Ernst Blass (1890-1939) - Liebesgedichte

Ernst Blass



Ernst Blass
(1890-1939)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:


 




An Gladys

O du, mein holder Abendstern ...
Richard Wagner

So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht,
Den schwarzen Hut auf meinem Dichterhaupt.
Die Straßen komme ich entlang geweht,
Mit weichem Glücke bin ich ganz belaubt.

Es ist halb eins, das ist ja noch nicht spät ...
Laternen schlummern süß und schneebestaubt.
Ach, wenn jetzt nur kein Weib an mich gerät
Mit Worten, schnöde, roh und unerlaubt!

Die Straßen komme ich entlang geweht,
Die Lichter scheinen sanft aus mir zu saugen,
Was mich vorhin noch von den Menschen trennte;

So seltsam bin ich, der die Nacht durchgeht ...
Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen könnte,
Ich bin so sanft, mit meinen blauen Augen!
(S. 23)
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Abendstimmung

Stumm wurden längst die Polizeifanfaren,
Die hier am Tage den Verkehr geregelt.
In süßen Nebel liegen hingeflegelt
Die Lichter, die am Tag geschäftlich waren.

An Häusern sind sehr kitschige Figuren.
Wir treffen manche Herren von der Presse
Und viele von den aufgebauschten Huren,
Sadistenzüge um die feine Fresse.

Auf Hüten plauschen zärtlich die Pleureusen:
O daß so selig uns das Leben bliebe!
Und daß sich dir auch nicht die Locken lösen,
Die angesteckten Locken meiner Liebe!

Hier kommen Frauen wie aus Operetten
Und Männer, die dies Leben sind gewohnt
Und satt schon kosten an den Zigaretten.
In manchen Blicken liegt der halbe Mond.

O komm! o komm, Geliebte! In der Bar
Verrät der Mixer den geheimsten Tip.
Und überirdisch, himmlisch steht dein Haar
Zur Rötlichkeit des Cherry-Brandy-Flip.
(S. 24)
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Gen Haus

Die Straße tut mir wohl; die ist schön breit.
Wie ist das lieb von diesem rosa Licht!
Das macht so singend müde mein Gesicht.
Bald sind die Straßenkanten weich verschneit.

Nun schützt die Stimmung meiner Augenlider
Ein Seelchen, das einst schnaubte in den Wind.
Wo blieben deine Augen? Deine Glieder?
Und deines Kleids aufregender Absinth?
(S. 25)
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Karnevalstraum

Ich fühle zwischen meinen offnen Armen
Die goldne Luft des Saals und süßen Lichts.
Ich fühle zwischen meinen goldnen Armen
Den Jaguarmund deines Angesichts.

In unsrer träumerischen Sofaecke,
Wir fliegen langsam durch den großen Saal.
Wir sind in einem schwebenden Verstecke.
Um unsre Schultern liegt ein zarter Shawl

Von Licht. O, wie wir aus dem Fenster fahren!
Wie man auf Films im Nachthemd reist zum Mond,
So sehn wir nachtschwarz abgezeichnet starren
Nah unter uns die Stadt, worin man wohnt.

Wir fahren weiter durch die Luft und weiter.
Du siehst, wie dicht vor uns die Nebel schwinden.
Du spürst - und ich dein glücklicher Begleiter! -
Trotz Februar warm den Geruch der Linden.

Der schöne Sommer schwärmt schon gar nicht fern.
Die Grillen zirpen, und ein edler Stern
Küßt mich in sanfter Treue auf die Stirn ...
Wir werden uns im nahen Wald verirrn,

Um den Hals uns zu fallen und um Augen und Munde,
Und Eichhörnchen sein und selige Hunde.
(S. 61)
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Die Trennung

Als wir uns trennten, fingst du an zu weinen.
Du süßes Mädchen! Tränen und Geleit ...
Ich schwenkte aus dem Zuge langsam meinen
Strohhut nach dir, die blieb, in rotem Kleid.

Es wird schon dunkel. Dörfer, Wälder, Reise ...
Schmerzlich und klanglos ging die Zeit vorbei.
Liebte ich dich? Du warst mir einerlei.
Beim Kaffeetrinken weinte ich noch leise.

Viel Stunden kann noch unser Leben währen
Mit Krampf, Musike, mancher Einsamkeit.
Meist aber füllen einen die Miseren
Und Späße aus, und so vergeht die Zeit.

