Heinrich Christian Boie (1744-1806) - Liebesgedichte



Heinrich Christian Boie
(1744-1806)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Lied

Des Morgens wache Königin
Hört schon mein frühes Lied;
Sie weiß wie liebevoll ich bin
Und wie die Spröde flieht.

Und Phoebus von dem ersten Strahl
Bis er zur Ruhe geht
Sieht nichts als Thränen ohne Zahl,
Die doch ihr Stolz verschmäht.

O! werd ich keinen Morgen sehn,
Der mir gequältem lacht?
Ist mir kein Tag, kein Abend schön,
Und heiter keine Nacht?

Es ruft in meinen Trauerklang
Der Wiederhall betrübt.
Wann sagt mein freudiger Gesang,
Daß Lalage mich liebt?
(S. 287)
_____



Agathe

Mein ist der Sieg! Agathe liebet mich,
Sie war zu schwach bei unserm Streite.
Wir waren ganz allein: Gott Amor, sie und ich,
Und Amor war auf meiner Seite.
(S. 287)
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An Doris

Was kaum mein Mund und schüchtern wagt,
Ein zärtliches Geständnis, kann Dich kränken?
Wohlan, was mancher Dir ohn' es zu denken sagt,
Will ich ohn es zu sagen denken.
(S. 288)
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Vergleichung

Mein Mädchen, meine Uhr,
Worin vergleich ich die? -
Die zeigt die Stunden an,
Bei der vergeß ich sie.
(S. 288)
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Das Gewitter

"Chloe, siehst du nicht voll Grausen
Dort die Donnerwolken ziehn?
Hörst du nicht die Winde brausen?
Laß, Geliebte, laß uns fliehn.
Wo das breite Dach der Buchen
Eine Zuflucht uns verspricht,
Eile sie mit mir zu suchen!" -
Chloe schwieg und eilte nicht.

Eine Hirtin, die die Liebe,
Sich und ihren Schäfer kennt,
Gerne treu der Tugend bliebe
Und doch heimlich für ihn brennt,
Siehet überall Gefahren,
Trauet nie des Schäfers Wort.
Wenn hier Blitze schrecklich waren,
War es ihr Alexis dort.

Aber schwarz und schwärzer immer
Zieht das Wetter sich herauf.
Alles ist ein falber Schimmer,
Lange Donner folgen drauf.
Zweifelnd noch in dem Entschluße
Geht sie, bleibt sie wieder stehn:
 Furcht heißt sie mit einem Fuße,
Liebe mit dem andern gehn.

Jetzo schon auf halbem Wege
Hält sie plötzlich wieder ein.
Regen, Sturm und Donnerschläge
Treiben sie zuletzt hinein.
Lachend sieht sie Amor eilen
Und sein Blick begleitet sie.
Man entgeht des Blitzes Pfeilen,
Aber Amors Pfeilen nie.

Endlich bei des Mondes Scheine
Kehrte mit verstörtem Blick,
Chloe langsam aus dem Haine
An Alexis Arm zurück.
Nachtigallen sangen Lieder,
Duftend lag die Flur umher,
Ruhig war der Himmel wieder,
Nur ihr Herz war es nicht mehr.
(S. 292-293)
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Das Brünnchen der Vergeßenheit

Verzehrt von Schwermuth und von Liebe
Floß immer seufzend, immer trübe
Selindor in ein Brünnchen hin;
Und alle, die zu diesem kamen,
Vergaßen trinkend selbst den Namen
Der ungetreuen Schäferin.

Philinden endlich zu vergeßen,
Die schon zu lang dieß Herz beseßen,
Kam ich auch jüngst hierher gerannt.
Doch sie war mir zuvorgekommen
Und hatte schon so viel genommen,
Daß ich für mich kein Tröpfchen fand.
(S. 296-297)
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An Daphne

Kannst du den Schimmer deiner Stadt
Mit mir, o meine Daphne, fliehen?
Aus Sälen voller Prunk und Staat
In eine kleine Hütte ziehen?
Kannst du für Thorenlob zu groß
Der eitlen Zirkel dich entwöhnen,
Wo Glanz und Hoheit dich umfloß,
Wo du die schönste warst der schönen.

O Daphne, kannst du dich so leicht
Von jedem Stolz des Glückes scheiden?
Den Frost der deine Wangen bleicht,
Den heißen Strahl des Mittags leiden?
Kann diese weiche weiße Hand
Zu harter Arbeit sich gewöhnen,
Die nur der Freude Kränze wand,
Wo du die schönste warst der schönen?

O Daphne, kann dein zartes Herz
Gefahr und Unglück mit mir theilen?
Kannst du den Gram, kannst du den Schmerz
Durch deine sanfte Stimme heilen?
Wenn halbgebrochen um dich her
Nur meine kranken Seufzer stönen,
Denkst du an jenen Ort nicht mehr,
Wo du die schönste warst der schönen?

Und wird des Todes kalter Hauch
Mein leidendes Gesicht entstellen,
Kannst du mit diesem Lächeln auch
Des Grabes dunkle Nacht erhellen?
Fühlst du noch meinen lezten Blick?
Gibst meinem Staube deine Thränen?
Und denkst dahin nicht mehr zurück
Wo du die schönste warst der schönen?
(S. 299-300)
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An die Rose

Sprößling einer Thrän' Aurorens,
Oder ob dich Amor schuf,
O vernimm, geweihte Florens,
Eines Herzens leisen Ruf!

Schleuß, o Rose! - Nein, versag' es
Meiner Sehnsucht Bitten noch!
Blumen, Kinder eines Tages,
Glänzen frisch und welken doch.

Sanft erröthend, wie du glühest,
Wird Filinde bald dich sehn.
Ach! sie blühet, wie du blühest,
Und wie du wird sie vergehen!

Hast du meinen Ruf vernommen?
Oefnest deine Knospe schon?
Süße Rose, sei willkommen!
Deiner harrt ein süßer Lohn.

