Udo Brachvogel (1835-1913) - Liebesgedichte

 



Udo Brachvogel
(1835-1913)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Gaselhen

Zuleika

I.
Ewig mich zu fesseln ringeln Locken sich um Dein Genick,
Die zu Kettenringen schmiedet Deines Auges Feuerblick.
Anmuth leiht Dein Lächeln Jedem, der berühret Deinen Saum,
Kehrt in schwellende Bewegung auch das größte Ungeschick.
Vor Dir lichten sich die Schaaren, wenn Du schwebst in leichtem Tanz,
Staunend weicht des Volks Gewühl Dir, sei es noch so dicht und dick.
Einmal schaut' ich Dich, und schauend schon Dich liebend auch beschloß
An Dein Wort und an Dein Lächeln ich zu ketten mein Geschick.
Jetzt zwar bin ich ungeliebt noch, dennoch leg' zu Füßen ich
Eine Seele Dir voll Sehnsucht, eine Seele voll Musik.
(S. 102)


II.
Vor Allen Dich zu schau'n scheint mir erlaubt nur;
Es kehrt nach Deinem Reiz sich überhaupt nur
Mein Blick wie ein Planet zur Sonnenherrin.
Für Dich hat sich der junge Hain belaubt nur,
Und seine Sänger schmettern Dir zum Preis nur.
Die Welt ist todt, an Deine Schönheit glaubt nur
Mein Herz, und nur Dein Anblick gibt ihm Leben,
Das wiederum ihm Dein Entschwinden raubt nur.
Du bringst Musik und Licht. Fliehst Du, so krächzt nur
Die Nachtigall, die Sonne ist bestaubt nur;
Es sprossen Blumen nur da, wo Du schreitest,
Und Sterne flammen um Dein schönes Haupt nur.
(S. 103)


III.
Ist es möglich, Deine Liebe
Lohnt Erwählte meine Liebe?
Ach, nun scheint die ganze Welt mir,
Dem Verliebten Eine Liebe.
Sieh, der Kerze Strahl küßt flammend
Aus dem Edelsteine Liebe;
Sommersonne kocht die Traube
Und gebährt im Weine Liebe.
Duftend träumt in Rosenkelchen,
Rauscht durch Cederhaine Liebe,
Zuckt in grellen Blitzesflammen,
Bebt im Mondenscheine Liebe.
Doch Dein Freund will von dem Allen
Einzig Deine reine Liebe,
Da er Dir mit seiner Seele
Legt zu Füßen seine Liebe!
(S. 104)


IV.
Ich sprach zu mir: Die Jahre fliehen rastlos,
Und Deine Seele, kindlich einst und lastlos,
Wird trüb und ernst; du siehst den Tisch der Freuden,
Der einst so viel besucht, bald gänzlich gastlos.
Wie viel läßt jetzt mit Schauder Deine Hand schon,
Was sie mit Freudebeben einst erfaßt, los!
Blick auf, es reißt der Wirbelwind der Jahre
Vom Jugendbaum den letzten Blüthenast los:
Und von den Rosen Deines Frohsinns trennet
Sich Blatt um Blatt mit treulos schnöder Hast los.
Drum such' der Liebe Port, sonst treibt deine Schifflein
Im Sturm des Lebens ruder- bald und mastlos!
(S. 105)


V.
Steigt beglückter Liebe Phönix aus des Kummers Grüften endlich?
Wiegt Gesang, wo Mißton gellte, sich auf weichen Lüften endlich?
Wird von Dir erhört die Sehnsucht, die zu Deinen Knieen seufzte,
Bis es ihr gelang, das Eis des Stolzes zu zerklüften endlich!
Deine Kälte schmolz in Lächeln, das den Frühling rings beschämet,
Und ich schlinge sel'ge Arme ach, um Deine Hüften endlich!
Um die Wette jauchz' ich mit den lenzberauschten Sprosserchören,
Daß die Rose Deines Mundes schwimmt in Liebesdüften endlich!
(S. 106)


VI.
Du sprachst: "Ich schlinge mich um Dich wie Reben,
Mein Blumenarm soll ewig Dich umbeben;
Du bist der Eichenstamm, der Schutz mir leihet.
Raum kann der Stamm zwar vielen Ranken geben,
Die treue Rebe hängt an einem Stamm nur.
Wie fest auch and're sich um Dich noch weben,
So fest, so treu wie ich vermag es keine;
Untreu' ist nur dem Manne zu vergeben,
Denn seine Lieb' ist nur ein Lebensabschnitt, -
Doch Weibesliebe ist ein ganzes Leben!"
(S. 107)


VII.
Dein Blick ist's, der mein Herz in Lieb' erblühen macht,
Dein Wort, das mir Genuß aus Todesmühen macht.
Du gehst als Lenz durch's Thal und strömest Liebe aus,
Die blüh'n die Blumen rings, die allzufrühen macht;
Doch arm ist mir der Lenz, seit mir Dein Sonnenkuß
Im Busen tausende von Lenzen glühen macht,
Und meine Lippe, die noch eben stumm und arm,
In Töne mir gelös't und Wohllaut sprühen macht!
(S. 108)


VIII.
Es schießt da, wo Du schwebend gehst, die Schönheitspflanze auf,
Der Liebe Falter steigt von ihr in leichtem Tanze auf.
Du schau'st nach Osten, und berauscht von Deinem Anblick steigt
Der schon so schöne Sonnengott in schöner'm Glanze auf.
Nur eine halbe Schönheit trägt die Rose und erliegt
Schnell welkend ihrer Last, Du nimmst siegreich die ganze auf.
Der Frühling ist das Postament, das Deiner harrt, Du steigst,
Geschmückt das schönheitsmüde Haupt mit ew'gem Kranze auf;
Es flocht Dein Dichter Dir den Kranz; sein Tag'werk ist Dein Preis;
Sein Lied hält keines Menschen Groll, nicht Schwert und Lanze auf.
Wir leben Beide ewig fort, denn sterbend steigen wir
Ein flammend Liebesmeteor im Sonnenglanze auf!
(S. 109)


IX.
Erquickt mit Feuerweine, o holde Schenken, mich:
Ich will in Rauscheswonne einmal versenken mich!
Von trunk'ner Lippe strömt dann das herrlichste Gedicht,
Und nicht erst lange darf ich darauf bedenken mich.
Hinreißende Gedanken, mit denen Wohllaut schwelgt,
Gebär' ich, wenn des Rausches Gewalten lenken mich;
Ein Psalm auf Dich, Du Sonne, Gesänge, würdig Dein, -
Wirst Du auch endlich würdig dafür beschenken mich?
(S. 110)


X.
O sprich, denn wenn Du redest, erfaßt Entzücken mich;
O sprich Musik Du Einz'ge, willst Du beglücken mich.
Ein Wort aus Deinem Munde ist wie ein Blumenstern,
Nach ihm will tausend Male ich freudig bücken mich.
Mein Antlitz lehne schweigend ich an die schönste Brust,
Und Himmelsphantasien, sprichst Du, berücken mich.
Ein einzig Wort, - denn schweigst Du, so fürcht' ich Deinen Groll,
Und grenzenlose Bangniß und Angst zerstücken mich;
Doch ganze Lenze weh'n mir aus Deinem Wort, drum lass'
Von Deinem Munde Rosen der Liebe pflücken mich.
In einem einz'gen Falle nur darfst Du schweigen, - willst
Du unter tausend Küssen an's Herze drücken mich!
(S. 111)