Grau ist der Abend in der Eisenbahn.
Ich gehe nach dem Speisewagen, essen,
Ich habe Angst: wir werden uns vergessen,
Erblindet, eh wir je uns wiedersahn.
(S. 63)
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Das Leid

Wie mich, was fern ist, tausendfach betrügt!
Ich recke mich nach deiner Gegenwart,
Vor meinem Blicke schimmerlich gefügt
Dein Abbild, traumhaft nah und lächelnd, harrt.

In Tränen hab ich es schon angestarrt ...
Ich wußte schon, wie weh fast alles lügt ...
Daß einst man einsam in ein Grab mich scharrt,
Ist eine Trauer, die mir nicht genügt.

So schäume ich von "Ewigkeiten" Lieder:
Ein Opium, das mich manchmal überfüllt,
Ich will in Liebe wunderbar gehüllt

Verlangen, schwärmen, reden, außer mir ...
Bis du und ich mich leer verlassen wieder,
Ich sterbe mir, du lächelst dir.
(S. 64)
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Verlassen, müde

1
Ich gehe müd von vorne bis nach hinten
Quer durch den Raum, als tät ich es zum Scherz,
Und gähne viel vom Duft der Hyazinthen
Und meinem Schmerz, und meinem Schmerz.

All die Erregungen der letzten Stunde,
Sie werden morgen schal und nüchtern sein.
Und daß ich einsam gehe vor die Hunde,
Auch dieses Opfer wird vergeblich sein ...

2
Ich nehme sämtliche Bekümmernisse
Mit mir ins Grab hinab, ins Grab hinab,
Und alle unerwidert roten Küsse,
Die ich im Traume der Geliebten gab,

Und alle Tränen, die am Morgen rannen,
Als ich erwachte, über mein Gesicht.
Ich werde mich in fernes Land verbannen
Und nicht mehr hören, wenn sie ruhig spricht ...

3
Dein Lächeln, deine roten Lippenzüge -
Das liegt jetzt weit von mir, wer weiß wie weit!
Dies ist vielleicht jedoch nur eine Lüge ...
Ich nehm sie mit mir mit, in Ewigkeit.

Dort werd ich schlafen bis zum jüngsten Tage.
Erwach ich aber, summt in alter Qual
Durch meinen Kopf die letzte, tiefste Klage,
Und was ich trug - in diesem Erdental.

4
Mein Tod soll sanft um Innigkeiten beten
Bei manchem Menschen, dem ich nahe stand.
Nur sie wird meine Seele nie betreten.
Und ewig höhnt mich ihre schmale Hand.

Nur sie, um die ich starb, wird niemals wollen,
Daß nur mein Tod ihr ein Erlebnis sei,
Damit im Dumpfen unter Erdenschollen
Ich noch verraten und verlassen sei.
(S. 66-67)
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Mein Herz

1
Und schmerzhaft denk ich deiner blonden Stimme
Durch Raum und Lust und Straßen lange nach.
Mein Herz hüpft zittrig durch das Leere, Schlimme,
Blöd-Nieerlangbare, das mich so brach,

Ich bin vor Sehnen qualvoll und bewegt ...
Die Lampe steht real auf meinem Tisch.
Was fern von mir ist, das ist trügerisch
Und dauert stumm, bis mich der Tod verschlägt.

2
Verloren schwebe, schlafe ich umher
In einer seidnen, guten Außenwelt.
Ich bin ja still und bin so gar nicht schwer,
Daß nichts mich nur auf kurze Zeit behält.

Ich fühl, wo hinter Häusern, Platz und Stadt
Du, Sonne, dich im Abendglanze senkst,
Daß du, Geliebte, gehst, belebt und glatt ...
Ich fühle sehr, wie du nicht an mich denkst.
(S. 68)
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Aprilgedicht

Wie auf Gemälden, weiß und ohne Leben
So stehn die Wolken vor mir in dem Blau!
Ich gehe fremd und atme rauh,
Und so und soviel Menschen sind daneben.

Ich werde langsam mich zu sammeln streben ...
Versank mein wild Gedenken dieser Frau?
Ich lieb sie sehr - nichts weiß ich so genau -
Und bin ihr ziemlich hilflos preisgegeben.