Die dich pflückte soll dich drücken,
Meine Hand, an ihre Brust.
Wiße nur daß du sie schmücken,
Aber nicht verbergen mußt.

An Filindens Busen prangend
Stirbt dein Reiz zwar früher ab;
Doch den schönen Platz verlangend,
Neidet jeder selbst dein Grab.

Duft' ihr Düfte, zart und linde!
Doch erhalte dir den Dorn,
Und wer dir sich naht, empfinde
Deine Rache, meinen Zorn!

Auch gewähren neues Leben
Dir vielleicht die Götter dann,
Seufzer werden dich erheben,
Wenn Filinde seufzen kann.

Thränen des Gefühls vergießen
Lehre sie bei deinem Tod,
Und der Jugendzeit genießen,
Der ein gleiches Ende droht.
(S. 301-302)
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Der Tausch

"Hier sollt ich sie erwarten!
Vergaß sie Schwur und Pflicht?
Find ich im ganzen Garten
Eleonoren nicht?
Läßt dieser Schatten Hülle
Mich keinen Fußtritt sehn?
Dringt durch die tiefe Stille
Kein einziges: Tiren?"

Ich sprachs und immer weiter
Sucht ich der Freundin Spur.
Der düstre Mond ward heiter,
Doch Bäume sah ich nur.
Jezt im Begriff zu weichen,
Trift ein Geräusch mein Ohr
Und aus den dichten Sträuchen
Springt lachend was hervor.

"Agathe? wie?" - ""Verloren
Hab ich den Aedon hier."" -
"Und ich Eleonoren
Zu sehn geglaubt in dir." -
""Komm unsern ungetreuen,
Sprach sie, soll Recht geschehn.
Du wirst dich doch nicht scheuen,
Mit mir allein zu gehen?"" -

Wir gingen. Endlich müde
Sank sie am Wasserfall.
Wir horcheten dem Liede
Der lauten Nachtigall
Und sangen auch und lauschten
Bei süßem Spiel und Scherz,
Und küssten und vertauschten
Unwißend unser Herz.

Ich malt ihr mein Entzücken,
Als schnell an Aedons Hand,
Vergnügen in den Blicken,
Mein Mädchen vor mir stand.
"Folgt, sagte sie, die Rache
So plötzlich dem Vergehn?
Kaum daß ich diesem lache,
Bestrafet mich Tiren!"
(S. 302-303)
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Amor

Wer Amor ist? Er ist ein Kind, Belinde.
Doch unterwerfen diesem Kinde
Der König und der Sclave sich.
Ihm bauen Götter selbst Altäre,
An Reizen übertrift er dich,
Er denkt wie ich und fühlt wie ich,
Doch glaub' ich daß er kühner wäre.
(S. 304)
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Rosette

An Rosettens Blicken hangend,
Schmachtend, seufzend und verlangend
Fleh ich mit vergebner Müh:
Kannst du ewig meinen Klagen,
Meinen Thränen dich versagen?
Lohnst du meine Treue nie?

Aber immer unbeweglich
Hört das kalte Mädchen täglich
Meine Seufzer an und spricht:
"Hoffnung nährt allein die Liebe.
Glaub', ich theilte deine Triebe,
Wünscht' ich ihre Dauer nicht."
(S. 304)
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Nicht für Einen

Jung und hold und sanft und fröhlich
Tanzte, spielte sie und selig
Pries sich jeder, der sie sah,
Jeder stand voll Liebe da.
Aber keine Hoffnung scheinen
Sah ich mir und irrt' in Nacht,
Immer seufzend: ist für Einen
Solcher Liebesreiz gemacht?

Endlich fing ich an zu wagen
Und sie hörte meine Klagen,
Lächelte, ward roth und schien
Gleichen Triebs für mich zu glühn.
Welche Wonne! Wonne, feinen
Edlen Seelen nur gedacht! -
Wär', o wäre doch für Einen
Solcher Liebesreiz gemacht!

Halb genoßen, halb empfunden
War auch schon mein Glück verschwunden,
Und von neuer Liebe warm
Sank sie bald in Theons Arm.
Aber er wird morgen weinen,
Dem noch heut ihr Auge lacht;
Denn nun weiß ichs: nicht für Einen
Ist der Liebesreiz gemacht.
(S. 305)
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Verschwiegenheit

A.
Grabt dem jungen Buchenhaine
Eure Schäferinnen ein;
Tief dem Herzen soll die meine,
Schäfer, eingegraben sein!
Voll der süßesten Gefühle
Schlägt mein Busen; doch der Mund
Mache bei dem Saitenspiele
Niemals ihren Namen kund.

Reizender ist das Vergnügen
In der tiefsten Einsamkeit.
Unsre Freuden sind verschwiegen,
Ohne Zeugen, ohne Neid.
Selbst den Schwur, den wir geschworen,
Flüsterten wir leis' am Bach:
Eifersucht hat tausend Ohren,
Schilf und Bäche plaudern nach.

Da wo ihre Heerde spielet,
Siehet man die meine nie;
Schüchtern und bedächtlich schielet
 Mein verstohlner Blick auf sie.
Unverfärbt hör' ich sie nennen,
Sorglos steh ich, wenn sie singt,
Und ich scheine nicht zu kennen
Ihren Hund, der auf mich springt.

Schäfer lernt von feinen Seelen
Kalte Worte, kalten Blick!
Nicht die Seligkeit erzählen,
Sie verschweigen, das ist Glück.
Immer, o Geliebte, hülle
Unser Bündnis sich in Nacht!
Liebe sucht allein die Stille,
Wenn sie glücklich ist und macht.

Unbedachtsam überfließet
Nur ein Thor von seiner Lust;
Doch ein kluger Hirt verschließet
Selbst den Wunsch in tiefer Brust.
Rein und heiß sind meine Triebe;
Ewig, ewig bin ich dein,
Sage dir daß ich dich liebe,
Aber - sag' es dir allein.