XI.
Ich glaube, daß die Seele Raum und Zeit dereinst besingen wird,
Daß nur der Leib dem Tode, nicht die Seele auch erliegen wird:
Daß sie befreit von Erdenstaub, befreit von dieses Körperslast,
Durch ungemess'ne Räume einst auf Engelsschwingen fliegen wird;
Daß sie vergessend jeden Klang, der herb auf Erden sie durchschnitt,
Ein Wohllaut in der Harmonie der Sternenwelt sich wiegen wird.
Ich hoffe, daß mein Geist dereinst mit der Geliebten Geist vereint
Ein Doppelstern am Firmament, an Gottes Brust sich schmiegen wird!
(S. 112)


XII.
Wie soll ich meine Gluthen Dir bekennen?
Es hat die Welt kein Wort um sie zu nennen.
In tausend Schmerzenslanzen will ich freudig
Für Dich, ein Winkelried der Liebe rennen.
Nimm hin zu stetem Schmuck mein Lied, mein Herzblut,
Und laß mich einst, wenn uns Dämonen trennen,
Zum Scheiterhaufen thürmend diese Lieder,
Zu Füßen Dir als Opfer mich verbrennen!
(S. 113)


XIII.
Schweigend sitz ich Dir zu Füßen, seit die Sonn' im Westen schied,
Und ich sinne Dir zum Preise auf ein wundervolles Lied.
Stolz in dieses Liedes Teppich webe ich der Sterne Pracht,
Flechte ich des Sprossers Seele, welche bebt im weichen Ried.
Deine Blumen werden plaudern, was am meisten Dich entzückt,
Daß es dann, wie Perlenschnüre Dein Gelock mein Lied durchzieht.
Flöten werden dazu klagen, singend tanzt dazu der Quell,
Und Du lauschest d'rauf, mein Abgott, bis die Nacht gen Westen flieht;
Schmolz es dann dahin in Seufzern, - o versage länger nicht,
Was kein Wort zwar noch genannt hat, aber jedes Wort verrieth!
(S. 114)
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Nachklang zu den Gaselhen

Singst Du Liebe? Du erneuerst mir die alte Wunde nur,
Glaube mir, von Liebe sing' und rede der Gesunde nur;
Denn im todeskranken Busen glimmend steckt der alte Pfeil,
Ihn entflammt zu vollstem Brande oft die kleinste Kunde nur;
Das geringste Wörtchen weckt oft der Erinn'rung ganze Pein, -
Ach, der Gott, der Lethe reicht, ist mit dem Glück im Bunde nur.
Traue nicht dem Lächeln, welches um die bleiche Lippe zuckt,
Lächeln auf der Lippe, Tod im tiefsten Seelengrunde nur.
In dem Busen die zertretne Liebe, die nicht sterben kann,
Trifft die Nacht im Blick nur Thränen, Seufzer in dem Munde nur.
Nirgends Trost! Wohin das Auge auch verlangend irrt und schweift, -
Ungeliebtes und Verhaßtes in der ganzen Runde nur!
Laßt vergessen, Himmelsmächte, jenes traumhaft schöne Bild,
Gebt Vergessen einen Tag nur, - eine kurze Stunde nur!
(S. 115-116)
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Hafis

I.
Ein Pantheon zu bauen dient das Wort als Stein und Ziegel Dir,
Es hielt ein Gott das ew'ge Buch der Schönheit vor als Spiegel Dir.
Schon lebend klopftest Du an's Thor des Paradieses und es sprang
Dem lebend schon Vergötterten der diamant'ne Riegel Dir.
Auf Deinem Herd flammt heil'ge Gluth, du nährtest sie als Alchimist,
Und sieh, was Schlacke war, entströmt als reinstes Gold dem Tiegel Dir.
Es war Dein Tod ein Raub, den an der Welt beging der Götter Neid,
Weil sie im Irrthum auf die Stirn gedrückt der Gleichheit Spiegel Dir.
(S. 117)

II.
Hafis, Allseitiger! Bald lehnst Du Dich auf Rebenhügeln hin,
Schickst Lob des Wein's und Schenken auf liebtrunk'nen
Rausches Flügeln hin.
Dann wieder spiegelst Du die Welt in Deiner Liebe Meeresschooß,
Stürmst das Gespann der Leidenschaft, ein Gott, mit losen Zügeln hin.
Der Sturm verhallt, da naht der Witz. Nun wehe Deiner Feinde Schaar!
Getroffen sinkt sie rechts und links von Deines Witzes Prügeln hin.
Das Leben reicht den Becher Dir, Du schlingest Rosen d'rum und lebst
Das Leben wirklich bringst es nicht mit Schmachten und mit Klügeln hin.
So strahlst Du durch die Ewigkeit; es trägt Dich der Vollendung Roß,
Der größte Deiner Jünger reicht kaum bis zu Deinen Bügeln hin.
(S. 118)
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Sonett an Clara

Du schautest in das Herz mir allerwegen,
Du warst die Einz'ge, der es nichts verhehlt;
Was es erhofft, erkämpft, was es verfehlt,
Stets hats ein off'nes Buch vor Dir gelegen.

Und dies Vertrauen war mein höchster Segen;
Denn, wenn auch Milde niemals Dir gefehlt,
Hat nie Dich blinde Nachsicht doch beseelt, -
Oft trat ich Dir mit Zagen nur entgegen.

Und jene Frommen lernte ich versteh'n,
Die so voll Sehnsucht nach dem Beichtstuhl streben,
Ein jedes Unrecht offen zu gestehn;

Denn höchster Trost war mir's, wenn Du vergeben,
Dein Tadel aber höchste Buße mir,
Und wie entsündigt ging ich stets von Dir.
(S. 127)
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Freie Sonette

I.
Dunkle Augen flammen und verüben
Stets auf's Neu den Mord an meinem Leben,
Waffenlos bin ich dahingegeben,
Und der Seele Spiegel will sich trüben.

Ob sie auch den müden Leib begrüben,
Diese Leidenschaft wird überleben,
Wird die Seele als Vampyr umschweben
Unbarmherzig rastlos noch dort drüben.

Bei den Locken, die Dein Haupt umwallen,
Bei den Lippen, die Entzücken spenden,
Bei den Augen, welche Taumel senden:

Lass' mein Wort nicht ungehört verhallen,
Lasse nicht mich in Verzweiflung enden,
So mich nicht in lichten Wahnsinn fallen!
(S. 141)


II.
Verschweigen soll ich, die im Busen brennen,
Die mich verzehren, diese Molochgluthen?
Die Seele soll in steter Qual verbluten,
Die Lippe aber soll sie nicht bekennen?

Ein Schwingenpaar, hinweg! Ich will mich trennen
Von Blick und Reden, die mich ganz entmuthen.
Ich will an's Meer, will in den Haß der Fluthen,
Bis selbst ich hasse, Deinen Namen nennen.

Sieh meinen Groll. Dädal'sche Schwingen kleb' ich
Mit meinem Zorn zusammen; schon entschweb ich, -
Was hältst Du mich? Weh mir, von Fliehen sprech ich,

Da trifft mich Deines Aug's mittäglich Flammen,
Es schmilzt das Wachs, und Dir zu Füßen brech' ich
Kraftlos ein Liebes-Icarus zusammen.
(S. 142)


III.
Was willst Du mehr? Was flammen Deine Blicke -
Die schon so trostlos elend mich gemacht,
Die, erst erleuchtend meines Lebens Nacht,
Mich opfern jetzt dem finstersten Geschicke?