Zuckt mein Gemüte durch den Frühlingstag?
Die Bäume sehen schön, .. neuartig aus.
Alleen, fernbesonnt, seh' ich durchs Tor.

Eine Fontäne sprengt mir etwas vor ...
Mein Herz zuckt wehrlos. Komm ich je heraus
Aus dieser Leidenschaft, eh ich erlag?
(S. 69)
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Freundschaft

Ach, wie ist es schön zu gehen
Unter viel Kastanienbäumen,
Die die Wunderkronen blähen,
Wonne duften, Süße träumen.

Ferne fließt der Freundin Grete
Seele, die ich tief erflehte,
Sanft erlöst zu guten Kitschern ..

Vögel zwitschern. Vögel zwitschern.
(S. 72)
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Verlust

Der Tag ist draußen weiß. Ich hör ihn rauschen.
Ich bin im Zimmer wieder ganz allein.
Die Augen zu. Nur meine Ohren lauschen.
Vorhin schlief ich sogar ein wenig ein ...

Der Tag singt weiter. Worte! weiße! neue!
Tonfälle, Lachen! ... und Bewegungen ...
Erglänzen irgendwo fern .. (Mich zu verlassen!
Geliebte Freundin, die ich einst besungen!)
Und Augen, die ich niemals werde hassen,
Fühlen mich nun nicht mehr. O Durst nach Treue!
(S. 73)
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Entfremdung

Könnte ich soweit genesen,
Daß wir nie uns wieder kränken!
Könnt ich nur an die Zeit denken,
Wo du gut zu mir gewesen!

Wo ich dich begleitet habe ..
Einst .. Die Nacht war schon "türkisen" ..
Spät durch Straßen wie durch Wiesen
Streifte, ein verliebter Knabe ..

Könnt ich doch Erinnrungsklänge
Unverdorben daran wahren,
Wie einst die Caféhaussänge
Jungerblühte Rosen waren!
(S. 78)
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Vor ein paar Monaten ...

Ich will in mein Zimmer gehn und mich
darauf besinnen,
Wie ich vor ein paar Monaten zu dir stand -:
Wir kamen immer freundlich zusammen,
Mein Herz starrte dich an, unverwandt.

Ich liebte dich ganz besinnungslos,
Dumpfwütend, ohne Hoffnung
(und so voll stummen Geflehs).
Rauschgoldnes Licht und Stimmengetos
Schwamm schwer in den Cafés ...
(S. 79)
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Der Unglückliche

Er sieht befremdet in die Angesichter,
Die gleichmutvoll tötliche Worte tropfen.
Sein Auge sucht im gasigen Schlaf der Lichter,
"Warum paßt alles dies nicht zu dem Klopfen

Von meinem Herzen? Bin ich irr und wild?
Vielleicht ein Kind, verliebt, mit Recht verlacht ..."
Und sein Gehirn, durch das die Umwelt schrillt,
Es wandelt blindverzweifelt durch die Nacht.

Seid still! es spielt Klavier! Mit wehem Hasten,
Mit wirren Armen schlägt es auf und ab,
Und in das Kreischen der verzerrten Tasten
Irrt taub der Mund, verschlossen wie ein Grab.

Die nächtgen Straßen, feucht und nebelhaft,
Ermüden ihn, so daß er schließlich weint.
Er sieht sich um, am Ende seiner Kraft:
Häuser bestehen, wachend und versteint.
(S. 81)
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Was waren deine Wangen? Kleine Zinnen,
Wo Erdbeer ruht, und sich ein Schwan bewegt,
Und wo ein Mohr aus scheinenden Gewinnen
Die Fülle ungemünzten Goldes trägt.

Was waren deine Lippen? Große Züge
Von Straßen weit von Feld zu Abendrot,
Der Küsse paradiesische Genüge,
Das weiße Krankenlager vor dem Tod.

Was waren deine Augen? Blaue Zeichen,
Dir eigen, wie in Erde deine Spur,
Die mächtig dich beweist vor dem Verstreichen,
Dich Glied, o dich Gebilde der Natur!
(S. 85)
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Wenn Tags auch über uns die Jahre brennen,
Ein Abend kommt, uns beiden zu verzeihn ..
Da wir erfahren, daß sich niemals trennen,
Die sich vermählten, ehe sie allein ..

