer Rose blühn.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 35)

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Mein Wunsch

In einem abendlichen Garten
Möcht ich Dein Lächeln wiedersehn.
Dann wollen wir den Mond erwarten
Und durch den hold erblühten Garten
Zum Hügel unserer Träume gehn.

Dann will ich Deine Hände fassen
Und Dich im tiefsten Seligsein
All meine Sehnsucht fühlen lassen
Und bis die letzten Sterne blassen
Ganz in dem alten Wunder sein.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 36)

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Cuando yo me esté muriendo

Wenn einst die letzte Stunde mir verblüht -
Komm dann zu mir und setze Dich an mein Kissen,
Meine verlorene Königin;
Gieb Deinen Blick mir,
Und lege Deine weisse Hand
Sanft mir auf die Stirne:
So werde ich mit Lächeln in die
Silbernen Gärten hinüberschlafen -
Oder das blühende Leben haben.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 37)

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Lolita

Sardanola
Catalonien

Über den Wäldern steigt der Mond heraus.
Von jenen Höhern strahlt sein Licht schon wieder.
Nun greift es tiefer in das Tal hernieder
Und trifft auch mein geliebtes Haus.

Das Dach erglänzt. Ich seh den Giebel blinken.
Und hinter jenem Fenster schlummert Sie.
Mir ist, als fühl ich ihre Sehnsucht winken.
Ein Stern geht auf. Die letzten Nebel sinken.
In solcher Schönheit lag mein Haus noch nie.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 71)

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Stimmung

Wir lagen ganz still,
Dein Herz nur
Schlug leise, leise,
Und Deines Atems Hauch
Traf meine selige Stirn.
Und einmal, weiss ich:
Als der Nachtwind
Ans Fenster stiess,
Schlich ein Schauern
Durch Deinen Leib,
Und ein verlorenes Wort
Zwischen den Lippen träumend,
Schlangest Du
Deine weichen Arme
Enger noch um mich,
Meine Geliebte.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 72)

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Vallvidrera

Wie sich die Pinien in das stille Tal,
Von goldenem Glanz begossen, niedersenken.
Am Fels verglüht der letzte Sonnenstrahl.
Lass uns, Lolita, an die Heimkehr denken.

Winde den Schleier Dir fester ins Haar,
Gleich werden die Lüfte kühler wehen.
Wo erst der Glanz der Sonne war,
Da werden wir im tiefsten Schatten gehen.

O Lola mia, meine navarrische Braut.
Wie strahlen Deine Augen. Wie ist Dein Haar
Heilig in meiner Hand. So wunderbar
Hatte ich nie eine Braut.

Die Nacht kommt schnell in Deiner Heimat Zonen.
Dort in die Täler lass uns niedersteigen,
Die nun schon lichtlos sind. Vor unserer Sehnsucht Kronen
Wollen wir uns in Demut neigen,
Dann aber ewig bei den Sternen wohnen.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 73)

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Perlen

Heute Morgen
Fand ich am Strande
Zwei weisse Perlen.
Nun möchte ich wissen:
Stammen sie
Aus den Wogen des Meeres,
Oder hast
Im silbernen Mondlicht
Du sie geweint,
Meine Geliebte.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 74)

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Über Nacht

Abends bin ich seliger Knabe,
Und am Morgen bin ich müd und still.
Was ich sehnend in mir habe
Und dem Tag bewahren will:
Unter Deiner Lippen Gluten
Und dem Kosen Deiner Hände
Muss es sich zu Tode bluten,
Und die Nacht steht voller Brände.
Und Dein Aug ist nichts als Glänzen,
Und Du küsst mich fast zu Tod,
Und in müden Rosenkränzen,
Stillen, müden Rosenkränzen
Findet uns das Morgenrot . . .

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 75)

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Glück

Siehe, Geliebte: über die Täler
Hebt sich nun der goldene Glanz
Unseres ersten Sternes auf.

Hörst Du die Wasser an das Gestade
Drüben hinter den Bergen gehn?
Dort, wo ferne der Tag verschwand,

Fuhren wir trauernd über den Tiefen
Und ersehnten die Stunde so,
Da des Himmels lieblichster Stern

Unserer Liebe,
Unserer Liebe

Wundertätige Krone sei.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 76)

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Maiabend

Wirf nun die Cigarette fort. Wir wollen
Auf den Balkon hinausgehn und den Mond,
Den bleichen Freund der Liebenden, betrachten,
Wie er sich langsam aus dem Pinienhain
Emporhebt und der Nacht den Silberglanz
Der Sehnsucht spendet, die den schönsten Traum
Uns füllen soll bis zu des Morgens Schein.
Sieh dort im Garten die Orangen glühn
Und die Granaten in dem finstern Laub.
Aus jenen weissen Blütenbeeten steigt
Dies Frühlingsdüften, das uns glücklich macht,
Und die Cypressen rauschen heut ein Lied,
So wundervoll wie nur in seltener Nacht
Und nur im heiligen Frühling es ersteht.

Wirf nun die Cigarette fort, Lolita . . .

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 77)

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Mahnung

Sei nicht so stolz auf Deine Krone, Du.
Wär meine Liebe nicht gewesen und
Der Frühlingshain, da Du zuerst mich sahst:
Du schrittest heute lichtlos durch den Tanz
Der Stunden hin und wüsstest nichts von Stolz.
Senk deine Wimper. Denk den Tagen nach,
Da nur auf Deinem armen Haar ein Blühn
Von Rosen lag und keiner Krone Gold.
Mit Zagen fühl den Glanz, der Dich umgiebt,
Und lass die Demut Deiner Hände Tun
Und des Gedankens guten Lenker sein.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 79)

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Spanierin

Wir lehnten im Fenster
Und sahen dem Mondlicht zu,
Das silberne Blüten
Über den Ebro
Und seine leuchtenden Ufer warf.
Da trug ein Windstoss
Die verwehten Klänge
Einer Seguidilla
Herüber;
Und Deine Füsschen,
Die weissbeschuhten,
Huben zu tänzeln an,
Und in Deine Lippen
Stieg ein Verlangen:
Olë! . . . Olë! . . .