Was willst Du mehr? Mit jedem Augenblicke
Wächst diese Gluth, die Du in mir entfacht;
Sprich aus das Zauberwort, Du hast die Macht,
Das Wort, das segnend diesen Brand ersticke!

Was willst Du mehr? Du siehst mich ja erliegen,
Aus diesem Bann, Du kannst's, befreie mich;
Es fleht ein Mann, o lasse Mitleid siegen.

Was willst Du mehr? Mein guter Geist entwich:
Soll ich den Selbstmord nicht als Freund umschmiegen,
Unsel'ge Schönheit, so erbarme Dich!
(S. 143)


IV.
Du kennst die Stürme, welche mich durchtoben,
Du siehst es, daß mein Leben sie zerreissen,
Und dennoch sagst Du, meine Worte gleißen,
Und meine Treue willst Du nicht erproben!

Mit welchen Zeichen soll ich Dich geloben,
Mit welchen Worten schildern jene heißen
Gefühle, die den Frieden mir entreißen, -
Und ach den Frieden, der mich sonst umwoben,

Den Du zerstört? Doch nein, nicht will ich schelten.
Jetzt wallt rastlos nach Deines Leibes Zelten
Mein Geist als Pilger auf der Sehnsucht Brücke.

O wolle glauben endlich und vergelten:
Dann opferte ich jauchzend tausend Welten,
Mir blieben tausend Himmel ja zurücke.
(S. 144)


V.
Darf ich wirklich Dir zu Füßen sinken,
Küssen Deiner Locken wilde Pracht,
Sehn, wie Deine Lippe schwillt und lacht,
Und von dieser Lippe Wahnsinn trinken?

In den sonnenhaften Augen winken
Liebesfeuer, zehrend angefacht;
Wehe mir, in ihres Grundes Nacht
Sehe ich mein Todesmesser blinken.

Sei's darum. Was bietet noch das Leben?
Kann von Gott ich Schöneres erwerben,
Der mir höchstens kann den Himmel geben?

Sei's darum. Willkommen, mein Verderben!
Wer im Arm Dir einmal durfte beben, -
Muß Dir fern ja doch vor Sehnsucht sterben.
(S. 145)


VI.
Du lächelst, und es brechen Sonnenstrahlen
Aus dem Gewölk, des Strauches Knospen springen,
Zärtliche Lüfte durch die Wipfel singen,
Und Elfen wiegen sich auf Blumenschalen.

Du lächelst mir, und alle jene Qualen,
Die wie Vampyre meine Brust umfingen,
Dein Lächeln singt sie ein, auf gold'nen Schwingen
Reißt es zum Himmel mich aus nächt'gen Thalen.

An diesem Lächeln will ich mich berauschen,
Den Pfingstgeist fühl' ich auf mich niederfließen,
Und Liebesevangelien in mir sprießen.

O, lächle denn, und laß mich's ganz genießen.
Lass' regungslos mich auf dieß Lächeln lauschen,
Lass' Seele mich und leben dafür tauschen!
(S. 146)


VII.
Der Himmel glüht wie eine Purpurflur,
Es ist nur Widerschein von Deiner Wange;
Der Abendwind, der leise, sehnsuchtsbange,
Er ist der Nachhall Deiner Lieder nur.

Mir wiesen Blumen einstens Deine Spur,
Die ich verfolgt in heißem Herzensdrange;
Im Wellentanz, im Nachtigallensange
Vorahnend hört' ich Deine Stimme nur.

Und endlich fand ich Dich, - welch ein Begegnen!
Ich wollte beten, doch ich konnt' es nicht,
Rings um mich wogte eine Fluth von Licht.

Erschrocken starrt' ich Dir in's Angesicht!
Ja, lass mich jauchzend Deine Schönheit segnen,
Bis das Entzücken diese Lippe bricht.
(S. 147)


VIII.
Mund auf Mund gepreßt und Hüft' an Hüfte
Küsse von der Lippe mir das Leben;
Fühle jede Fiber an mir beben,
Lass' mich trinken Deines Mundes Düfte.

Elfenlieder fluthen durch die Lüfte;
Meinen Leib will ich um Deinen weben,
Diese losen Schleier will ich heben,
Stürzt' ich drüber auch in Todesgrüfte.

Wehre nicht! Sei ganz, ach ganz die Meine,
Und den blassen Fuß will ich Dir küssen,
Sieh', es naht der Mond, mit halbem Scheine

Mystisch uns're Brautnacht zu begrüßen.
Philomelen schluchzen im Vereine
Sie mit Hymenäen zu versüßen.
(S. 148)


IX.
Du blickst empor und fragst mich: "Was verkündet
Der Fieberschauer, der die Brust Dir hebt,
Da eben mich Dein Arm zu fassen strebt?"
Vernimm, o Herrin, denn, was ihn begründet.

Sieh diesen Arm aus heißem Schnee geründet,
Sieh' diese Lippe, der Gesang entschwebt,
Sieh dieses Auge, das in Strahlen bebt,
Ein feuchter Saphir blaue Blitze zündet;

Sieh diesen Busen, in des Abends Licht
Wie liebestrunk'ne weiße Rosen bebend,
Sieh diesen Fuß, der leicht wie Elfen schwebend

Geheimnißvoll noch Schöneres verspricht:
Und mein dieß Alles, ohne Widerstreben
Dieß Alles mein - und ich, ich soll nicht beben?
(S. 149)


X.
Anadyomene

Lass' den leichten Nachen uns besteigen,
Deine Silberstimme laß erschallen,
Daß beschämt von ihr die Nachtigallen
Vor der Meisterin in Demuth schweigen.

Sieh der Welle schaumgezierten Reigen,
Lasse drein den Kranz von Lotus fallen,
Gieb die Schilfe, die Dein Haupt umwallen,
Gieb der Fluth auf's Neue sie zu eigen.

Lass' die luftigen Gewänder sinken,
Und nun tauche in die Wellen nieder,
Die verliebt Dich zu umfangen winken:

Zärtlich küssen sie die schönsten Glieder,
Die wie Marmor im Krystalle blinken.
Jetzt als Venus steigst empor Du wieder!
(S. 150)


XI.
Komm' Frühlingsnacht! In deinen dichten Schleier
Verhülle rings die tagesmüden Matten,
Lass' Sterne tanzen auf dem See, dem glatten,
Die Taube träume nachbarlich dem Geier.

Komm' Frühlingsnacht! Begierde regt sich freier,
Genuß erwacht in dem verschwieg'nen Schatten,
Wo glühend Rosen sich mit Rosen gatten,
Entflamme auch für uns der Liebe Feier!

Schon zittern Mund an Mund wie vor Entzücken,
Die lästigen Gewande sinken nieder,
Mein Haupt darf in die schönste Brust ich drücken.

Ha! Ging das alte Hellas auch in Stücken,
Neu blüht's in der Vollendung dieser Glieder:
Frau Venus lebt - Tannhäuser lebet wieder!
(S. 151)


XII.
Sonnenaufgang
Zu kühnem Sitze haben wir erkoren
Den Felsengipfel, reich bedeckt mit Moos,
Ein kleiner Raum trennt uns vom Abgrund blos,
Und Nebel dampft aus allen Erdenporen.

Da tritt der Morgen aus den gold'nen Thoren,
Aufsteigt die Sonne feierlich und groß,
Es öffnen weiße Blumen ihren Schooß
Und spenden Duft in Schönheit wie verloren.