Und da wir fast die alten Namen nennen ..
Warum bist du nicht mein, ich nicht mehr dein?
Wenn Tags auch über uns die Jahre brennen,
Ein Abend kommt, uns beiden zu verzeihn.

Der Himmel, eine große Glocke oben,
Tönt immer und unhörbar seinen Ruf.
Und wieder ist mir nah dein Angesicht.

Wir sind diesmal so weit herausgehoben,
Daß uns nicht findet, was uns Trennung schuf,
Und was uns damals traf, nicht zu uns spricht.
(S. 91)
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Seit ich zuviel an dich denke,
Bin ich nicht mehr frei und munter.
Such ich, wie ich es versenke,
Geht es doch mir nicht mehr unter.

Lockig Haare, klar die Wangen
Und der Augen Schelmerein,
Sie sind ferne, doch sie fangen
Mich mit bangen Schlingen ein.

Weiß nicht, wie das enden möge,
Bringt es Freude oder Schmerz?
In dem zierlichsten Gehege
Neu verfangen glüht mein Herz.
(S. 100)
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Der wilde Honig deiner beiden Lippen
Scheint deutlich mir in meine ferne Fahrt.
Mir ward von je durch erst verborgne Klippen
Gefahr und tiefer Schicksal aufbewahrt.
Ich spüre immer deine große Nähe,
Ob ich dir nahe oder dich nicht sehe.

Wesen mir noch umschleierter Regionen,
Wo ich durch dich einst leben könnte, fühlen,
Die Flamme wird mich sicher nicht verschonen,
Und brennt es auch, ich werde es nicht kühlen.
Führt es zum Rausche oder zum Verzicht:
Die Stunde weiß es, doch wir ahnens nicht.

Von Hoffen bin ich bis zum Schmerz erregt,
Wenn eine Türe aufgeht, und du kommst,
Und eh das Schwärmen sich noch hat gelegt,
Quält schon der Zweifel, ob du mir wohl frommst,
Ob Götter nicht, bevor wir uns noch kennen,
Bereit sind, uns Gelenkte schon zu trennen.

Du triffst mich, der, zu tiefem Ernst entschlossen,
Noch, Kind, gehindert ist, etwas zu tun.
Die leichte Neigung ist uns schon verflossen,
Und alles Schwere spannt und drückt uns nun,
Uns, die wir vor verlockendsten Gefahren
Nicht, eins vom andern, wissen, wer wir waren.
(S. 101)
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Hoher Traum

Es sind in mir noch die blauen Augen
Und lassen mich nicht ruhn, was ich auch treibe.
Sie scheinen mir mein Leben aufzusaugen,
Dass nicht ein Schritt, kein Atemzug mehr bleibe,

Ganz wie der Tod, heimlich und unbeirrt,
Und wenn sich meine Widerstände mindern,
Dann werden sich wohl auch die Schmerzen lindern,
Die in mir streben wirr und ohne Hirt.

O süsses, o beruhigendes Ende!
Ein Nehmen? Nein - ein sanftes Wiedergeben,
Ein Traum, vertrauter als das wache Leben,
O liebe Augen, o geliebte Hände!
(S. 148)
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Ein Sommerabend war noch auf der Stirn,
Doch in die Augen stieg bereits die Nacht.
Ich sah die Brücke. Angst, mich zu verirrn,
Bange sich regend, war in mir erwacht.

So folgte ich beklemmt dem fremden Ruf,
Vor mir die Unentrinnbarkeit der Pein.
Letztes verklang: entfernter Rosse Huf,
Ich war nun gleich verlassen und allein,

Ohn' Hoffnung - nur ein düsteres Ertragen,
Lastende Schwere war mein ganzer Sinn.
Ein Flämmchen nur mit kleinem Flügelschlagen
Lief zitternd neben mir am Wege hin.
(S. 149)
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Der helle Tag war eine schlimme Nacht,
Das wache Leben nur ein dumpfer Schlaf,
Eh' ich zum Traum von dir bin aufgewacht,
Eh' meine Näh deine Ferne traf,

Zum Traum von mir, der, lange Zeit verborgen,
Nun wie ein Held an meine Seite trat,
Nicht Gestern galt, nicht Heute, nur das Morgen
War nahe mir, geöffnet war der Pfad.