B.
Grabe, wems behagt, der Rinde
Der Geliebten Namen ein;
Welcher Hirtin ich empfinde,
Flüstert keine Buch' im Hain.
Unsers Bundes Knoten schlangen
Jahre fester, doch verrieth
Auch den Saiten, die ihr klangen,
Ihren Namen nie mein Lied.

Ach! die Blume des Genußes
Welkt am offnen Sonnenlicht.
Zeugen unsers stillen Kusses
Gaben Neidern schnell Bericht.
Selbst den Schwur der Treue schwuren
Wir im unbetretnen Wald.
Neugier spät die kleinsten Spuren,
Eifersucht hört leis' und bald.

Wo das Lamm der Trauten hüpfet,
Trift man meine Herde nie.
Schüchtern und bedächtlich schlüpfet
Mein verstolner Blick auf sie.
Unverfärbt hör' ich sie nennen,
Scherz' und lache, wenn sie singt,
 Und will nicht ihr Hündchen kennen,
Das liebkosend mich umspringt.

Hirten, lernt euch selbst bewahren!
Plauderei gebiert nur Leid.
Müßens alle gleich erfahren,
Daß ihr zu beneiden seid?
Schweigend ist der Wonne Fülle,
Gern entweicht sie dem Verdacht,
Und erwählt des Schattens Hülle,
Der sie doppelt reizend macht.

Leichtes Sinnes schwatzen Thoren
Von der Seele Wünschen laut;
Was des Klügern Herz erkoren,
Wird auch Freunden nicht vertraut.
Andern kein Geheimnis, bliebe
Mir mein Glück nicht schön, nicht rein.
Sag ich denn, daß ich dich liebe,
Sag ich, Theure, dirs allein!
(S. 306-309)
_____



An Doris

Was stehst du da und marterst dich,
Wer deine Gunst verdient? O Doris, wähle mich!
Denn ich bin jung genug mich deiner werth zu zeigen
Und alt genug mein Glück zu schweigen.
(S. 313)
_____



Wie es war und ist

Der Herzen gibts nicht mehr in unsern Tagen,
Die voll Gefühl auf Erden weit und breit
Mit keinem Wunsch als nach der Einen fragen,
Der sie sich ganz und lebenslang geweiht;
Gern jedem Glück, ists Ihr nicht Glück, entsagen;
Unabgeschreckt von Haß, Verfolgung, Neid
Wie im Triumf an Ihrem Siegeswagen
Hervor sich blähn; was halb Ihr Blick verbeut,
Nicht wollen; nur mit innigem Behagen
Die Freude fühlen, die auch Sie erfreut;
Zufriednes Muts an ihrem Grame nagen,
Und Jahre durch, was Stolz und Grausamkeit
Auflegen kann, und immer willig tragen;
Zu leben und zu sterben gleich bereit,
Gefahr und Tod um Ihretwillen wagen;
Und wenn zuletzt Ihr harter Sinn Sie reut,
Die Zweifel fliehn, die um den Busen lagen
Und Sie erweicht Ihr Ohr den Seufzern leiht,
Als wär es Traum, noch fürchten noch verzagen:
Der Herzen gibts nicht mehr zu unsrer Zeit!
Der Liebesgott ist nun kein Gott der Klagen:
Er kömmt und glüht und lacht der Schüchternheit
Und schleicht, will ihn ein stolzes Mädchen plagen,
Gelaßen fort, und ist er glücklich heut,
Sieht man ihn morgen schon die Flügel schlagen. -
Warum bin ich noch von der alten Zeit?
(S. 314-315)
_____



Der Unentschiedene

Einen Zauber in dem Klang
Ihrer Stimme hat Filinde,
Daß ich immer nur mit Zwang
Mich dem süßen Ton entwinde.

Einen Zauber in dem Blick
Ihrer Augen hat Agathe,
Daß ich über mein Geschick
In Besorgnis fast gerathe.

Von den Schwestern gleich gerührt,
Hab ich keine noch erkoren.
Wenn mein Auge die verführt,
Hält mich jene bei den Ohren.
(S. 315)
_____



Weibertreue

A.
Abwesend hat man Unrecht
Abwesend hat man Unrecht. Eine Reise
Zwar von acht Tagen nur, riß aus Melissens Arm
Die er schon lange Zeit auf nicht gemeine Weise
Geliebt, den Kleon weg. Nichts gleichet ihrem Harm.
Sie kann den ersten Tag nicht schlafen und nicht eßen.
Am zweiten kömmt Philint, und - Kleon ist vergeßen.
Doch er kömmt wieder. "Ungetreue!
Spricht er, hast dus mit mir nur so gemeint?"
""Mein Freund, antwortet sie, mein guter Freund!
Was du mir sagen kannst, hab ich verdient, bereue,
Beklag es sehr, nur - mach geschwinde fort,
Denn unter uns - der andre wartet dort.""


B.
Weibertreue
Wohl aus dem Aug, wohl aus dem Sinn!
Das zeuget meine Nachbarin.
Ihr Medor, der sie ganz mit Seel und Leib beseßen,
Verreist auf vierzehn Tage nur.
Ein andrer kam - und Medor war vergeßen.
Doch plötzlich auf des Hauses Flur
Stand scheltend Medor: Ungetreue!
Hast dus nicht redlicher gemeint?
"Ach, rief sie, lieber guter Freund!
Du schiltst mit Recht! Tief fühl ichs und mit Reue!
Nur schilt geschwind und mache fort,
Denn unter uns, der andre wartet dort."
(S. 316-317)
_____