Ob ihnen schwebt der Tanz von Schmetterlingen,
Durch Flur und Wälder Morgenhymnen schallen,
Der Adler hebt die gluthgewohnten Schwingen;

Und doch will ich nur Dir zu Füßen fallen,
Nur Deiner Schönheit Dithyramben singen,
Du bist ja doch die Herrlichste von Allen!
(S. 152)
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Zu den freien Sonetten

I.
Lass' schweigen mich
Lass' schweigen mich. Auf meiner Seele Grunde
Liegt ein Geheimniß, für mich selbst nicht klar;
Bezaubert hange ich an Deinem Munde
Und starr' in's Auge Dir bewußtseinsbar.

Ich fühle zitternd nur, daß ich Dich liebe,
Warum, Du schönste Seele, weiß ich nicht;
Das aber weiß ich, ohne Dich verbliebe
Nur Elend mir, und Sterben würde Pflicht.

So lass' mich schweigend lauschen Deinem Munde,
Stumm schwelgen mich in seiner Melodei,
Und das Geheimniß auf der Seele Grunde -
O schone es, o reiß es nicht entzwei.

Lass' ihrer nicht bewußt die Flamme werden,
Die mir noch ungefacht im Busen ruht,
O wolle dieß Geheimniß nicht gefährden,
Denn sieh', ich bebe vor der eig'nen Gluth.
(S. 153)


II.
Bist Du mein? Bekennst Du Dich bezwungen?
Unzertrennlich Eines ich und Du?
O wie lange zagt ich, meine Seele
Flog im ersten Augenblick Dir zu.

Lass' mich liegen denn zu Deinen Knieen
Nur auf Deines Kleides letztem Saum;
Lächle nicht. Den Himmel macht es neidisch,
Solch ein Lächeln gönnte er mir kaum.

Fodre! Alles will ich Dir gewähren,
Dich zu schauen selbst dieß Augenlicht,
Leben fodre, meiner Seele Gottheit, -
Nur das Ende meiner Liebe nicht!
(S. 154)


III.
Mein Glück
Du neigst bezaubert Dich der Philomele,
Dein Ohr trinkt schwelgend ihrer Lieder Schmerz,
Entzücken streut ihr Wohllaut in die Seele,
Und dennoch bricht in jedem Ton ihr Herz.
Fühlst Du das nicht? So neigst Du Dich beglücket
Zu mir, deß Lied Dein Lächeln oft gekrönt;
O ahne nimmer, daß, was Dich entzücket,
Aus einem todesmüden Busen tönt.

Vergieb, wenn ich den Ton der Lust nicht finde
Zu preisen Dich, von Deiner Huld berauscht,
Ich ahne Sturm im leichten Abendwinde,
Das Gift aus jedem Blumenschooße lauscht.
Das ist mein Glück, daß um mein Glück ich bebe,
Daß halb mir nur erscheinet sein Besitz,
Denn kommt die Zeit, daß ich zurück es gebe,
Wie trüge da mein Haupt den Todesblitz?
(S. 155)


IV.
In Deiner Brust
Als Friedenstaube schmückst Du meine Barke,
Du reichst den Oelzweig mir, daß ich erstarke,
Schneeweiße Taube, die mein Gott gesandt.
In Deinem Blick gewahr' ich einen Strahl
Von jenem Stern, der durch das Jordanthal
Die Weisen führte aus dem Morgenland.

Nie liegt Dein Bild mit anderm Bild im Streite,
Mit Herzblut stehest Du auf jeder Seite
Im Buche meines Lebens eingeschrieben.
In Deiner Brust mach ich ein Grab bereit,
D'rein senk' auf ewig ich die Fähigkeit,
Je etwas Anderes als Dich zu lieben.
(S. 156)


V.
Leb' wohl
Leb' wohl! Im Herzen stockt das Blut,
Die Brust durchwühlet Todesqual;
Bald Eis auf Eis, bald Gluth auf Gluth
Ruht Mund auf Mund - zum letzten Mal.
Was ineinander sich gerafft,
Reißt auseinander das Geschick;
Die breite Todeswunde klafft,
Drauf heilend fällt kein Engelsblick.

Leb' wohl! Das ist das Grabgeläut,
Das jedes Glück zum Kirchhof schleift.
Jetzt lockt der Tod, der sonst gedräut,
Zum Grabe bist Du schnell gereift.
O Fluch, der auf der Liebe ruht,
Das Märtyrkreuz ist Dein Symbol!
Aufzuckt und zischt der Seele Gluth, -
Und stirbt doch nicht im Lebewohl.

Und stirbt doch nicht! Daß sie nicht stirbt
Das ist der Fluch, das ist der Schmerz;
Das schale Leben buhlt und wirbt
Zumeist um ein gebroch'nes Herz.
Doch färbt das Alter Dich auch weiß,
Stets klingt ein Echo dumpf und hohl:
"Du warst Dein ganzes Leben Greis
Seit jenem einen Lebenwohl!"
(S. 157-158)


VI.
Schwere Stunde
Weine nicht, Du kannst's nicht hemmen,
Deine Thräne ändert's nicht;
Ist's nicht Eins, ob stumm das Herz Dir,
Oder ob's im Nothschrei bricht?

Eine Art Dämonen giebt's, die
Sich von Menschenthränen nährt,
Sie umlechzen jedes Aug', ob's
Ihnen etwa Milch gewährt.

D'rum sei standhaft! Unser Schmerz sei
Viel zu groß, zu heilig Dir,
Daß er irgend wen erfreue:
Niemand schwelg' in ihm, wie wir.

Mir gilts gleich, stößt auch mein Loos mich
In die Hölle jetzt hinaus;
Da ich lag an Deinem Herzen,
Nahm den Himmel ich voraus.

Fleh', daß wir uns nie mehr treffen,
Oder müßt' es doch geschehn, -
Daß wir, ohn' uns zu erkennen
Stumm an uns vorübergehn.
(S. 159-160)
_____



Ein Begegnen

Du hast im Tiefsten mich getroffen;
Da ich Dich sah, welch' ein Moment,
Welch Schauern, Wünschen, Glühen, Hoffen -
Und dann o Pein, die Niemand nennt!

Denn nicht mich ewig zu beglücken,
War's, daß Dein Reiz vor mir erschien,
Ich durfte stumm die Hand Dir drücken,
Und sah Dich dann für immer zieh'n.

Wohl ist es schmerzlich zu beklagen
Ewig verlor'ner Liebe Pracht,
Doch elend ist's auch sich zu sagen:
Hier hätt' ein Himmel Dir gelacht;

Hier konnte die Genesung schlürfen
Das arme, mattgehetzte Herz, -
Und dennoch lieben nicht zu dürfen,
O glaubt, auch das ist Todesschmerz.
(S. 166-167)
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Ein letztes Wort
(An Jane)

O daß ich endlich Liebe fände
Von unvergänglichem Bestand,
Die mich auf Lebenszeiten bände
An einen einz'gen Gegenstand!
Wo hefelos harrt Dein der Becher
Die heiße Lippe Dir zu kühlen?
Der erste Zug entflammt den gier'gen Zecher,
Sieht er den Grund erst, wird er Ekel fühlen.

Einst hat Dein Schooß mein Haupt geborgen,
Ich lag zu Füßen Dir entzückt;
Du sangst hinweg des Busens Sorgen,
Und nur in Dir war ich beglückt.
Wie könnte ich es je vergessen?
Mit Andacht werd' ich stets Dich nennen, -
Doch jene Zeit, da Du mein Herz besessen,
Sie ist vorbei: wir müssen jetzt uns trennen.