Dann nahmst Du die rote
Rosenblüte
Aus Deinem Haar
Und warfst sie
Mit sehnsuchtsvollen,
Schimmernden Augen
Weit in die silberne Nacht . . .

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 80)

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Corrida de toros

Der Matador stach gut. Da jauchztest Du:
"Bravo Torero!" Und Dein Auge blitzte,
Und Deine weissen Hände klatschten Beifall
Dem Matador, dass ich fast neidisch war.
"Welch ein Espada!" riefest du "Bombita
Chico! Sieh doch, mein Juanito, sieh . . ."
Ich klatschte auch. Fürwahr: Bombita stach
Sehr gut. Die ganze Plaza war entflammt,
Und Puros und Sombreros und Orangen
Flogen hinab in die Arena, wo
Der Stier verendete. Und meine Lola
Warf ihren Valencianer Spitzenfächer
Weit in den Kreis. Bombita fing ihn auf
Und grüsste dann und neigte tief sein Schwert . . .

Am nächsten Sonntag in der Plaza sass
Mein Liebchen stolz auf eigenem Balkon.
Vor ihr über der Brüstung lag der gold-
Gestickte köstliche Toreromantel
Bombita Chicos; auf dem Haar die weisse
Mantilla, die ein roter Nelkenstrauss
Zusammenhielt; und um die Schultern schlang
Sich ein Mantón in des Bombita Farben.

Ich stand weit ab und war so arm wie nie,
Und Du warst bleich, ganz bleich und sahst mich nicht.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 81-82)

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Das Ende

O nein, Lolita. Dieser schimmernde Hain, geküsst
Von Deines Meeres südlich tändelndem Wogenspiel,
Soll nicht das Grabmal unserer schnellen Liebe sein.
Lass uns hinaufziehn in das kahle Strandgebiet
Meiner verlassenen Heimat. Lass uns dort im Sturm
Den alten Brand noch einmal schüren, hell, hell auf,
Bluthell -: dann sei er Asche. Du magst wiederum
Singend zu diesen goldenen Blütenfeldern ziehn:
Doch einsam. Ich will stumm in meiner Heimat sein
Und will fortan nichts lieben mehr als sie.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 83)

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Frauen in Spanien

Mädchen in Cadiz

Auf Deinen sanft gebräunten Wangen
Liegt noch ein Glanz der Frühlingstage,
Da noch die Wünsche bleich und zage
Dem hellen Licht entgegenbangen.
In Deine Augen trat noch keiner
Der Schleier aus des Lebens Weh,
Und Deine hohe Stirn glänzt feiner
Und lieblicher und dünkt mich reiner
Als Deiner Heimat Blütenschnee.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 87)

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Dolores

Der Hain, darin beim Untergang des Lichts
Die Wipfel rauschten wie ein Harfenlied,
Das frommer Hände schimmernde Schönheit sich
Zum Trost ersann, wird unserem tiefsten Traum
Nun immer Zier sein; denn es ist kein Ort,
Da wir so nah dem Höchsten schwebten und
So fernab dem Gemeinen und der Welt.
Denk an der Pinien breites Schattenbild
Und an das blaue Ufer, wo beglänzt
Die Woge schäumt, wenn Du Dich sehnst nach mir.
Denk an das Lied, das uns der Abend sang,
Und Du wirst lächelnd in den Wolken gehn
Und Sterne schaun, soweit der Himmel reicht,
Und singen wie ein Kind, das selig ist,
Wenn Alle seufzen in der Dunkelheit.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 88)

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Pepita Granadina

Unter rosa Mandelblüten
Sassen wir die ganze Nacht,
Und indess die Sterne glühten,
Sind die tiefsten Märchenmythen
Sehnend in uns aufgewacht.

Mondlicht lag in allen Räumen,
Und Dein Auge war so gross . . .
Von den rosa Blütenträumen
Sanken aus den blanken Bäumen
Uns die schönsten in den Schoss.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 89)

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Los Cestos

Die Abendsonne funkelt in den Scheiben,
Im Felde geht das letzte Lied zur Ruh.
Der Nachtwind kommt und macht die Blüten treiben.
Geh in das Haus. Lass Deine Wünsche bleiben
Und schliess der Sehnsucht goldene Türen zu.

Dann wirst Du morgen wieder rote Wangen
Und Augen haben, drin der Frühling liegt.
Wir wollen nichts von unserem Glück verlangen
Als goldene Träume, die am Leben hangen,
Und eine Sehnsucht, die die Nacht besiegt.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 90)

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Senora S.

Wenn einst die Rosen
Auf meinem Grabe
Erblühen werden:
Pflücke sie dann,
Du stolze Frau,
Mit milden Händen
Und lege sie
An Deine Brust,
Wohin Du dem,
Der Dich am meisten geliebt,
Das müde Haupt
In Frieden zu betten
Immer verwehrt hast.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 91)

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La Bella Desconocida

Ich sehe noch Dein Bild am Fenster, da
Die Dämmerung kam. Die Luft ging nebelschwer,
Und schon die ganze Woche war kein Strahl
Der Sonne an das Licht des Tags gedrungen.
Ich kam die Strasse her und suchte Dich,
Wo ich Dein blasses Bild so oft schon fand.
Du standest zwischen den Gardinen da
Und träumtest durch die Dämmerung hinab
Und sahst mich dann. In Deine Augen stieg
Ein sanfter Schimmer; doch sie blieben still
Wie erst. Ich grüsste Dich. Da senktest Du
Kaum merklich Deinen schmalen Kopf und sahst
Mir nach, ich fühlt es: sahst mir lange nach.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 92)

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Enriqueta
Salamanca

I.
Der Tag war wie ein schöner Traum vergangen,
Nie war die Zeit so flüchtig uns erschienen.
Die Schönheit Deiner jugendlichen Wangen
War von dem Leuchten Deines Glücks beschienen.