Die Wahnsinnige

A.
Aus elysischen Gefilden, Myrthenhainen,
Wo die abgeschiednen Geister Liebe weinen,
Von kristallnen Bächen, die der Mond beglänzt
Und ein Frühling ewig jung und lächelnd kränzt,
Will ich einsam in zerrißnen Lumpen eilen,
Meinen finstern liebeskranken Gram zu heilen.
Luna blieb am Himmel spät,
Fröhlich schwebte Mab im Tanze,
Oberon voll Majestät
Sah, wie Mars mit seiner Lanze
Die Liebesgöttin verwunden thät.
In jener Primel tief begraben
Liegt er in hellen Tropfen Thau.
Täglich soll dich meine Thräne laben,
Daß du nicht welkst, o Blümchen, auf der Au.
Denn seit Er tot ist, hab ich keine Freude mehr!
Vergißmeinnicht und Rosen will ich finden,
Ein Kränzchen meinem Freund zu binden.
Statt der Musik erschall ein Seufzen um mich her!
In einen holen Baum will ich mich niederlegen,
Dem Tode lächeln, segnen das Verderben
 Und sterben.
Raben, Katzen, Fledermäuse
In der bängsten, fürchterlichsten Weise
Sollen Wald und Felsen zum Gefühl bewegen!
Uhus, Eulen
Sollen mir mein Grablied heulen!
Saht ihr ihn nicht? Wie ihm die schwarzen Augen brennen!
Mädchen, fürchtet ihre Macht!
Nehmt euer Herz in Acht!
Wie würdet, würdet ihr dem Mann entfliehen können!
Horch, horch der alte Charon!
Er will nicht länger warten!
Die Furien erheben ihre Peitschen,
Und rufen: von hinnen! von hinnen!
So kehr ich denn zurück woher ich kam.
Die Welt ist viel zu toll, nichts lindert meinen Gram.
Was soll ich länger schmachten?
Die Lieb' ist alles Elends Same,
Ist eine Seifenblas', ein Schatten und ein Name,
Den Narren bewundern und Weise verachten.
Kalt und hungrig bin ich nun -
Unter Blumen will ich ruhn,
Träumend hin auf Himmelsmatten sinken,
Götterspeise kosten, Nectar trinken
Und singen:
Wer heiter ist und froh,
 Kann jeden Gram bezwingen.
Bei Waßer und auf Stroh
Bin ich in meinem Sinn
Zufriedner als die Königin,
So lang ich ohne Feßel bin!


B.
Aus elysischen Myrtenhainen,
Wo abgeschiedne Liebende weinen,
Von stillen Bächen mondbeglänzt,
Die ewig blühender Frühling kränzt,
Kommt mit Grabeslumpen umhangen,
Kommt die arme Hanne hergegangen,
Linderung wo und Ruhe zu erlangen.

Ha! wie blutig, wie düster
Der sinkende Mond da scheint!
Wie im Pappelgeflüster
Der Nachtigall Stimme weint!
Wie dort am quelligen Berge,
Wo Feuerwürmer glühn,
Die Elfen, Nixen und Zwerge
Den ringelnden Reigen ziehn!

In jener Primel Kelch begraben,
Ruht Er, gekühlt von hellem Thau. -
Täglich soll dich meine Thräne laben,
Daß du nicht welkst, o Blümchen der Au!
Denn seit man ihn begraben,
Hat Hanne keine Freude mehr.
Vergißmeinnicht und Rosen will ich finden,
Ihm einen Totenkranz zu binden,
Von meinen Thränen schwer.
Nicht Glockenklang,
Nicht Grabgesang,
Mein Seufzer nur erschall umher.

Wo ist der hole Baum im Hain?
Allein will ich mir betten, allein!
Dem Tode lächeln, segnen das Verderben -
Und sterben.
Nachtraben und Fledermäuse
In banger, gräulicher Weise,
Uhu und Eulen
Sollen mein Grablied heulen. -

Sahet ihr ihn?
Wie die schwarzen Augen ihm glühn?
O fürchtet, Mädchen, ihre Macht!
Nehmt euer Herz in Acht!
Wie würdet ihr dem Mann entfliehn? -
Horch, horch! Aus Moderduft
Der alte Charon ruft!
Mit Geißeln nahm die Erynnen
Und rufen: von hinnen, von hinnen! -

So kehr ich denn, woher ich kam.
Die Welt ist viel zu toll: nichts lindert meinen Gram.
Was sollt ich länger umsonst hier schmachten?
Die Lieb' ist alles Elends Same,
Ist Seifenblas' und Schatten und Name,
Den Narren bewundern und Weise verachten.

Kalt und hungrig bin ich nun.
Unter Blumen will ich ruhn,
Träumend auf sonnige Rasen sinken,
Ambrosia kosten und Nektar trinken
Und singen:
Wer heiter ist und froh,
Kann jeden Gram bezwingen.
Bei Waßer und auf Stroh
Bin ich in meinem Sinn
Zufriedner als die Königin,
So lang ich ohne Feßel bin.
(S. 317-320)
_____



Gegenliebe

Wenn ich wüßte daß du mich
Lieb und werth ein bischen hieltest
Und von dem, was ich für dich,
Nur ein Hunderttheilchen fühltest;

Wenn dein Danken meinem Gruß
Halbes Wegs entgegen käme,
Wenn dein Mund den Wechselkuss
Gerne gäb' und wiedernähme;

Himmel, Himmel! außer sich
Würde ganz mein Herz zerlodern!
Leib und Leben könnt' ich dich
Nicht vergebens laßen fodern! -

Gegengunst erhöhet Gunst,
Liebe nähret Gegenliebe,
Und entflammt zu Feuersbrunst,
Was ein Aschenfünkchen bliebe.
(S. 321)
_____



Morgen und Mittag

In erster Dämmrung aufgegangen
Sah ich an deinen zarten Wangen
Der Schönheit Morgenroth;
Und sank allmächtig hingerißen
Und zitternd schon zu deinen Füßen
Und ehrte dein Gebot.

Und ganz in deinen Blick verloren
Sah ich dich damals schon erkoren
Der Liebe Königin.
Und ehe du Verehrer fandest
Und eines Herzen Werth verstandest,
Gab ich mein Herz dir hin.

