Johann August von Beyer (1732-1814) - Liebesgedichte

Johann August von Beyer



 Johann August von Beyer
(1732-1814)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Tiren und Mirtill

Tiren sah seine Doris weiden,
Und furchtsam schlich er hin;
Sein Auge sprach von stillem Leiden
Und hätte sollen glühn.

Zuweilen fieng er an zu klagen
Und Seufzer folgten nach,
Von Küssen hätt' er sollen sagen,
Er aber sagte: Ach!

Er gieng, und Doris ließ ihn gehen
Und sagte nicht, bleib hier!
Er schlich zu schweigenden Alleen
Und, Doris! sang von dir.

Mirtill kam muthiger gegangen,
Mit braunem wildem Haar,
Die Jugend glüht auf seinen Wangen,
Sein Blick verrieth Gefahr.

Er fieng nicht an, verliebt zu klagen,
Von Küssen fieng er an,
Und was er sprach das wolt' er wagen,
Da sah ihn Doris an.

Ihr Blick bedrohte schon Mirtillen,
Allein was that Mirtill?
Er küßte Doris wider Willen,
Und Doris - hielt auch still.
(S. 15-16)
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Die Vergötterung

Als Orpheus zärtlich, in den Klang
Der göttlich süssen Leyer sang,
Die durch des Waldes Thäler drang:
Ließ Zephir Baum und Blum in Ruh.
Selbst Nachtigallen hörten zu,
Der Bach empfand und hielt im Lauf
Die rauschend glatten Wellen auf,
Najaden fühlten den Gesang.

Zeus, mit der Götter Königin,
Im Anzug einer Schäferin,
Begaben sich zum Thale hin;
Ja! sprach Zeus zu der Götter Schaar,
Als er zurückgezogen war,
Der Spieler soll ein Halbgott seyn
Und bey der heitern Nächte Schein
Soll, als Gestirn, die Layer glühn.

Doch, wenn mir meine Phillis winckt,
Da, wo sie in die Laute singt,
Auf der ihr rascher Finger springet:
So wett' ich, hörte Zeus ihr zu,
Sie raubt' ihm Beyfall, Herz und Ruh;
Denn, ach! lockt nur ihr sanfter Ton,
So liebt des Jünglings Herz auch schon,
Und Thäler horchen, wenn sie singt.

Doch gut, daß jetzt kein Zeus mehr ist
Der unsre irdschen Mädchen küßt,
Bald durch Gewalt und bald durch List,
Sonst würd er meine Phillis sehn,
Und menschlich, ihr zu Füßen flehn,
Und mit ihr zum Olymp entfliehn.
Bleib Zeus! ich will dich nicht bemühn
So lang als sie mein Mädchen ist.
(S. 19-20)
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An Phillis

Phillis, sieh die todten Felder!
Sieh, der Nord entweiht die Wälder,
Wiese, Bach und Hain erstarrt,
Alles in den rauhen Gründen,
Falbe Kräuter, nackte Linden,
Fühlt des Winters Gegenwart.

Vögel, die uns zärtlich girrten,
Fliehn die Gegend ohne Hirten,
Fliehn die sterbende Natur.
Amor, Bachus mit den Scherzen,
Fliehn mit kummervollem Herzen,
Fliehn die kalte stille Flur.

Komm, o Phillis, flieh mit Freuden!
Dort macht jeder Anblick Leiden,
Hier macht nichts als Liebe, Noth;
Uns macht keine Stadt gebunden,
Uns beglücket alle Stunden,
Amor und der Rebengott.

In den warmen Winterzimmern
Siehst du tausend Lampen schimmern,
Ist jedweder Abend, Fest;
Laß die öden Fluren frieren,
Amor muß uns immer rühren,
Wenn uns Bachus nie verläßt.
(S. 21-22)
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Doris

Hat mich doch von dir, o Liebe,
Bachus immer noch befreit
Und die halb erstorben Triebe
Ungebundne Lust verneut.
Wenn ich mitten unter Schönen
Anfieng, recht verliebt zu seyn,
Schenkt er, Cypris Macht zu höhnen,
Mir den stärkern Durst nach Wein.