Und Liebe flocht in keuschesten Gewinden
Unmerklich schon den bunten ewigen Kranz.
Was lang getrennt war, hoffte sich zu finden,
Und das Entzweite sah sich wieder ganz.
(S. 150)
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Du schläfst, Geliebte - o dass ich bewachte
Dein teures Leben unablässig nah!
Dass Knospen, die ich dir zuweilen brachte,
Aufblühten, um zu bleiben ewig da,

Zu schwesterlichem Dienst Jasmin und Rose
Dir, wenn du ruhst, und wenn man dich geweckt,
Ein brennend und ein seidenes Gekose
Umwirbt dich oder hält dich süss bedeckt.

O teures Leben, rätselhaft gebettet,
Mit lichtem Blick trotz Wolke, Traum und Flut,
Frei wie ein Kind und dunkel angekettet
Schon Opfer, das vergiessen soll sein Blut.

Musik und Welle! Deutlichstes Erklingen
Voll Ahnung des Verhallens gibt sich preis
Im sicheren Flug mit eines Vogels Schwingen,
Der sein Geheimnis nicht zu fassen weiss.
(S. 151)
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Es wird nun bald - ja, Liebe? - ruhig sein,
Und linde strömt der Abend in uns ein.

Es kam - so ist mir - viel an mir vorüber,
Doch bist du so wie einst mir gegenüber.

War ich weit fort - du weisst es - war ich krank?
Verschweig' es und empfange meinen Dank!

Die heisse Wunde und der selige Quell:
Wie glänzen deine Augen tief und hell!
(S. 152)
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Alle Wellen sind verrauscht -
Wie der Atem stockt!
Wie das Ohr erwartend lauscht,
Dass sie wieder lockt,
Dass sie bebend nicht mehr schweige,
Die noch unhörbare Geige!

Und die Wellen ruhn -
Durch die Blätter ging ein Weben,
Wirst du nun,
O Geliebte, zu mir schweben?
Und ein rätselhaftes Singen
Mich ergreifen, mich durchdringen?
(S. 153)
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Offen kündend und doch schweigend,
Deine Augen sind wie Flammen.
Innig waren wir zusammen,
Ahnungsvoll und süss uns neigend.

Zärtlichkeiten, ganz geständig,
Strömten zu wie Melodein.
Sieh, es trat der Gott lebendig
Und voll Sehnsucht in dich ein.
(S. 154)
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Was ich war und was ich fand,
Legt' ich ganz in deine Hand.

Schönen und zerbrochenen Laut -
Hab ich dir alles anvertraut.

Bat dich, schonend aufzuheben,
Was so dankbar ich gegeben.

Pflanzt du, wenn verstummt mein Wort,
Blumen an dem toten Ort?
(S. 155)
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Könnt' ich dir mit Worten sagen,
Was mich tausendfach umfängt,
Was mich glücklich und mit Zagen
Stets aufs neue zu dir drängt.

Wirst du, Teure, es nicht ahnen,
Wie ich ganz voll Liebe bin,
Wie voll Drang, den Weg zu bahnen,
Der mich führe zu dir hin?

Aufgelöste Seligkeiten
Wurden mir von dir geschenkt,
Tränen heissen Danks begleiten,
Was das Herz gewaltig denkt.

Wenn der Schein von hellen Tagen
Neidisch auch auf Liebe fällt,
Meine Nacht wird ewig sagen
Von den Strassen tieferer Welt.
(S. 161)
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Seltene Stille früher Stunden,
Halber Schlummer im Gemüt,
Auch der Schlaf hat zart empfunden,
Welche Blume in mir blüht.

Mag an solchen Schlaf nicht rühren,
Der die Blume nimmt in Hut.
Nichts darf mehr das Feuer schüren,
Das in mir besänftigt ruht,

Niemand diesen Wall zerbrechen,
Der bewahrt hält vor der Flut,
Und ich will nur dankbar sprechen:
Was du gabst, war doch so gut.

Nun wird Tau sich auf dich legen,
Leis hat ihn mein Aug' versprüht.
Tränken will ich und will hegen
Blume, dich, die in mir blüht.
(S. 163)
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Tief mein Auge sich verschliesse,
Da das Innere ihrer denkt!
Übermächtig tiefe Süsse
Wurde mir durch dich geschenkt.

Erst mit unbemerktem Schritte
Nahtest du, warst dann so nah,
Ach, wenn aus des Herzens Mitte
Ich dich sah und wiedersah!