O nicht verzweiflungsvoll Dich wende,
Nicht fluche, daß Du mir geglaubt!
Ich klage selbst, daß es zu Ende
Und weine auf Dein blondes Haupt.
Leb' wohl, Du einst endlos Geliebte!
Ein letzter Kuß, mag Gott Dich segnen;
Vergieb, vergiß, daß ich Dich einstens liebte, -
Und möge nie mein Bild Dir mehr begegnen!
(S. 173-174)
_____



Sonett

Thränen für Dich? Du Bettlerthräne fort!
Zu groß ist dieser Schmerz, d'rum sei er stumm.
Kalt starre, trock'nes Aug', um Dich herum,
Von thränenloser, heißer Gluth verdorrt.

Nicht einen Seufzer, keinen Laut, kein Wort
Entsende Mund; zu großer Schmerz macht dumm.
Du kannst nicht einmal klagen, - sei's darum,
Und schweigend schleppe Dich von Ort zu Ort.

Stumm, thränenlos, mit kalter, bleicher Hand
Schling Epheu um das weiße Epithaph,
Um todten Marmor lebend, grünes Band.

Indeß rinnt ungehemmt der Stunde Sand,
Und jener Schlag, der Deine Seele traf,
Bringt wohl auch bald dem Leibe ew'gen Schlaf!
(S. 175)
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Ein Winter

I.
Beschwörung
(Als Prolog)
Empor aus Eurer Gruft, Ihr todten Stunden!
Noch einmal sei's durchlebt und durchempfunden,
Wie wild zwei Seelen für einander brannten,
Die doch trotz aller Gluth sich nie gefunden,
Die sich verblendet quälten und verkannten,
Bis sie zuletzt sich kalt und höhnisch trennen.
Was dann erfolgt, nur Thränen können's nennen,
Das arme Wort erschrickt vor solchen Wunden!

Mit lächelnd kalten Lippen habe ich
Noch alles Glück gewünscht und allen Frieden,
Und bin erhob'nen Hauptes dann geschieden.
Ihr, die es mit erlebt, pries't sicherlich
Als höchst vernünftig mich, - nur habe ich
Von einer Kleinigkeit Euch nie gesprochen;
Daß nämlich mir dabei das Herz gebrochen.
(S. 176-177)


II.
Nachtgesang
Sanft sei Dein Schlaf! Auf Deine weichen Locken
Leg' segnend sich die Hand des Herrn.
Der Lüfte Athmen möge stocken
Und Alles schweigen nah und fern;
Die Vöglein schauen stumm Dir zu,
Kein Laut, kein Hall, Nichts störe Deine Ruh'.

Sanft sei Dein Traum! Es soll Dein Haupt umfächeln
Schönheit und Frieden hold vereint.
So oft magst Du im Traume lächeln,
Als meine Sehnsucht nach Dir weint;
Sei wachend streng, doch träumend mild,
Verkläre einmal doch mein traurig Bild!
(S. 178)


III.
Wenn Du von Hoffnung nicht verlassen
Wenn Du von Hoffnung nicht verlassen,
Gefoltert von der Sehnsucht Plagen
Statt Gegenliebe feindlich Hassen
Und Hochmuth nur davon getragen:

Wenn Du verweinet nicht die Stunden,
Ob Dir in Thränen Trost noch bliebe,
Und Du sie doch nicht überwunden, -
Dann kennst Du nicht die ew'ge Liebe!

Nur Der allein kann sie ermessen,
Den tausendarmig sie umschlinget,
Der kämpfend, ringend zu vergessen,
Doch dies Vergessen nicht vollbringet:

Nur Der, ob qualvoll Stund' um Stunde
Dem Ungeliebten auch zerstiebet,
Der, ob er auch von dieser Wunde
Den Tod voraussieht, dennoch liebet.
(S. 179)


IV.
Einziges Geständniß
Es ist umsonst, ich kann das Wort nicht sprechen!
Ich sehe feindlich nur nach Dir hinüber,
Gleichgiltig scheinend wandl' ich Dir vorüber,
Mag Innen auch dabei die Seele brechen.

Wenn Deine Lippen meine Gluth verlachten!
Das ist es, was ich nimmer könnte tragen;
Ich würde selbst mir in das Antlitz schlagen,
Ich müßte selbst auf ewig mich verachten.

So schweig' ich denn; in meines Lebens Neige
Will ich des Eigenhasses Gift nicht träufen,
Nicht will ich selbst mein Todtenmal mir häufen,
Ich seh' Dich an und sterbe, - doch ich schweige.

Die Nachtigall, die bald auf meinem Grabe
Ihr Nest erbaut in holden Frühlingstagen,
Und dies Gedicht, sie mögen Dir einst sagen,
Ob ich und wie ich Dich geliebet habe.
(S. 180)


V.
Fraget nicht
Von Gram umhüllt
Den düstern Blick,
Von Schmerz erfüllt
Um mein Geschick,
Geh' ich herum
Im Dämmerlicht;
Ihr fragt, warum?
O fraget nicht.

Kein Vogel singt
Ein Trostlied mir,
Ach, keiner bringt
Ein Wort von Ihr.
Mein Mund zuckt stumm,
Mein Auge bricht;
Ihr fragt, warum?
O fraget nicht.

O fraget nicht,
Was mich erdrückt,
Was mein Gesicht
So wild durchzückt.
Kein menschlich Wort
Gibt Euch Bericht;
D'rum laßt mich fort,
Und fraget nicht!
(S. 181-182)


VI.
Ahasver
Mir hat die Liebe sich in Fluch gewandt,
Da das Geschick Dein Herz mir nicht vergönnte;
Nun flehe ich mit mattgerung'ner Hand
Nur noch um ein's: daß ich Dich hassen könnte.

Wahnsinnig Fleh'n! Er lastet todesschwer,
Und fort und fort schlepp' ich an diesem Fluche.
So sucht den Tod der ew'ge Ahasver,
Wie ich Dich oder - Dich zu hassen suche.
(S. 183)


VII.
Zur Nacht
Friede deckt die ganze Erde,
Süßer Friede rings umher,
Alles, Alles ist entschlafen,
Selbst der Sorgen bitt'res Heer.

Träume schüttet auf die Müden
Eines Gottes milde Hand,
Und wer wachend Fesseln schleppet,
Wandelt an der Freiheit Strand.

Alles schläft und Alles träumet,
Friede decket Alles zu, -
Du nur, Du nur meine Seele
Giebst und giebst Dich nicht zur Ruh'.
(S. 184)


VIII.
Oft ist es mir, als liebtest Du
Oft ist es mir, als liebtest Du,
Als kämpftest Du so sehr wie ich,
Als schlöße Stolz Dein Herz nur zu, -
Als litt'st Du auch so schwer wie ich.

Dann treibt es mich, dann reißt mich's fort:
"Ein Wort! Das Heil erwirbt es Dir."
Und doch, kaum nah' ich Dir, dies Wort,
Auf zuckender Lippe stirbt es mir.

Wir grüßen uns so eisig dann,
Und scheiden kälter noch als je;
Mit keinem Blick' seh' ich Dich an,
Und liebe mehr Dich doch als je.