Die Stadt lag fern. Wir schritten durch die Felder,
Und Deine Hände wurden leis und bang.
Dann kamen wir an jene tiefen Wälder
Und lauschten selig wie der Abend sang.

Ein Felseneiland unter Rosengluten
Lag des Gebirges hochgetürmter Wall,
Und gross und goldig und in breiten Fluten
Versank die Sonne hinter Portugal.


II.
Von Salamancas Türmen klangen
Die Lieder, die den Abend krönen.
Wir waren an den Fluss gegangen,
Und unser zärtliches Verlangen
War selber wie ein Glockentönen.

Im Flusse sang das letzte Schäumen
Des Tages, der uns ein Segen war,
Und in des Tales tiefen Räumen
Standen die Pinien wie ein Träumen
Und rauschten, rauschten wunderbar.


III.
Nun ist wie ein Gebet das Raunen
Des roten Abends um uns her;
Deine geliebten Augen staunen
Gleich Sternen in das Flammenmeer.
Du kannst dies Glänzen gar nicht fassen
Und ahnst nicht, was in Dir geschah,
Fühlst alle Wünsche Dich verlassen
Und stehst in Deinem kindlich-blassen
Verwundern wie ein Traumbild da.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 93-95)

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Carmencita

Auf der Rambia, Barcelonas
Mondbeglänzter Blütenzeile
Sah ich Dich das erste mal:
Weisses Kleidchen, weisse Schuhchen,
Und in dem gebräunten Händchen
Einen zierlichen Spazierstock,
Den Du wohl zu führen wusstest.
Auf dem alten Perserdivan
Meines bunten Dichterzimmers
Sah ich Dich das zweite mal:
Deine schwarzen Locken fielen
Auf das Schneefeld Deiner Schultern,
Und die bleichen, schlanken Arme
Legten sich um meinen Nacken,
Weich, wie nur die Liebe tut.
Auf dem Platz der Isabella
Sah ich Dich das dritte mal.
Goldene Flitter auf dem Leibchen
Und im Haar verwelkte Rosen
Tanztest Du zur Mandoline,
Die Dein blinder Vater schlug.
Um die viel zu roten Lippen
Flog ein Lachen für die Menge,
Aber Deine Augen waren
Schon in einer andern Welt.
An dem Hafen Barcelonas,
Wo die alten Kutter träumen,
Sah ich Dich das letzte mal.
Friedlich lagst Du auf dem Pflaster,
Und die zugeströmte Menge
Staunte Deine Schönheit an.
Eine Krone grünen Seetangs
Lag auf Deinen reichen Haaren,
Und die zarten Nixenglieder
Trieften noch vom Meereswasser.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 96-97)

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Juanita

Weisse Blüten in dem dunkeln Haar,
Sassest Du im Glanz der Abendröte,
Sanft gebeugt, und liessest Deine Hände
Auf den Tasten des Klavieres träumen.
Deines Rückens Linie seh ich noch
Und die Falten Deines langen Kleides,
Drauf am Boden mit erstaunten Augen
Deine kleine, süsse Schwester sass.
Und die Lieder, die Du spieltest, zogen
Wie ein leises Wunder durch den Raum,
Wie ein Wunder aus verrauschten Tagen,
Da die Menschen noch mit frommen Händen,
Goldene Gürtel um die Purpurkleider,
Durch beglänzte Rosengärten schritten
Und die Märchen noch am Leben waren.

Juanita, wem erklingen heute
Deine Lieder in der Abendröte?
Hat Dein Schwesterchen noch seine grossen
Kinderaugen? Trägst Du noch die weissen
Blüten Spaniens in dem dunkeln Haar?


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 98)

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Krankes Mädchen

Du bist so bleich wie nur die Träume noch
Verhärmter Seelen sind in mancher Nacht.
Aus Deinen Augen spricht die Qual der Zeit,
Die ihrer Wünsche goldenes Ziel verkannt.
Vertrau von neuem Dich dem Leben an
Und tauche in die bunten Wogen ein.
Vergiss den grauen Strand, der Dich betrog,
Und suche dort nach neuen Blüten, wo
Der blasse Herbst Dir einst die Sehnsucht stahl.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 99)

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Hexe Carmen

Deine Küsse sind lauter Wunder
Und eine sprühende Flamme Dein Wort,
Und die Liebe Deiner Arme
Hebt meine Seele, dass Gott erbarme,
Über die Täler der Erde fort.

Deine Brüste sind schimmernde Schwäne,
Und wie die Sünde funkelt Dein Haar.
In Deinen Augen lag nie eine Träne,
Aber der flammende Biss Deiner Zähne
Zeigt mir, dass ich Dein Liebster war.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 100)

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Ampáro

Ampáro, Deine zarten Glieder haben nun
Mich ganz von meinen ernsten Zielen fortgelenkt.
Ich bin voll töriger Lust, und ungeduldig pocht
Das Herz der goldenen Stunde zu, die Dich mir bringt.
Durch jede Dämmerung sehe ich Deinen Arm
Den weissen, glänzen, und mein Lächeln gilt nur Dir,
Aragonesa. Denn was meinen Tag erhellt
Und diesen Nächten silberne Sterne giebt, bist Du.
Ich will vergessen, was mein Streben erst geführt,
Und Dich nur denken, die der Zartheit Wunder ist,
Ampáro.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 101)

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Juana

Die schlanken Mädchen mit den Tamburinen
Und Kastagnetten funkelten im Tanz.
Es flüsterten die süssen Mandolinen,
Und tausend Sterne, die durchs Dunkel schienen,
Beschütteten das Tal mit holdem Glanz.