Jedweden Reiz sah ich entstehen
Und konnte nur dein Auge sehen,
Weil sehn noch sicher war;
Und dachte nicht die süße, frohe
Bescheidne, sanfte Minne drohe
Der halben Welt Gefahr.

Unwiderstehlich aber wütet
Der Schönheit Mittag nun, gebietet,
Und Sklaven beten an.
 Wer darf um ihre Blicke werben?
Tod folget ihnen und Verderben,
Wenn man nicht hoffen kann.

So hebt sich, wenn die ersten Stralen
Der Sonn' in Gold den Osten malen,
Des Persers Frühgebet,
Der, wenn der Mittag ihren Wagen
In heißrer Glut heraufgetragen,
Erblasset, sinkt, vergeht.
(S. 322-323)
_____



Die Gewißenhafte

A.
Er plaget mich, ich soll ihn küssen.
Nein, nein! das würd ich theuer büßen,
Denn Mutter sagt, ich solls nicht thun.
Verbeut ihm seine nichts, ei nun!
So kann er mich ja küssen!


B.
Bärbchen küsse mich! sprach Peter;
Aber schreiend Weh und Zeter,
Beide Hände vors Gesicht
Sagte Barb': "Ich darf ja nicht!
Kömmst du?" - alle Nägel drohten -
"Meine Mutter hats verboten!"

"Aber schaut mir dort den Peter!
Wie ein wahrer Schafskopf steht er,
Beißt die Finger vor Verdruß.
Nehm Er wie er kann den Kuß!
Hat es doch dem dummen Knoten
Seine Mutter nicht verboten."
(S. 325)
_____



Stoßseufzerlein eines Ehemannes

Ihr Götter schenktet mir ein Weib
Kraft eurer hohen Gnade
Zu meines Lebens Zeitvertreib,
Auch war es nicht mein Schade.

Sollt' eure hohe Gnad' indeß
Für sie was beßers wißen,
So will ich meiner Pflicht gemäß
Sie gern noch heute missen.
(S. 326)
_____



Hanne und Hannchen

Wohl keine Frau ist ihrem Manne
Was du dem deinen, gute Hanne!
Ein Hannchen, eine Hanne macht
In dir ihn glücklich Tag und Nacht.
Will Liebe zu der Hanne stocken,
Das Hannchen weiß ihn schon zu locken
Durch Scherz und Tändelei und Spiel.
Und wird des kosens ihm zu viel,
Die Hanne bringt des Ernstes Würze
Daß sie die Zeit ihm lehrreich kürze.
Was aber, falls ich rathen kann,
Dein hochbeglückter Ehemann
Sehr gern ein wenig anders hätte,
Ist, daß so wohlgemut und frisch
Sein Hannchen ihm nur sitzt am Tisch
Und Hanne mit ihm geht zu Bette.
(S. 326-327)
_____



Romanze

Ihr Dirnen, die ihr spröde thut,
Schäumt euer jüngferliches Blut
Gleich oft zum überkochen,
Hört, wie in Schönbeck lästerlich
An einem Kammerkätzchen sich
Das sprödethun gerochen.

Als Aeffchen ihrer gnädgen Fra
Schminkt sie sich salva venia
Mit rothen Hasenfüßchen;
Belockt sich wie ein Hoffräulein
Und schnürt sich dünn und lispelt fein
Und nimmt mit grace ein Prieschen.

Als einmal sie Gevatter stund,
Da zog und spizte sie den Mund
Mon dieu wie mannigfaltig!
Schmieds Friedrich warf ihr einen Schmatz
Und trank ihr zu: "Mamsell, Ihr Schatz!"
Drob brummte sie gewaltig.

""Ein Schatz, parbleu! welch dummer Schnack!
Bleib er bei seinem Kohlensack
Und laß er meines gleichen!""
 "Nun, nun, Mamsell, nur kein Gekreisch!
Schwernoth! Ihr juckt wohl auch das Fleisch
Nach mir und meines gleichen!"

""Du bist der rechte, schrie sie, Du!
Solch grobes Mannsvolk stinkt mir zu,
Wie Theer an alten Achsen.
Verfiel mein Gusto je aufs frein,
Soll diese Nacht zum Augenschein
Ein schwarzer Bart mir wachsen!""

Sie schlug ein Schnippchen, schnupft' und trank,
Doch klopft ihr gleich das Herz so bang.
Ein bös Ding ums Gewissen!
Ihr graute nachts, schon juckt es ihr
Um Wang' und Kinn, sie konnte schier
Vor Angst kein Auge schließen.

Der Sturmwind saust' die Nacht hindurch,
Die Eule heulet auf der Burg,
Die Wehklag' in den Eichen.
Bang zirpen Grillen, Katzen maun,
Sie sieht ums Bette voller Graun
Die Unterirdschen schleichen.

Als früh sie vor den Spiegel trat,
Da einen lauten Schrei sie that,
O scheusliches Geschicke!
Die Wangen Kinn und Lippen zart
Umzog ein schwarzer Judenbart.
Sie fiel wie todt zurücke.

Als sie erwacht, o Jemini!
Wie schäumte, knirschte, krazte sie,
Das Scheusal auszurotten.
"Nun Friedrich komm und lache mein!
Nun wird der schlechtste Kerl mich scheun
Und alle Huren spotten!"

Sie legt umsonst Pechhauben an,
Die Zang ihr auch nicht helfen kann,
Sie ist ein Jud und bleibt es.
Der Bader beizt am Schandgewächs:
Umsonst! kein Doctor, keine Hex,
Kein Schinderknecht vertreibt es.

Sie weinte vierzehn Tage lang,
Rauft' ihren Bart, mied Speis' und Trank
Bis Wang' und Busen sanken.
Und aschgrau wie ein Bild von Tusch
Entflieht sie in des Burgwalls Busch,
Wo Unterirdsche wanken.