Nur seit dem ich Doris kenne,
Doris, schlanker wie Bathyl,
Doris die ich niemand gönne,
Wenn sie mich nicht lieben will;
Doris, die voll Geist und Feuer
Daphne und Minerva ist;
Merk ich, daß mich mein Getreuer,
Daß mich Bachus selbst vergißt.
(S. 32)
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Vorzug des Herbstes

Frühling! Lehrer süsser Freuden,
Phillis liebet dich,
Denn, ihr braunes Haar zu kleiden,
Färbt die Rose sich.

Aber Herbst! die rechten Freuden,
Die nur schenkest du,
Im October trinkt uns beyden
Amor Räusche zu.
(S. 48)
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An Philinden

Der Frühling lausche an jungen Hügeln,
Der West erweckt mit lauen Flügeln
Das matte Thal, und Veilchen blühn;
Die Lerche steigt aus bunten Feldern,
Die Nachtigall singt in den Wäldern
Und lockt die Huldgöttinnen hin.

Komm! sechzehn jährige Philinde,
In diese freudenvolle Gründe,
Wo schon mein Geist den Frühling fühlt;
Sieh hier mit ungelehrten Herzen
Die Kreaturen liebend scherzen,
Sieh, wie der West mit Knospen spielt!

Die Wollust liegt in allen Zügen;
Natur und Frühling und Vergnügen
Bereiten dir den schönsten Tag.
Hier laß uns mit entzückten Zähren
Die übrigen Geschöpfe lehren,
Wie viel ein menschlich Herz vermag.

Dort, in des Pallasts schönsten Zimmern,
Siehst du doch kaum die Anmuth schimmern,
Die Frühling auf dem Lande schenkt.
Hier find ich in zufriedner Stille,
Des Lebens angenehmste Fülle,
Und denke, wie ein Weiser denkt.

Wenn kaum die jungen Tage grauen,
Wenn noch die Frühlingswolken thauen,
Erwart ich Morgen und den Tag.
Dann seh ich Knospen, Blumen werden,
Dann tränket Tityr seine Heerden;
Und überlegt und liebt am Bach.

Gelehnt an kühle Sommerlinden,
Muß mich der Mittag schlummernd finden,
Der Abend bringt mir neue Ruh;
Das arbeitsame Dorf kommt wieder,
Die Jugend singet Abendlieder
Und tanzt und Greise sehen zu.

Dann wiegt die Nacht in süssen Schlummer,
Nicht ein Gedanke macht mir Kummer,
Nie quält die Seele, Schaam und Reu.
Nur Liebe macht mir etwas Schmerzen.
Philinde komm! in meinem Herzen
Macht diese Hoffnung alles neu.
(S. 49-50)
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Die Freude

Des Himmels Kind die wahre Freude
Wohnt gern der zarten Unschuld bey,
Sie kleidet sich in weisse Seide
Und flieht des Trinkers Raserey.

Mein Herz vergleichet sie Belisen,
Schön, sechzehnjährig, lächelnd, blond,
Von weiser Tugend unterwiesen
Und der Verstellung ungewohnt.

Denn fühlt mein Busen nicht Entzücken
Wenn mir Belisens Auge lacht?
Und hat in Lais wilden Blicken
Die Fröhlichkeit wohl solche Macht?

Sie, meine Freude, lehrt den Herzen
Nicht Leichtsinn, nein, Gefälligkeit;
Sie sucht zum Spiel, sie sucht zum Scherzen
Das stille Thal voll Sicherheit.

Da soll noch oft der Frühlingshimmel
Mich und Belisen lieben sehn;
Denn für den Pallast voll Getümmel
Sey unser Scherz und Kuß zu schön.
(S. 60)
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Die Jagd
Nach dem französischen des Grecourt

Komm muntre Belinde! sey du heut Aurore;
Das Hifthorn erschallet die Waldgöttin lacht.
Wann wir schon die buschigten Hügel durchjagt,
Dann kommt erst der Morgen und öfnet die Thore,

Dann schläft noch dein Ehmann. Doch gönn' ihm den Schlummer;
Der Liebesgott folgt uns als Page der Jagd
Und führt uns in Haine voll friedlicher Nacht,
Oft sah dort Endimion Lunen im Schlummer,