Und, rote Rosen in den schwarzen Haaren,
Das bleichste Kind an des Duero Strand,
Gabst Du mir fern den bunten Tänzerscharen
Die leisen Hände, die wie Märchen waren,
Und sahst mit Lächeln in Dein Heimatland.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 102)

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An Pepito de Sala

Lass die Freunde Manzanilla trinken.
Komm, wir wollen unsere Gäulchen satteln
Und hinauf nach Albacete jagen,
Wo die weisse Catalina wohnt.
Catalina, die wir beide lieben,
Deren Augen so berückend glänzen
Und die Keinem als uns beiden ihre
Süssen, vielbegehrten Lippen schenkt.
Ihre Lippen. Aber weiter nichts.

Komm, Pepito. Auf der Mancha liegen
Mondesschimmer, die den Weg uns weisen,
Und dort oben fern am Horizonte
Seh ich Catalinas Häuschen schimmern.
Lass uns jagen und das Blut uns stillen,
Sattle schnell und wirf die Flinte um!

Lass die Freunde ihre Lieder singen
Und die süsse Manzanilla trinken -
Unsern Lippen winkt ein süsserer Wein.

So. Die Zügel locker! Los, Pepito!
Ola Hé!

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 103)

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Auf Rositas Hände

Deine weissen Hände liebe ich so,
Wenn sie müde Dir im Schosse ruhn
Und der volle Mond durch die Gardinen
Sie mit seinem milden Glanz umfliesst.
Niederknieen möchte ich vor Dir,
Reizende Madonna, und das Haupt
Tief auf Deinen Schoss herniederbeugen
Und die feinen, blassen Hände küssen.

O mein Gott, was würden Deine Augen
Staunen da, und in dem zarten Brüstchen
Das erregte Herz vor Schrecken pochen.
Denn Du bist noch ganz ein Kind, dem Leben
Weit entfernt, und kennst Dich selbst noch nicht.
Darf ich Deine Hände drum nicht küssen,
Deine Hände, die ich lächelnd liebe,
Will ich doch davon den Blick nicht wenden,
Wenn sie müde Dir im Schosse ruhn
Und der volle Mond durch die Gardinen
Sie mit seinem milden Glanz umfliesst.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 104)

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Mädchen in Valladolid

Sprich weiter, Du, ich muss Dir lauschen:
Von Deinen roten Lippen fallen
Die Worte wie ein Märchenlallen,
Wie frommer Sehnsucht Grüssetauschen.
Du sprichst so schön wie ich noch keine
Aus Deiner Schwestern Kreis vernahm,
Mir ist als ob im Sternenscheine
Durch silberne, beglänzte Haine
Ein klingend Wunder zu mir kam.


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 105)

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Wunsch in der Dämmerung

Die Wälder winkten rötlich im Abendschein
Von allen Hügeln nieder ins blaue Tal.
Die Quellen rauschten ihrer Lieder
Zarteste durch die Dämmerungen.

Wir wanderten in schimmerndem Birkenhain
Auf längst vergessenen Pfaden dem goldenen Licht
Langsam entgegen. Deine Augen
Waren wie liebliche Kinderträume.

Da sprachst Du leise, während ein Raunen sich
Zu unsern Häupten in dem Gezweig erhob:
"O wenn jetzt rote Rosen, Liebster,
Leuchtend aus meinem Haar erblühten."


Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 109)

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Blaue Augen

An die deutschen Madonnen mit aschblondem Haar
Lass ich nicht ab, unter Palmen und Pinien zu denken.

Die spanischen Frauen können mir niemals schenken,
Was mein Verlangen in der Heimat war.

Wer hat mich je wie meine Lolita so heiss,
So wild geküsst unter nordischem Mondenschimmer?

Aber im Tiefen denke ich immer:
O Du, wären Deine Augen blau und Deine
bronzenen Arme weiss.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 110)

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Barcelona

In den mondbeglänzten Talen
Meiner Heimat wandern jetzt
Junge Burschen, junge Mädchen,
Alte Liebeslieder singend,
Auf den abendlichen Wiesen
Vor dem Dorf dem Flusse zu.
Aus dem Rasen steigen weiche
Düfte auf. Die Linden blühen.
Und von drüben aus dem tiefen
Grunde kommt das sehnsuchtsvolle
Rauschen einer altern Mühle.

Dass ich auch noch einmal so mit
Der Geliebten meiner Jugend
Durch die heimatlichen Felder
Wandern dürfte, reine Worte
Auf den Lippen, und im Herzen
Eine ritterheilige Treue.

O wo sind die frommen Tage?
Fern der Heimat blick ich hoch von
Meinem südlichen Balkone
Auf das sternenübersäte
Mittelmeer. Zu meinen Füssen
Klimpert eine Mandoline,
Näselt eine Klarinette,
Und auf jenem Hügel heben
Sich die ragenden Cypressen
Düster von dem Himmel ab.
Gleich wird sich die Türe öffnen
Und herein in Silberflittern
Wird mein spanisch Liebchen tanzen,
Wird mir um den Nacken fliegen
Und mit heissen Lippen fragen:
Dime, me amas todavia?
Und dann wird sie küssen, küssen,
Wie ein deutsches Mädchen niemals
Wagen würde mich zu küssen,
Und dann werden wir hinabgehn
Und an dem Lampion-bekränzten
Hafen den Bolero tanzen.

Aber beim Bolerotanzen
Werde ich die mondbeglänzten
Tale meiner Heimat sehen,
Werde eines Mühlbachs tiefes
Brausen hören, und beim Klappern
Von Lolitas Kastagnetten
Wird mir sein wie Wälderrauschen
Und wie Nachtigallenlieder.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 111-112)

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Erinnerung an Florenz

Die weissen Lilien Deiner Schönheit, Ma Dolce,
Liessen mich niederknieen in Anbetung,
Um den Saum Deines Purpurkleides,
Göttin, zu küssen.