Wie als hätte es vernommen
Schon vertrauten Ton und Sang,
Wurde deinem stillen Kommen
Alles um mich ein Empfang.

Grüner Schimmer in den Zweigen,
Tiefer Rasen hingestreckt,
Bäume neu erglänzend zeigen
Ihren Frühling, süss erweckt.

Und du, Tiefgeliebte, wusstest,
Es doch nie, wie sehr du labst,
Schenken, immer schenken musstest
Du, als du mich ganz umgabst,

Mich umwohntest und umhülltest
Wie die reinverklärte Luft,
Alles Innere mir erfülltest,
Süsseste, mit deinem Duft,

Jeden Lebenstag besiegelnd,
Wachsend heimlich in der Nacht
Und mich selber widerspiegelnd
Mit geheimnisreicher Macht.

Bist du nun auch von mir ferne,
Weiss ich dich doch in der Welt.
Ist die Nacht auch ohne Sterne,
Bleibt mein Herz noch sanft erhellt.
(S. 164-165)
_____



Bin dir tief
Zugetan!
Was dich rief,
War kein Wahn.

Glaube mir,
Meinem Muss!
Folge dir,
Deinem Kuss!

Süsses Blut,
Hoher Traum,
Bunte Glut,
Heiliger Raum.
(S. 168)
_____



Ich sehe immer deine Augenbogen
Und deine Augen, blau bis auf den Grund.
Ein Nachen bin ich nur auf diesen Wogen,
In Licht gebadet ist das ganze Rund,

Die dunklen Glocken tönen aus der Tiefe
Fast freudig Harmonieen ohne Weh.
Und einen Augenblick gibt es, als liefe
Der Sonne Lächeln über einen See.
(S. 169)
_____



Um deine Stirne blühn
Flammen noch immer,
Immer noch sprühn und glühn
Göttliche Schimmer.

Und eine Krone winkt,
Glanz sich ergiesst,
Kraft, die noch in dir singt
Und überfliesst.

Willst du verronnen sein,
Du, mein Genoss?
Himmlisch sind Wonnen dein
Auf unserem Schloss.

Du siehst das morgendlich
Glühende Licht.
Heldisch erweckt es dich,
Du säumest nicht.

Denn auf dem Felde schon
Wallet der Dampf,
Wartest auf keinen Lohn:
Gross ist der Kampf!

Wie deine Hand
Sich den Lorbeer erzwingt,
Brenn' ich vom selben Brand,
Der dich umsingt.
(S. 170)
_____



Dein Aug' ist wie der Mond auf meinen Wellen,
Geliebt ein Herrscher über Ebb' und Flut.
Ich fühle mächtig meine Kräfte schwellen,
Und strömend find' ich mich gesund und gut.

Befreiung rauscht in mir aus allen Quellen
In Atem, Träne, Blickeslust und Blut.
Was klug verwahrt lag an geschützten Stellen,
Wirft selig sich in die ersehnte Glut.

Die abgeschlossenen Zellen sind nun offen,
Das Tor sprang auf: da ist der bunte Weg,
Auf dem du gehst. Nun darf ich alles hoffen.

Und überströmt bin ich von Glück und leg'
Das Haupt sanft auf die jugendliche Au:
Da leuchtet über mir des Himmels Blau.
(S. 171)
_____



Was ich dir sang,
Bald ist's erfüllt,
Was  dich durchdrang,
Einmal gestillt.

Was du gesucht
Bei Tag, bei Nacht,
Lange verflucht,
Dann ist's vollbracht.

Abgrund wird Tal,
Alles bist du.
Nach deiner Wahl
Fall' ich dir zu.
(S. 172)
_____



Den Fluch und Segen, beides hält umschlossen
Dein fliessendes und offenes Element.
Ein heller Strom bin ich zu dir geflossen,
Ich, der Verführte, der dich nicht verkennt.

Du, manchem Hexe, wurdest mir zur Fee.
Ich wende mich zu deinem Heiligtume,
In Treu gelobend, dass, wo ich auch geh',
Ich zu dir streben werde, Blaue Blume.
(S. 173)
_____

Aus: Ernst Blass Die Strassen komme ich entlang geweht
Sämtliche Gedichte
Herausgegeben und mit einem Nachwort
von Thomas B. Schumann
Edition Memoria Köln 2009
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Blass

 

 


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