Wenn es so wäre, und auch Du,
Schlaflosen Kummers Bild wie ich,
Die Nacht durchgrolltest ohne Ruh,
Verzehrt von Gluthen wild wie ich:

Nie würd' uns das vom Gott verzieh'n,
Der einst aus Liebe trug das Kreuz,
Daß unser sünd'ger Hochmuth ihn
Zum zweiten Male schlug an's Kreuz!
(S. 186)


IX.
O Gott vernichte diesen Stolz!
Ich weiß ja, Liebe läßt erwerben
Sich nur durch Demuth, brich, o brich
Mir diesen Starrsinn d'rum in Scherben.

Es ist vielleicht mein Lebensglück,
Das mir so nah' vorüberschreitet,
Das ich errungen hab', sobald
Das Wort von meiner Lippe gleitet.

Dies eine Wort, o lehr' es mich,
O lehre beugen mich die Kniee!
Sieh' diese Gluth, die mich verzehrt,
Das Elend meiner Nächte siehe;

Doch, was ich auch schon Alles litt,
Lass' mich's noch tausendfach erleiden,
O Gott, nur lehre dieses Wort, -
Nur lehr' es Eines von uns Beiden!
(S. 187)


X.
Kalte, herbe Worte sprichst Du
Kalte, herbe Worte sprichst Du,
Und doch kränkt' ich Dich in Nichts,
Und der Hoffnung Blüthe brichst Du,
Die so sehr bedarf des Lichts.

Könntest in mein Herz Du schauen,
Das Du jetzt so kalt verbannst,
Fassen müßte Dich ein Grauen,
Daß Du nicht erwiedern kannst.

Frevel ist's, wenn aus dem Hafen
Du den müden Schiffer jagst,
Ja, das Schicksal wird es strafen,
Daß Du Alles ihm versagst;

Denn ich will ja nicht erringen
Deinen Vollbesitz, o nein,
Will nicht Lieb' einmal erringen, -
Nur gehaßt will ich nicht sein!
(S. 188)


XI.
Kalte Hände, warme Liebe,
Warme Liebe, kaltes - -
Es pressen sich eisige Hände
Auf's pochende, flammende Herz,
Und hinter den kältesten Lippen
Versteckt sich der sengend'ste Schmerz.
Heiß brennende Thränen rinnen
Schneebleiche Wangen herab,
Und oft in gefrorene Erde
Senkt tropische Gluth man hinab.

Auf Deine Frühlingswangen
Fall' meiner Thränen Brand,
Doch lass' auf Dein kaltes Herze
Mich legen die kalte Hand.
Zu meinen frostigen Lippen
Gieb Deiner Gluthlippen Scherz,
Nimm meine eisigen Hände,
Und gieb mir Dein eisiges Herz.

Sonst sproßt trotz Hagel und Winter
Eine Palme aus meinem Grab,
Und verräth der erfrornen Welt, wie
Ich einstens geglühet hab'.
(S. 189-190)


XII.
Halte fest!
Längst hast Du ja entsagt dem Frieden, -
Und dennoch trifft Dich dieser Schmerz?
Sie liebt Dich nicht! Nun ist's entschieden,
Nun gilt's, nun halte fest mein Herz.

Nie darf sie Deine Tiefen sehen,
Nie reiße der Moment Dich fort;
Ob Du auch zuck'st in wilden Wehen,
Geboren werde nie das Wort.

So sei's, so soll es stets geschehen!
Ob auch die Brust der Wahnsinn preßt,
Kein Blick, kein Ton soll es gestehen.
So gilt's, mein Herz; so halte fest!
(S. 191)


XIII.
Niemand ahne Deinen Jammer,
Ob er Dich auch ganz erdrückt.
Tob' ihn aus in stiller Kammer,
Doch vor Ander'n sei beglückt.

Wenn um Deines Elend's Blöße
Du des Hochmuth's Purpur schlägst,
Fühl'st Du nicht des Schmerzes Größe,
Fühl'st Du nur, daß Du ihn trägst.

Hochmuth hilft Dir zu betrügen
Jede Pein, die Dich durchglüht;
Mit der Kälte in den Zügen,
Kommt auch Kälte in's Gemüth.
(S. 192)


XIV.
Soiree
Ein prächt'ges Fest, und Sie die Rose
In diesem stolzen Damenflor!
Ei wie empfängt Sie und umdrängt Sie
Der Lieutenants bewundernd Corps.

Sie aber scheinen mißgelaunet;
Gleichmäßig gegen Alle zwar,
Doch auch gleichgilt'ger noch und kälter,
Wie Ihre Sitte sonst es war.

Da seh'n Sie mich. Was zuckt so plötzlich
Auf Ihre Wangen höh're Gluth?
Ich schrecke Sie aus Ihrer Ruhe, -
Wie, wären Sie mir dennoch gut?

Nun nah' ich mich. Welch' jähe Wandlung?!
Jetzt lachen Sie und scherzen laut,
Und mit dem ersten besten Laffen
Wie thun Sie freundlich, wie vertraut.

Mich aber mich erschau'n Sie gar nicht,
Wiewohl ich dicht bei Ihnen bin,
Und strahlend fliegen zur Quadrille
Sie mit dem dümmsten Jungen hin.

Wie das? So gnädig gegen Alle,
Nur gegen mich voll Uebermuth,
Nur gegen mich so gänzlich anders, -
Wie, wären Sie mir dennoch gut?
(S. 193-194)


XV.
Und wieder wankt mir unter'm Fuße
Und biegt und bricht der schwanke Steg.
O zeigt kein Engel mir, kein Gott denn
Aus diesem Labyrinth den Weg?

Schon glaubte ich das Ziel errungen,
So schmerzlich es auch war, so schwer,
Und doch jetzt stößt es mich auf's Neue
Hinaus in's wüste Zweifel-Meer.

Unsel'ges Herz, gieb Dich zur Ruhe
Was schwelg'st Du denn in dieser Noth?
Du kannst den Zweifel nicht ertragen,
Doch die Gewißheit wird Dein Tod.
(S. 195)


XVI.
Schmähung
Ich zürne Dir, weil ich Dich lieben muß,
Ich schmähe Deinen Reiz, der mich vernichtet,
Den Lippen fluche ich, nach deren Kuß
In wilder Gluth sich all' mein Trachten richtet.

Du bist an meinem Himmel der Komet,
Der das entsetzte Herz in Winternächten
Um Rast und Schlaf betrügt, mein Geist vergeht
Anheimgefallen Deinen Circemächten.

Du bist mein Vampyr, nimm das Letzte mir,
(So plündern einen Bettler wohl noch Diebe),
Du bist, - o Gott! Du bist und bleibest mir
Das schöne Weib, das ich so zärtlich liebe!
(S. 196)


XVII.
Um Mitternacht
Ich habe Dich in einem Traum geschaut,
Ernst war der Ort und feierlich die Stunde;
Du trat'st zu mir im Schmucke einer Braut
Und hobst die Hand und sprachst mit bleichem Munde:

"Mein Bräutigam!" Da wollt' ich Dich umfah'n,
Doch Du fuhrst fort in leisem Flüstertone:
"Du hast das Grausamste an mir gethan,
Mein Myrthenkranz ist eine Witwenkrone."

Da fuhr ich auf; durch mein erschrocknes Herz
Nachklang das Echo noch von jenem Tone:
"Mein Bräutigam." Und aufschrie ich vor Schmerz:
"Mein Myrthenkranz ist eine Witwenkrone."
(S. 197)


XVIII.
Freies Sonett
Auch dieses noch. Ich muß zur Hefe leeren
Den Kelch, von dem ein Tropfen schon vernichtet;
Die Reue spricht, um meine Pein zu mehren:
"Du bist nach ew'gem Recht so hart gerichtet!"