Die weissen Lilien Deiner Schönheit, Ma Dolce,
Sind nun das Sehnen meiner grauen
Nordlandstage. Sag, wo fang ich
Dein Lächeln wieder?

Die weissen Lilien Deiner Schönheit, Ma Dolce,
Such ich vergebens auf allen Pfaden.
Siehe, ich weine nach Dir im Schauen
Lorenzo Lottos.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 113)

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Liebesnacht

Die weissen Schwäne schliefen schon
Unter den Brücken im Park.
Die Julinacht war wunderbarer
Herzbetörender Düfte voll.

Der Park lag ganz in Finsternis gehüllt.
Nur die Marmorbilder hatten
Sanften Glanz, und aus den ewigen Höhen
Kam ein Leuchten sehnsuchtsblasser Sterne.

Ich sah durch einer Ulme stilles Laub
Das Fenster schimmern, wo ein junges Herz
Glückzitternd sich bereitete. Das Licht erlosch,
Und suchende Schritte klangen auf dem Kies.

O Jugend! Jugend! Unsere junge Lust
War ungestümer als die Sommernacht.
Die weissen Schwäne fuhren aus dem Schlaf empor
Und sahn uns mit verträumten Augen lange nach.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 115)

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Eine Verlorene

Wir sprachen von des Sommers Rosen schon,
Da doch noch erster Frühling um uns war.
Wir sahen Kränze schon in unseren Locken,
Und noch war kaum das erste junge Blatt
Ans Licht gedrungen. Das ist nun vorbei.
Es glüht und glänzt und duftet überall.
Die Nachtigall, die wir so sehr ersehnt,
Singt jede Nacht. Doch singt sie nichts als Qual
Und Qual und Qual. Du bist - ich weiss nicht wo.
Die Nacht geht kalt. Ich wünsche mir den Tod.
Den Tod.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 116)

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Carmen

I.
Ein Schloss auf weisser Düne überm Meer
Möcht ich für Dich und Deine Schönheit gründen.
Wenn an den hellen Abenden dann still
Der Mond heraufkommt und die Sterne blühn,
Will ich auf den Balkon Dich führen, und
Du wirst Dich wundern, wie das Meer zur Nacht
Ein Märchen ist, von dem die Welt nichts weiss,
Und wie die Brandung Lieder hat, die nur
So Sehnende verstehn wie Du und ich.

Ein Schloss auf weisser Düne überm Meer
Möcht ich für Dich und Deine Schönheit gründen,
Geliebte.
(S. 121)


II.
Die weisse Linie Deines Armes folgt
Mir überall, wo nur mein Traum erwacht.

Ich sitze allein auf nächtlichem Balkon
Am Schreibtisch, den der Wirtin Kind bei Tag
Hinausgerückt, und von der Lampe fällt
Der sanfte Schein auf Bücher und Papier,
Die warten, warten - ach, wie lange schon?
Ich lehne weit rücküber, träge, lass'
Der Cigarette duftige Wölkchen in
Den Abend gehn und träume glücklich zu
Den Sternen auf, und da ich gerade mir
Das flimmernde Gestirn enträtseln will,
Das dort zur Seite jener Pinie steht,
Taucht aus der Ferne ewigem Silberlicht
Mit holdem Lächeln Deines Armes Bleich
Und winkt in meiner Sehnsucht blühenden Hain
Und lässt mich fühlen, dass ich einsam bin.

Die weisse Linie Deines Armes folgt
Mir überall, wo nur mein Traum erwacht.
(S. 122)


III.
O Du mein Märchen. Sag, wie soll ich nun
Aus diesem goldbeglänzten Land den Weg
In meine Heimat finden? Fern von Dir
Werd ich doch immer Deine Schönheit nur
Und Deiner Liebe goldenes Lächeln sehn,
Und meine Tage werden lichtlos sein
Und heimbegehren nach der blühenden Zeit,
Da noch Dein Arm an meinem Nacken hing
Und meine seeligen Finger sich am Spiel
Mit Deines Haares nächtigem Glanz erfreut.
(S. 123)


IV.
Wir sassen auf den Polstern, zündeten
Die Cigaretten an, die Du bei Tag
Aus duftendem Cubanerkraut gedreht,
Und schauten so, indem wir an die Wand,
Die Kühlung spendende, zurück uns lehnten,
Dem bunten Spiel der silbernen Wölkchen zu.
Die eine Deiner weissen Hände lag
Auf meiner Schulter wie ein guter Traum.
Die Fenster standen auf. Fern, märchenfern
Erklang das Lied der Sterne durch die Nacht.
(S. 124)


V.
Nun lass uns durch des Abends roten Schein
Entgegen dem Gebirge wandern, wo
Die Gipfel, von dem letzten Licht bestrahlt,
Gleich Kronen glänzen, die der Tag sich schuf.

Hörst Du das Rauschen von dem fernen Strand?
Das ist das Meer. Die blassen Hügel dort
Sind Weingelände, süssen Reichtums voll,
Und jene Gärten in dem goldenen Schein,
Der Rosen Heimat, senden uns den Duft,
In dem wir lächelnd atmen, Du und ich.

Lehn dichter nun Dein Haupt an meine Brust,
Und lass die Fluten Deines dunkeln Haars,
Des wunderweichen, meiner Hand zum Spiel.
Dein schönes Auge wende dort hinauf,
Wo des Gebirges goldene Gipfel stehn,
Und wandle still und denke nur an das,
Was Dich beglückt und unserer Sehnsucht blüht
Und köstlich ist wie jene Kronen da,
Die sich des Abends letztes Leuchten schuf.
(S. 125)


VI.
Die Stunden, bleicher Engel meiner Liebe,
Die mir das Märchen Deiner Gunst beschert,
Sind wie ein Traum aus dem entlegenen Land,
Da rote Rosen in den Feldern blühn
Und sich im Mondlicht leise der Gesang
Vom Glück erhebt, den noch kein Mensch vernahm.