Die tanzen froh um sie herum.
 Seit dem geht sie um zwölfe um
Im Reihn der Nachtgespenster.
Und wo sie geht, da heults und lachts;
Langbärtig kukt sie oft des Nachts
In spröder Jungfern Fernster.
(S. 327-329)
_____



Klagen

Deines Haines Finsternisse,
Oede Wildniss, sucht mein Schmerz.
Lindrung, ach! und Ruhe gieße
Dieses grauen mir ins Herz.

Jeder Freude bin ich müde,
Jedes Glück ist mir verhaßt;
Hin ist meines Lebens Friede
Und ich bin mir eine Last.

Berget ihr vielleicht, ihr Bäume,
Meine Rosilis? ich Thor!
Der ich stets zu sehn sie träumte,
Die ich ewig doch verlor.

Einst in diesen süßen Schatten
Sah ich sie an diesem Quell -
Stunden, wie nur wir sie hatten,
O wie flohet ihr so schnell!

Laßt mir Trost entgegen wehen,
Büsche, Zeugen meiner Pein!
Werd ich je sie wiedersehen?
Echo seufzet traurig Nein!

Ha! was flüstert durch den düstern
Grauenvollen Aufenthalt?
Ihre Stimme scheint zu flüstern,
Sagt sie mir: Ich komme bald?

Nein! es wälzet zwischen Steinen
Seine Wellen dort ein Bach,
Hemmt sein rauschen, sieht mich weinen,
Aechzet mir aus Mitleid nach.

Doch sie wird einst wiederkehren,
Wird den Wankelmuth bereun,
Aber dann vergebens Thränen
Meiner kalten Asche weihn.
(S. 329-331)
_____



Die trinkende Doris

Wenn Doris trinkt, steht Bachus tief entzückt,
Als wenn zu seinem Ruhm es wäre.
Doch Amor, der indess bescheiden nieder blickt,
Hat ganz allein davon die Ehre:
Denn wenn sie trinkt,
Macht sie der Wein so schön, daß der beseelte Zecher
Vielweniger aus seinem Becher
Als ihren Augen sich betrinkt.
(S. 332)
_____



Das Mädchen von dreizehn

Jung bin ich und unerfahren,
Wie man fangen und bewahren
Und der losen Ränke voll
Weilen nun, dann fliehen soll.

Noch kann ich mich nicht verstellen,
Weiß mit Blicken trüben hellen
Nicht zu spielen; nur der Lust
Schlägt die unentweihte Brust.

Will von euch mich keiner nehmen,
Weil ich gut noch bin und schämen
Des Verrathes noch mich kann?
Sieht mich arme keiner an?

Wartet ja nicht, bis zu lügen
Ich gelernet und zu trügen!
Für den ersten möcht' ich stehn,
Andre könnt' ich hintergehn!
(S. 333)
_____



Liebe

Süße Liebe! Morgenrosen
Athmen reiner nicht den Duft,
Sanfter ihnen liebzukosen
Fächelt Zephyr nicht die Luft.
Voller nicht aus krausem Laube
Reizt den Durst die Nektartraube,
Nicht so labt der Regen dürres Feld,
Als Ihr Reiz, der mich gefangen hält.

Treuer lenkt des Schiffers Nadel
Nicht gen Norden seine Fahrt,
Fester trotzet Herzensadel
Nicht gefahren jeder Art.
Sichrer fallen nicht und schwellen
Dir o Mond die Meereswellen,
Als von Schicksalstürmen ungekränkt
Nur die Liebe meinen Wandel lenkt.

Junger Klee erfreut die Lämmer,
Bienen süßer Thymian,
Durch des Buchenhains Gedämmer
Folgt ein Hirsch der Hindin Bahn.
Wo des Baches Erlen schatten,
Lockt die Nachtigall den Gatten,
Sie gehorchen einem innern Ruf,
Ich der Liebe, die Ihr Zauber schuf.

Wandelbar in stetem Kreise
Rollt der Jahreszeiten Lauf,
Aus zergangnem Wintereise
Blühn des Lenzes Glocken auf.
Was der Sommer reift und rötet,
Sinkt vom falben Herbst getödtet;
Liebe haßt den Wechsel der Natur,
Unverwelklich lacht ihr Frühling nur.

Wie ein Säuseln über Halmen
Beugt die Zeit der Cedern Stolz,
Marmortempel zu zermalmen
Droht ihr Zahn gleich dürrem Holz.
Doch wenn jede Kraft ihr weichet,
Felsen sie dem Boden gleichet,
Alles unter ihrem Fußtritt schwankt,
Hat selbst ihr doch Liebe nicht gewankt.

Einzig nur aus diesem Leben
Kann des Todes linde Hand,
Blutet gleich das Herz, sie heben
In ihr beßres Vaterland.
Wo bei Seelen, die hienieden
Lebten liebten litten schieden,
 Sie des Erdenglücks kaum mehr gedenkt
Und kein Jammer unsrer Welt sie kränkt.

Liebe wie die Seel' entstammet
Einem Himmel, Gottes Hauch,
Eines Schöpfers Odem flammet
In den Zwillingsschwestern auch.
Dort am Born der Seligkeiten
Huldigen, wann nun der Zeiten
Und des Todes lezter Ruf verhallt,
Reine Geister ihrer Allgewalt.
(S. 337-339)
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Zwei Seestücke

1.
Wilhelm
Getakelt lag das Schiff am Port,
Die Wimpel floßen roth im Winde.
Schwarzäugig Suschen kam an Bord:
"O sagt mir, wo ich Wilhelm finde!
Ihr weidlichen Matrosen, sagt mir wahr:
Geht Wilhelm mit in Eurer frohen Schaar?"

Wilhelm, der hoch am Maste sang,
Gewiegt von Wellen hin und wieder,
Sobald die traute Stimm ihm klang,
Sah stumm durch Seil und Stangen nieder.
Das lange Tau durchglitt ihm heiß die Hand
Und rasch erreicht er das Verdeck und stand.