Ein Sclav hat zuweilen des Sultans Geliebte,
Wenn Sultan im dunkelsten Wald sich verirrt,
Auf ihrem getiegerten Tartar entführt,
Und Sultanin ward dann des Sclaven Geliebte.
(S. 61)
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Empfindungen am Abend

In eurer Ruh, ihr schattenvollen Buchen,
Verschwinde mir dis Abendroth!
Hier hör ich nicht der Städte Götter fluchen,
Hör' nicht den Stolz, der lacht und droht;
Die Misgunst flieht die schönen wilden Thäler
Und bleibt und quält den Freund der Stadt;
Vertieft im Glanz der frohen Ehrenmähler,
Macht heller Rauch den Thoren satt.

Hier schleicht die Nacht durch längliche Gefilde
Ins Thal herab und deckt den Hain.
Zufriedenheit, in meiner Chloe Bilde,
Und Tugend schlummern mit mir ein.
Die Freude kommt, mit Rosen an dem Busen,
Und fühlt das Lied der Nachtigall;
Freundschaftlich leiten mich die holden Musen,
Und Zephir scherzt umher im Thal.

Am kleinen Bach der junge Kiesel tränket,
Geniess' ich, Abend, deine Ruh;
Natur nur ists die mir die Wollust schenket
Und schickt mir Nachtigallen zu.
Unkentlich mir, wenn ich am Tage schmachte,
Vergeß ich Leben das mich band,
Ein Wunsch der sonst der Seele Kummer machte,
Ist hier dem Herzen unbekant.

Hier lebt mein Geist und weckt mich zum Vergnügen,
Das alle Triebe mächtig rührt,
Ein neues Licht erwacht in meinen Zügen,
So wie das Thal den Frühling spührt.
Hier kan ich frey mein Leben überdenken,
Hier richtet nichts als der Verstand,
Hier darf mich nichts als wahres Laster kränken,
Hier bleibt Verstellung immer Tand.

Hier fühl ich recht, o Unschuld, deine Freuden,
Das Thal erschallt von Zärtlichkeit.
Ich höre noch das Lamm auf fernen Weiden,
Ich höre niemals Zorn und Streit,
Voll Unschuld taumelt an dem seichten Bache
Der Westwind über Veilchen hin;
Empfindung nur ist meines Herzens Sache,
Und zarter Kummer mein Bemühn.

Was seh ich! - - ach! im schwarzen Schattenbilde
Erscheint mir die verschwundne Zeit;
Mit ihr mein Freund, den in entfernt Gefilde
Das Schicksal von mir hin gestreut,
Auch Chloen hat es grausam mir entrissen,
Auf ewig miss' ich sie vielleicht;
Wenn sie Menolph mit bulerischen Küssen
Und durch sein Ritterguth erweicht.

Was fühl ich hier? Stirbt ruhige Entzückung?
Schreckt mich des Unglücks Gegenwart?
Empfind' ich nicht Thal, Abend und Erquickung,
Die Himmel mit der Tugend paart?
Ein starker Schmerz herrscht in der Seele
O Chloe warum dacht ich dich!
Was seufzest du dort in der krummen Höle?
Du Echo seufzest dort als ich.

Verhülle, Nacht, verhülle jene Gründe,
Die Bach und Rosenstaude schmückt;
Wie oft der Scherz und sanftes Spiel der Winde
An Chloens Busen mich entzückt.
Ich werde da nicht mehr die Gottheit segnen
Die gnädig auf uns nieder sah. - - -
O möge mir die Wonn' einst noch begegnen!
O Chloe wärst du wieder da!

Wohin! wohin! verführt mich Lieb und Kummer!
Nein, Chloe liebt die Pracht der Stadt;
Mein zärtlich Herz, der Thäler sanfter Schlummer
Ist nichts das Reiz für Chloen hat.
Vergeblich fließt die zarte Thrän' hernieder
Und stirbt in mitleidsvollen Klee;
Der Buchwald fühlt die Klagen meiner Lieder,
Ach wenn sie Chloe fühlete!
(S. 64-67)
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Der Traum

Hier wo mich keine Narren suchen,
Hier schlaf ich ein bey euch ihr Buchen,
Mit Doris Bilde. Sanfte Ruh!
Flieh mir mit leisen Westen zu.