Der Tag ist grau. Doch wenn der Abend naht
Und mir die Leuchte Deiner Schönheit winkt,
So will das Leben, dem ich einst so gram,
Mir hold erscheinen wie ein Frühlingshain,
Aus dessen lieblich blühender Dämmerung mich
Das milde Glänzen Deiner weissen Hand
Zu unserer Sehnsucht goldenen Beeten ruft.
(S. 126)


VII.
Lass mich die schönsten der Gardenien in Dein Haar,
Geliebte, winden. Lass mich diesen Shawl
Aus roter Seide um die Brust Dir tun,
Dass Deine bleiche Stirn noch bleicher sei.
So wollen wir aus unserem blühenden Hain
Flüsternd hinab zum grossen Meere gehn,
Wo auf dem feuchten Sand der Untergang
Der Sonne liegt. Wenn uns die Dämmerung dann
Umschatten wird und auf dem Meer die Segel
Zur Küste lenken, wo der Hafen winkt,
Wollen auch wir, der Stunde froh, und reich
An lachenden Wünschen, langsam durch des Hains
Verschwiegenes Dunkel dem vertrauten Haus
Entgegenschreiten, unser Glück nur noch
Empfinden und der kommenden Maiennacht
Zärtliche Schönheit.
(S. 127)


VIII.
Sieh nun das Meer: Wie sich der Niedergang
Der Sonne spiegelt auf der heiligen Bahn.
Hier schwimmen Rosen, die der Himmel schuf,
Und dort die Wogen sind ein Purpurkleid,
Stolz eingerahmt von goldenem Brokat.
Da drüben aber, wo der Abend kommt
Auf dunkeln Flügeln, winkt der Felsensaum
Von Spaniens Küste, die Dir Heimat ist.

Dorthin lenkt unseres Fahrzeugs weisser Bug
Und rauscht und reisst die bunten Wasser auf,
Und wenn der erste Stern am Horizont
Erblühen wird, so wird uns schon daheim
Sein Grüssen treffen, hinterm Lärm der Stadt,
In unserem Garten, wo die Rosen blühn,
Aus deren Reich die schönste heut zur Nacht
Im Golde Deiner Locken sterben soll.
(S. 128)


IX.
So lass mich, Carmen. So. Die Lippen sanft
Auf Deines Nackens nächtigen Schnee geneigt,
Und lass mich fühlen mit geschlossenem Aug,
Wie meine Stirn Dein seidenes Haar berührt
Und Deine Arme um den Hals mir ruhn.
So bin ich weit auf einem seligen Strand,
Da Rosen blühn und gute Sterne sind,
Und lausche lächelnd Deines Blutes Klang,
Das warm und tief Dir in den Adern rollt
Und mir erzählt wie Deine Sehnsucht fromm.
So will ich bleiben bis der holde Schlaf
Mir seinen Trank aus silberner Schale schenkt
Und mich hinwegführt in sein stilles Reich,
Wo mir im Traum Dein Lächeln neu ersteht.

So lass mich, Carmen. So. Die Lippen sanft
Auf Deines Nackens nächtigen Schnee geneigt,
Und lass mich fühlen mit geschlossenem Aug,
Wie meine Stirn Dein seidenes Haar berührt
Und Deine Arme um den Hals mir ruhn.
(S. 129)


X.
Lass uns nicht denken, dass die Zeit sich naht,
Wo mir Dein Auge nicht mehr schimmern soll.
Tu rote Rosen in Dein dunkles Haar
Und schmeichle mir die Falten von der Stirn,
Die von der Zukunft Schatten träumen, da
Ich in der Heimat nie mehr diesen Glanz
Deiner geliebten Schultern fühlen soll
Und auch den Duft nicht dieser Rosen, die
Zur Nacht in Deinen seidenen Flechten blühn.
(S. 130)


XI.
Wann einst im Abendrot, vom Duft und Mai
Gesegnet, Du die Pfade wieder gehst
Zu jenen Hügeln, die uns heilig sind,
Pflück eine rote Rose dann am Hag
Und lass sie sanft in Deinen Fingern ruhn,
Und wenn der letzte Glanz am Himmel stirbt,
Wirf weit sie in den Abend, hellen Augs,
Blick' ihrem Fall im jungen Feld nicht nach,
Und wende Dich und stimm ein fröhlich Lied
Vom fliehenden Leben an.

Aus: Hans Bethge Die Feste der Jugend
Ein Gedichtbuch mit Zeichnungen
von J. M. Olbrich und einem Bildnis
Verlegt bei Schuster und Loeffler in Berlin 1901 (S. 131)

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Frühlingsabend

Die Nachtigall sang ohne Ende,
Der Flieder war noch regenschwer.
Du gabst mir Deine leisen Hände,
Fern durch das blühende Gelände
Sang ein verträumtes Mühlenwehr.

Von Deinem Haar, dem märchenschönen,
Ward ich gar stillen Duft gewahr.
In Deinen Augen schliefen Tränen,
Und von den Händen ging ein Sehnen
Durch meine Glieder wunderbar . . .

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 21)

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Das Sehnen

Entfernte Dommeln riefen übers Ried.
Ich lag allein an glühem Waldesrand,
Von Violetten tausendfach umblüht.
Der Himmel sang sein schönstes Farbenlied,
Dann war die grosse Lohe ausgebrannt.

Die Vögel klagten. Stärker floss der Duft
Der Blüten rings. Und aus den Bäumen kam
Ein Rauschen, das mich ganz gefangen nahm.
Voll Ahnungsschauer ging die Abendluft,
Und meine Seele bebte wundersam.

Da griff ich jauchzend in das kühle Grün
Und dehnte mich in wundervoller Lust.
Ich sah den Himmel in Verheissung glühn,
Sah goldne Wolken durch die Freiheit ziehn,
Und heilige Sehnsucht füllte meine Brust.


Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 24)

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Neapolitana

Ich liebe diesen bleichen Schmerz um Deinen Mund,
Wie Alles, was an Dir, Chiara, seltsam ist.

Wenn ich Dein Lippenpaar auf meinem fühle,
Fühl ich den zuckenden Schmerz. Sprich, woher kam er Dir?
Du schüttelst tiefbewegt das Haupt, und Deine Augen
Blicken mich flehend an, dass ich nicht weiter forsche.

So will ich stille sein. Es schafft mir Unruh zwar,
Dass dies Geheimnis waltet zwischen uns. Jedoch
Ich preise jene ferne Stunde, die das grosse
In banger Brust begrabene Wehe Dir gebracht,
Denn doppelt liebenswert erscheinst Du Hohe mir
Durch dieses bleichen Schmerzes Rätsel, das ich liebe,
Wie Alles, was an Dir, Chiara, seltsam ist.

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 31)

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Auf der Terrasse

Die Nacht war mondhell. Die Narzissen blühten
Und dufteten. Ein ferner Vogel schrie.
Bisweilen aus dem tiefen Dorfe kamen
Verwehte Klänge einer Brautmusik.

Auf der Terrasse wollten wir uns treffen,
Wenn Alles schlief. Ich, einem Diebe gleich,
War über das goldspitzige Stacket
Aus Schmiedeeisen, das den Park umgab,
Hinweggesetzt. Kaum hundert Schritte noch
Durch Taxusgänge, und die Villa lag
Und die Terrasse mondbeschienen da.

Ich ging, ein ungeduldiger Romeo,
Den Kies vermeidend, auf dem Rasenteppich
Zwischen zwei Tulpenbeeten auf und nieder,
Die Schritte zählend bald und bald die Schläge
Des Herzens, das zum Springen heftig schlug.

Horch. Da. Die Glastür. Leise. Du erschienst.
Ich sprang die Stufen flüchtigen Tritts hinan
Und hatte Dich und hob Dich auf zu mir
Und hielt Dich fest, blauäugige Julia.

Ein Spitzentuch verhüllte Deine Schultern,
Das Haupt war frei und liess das schwere Haar
In braunem Glanze schmucklos niederfliessen.

Wir traten an die Brüstung der Terrasse
Und horchten in den Park, in dessen Tiefen
Ein stilles Raunen durch die Zweige ging.

Ich drehte schmeichelnd Strähne Deines Haars
Mir um die Finger, presste glühend sie
An Stirne, Wang und Mund. Du lächeltest
Und brachtest Deine Lippen an mein Ohr
Und sprachst im Flüsterton: "Ich hab Dich lieb."

Das war berauschend! Und ich drängte Dich
Mit Stammeln und mit schnellem Atemzug:
"Wie sehr . . . oh sag . . . wie sehr hast Du mich lieb?"
Du aber wehrtest meinen Ungestüm
Und sprachst noch einmal still und feierlich:
"Ich hab Dich lieb . . ."

Die Nacht war mondhell. Die Narzissen blühten
Und dufteten. Ein ferner Vogel schrie.
Bisweilen aus dem tiefen Dorfe kamen
Verwehte Klänge einer Brautmusik.

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 34-35)

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Schnell

Es ist ein Läuten wach geworden.
Schnell. Gieb Deine Hände. Komm.
Das ruft in schmeichelnden Akkorden
Und ruft so fromm.

Oh - wie die Töne mich durchfliessen.
Wir wollen mit. Gieb. Deine Hand.
Das sind die Klänge, die erschliessen
Dem Sehnenden sein Wunderland . . .

Schnell.

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 36)

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Der Weiher

Der Weiher liegt so dunkelblau
Wie das Auge meiner blonden Frau
Und auch in solcher klaren Tiefe.

Ein Schwan fährt durch die stille Flut.
Sein Kleid ist purpurn in der Abendglut,
Und scheint, als ob er fahrend schliefe.

Einen Gedanken an mich seh ich mit Glühn
Über ein blasses Antlitz ziehn -
Mir ist, als ob mich eine wundersanfte Stimme riefe . . .

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 39)

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Abende

Marienkäfer streiften unser Haar,
An allen Zäunen duftete der Flieder.
Der Mai war schöner als seit manchem Jahr,
Und alle Lippen hatten neue Lieder.

Wir beide aber waren jung und reich,
Und jeden Abend, der die Lande hüllte,
Durchträumten wir das bunte Blütenreich,
Das unsre Seelen mit Verlangen füllte.

Erst durch die Wiesen. Dann den Tann hinein,
Durch dessen Dach sich kaum die Sterne zwangen
Mit ihrem Sehnsuchtsblassen Silberschein.
Und dann das Strombett, nebelüberhangen.

Da sassen wir im hohen Grase dann,
Umschlungen und in feierlichem Lauschen.
Entfernte Stimmen irrten durch den Tann,
Und von dem Strome kam ein stilles Rauschen.

Wir sahn uns an und fügten Hand in Hand,
Uns war, als ob ein Wunder Wahrheit werde.
Wir waren ganz vom Glück der Nacht gebannt,
Wir waren selig wie im Märchenland
Und kosteten die Himmel dieser Erde.

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 50)

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Käthe

Die Augen schimmern,
Es schimmern die Wangen.
In allen Zimmern
Ist angegangen
Des Festes Verworrenheit.
Bist Du bereit?
Komm - wir stehlen uns fort
An einen heimlichen Ort.
Lass lärmen die Andern
Bei Tänzen und Wein -
Wir Beide wandern
In den Himmel hinein . . .


Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 51)

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Ein Abschied

Nun ist die Stunde unserer Trennung also da.
Sei still. Wir wollen sie uns nicht noch schwerer machen.
Es muss nun sein. Es muss. Wir haben keine Wahl.
Wir wollen stark sein, Käthe. Gieb noch einmal mir
Die warme, wunderweiche Hand. Noch einmal lass
Hintasten mich über Dein seidenglänzend Haar,
Das Du so oft mir kühlend um die Stirn gebreitet,
Da noch das Glück war. So. Und nun den Mund, den Mund . . .
Was wendest Du Dich ab? Sei gut. Gieb mir den Mund.
Ist qualvoll auch und grausam dieser letzte Kuss -
Wir wollen unsern Becher bis zur Neige leeren.

So. Gieb. Oh Du! Mein! Mein! Wirst Du mich je vergessen?
"Ich will Dich immer lieben, immer, immer."
"Lebwohl." "Lebwohl . . ."

Hei! wie der junge Tausturm unsere Glieder traf,
Indess Du müden Auges Dich stadteinwärts wandtest
Und ich mich in die frühlingsnassen Felder schlug.

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 52)

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Gebrochene Flügel

Wir starren in das Laub der Buchen.
Bleigraue Nebel schwimmen um uns her.
Kein Trost im Nahen und Fernen.

Wir zogen aus, das Glück zu suchen.
Uns ist das Herz von tiefster Sehnsucht schwer
Nach klingenden Sternen.

Wann fallen die Nebel? Wann kommt das süsse Licht?
Du weinst und zitterst und verhüllst Dein blasses Angesicht . . .

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 55)

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Ein Mädchen spricht

O meine Augen
Brennen so.
Oh meine Lippen
Dürsten so.
Oh mein armes, gequältes Herz
Blutet so.
Wer kühlt meine Augen?
Wer stillt meinen Durst?
Wer giebt meinem Herzen Frieden?

Eia, mein Fluss . . .
Du bist gut mit mir, gelt?
Kühle meine Augen, mein Fluss.
Stille meinen Durst,
Gieb meinem armen
Gequälten Herzen
Frieden.

Frieden . . .


Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 56)

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Wo bist du jetzt?

Die Lerche jubelt aus dem Heidekraut
Zum Himmel auf, der wie ein Märchen blaut.

Die Sonne glänzt in ihrem reichsten Kleid,
Der Tag ist lauter Ruch und Seligkeit.

Ich sehe nichts als Schatten um mich her.
Ich halte Deine liebe Hand nicht mehr.


Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 58)

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Wirrnis

Schwer von Nebeln war die Stunde,
Und doch fuhren wir hinaus.
Aber auf der bleichen Wasserrunde
Löschte plötzlich alle Sehnsucht aus.

Unsre Augen, ohne Licht und Leben,
Mieden sich in angstgequälter Flucht.
Und so lenkten wir mit Beben
Heimwärts in die dunkle Bucht . . .

Was wird das mit uns, Maria?

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 60)

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Sie konnten zusammen nicht kommen

Auf beglänzten, lilienweissen Räumen
Schrittest Du in einem Feierkleid,
Schrittest leise und in stillen Träumen,
Und die Träume waren mir geweiht.

Von dem Himmel flossen goldne Strahlen
Und verklärten Dein Madonnenhaar,
Und ein Düften kam aus allen Talen,
Das war wie die Sehnsucht wunderbar.

Und Du schrittest, ohne Dich zu wenden,
Immer weiter durch das Sonnenlicht.
Und ich rief Dich mit gerungenen Händen,
Aber Deine Augen sahn mich nicht.

Meine Füsse durften sich nicht regen,
Und Dein Glaube war, zu mir zu gehn.
So verlorst Du Dich auf fernen Wegen,
Und das war auf Nimmerwiedersehn.

Langsam ist des Tages Glanz geschwunden,
Raunend zieht die blaue Nacht herauf -
Reicher blühen meine Wunden
Mit den Liliendüften auf . . .

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 61)

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Herbstton

Nun hat sich unsre Leidenschaft
Zu grosser Stille abgetönt.
Mein Hohes Lied ist ausgeklungen.
Es hält ein Frieden uns umschlungen,
Ein Frieden, der die Welt verschönt.

Das Korn ist reif und neigt sich schwer.
Ein Herbstlied weht den Rain entlang -
Horch - eine wunderwehe Weise.
Die goldnen Ähren zittern leise . . .
Begreifst Du, Käthe? - Sichelklang.

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 70)

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Käthe

Braungoldner Herbst zog raschelnd übers Land.
Hier war es. Ich und Du. Und Hand in Hand.

Wir sahn hinaus. Es war ein Tag so lind,
So reich an Sonne, wie nicht viele sind.

Heut ist's ein Jahr. Und wieder Sonnenschein.
Nun ist mir ganz, Du müsstest bei mir sein.


Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 71)

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Der Mond wob Diamanten

Der Mond wob Diamanten um uns beide,
Wir schritten durch die Gartentür ins Feld.
Ein Nebelstrom durchflutete die Weide,
Es duftete die frischerblühte Heide,
Und reich an Segen war die Sommerwelt.

Die Nacht ging silbern wie der Sternenreigen,
Aus tiefem Lande klang ein Mühlenwehr.
Ich fühlte Deinen Kopf sich zu mir neigen,
Zum ersten Mal ward mir Dein Mund zu eigen,
Und unsere Hände liessen sich nicht mehr.

So schritten wir der Dünenwelt entgegen,
Die blass sich hob gleich einem Geisterreich.
Uns konnten ihre Schauer nicht bewegen,
Uns war die Welt wie lauter Licht und Segen,
Und unsere Herzen waren gut und reich.

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 81)

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Nach dem Fest

Wir haben gesungen und viel gelacht,
Dann sind wir still nach Haus gegangen.
Die Andern wünschten sich Gute Nacht,
Für sie war Feier und Lust vollbracht -
Wir hatten noch gar nicht angefangen.

Aus: Hans Bethge Die stillen Inseln Gedichte
Zweite Auflage Bei Schuster und Loeffler Berlin 1904 (S. 82)

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siehe auch Teil 2


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Bethge_(Dichter)




 

 


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