So wann die Lerch im Saatfeld ruft,
Verstummt ihr Gatte schnell, der munter
Sein Frühlied singt in blauer Luft
Und schießt geschloßner Schwing hinunter.
Die holden Küss', o Wilhelm! ohne Zahl
Misgönnte Dir Kapitän und Admiral.

"O Suschen, Suschen! muß ich gehn,
Auch ferne bleibst Du mein Verlangen.
Wir trennen uns zum wiedersehn;
O trockne Dir die heißen Wangen!
Verstürm uns auch der Wind nach Ost und West,
Dir steht mein Herz ein treuer Kompass fest.

O süßes Mädchen, traue nicht
Des falschen Landvolks schnödem Worte,
Der Seemann find' ein glatt Gesicht
Für seine Lieb an jedem Orte!
Ein glatt Gesicht ist hier und allerwärts,
Doch Suschen, wo Dein gutes liebes Herz?

Ob uns Orkan und Wogen drohn,
Ob Klipp und Sandbank um uns brande,
Den Elementen biet ich Hohn
Und kehre heim vom fernsten Strande.
Und donnert auch mit Kugelsaat die Schlacht,
Mich rettet Dir der holden Liebe Macht!"

Der Schiffer ruft sein schrecklich Wort,
Der Anker steigt , die Segel schwellen.
"Ach, schluchzt er küssend, Suschen, fort!"
Und starrt ihr nach durch dunkle Wellen.
 Schon kleiner wankt ihr Nachen nah am Strand
Und weiß noch weht das Tuch in Suschens Hand.


2.
Suschen
Der Ozean stieg schaurig
Vom Sturmwind aufgeschreckt.
Da seufzte Suschen traurig,
Am Felsenbach gestreckt.
Ihr Auge weithin spähend
Durchflog den Wogendrang,
Indess die Stirn ihr wehend
Die Trauerweid' umschlang.

"Das Jahr ist schon vorüber
Ach! schon neun Tage mehr!
Warum so dreist, o lieber!
Vertrautest Du dem Meer?
Laß Meer, vom Sturm gehoben,
Laß meinen Wilhelm ruhn!
Ach, hier im Busen toben
Noch wildre Stürme nun.

Was zogst Du Gold zu häufen
Zum fernen Mohrenstrand,
Wo Spezereien reifen
Und Perl und Diamant?
Der Fleiß bei sicherm Werke
Gewährt uns Ueberfluß,
Uns gäbe Mut und Stärke
Ein treuer Herzenskuss.

Wie ringt mit grausen Wettern
Dein überwogtes Schiff!
O wehe mir! nun schmettern
Es Stürm ans Felsenriff!
Jezt schwimmst Du auf der Trümmer
Durchs Weltmeer! sinkend jezt
Nennst Du mit Angstgewimmer
Dein Suschen noch zulezt."

Sie riefs mit bangem sehnen
Vom Felsen wo sie saß,
Und weinte helle Thränen,
Ihr Busentuch ward naß.
Da trieb die Woge schäumend
Den kalten Leichnam her:
Sie starrt ihn an wie träumend,
Erblasst und sank ins Meer.
(S. 340-343)
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Molly fehlt

Warum reizt dieser Hain, warum die schöne Wiese,
Die er bekränzt, uns halb nur? fragen wir.
Nicht viel entbehrt zu einem Paradiese
Dies Lustgebüsch - doch Molly fehlet hier.

Der Freude Götterchen, die sie gedrängt umschließen,
Belauscht ich jüngst an diesem Ort.
Von ihr allein, hieß es, gilt jenes alte Wort:
Sie sehen oder sie vermissen!

Entwickelt war in unsrem Kreise
Des Geistes Anmut, dämmert wo und tagt
Ein Stral des Lichtes, strebt und ragt
Bald hier bald da des Ausdrucks Ton und Weise,
Dann spricht der lobende ganz leise:
Viel feiner, treffender und weniger gewagt
Hätt unsre Molly das gesagt.

Der Scherz, die Musen im Geleite
Der Huldgöttinnen stehn ihr immerdar zur Hand.
Sie leiht dem Spotte selbst ein attisches Gewand,
Und liebenswürdiger wird Tiefsinn und Verstand,
Erscheinen sie an ihrer Seite.
(S. 348)
_____



Die Schlummernde

Im Gelispel athmet Flöten!
Leis entschlummert sinkt das Haupt
Meiner Freundin, das zu röthen
Sich ein süßer Traum erlaubt,
Und von Maienkühl' umfächelt
Liebe hauchet, Liebe lächelt.

Blumen sind dem prallen Moose,
Das sie wieget, eingestickt;
Ueber ihr hängt eine Rose,
Die verschämt am Stocke nickt;
Und den Balsam rings ergießen
Lüfte, die sie sanft umschließen.

Ihr gelagert gegenüber
Wagt mein Odem keinen Zug.
Kalt und glühend als im Fieber
Hemm ich meines Seufzers Flug.
Wenn der Traum, der sie umschwebet,
Nur kein fremdes Bild belebet!
(S. 349)
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Liebeslaune

Sie liebte mich die wunderholde Braune,
Und mich umgab was Glück nur heißen mag.
Sie liebte mich, das war nun ihre Laune,
Doch Laune nur für einen Frühlingstag.

Mit andern bald schloß eben diese Braune
Und andern drauf den wankenden Vertrag,
Und Himmelswonn' empfand in ihrer Laune
Beseltem Spiel auch jeder - einen Tag.

So wechselnd schafft die wunderholde Braune
Elysium und Hölle Tag um Tag.
Man zürnt ihr laut. Mir folgt der süßen Laune
Erinnerung mit stiller Wonne nach.

Entflattert uns die süße holde Braune,
Umsonst wird Hader dann und Klage sein.
Begehren wir die Wiederkehr der Laune,
Wie? koset sie, hauchst du sie doch nicht ein!