Der Traumgott wird in diesen Gründen
Vorüber gehn, mich schlummernd finden;
Dann reiz ihn selbst der holde Baum,
Er bleib, und Doris sey mein Traum.
(S. 70)
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An Phillis

Kom Phillis und genieß dein Leben,
Die Schönheit hat dir Zeus gegeben
Und Venus bildete dein Herz.
Ich bin, ich bin zu meiner Ehre
Lyäus Freund, dich liebt Cythere
Sie lehret Lieb, und er lehrt Scherz.

Komm folge deiner Jugend Trieben;
Jetzt ist die rechte Zeit zu lieben;
Wie bald macht uns das Alter grau.
Laß deine Mutter neidisch lauren,
Die Liebe scheuet nicht Centauren
Und Argus war ihr nicht zu schlau.
(S. 73)
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Betrachtung eines Verliebten

An diesem Bach, an der geliebten Linde
Gewann ich einst die zärtliche Belinde,
Und unsre Treu verbürgt' ein süsser Kuß.
Die Sonne sahs und segnete den Kuß.

Oft kam ich her die Linde zu besuchen;
Um mich herum, im Strauch und auf den Buchen,
Auf Hügeln und im schattenvollen Thal,
Sang Drossel und die zarte Nachtigall.

O warum singt das liebende Gefieder
Vom Lindenbaum nicht seine kleinen Lieder?
Weiht' ihn etwan bey stillem Mondenschein
Der Liebesgott, Cytherens Baum zu seyn?
(S. 75)
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Die Rose

Verzieh am Hiazinthen Beete!
Geliebter Blick der Morgenröthe,
Verzieh, triff jene Rose nicht,
Die noch bethaut der Westwind spielend wiegt.

Bereit, die Lippen aufzuschliessen,
Den frischen Balsam auszugiessen,
Lauscht sie im Schatten, den sie ziert;
Dem Mädchen gleich, das vierzehn Jahr nun wird.

Bald wird Philinde hier erscheinen,
Denn magst du Titan sie bescheiden.
Philinde pflückt sie ab, und fühlt
Den ersten Duft, und sieht ihr Ebenbild.
(S. 76)
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Mein Mädchen
An Herrn J. A. S** in B**

Ja, Freund, ich muß mir wiedersprechen,
Nun lieb ich mehr als ein Poet;
Nun fühl ichs, Amor kan sich rächen,
Und lacht wenn unser Stolz sich bläht.
Er hat, er hat mich überwunden,
Er, der mir sonst so kraftlos schien,
Bezwang mich erst mit heissen Wunden
Und nun verlang ich so zu glühn.

Ich kam in diese Schäferthäler,
So trotzig, als ich dich verließ;
Und sah Cytherens Ehrenmähler,
An die der lose Gott mich wies.
So kühn, als unerfahrne Krieger,
Sah ich ihn voller Mitleid drohn,
Noch war ich stolzer, als ein Sieger,
Und ach! er überwand mich schon.

Freund, wag es nicht mich zu verhöhnen,
Verliebte sind dem Amor werth,
Und niemals hat ein Blick der Schönen
So sehr mein ganzes Herz gestöhrt.
Lag doch Anton voll sanfter Triebe
Am Busen der Cleopatra;
Der Donnergott bezwang die Liebe
Und alle Götter zwingt sie ja.

Doch könnt ich dir mein Mädchen schildern,
Zwar dann auch sähst du nur Copie.
Wähl aus Catullus schönsten Bildern
Und mahl die schönste Phantasie.
Laß aber, laß in ihren Zügen
Nicht blosse Schönheit sichtbar seyn;
Verstand und Unschuld und Vergnügen
Mußt du in ihre Bildung streun.

Wenn gleich die Locken mir gefallen,
Reizt gleich der kleine Mund zum Kuß,
Macht gleich des jungen Busens Wallen,
Daß selbst ein Heuchler seufzen muß;
Weit größrer Vorzug liegt im Herzen
Und Wangen übertrift Verstand.
Mein Mädchen denkt und weis zu scherzen
Und schreibt mit ihrer schönen Hand.