Sie winkt, und mich umkreisen die Medusen
Verblich'ner Schatten, die ich kaum beschwichtet
Mit meinem Herzblut; im entsetzten Busen
Steh'n sie auf's Neue ehern aufgerichtet.

Ja frevelnd spielte ich mit manchem Herzen,
Das gläubig meiner Treue sich befehlend
Mich liebte, bis es sank von Undanks Erzen.

Du hast ein Recht auf mich, Du Gott der Schmerzen,
Den Pfeil für mich mit stärkstem Gift beseelend:
Hier meine Brust, verdient hab' ich mein Elend!
(S. 198)


XIX.
Eigne Wahl
Wir könnten glücklich sein und wollen's nicht,
Freiwillig tragen wir den stolzen Jammer,
Und stoßen tief den Dolch in's eig'ne Fleisch.

Du lächelst kalt mit spottverzog'ner Lippe,
Und dennoch sitzt der Tod in Deinem Busen,
Und Du vergeh'st in wilden Liebesgluthen.

Wir hassen uns und könnten endlos lieben,
Wir fliehen uns und könnten Brust an Brust ruh'n,
Wir sterben statt im Götterrausch zu leben.

Mein arges Herz, wann ist es denn genug?
Du schlachtest nicht allein Dein ew'ges Heil,
Das ihre fällt ja auch vor Deinem Götzen.

Mein arges Herz, und Du mein ärg'res Lieb,
Wann ist's genug? Wann ist der Stolz gesättigt,
Der uns zum Tode schleift? Wann ist's genug?
(S. 199)


XX.
Auf der Post
"Die Wetterfee ist Ihnen
Gar hold und wohlgeneigt."
So spricht er zu der Dame,
Die in den Wagen steigt.

"Ich wünsche Ihnen Alles,
Was nur Ihr Herz begehrt,
Und dächten je Sie meiner,
So wär' ich sehr geehrt!"

Die Tanten und Verwandten
Umarmt sie noch einmal,
Und Abschiedsthränen fließen
Ohn' End' und ohne Zahl.

Da schmettert laut das Posthorn,
Der Wagen rollt hinaus;
Die Tanten und Verwandten
Begeben sich nach Haus.

Er aber lehnt am Eckstein
Und starret nach und sinnt,
Und beißt sich auf die Lippen,
Daß Blut herniederrinnt.
(S. 200-201)


XXI.
Das waren dumme Worte,
Die er zum Abschied sprach;
Wer sah wohl, daß in jedem
Die stolze Seele brach?

Selbst jetzt zum Abschied fand er
Noch nicht das richt'ge Wort,
Sie harrte d'rauf, - vergebens,
Und schweigend zog sie fort.

So war es stets gewesen;
Sie hatten stets verschmäht,
Was Ihnen zugedacht war,
Und nun, - nun ist's zu spät.

Vernünft'ge Leute schütteln
Den Kopf zu dieser Mähr;
Es wär' auch schier zum Lachen,
Wenn's nicht so schrecklich wär.
(S. 202)


XXII.
Zum Thor' hinaus in's Freie zieh' ich
Entlang die knospende Allee,
Und stille wird's im wilden Busen,
Wie ich so stille weiter geh'.

Da kommt die Post vom nächsten Städtchen,
Und laut erschallt des Schwagers Gruß;
Der bläst und schmettert so gewaltig,
Daß schier das Horn zerspringen muß.

Doch springt es nicht. Mich aber packet
Bei diesem Ton der alte Schmerz.
Doch springt es nicht. Bei Gott, solch Posthorn
Trägt fast dasselbe wie ein Herz.
(S. 203)


XXIII.
Der Eckstein
Vom heißen Lager reißt es mich empor
Und treibt und stößt mich durch die öden Gassen.
Wie stumm, wie todtenstill umher. Es ist
Entschlafen jedes Dulden, Lieben, Hassen.

Nur mich, mich scheucht es vorwärts ohne Rast,
Und zerrt mich nach dem Posthof immer wieder,
Und auf den grauen Stein im alten Thor
Da sinkt der mitternächt'ge Wand'rer nieder.

Der Mond scheint blaß und kummervoll herab,
Als wüßt' und theilte er des Wandrer's Wehen;
Der aber starrt und starrt nur nach dem Platz,
Wo er zum letzten Male sie gesehen.
(S. 204)


XXIV.
Ein Bettelweib mit wunden Füßen
Schleppt Morgens sich zu jenem Stein,
Ein nacktes Kind am leeren Busen,
So hockt sie dort Tag aus, Tag ein.

Elendes Weib, der Dir da eben
Die reiche Silbermünze gab,
Du ahn'st wohl nicht, er lös't Dich nächtlich
Auf jenem grauen Steine ab.
(S. 205)


XXV.
O jener Stunden denke nie
O jener Stunden denke nie,
Die mich mit Dir vereinigt sah'n,
An uns're Lieb' und unsern Stolz
O denke nie, o nie daran.

Denn wüßt' ich, daß Du eben so
Wie ich an jene Tage denkst,
Daß Du, wie ich schlaflos und krank
In ihr Erinnern Dich versenkst:

Daß auch an Deinem Bett die Reu
So wie an meinem Lager steht, -
Das trüg' ich nicht, da hülfe mir
Kein Stolz, kein Fluchen, kein Gebet!

Ich schleppe schon genug daran,
Daß ich allein so elend bin:
Doch wüßt' ich auch noch elend Dich,
Das schmetterte mich gänzlich hin.

Lass' mir den Wahn, daß Du vergaß'st,
Lass' mir den einz'gen letzten Trost,
Daß die Erinn'rung jener Zeit
Nur mir allein die Brust durchtost.

So büß' ich ab, was ich verbrach,
Was ich an Dir, an mir gethan.
Du aber, daß wir einst geliebt,
O denke nie, o nie daran!
(S. 206-207)


XXVI.
Epilog
Es liegt Dir im Antlitz des Abendroths Schein, -
Wie haben wir einstens so sehr uns geliebt!
Nicht konnten der Gluth wir Leben verleih'n,
In Thränen ist sie und Seufzern zerstiebt.

Ich hatte gezittert Dich wieder zu seh'n,
Ich wollte entfliehen, doch riss' es mich fort,
Und nun, da Auge in Auge wir steh'n,
Da stockt mir der Athem, versagt mir das Wort.

Dort tauchet die Sonne in's neblichte Thal, -
O lasse des Glückes Flucht uns bereu'n!
Du lächelst so traurig, ja, lass' noch einmal
Den alten zertretenen Traum uns erneu'n!
(S. 208)


XXVII.
Nein schweige! Wolle nicht ermessen,
Was frevelnd ich an Dir vollbracht;
Ich will es Dir ja auch vergessen,
Um welches Glück Du mich gebracht.

Was hilft das Wort? Nicht kann es geben
Zurück uns die verlor'ne Zeit.
Versäumte Lieb', versäumtes Leben,
Und nicht zu heilen ist dies Leid.

Ja, rief' auch uns're heiße Reue
Die Zeit uns einmal noch zurück, -
Wir brächten uns doch nur auf's Neue
Um das uns zugemess'ne Glück.
(S. 209)
_____



Auf die Verlorne

Zum letzten Mal an dieser Stelle,
Zum letzten Mal in diesem Haus!
Schuldlos betrat ich diese Schwelle,
Jetzt stößt man schuldig mich hinaus.