Im Haine jüngst fand ich die holde Braune,
Wo ich mit Rosen sie umkränzend sprach:
"Wann kehrt einmal zurück die süße Laune,
Daß neu ich liebend neu ich leben mag?"

Da blickt auf mich die wunderholde Braune,
In sanfter Röth entschlüpft ihr leis ein Ach!
Es kehrt zurück die süße, süße Laune,
Sie dauert nun schon manchen schönen Tag.
(S. 358-359)
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Immer Sie

Warest du nicht die Armide,
Die den wackern Reinhold zwang?
Tönte dir nicht der Ovide,
Nicht der Gleime Liebessang?

Legtest du in Rosenbande
Nicht des Zephyrs Wankelmut?
Stiegst du nicht an Cyprus Strande
Wonnenschauernd aus der Flut?

Ein auch dir bekannter Kleiner,
Schön wie du und wohl gelaunt,
Hat mir längst ins Ohr geraunt:

Wo gesprochen wird von Einer
Die, was treflich ist, vereint,
Wird Helena stets gemeint.
(S. 360)
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Die Eine

Eine holde kenn' ich, Eine
(Weiter auf der ganzen Welt
Giebt es solcher Frauen keine!)
Die gefangen nimmt und hält
Was vor Augen ihr sich stellt.
Glänztest du in Silberhaaren,
Gaukeltest in Knabenjahren,
Wärst ein Weiser oder Held,
Lebt in dir auch eine Welt:
Wenn du einen Blick empfingest,
Wie nur sie ihn blicken kann,
Einmal ihr zur Seite gingest,
Hörtest was ihr Geist ersann,
In die Kenntnis einmal drängest,
Die sie spielend sich gewann,
Und zu Höhen, die ein Mann
Kaum erforscht, mit ihr dich schwängest,
O mit Mund und Herzen dann
Sprächest du: Ich bet dich an!
(S. 361)
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Minette

Minettens helle Blicke fodern
Gebietrisch auf zur Huldigung,
Sie reizet, lockt, hat nie genung,
Als bis ihr aller Herzen lodern.
Ihr Witz, der wie das Auge glüht,
Nur Blitze schießt, nur Funken sprüht,
Erwartet Lob von jeder Zunge.
Ihr Amor ist ein wilder Junge
Der mit der Fackel, die er trägt,
Mutwillig ins Gesicht euch schlägt.
(S. 361)
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An den Bach

Der du immerdar die Fläche
Dieser Auen strömst entlang,
Mich, du lieblichster der Bäche!
Zieht auch stets derselbe Hang.

Deines Murmelns sanfte Klage
Uebertäubt nicht diesen Raum;
Leise bricht, was ich ertrage,
Aus gespresstem Herzen kaum.

Rein von den Gewäßern allen
Rinnet deine Silberflut,
Doch nicht reiner kann sie wallen
Als in mir der Liebe Glut.

Stürme, die das Meer empören,
Halten deinen Lauf nicht auf;
Keines Schicksals Wetter stören
Meiner Liebe treuen Lauf.

Wandelt Sie durch diese Wildnis,
So wirfst du ihr Bild zurück;
In dem Herzen stets Ihr Bildnis
Trag ich und in ihm mein Glück.

 Sichern Boden bis zum Grunde
Schaut in dir man allerwärts.
Mir auch schwebt das Herz im Munde
Und sie blickt mir gern ins Herz.
(S. 365)
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Amors Amme

Amors Ankunft in Cythere
Wird ein allgemeines Fest,
Als sich Venus nicht die Ehre
Ihn zu stillen rauben läßt.
Weil er aber nur betrachtet
Und, schon Kind nicht mehr, allein
Des Gefäßes Reizen schmachtet,
Will ihm keine Milch gedeihn.

Rath in solcher Noth gewähren
Heißt die Göttin ihren Hof:
Haben Amorn aufzunähren,
Andre doch vielleicht den Stoff.
Da den Vorzug zu gewinnen
Treten in gedrängter Zahl
Heldentöchter und Göttinnen
Und die Tugenden zur Wahl.

Manche Götterbrust quillt Nahrung
Daß man nicht die Wollust wählt,
Untersaget bloß Erfahrung,
Die der Höfe keinem fehlt.
Trocken findet man die Musen,
Ernsthaft die Vernunft und alt,
Bis ein Labsal ihm am Busen
Der erkornen Hofnung wallt.

Sich unziemlich übergangen
Wähnt vor allen Lüsternheit,
Blickt auf Amorn mit Verlangen,
Auf die Amme voller Neid,
Und begehrt - die schlaue! siegen
Muß sie oder selbst vergehn! -
Das erlauchte Kind zu wiegen
Und die Hofnung läßts geschehn.

Aber Amor ohn Erbarmen
Schlummert nie und plaget stets.
Und sie flehet: "weichern Armen
Ueberlaß ihn!" - und erflehts.
Zuckerbrot mit vollen Händen
Reicht die Pflegerin ihm dar,
Und sein Leben schnell zu enden,
Läuft der lüsterne Gefahr.
(S. 368-369)
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Cythereens Fest

Von erhabnen Marmorstufen
Seiner Tempelhalle läßt
Amor Cythereens Fest
Aus in alle Winde rufen.

Musen, Chariten, Najaden,
Was von göttlicher Natur
In Olymp und Meer und Flur
Lebet, wird dazu geladen.

Selbst was Himmlischen entsproßen,
Mit den Göttern sonst nicht zecht,
Wird gepriesen, - das Geschlecht
Nur der Menschen ausgeschloßen.

Neugier lockt auch Chloen. Friedlich
Läßt sie Amor selber ein.
"Von der Sippschaft muß sie sein,"
Spricht er, "sie ist gar zu niedlich."
(S. 369)
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Aus: Heinrich Christian Boie
Beitrag zur Geschichte der deutschen Literatur
im achtzehnten Jahrhundert
von Karl Weinhold
Halle Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses 1868

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Christian_Boie


 

 


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