Wann im Gewühl der Maskeraden
Luzindens Blick und Halsschmuck siegt,
Und bald aus Wollust bald aus Gnaden
Ein goldner Buhler sie betrügt,
Dann ließt und fühlt indeß Belinde
Zufriedenheit in Fontenai, *
Und gönt dir deinen Sieg, Luzinde,
Und gönt der Fürstin ihr Palais.

Seitdem ich nun Belinden liebe,
Sind meine Tage erst recht mein;
Kein Glück gewährt mir solche Triebe,
Und solch Entzücken schaft kein Wein.
Wann sie von meinem Arm umgeben,
Erst schamhaft lauscht und dann mich küßt,
So fühl ich, daß beglückt zu leben,
Ein Mädchen unentbehrlich ist.
(S. 81-83)

* Chalieu Ode IX.

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Alcimach

Im Schatten blütenvoller Linden
Ließ einst den Schäfer Alcimach,
Die Liebe Galatheen finden.
Er sah sie, seufzt und sprach:

Schon lange, Preis der Schäferinnen!
Liebt dich mein treues Schäferherz,
Umsonst such ich dich zu gewinnen
Und das - - ach! ist mein Schmerz.

Wenn ich, auf meiner sanften Flöte,
Ein Lied von meinen Leiden sang:
So zauderte die Abendröthe,
Doch Galathe entsprang.

Du weists, an jenem Hirtenfeste
Both ich, zum Tanz, dir meine Hand,
Doch ach! es sahn es alle Gäste
 Daß dis dich nicht verband.

Als ich dir jüngst das Lämchen brachte,
Das ich mit Müh dem Wolf entriß,
Und nun dich zu verbinden dachte;
Wie wenig war dir dis?

Wenn sich, mit schmeichelnder Geberde,
Melamp zu deinen Füssen wagt;
Rufst du den Hund von deiner Heerde,
Der, zornig, ihn verjagt.

Mitleidig gegen meine Klagen
Kommt Zephir freundlich in den Wald
Um sie der Echo hinzutragen,
Die Seufzer wiederhallt.

Der Bach, den meine Thränen schwellen,
Der silberhelle liebe Bach,
Ahmt, mit dem Rieseln seiner Wellen,
Selbst mein Gewinsel nach.

Wenn ich vergeblich mich bemühe,
Unglücklich, nie geliebt von dir:
Was hält mich? - - Lebe wohl! ich fliehe.
Nein, sterben will ich hier.
(S. 102-103)
_____



Die Strafe

In einer stillen dunklen Gegend verlohr ich mich jüngst etwas weit,
Da sah ich voll Vergnügen
Ein Kind im süssen Schlummer liegen; - -
Das war der Liebesgott, den jedes Herze scheut.

Ich nahte mich, weil er so reizend schien,
Doch ach! ich hätte sollen fliehn,
Denn Amor gleich fast auf ein Haar
Belinden, der ich kaum entronnen war.

Sein Mund war völlig rosenroth,
Die Haut so zart als die Belinden ziert,

Ich seufzt' und schnell erwacht' der Liebesgott,
Wie leicht ists nicht, daß der erwecket wird.
Er flattert auf und nahm in wilder Eil
Den Bogen und den schwersten Pfeil
Und schoß ihn mir ins Herz, und sagte:

"Geh zu Belinden hin und schmachte,
Du sollst doch auch die Rache Amors schmecken;
Verliebt seyst du dein Leben lang!
Nichts rette dich, selbst nicht Lyäus Trank,
Was unterstandst du dich mich aufzuwecken?"
(S. 156-157)
_____


Aus: Johann August von Beyer Vermischte Poesien
Franckfurth und Leipzig 1756
 


Biographie:

Johann August von Beyer
Geb. 3. 02. 1732 in Halberstadt, gestorben 14. 09.1814 in Berlin.
Trat in den preußischen Staatsdienst und war zuletzt Direktor der Gesetzeskommission in Berlin. 1786 nobilitiert.

Schriften: Kleine Lieder 1756, Vermischte Poesien 1756.

Aus: Deutsches Literatur-Lexikon. Biogr. - bibliographisches Handbuch, begründet von Wilhelm Kosch, Band 1 Francke Verlag Bern München 1968


 

 


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