Leb' wohl, und spare Deine Thräne!
Ich fühle selbst, daß ich's nicht werth;
Du warst die zitternde Phaläne,
Die Flamme ich, die Dich verzehrt.

Weh' beiden uns, daß Dir gefallen
Vom Haupt der Myrthe keusche Zier!
Es ist ein Loos, gemeinsam Allen, -
Und doch, o Gott, warum auch Dir?

Warum durch mich? Wer will ermessen
Die Reue, die mich jetzt zerstört, -
Und dennoch kann ich nicht vergessen
Die Lust, da Du mir ganz gehört.

Es lodert wild empörtes Zagen
Nach Deinem Reiz in meiner Brust,
Und dennoch muß ich stets mir sagen:
Im Vollbesitz lag der Verlust.

Wär' eher ich hinweggetrieben,
Gebrochen wäre zwar mein Herz;
Das aber, was mir jetzt geblieben,
Das ist der Tod, ist nicht mehr Schmerz.

O wären wir im Rausch gestorben!
Jetzt ist die karge Glückeszeit,
Der kurze Taumel uns erworben
Durch eine Höllenewigkeit.

Und hätt' als Preis ich tausend Leben,
Als Preis an Deines Kranzes Statt:
Ich würde sie mit Jauchzen geben,
Ein Leben für ein jedes Blatt!
(S. 218-219)
_____



Frühlingslieder
(An dieselbe)

I.
Euch alle hat mein Ohr vernommen,
Ihr Frühlingsvögel, groß und klein;
Ihr wohntet alle auf zwei Lippen, -
Und diese Lippen waren mein.

Das war ein wonnevoller Frühling,
Wie ich ihn nimmer wiederseh', -
Und doch ward's auf der Erde Winter,
Die Welt lag tief in Eis und Schnee.
(S. 220)


II.
Nun ist es Frühling auf der Erde,
Und Vögel singen weit und breit,
Ich wandle unter lauter Rosen,
Und dennoch weiß ich nicht Bescheid.

Denn Winter ist's in meinem Innern,
Mein Herz ein Grab, der Schnee sein Flor,
Darüber zuckt die Wintersonne
Und küßt Demanten d'raus hervor.

Da blitzt und flirrt, die Augen schmerzen,
Wenn man es wagt darein zu schau'n;
Das blitzt, wie die Millionen Thränen
Um die Verlorenste der Frau'n.
(S. 221)


III.
Verschmachtet in der Hitze Rosen,
Welkt Lilien in der Mittagsgluth,
Verstummt und sterbt ihr Nachtigallen, -
Auch ich weiß, wie das Sterben thut;

Ja, was viel mehr noch schmerzt als Sterben.
Die mir einst sang die Nachtigall,
Und die dereinst für mich geblühet
Die Rosen und die Lilien all:

O daß sie nur gestorben wären, -
Das wär' erträglicher Verlust!
Sie wachsen jetzt für einen Jeden,
Und blüh'n und jauchzen voller Lust.
(S. 222)


IV.
Nur einen Frühling hat's gegeben,
Nur einen, seit die Erde steht,
Und glaubt, er kehret nimmer wieder,
Bis diese Welt in Trümmer geht.

Da sah aus jedem Blumenkelche
Ein Engelangesicht hervor,
Und Lerchen brachten Sangesopfer
Voll wie der Seraphimen Chor.

Nur einen Frühling hat's gegeben,
Und nimmermehr erneut er sich,
Jetzt zahl' ich ihn mit meinem Leben:
Das war die große Zeit, da ich

In Deinen königlichen Armen,
An Deiner göttinhaften Brust
Zusammenschauderte und zuckte,
Mir keiner Erde mehr bewußt.
(S. 223)


V.
In jeder mitternächt'gen Stunde
Hebt sich aus meines Busens Grab
Die unvergeßlich Unvergess'ne,
Die ich darein begraben hab'.

Doch kommt sie nicht im Nebelkleide,
Auch nicht im bleichen Grabgewand,
Sie kommt in Gala und Geschmeide,
Coquet den Fächer in der Hand.

Sie lacht und kichert voll Erwartung,
Und zeigt den kleinen schmalen Fuß;
Nun hebt sich die Brocatportierre, -
Und jetzt Umarmung, Kuß um Kuß.

Mir aber klappern laut die Zähne,
Losringet sich ein Fluch mit Macht, -
Da bebet scheu der Spuk zusammen,
Und mich umfängt die tiefste Nacht.
(S. 224)
_____



Zu spät
(An dieselbe)

Ich höre Dich von Liebe flüstern, -
Und wär's für mich, so wär's zu spät;
Ich wandle einsam jetzt im Düstern,
Wo außer mir mich nichts verräth.

Was soll Dir jetzt mein Herz auch frommen,
Das Du so schwer verrathen hast?
Du hast ja Alles ihm genommen,
So lass' ihm doch im Tode Rast.

Du weckst es nicht zu neuem Leben,
Nachdem Du es zu Grabe trugst;
Ich kann Dir nur die Trümmer geben,
In die Du selber es zerschlugst.
(S. 225)
_____



Serenade

Entschlumm're Welt! Aus tausend Kehlen strömt
Schlaftrunk'ner Nachtgesang. Die Tulpe schließt
Den hundertfarb'gen, mährchenschönen Kelch;
Mit Schmetterlingen buhlt sie noch im Traum.
Vom Mond beglänzt ruht heilig still der See,
Die weiße Nymphe liegt an seiner Brust
Und öffnet ihren Schooß dem Abendstern,
(Der Liebe duftendes Mysterium).
Auf grünen, feuchten Blättern schläft der Schwan
Und träumt entzückt von seinem letzten Lied.
Ein Schwanenlied! O lausche, zärtlich' Herz,
Heb' dich auf Fluthen von Gesang empor
Und lass' dich tragen zu des Glückes Strand.
Schmilz hin, o Lied, wo am Balkon sich rankt
Das Epheu und des Geisblatt's dicht Gewirr,
Hinzitt're in der Keuschheit Heiligthum,
Und lege dich an der Gebiet'rin Brust:
Nicht als verlangend, wild vermess'ner Klang, -
Nein, kling' ein zaghaft seufzender Accord,
Durch Palmenzweige zitterndes Gebet:
Als Wohllaut wiege dich in ihren Traum,
Als Engel kühle zärtlich ihre Stirn,
Als Gottheit wach' ob ihrem blonden Haupt!
(S. 226-227)
_____



Strophen an L-s.

Du liebtest mich, ich hab' es wohl gewußt,
Im treusten Auge hab' ich's oft gelesen, -
Und doch, wie selig ich darob gewesen,
Ich schwieg und schloß es tief in meine Brust.

Es zog ein Sturm ob meinem Haupte hin,
Du warst der Gott, der seine Wuth beschworen:
Und doch hab' ich in ihm Dein Bild verloren,
Und fühle, daß ich kalt geworden bin.

Ja kalt! So geht's mit jedes Wetters Braus;
Den schönsten Baum stürzt er zuerst in Splittern.
Kalt, eisig kalt! Jetzt macht mich nichts mehr zittern, -
Doch auch mit meinem Lieben ist es aus.

Es ward zu einem Leichenstein mein Herz,
D'rauf soll der Wand'rer Deinen Namen lesen,
Und daß sein Klang mir mehr Musik gewesen
Wie Lerchenlied und Nachtigallenscherz.

Nicht zürne d'rum; und hab' ich je verkannt
Dein schönes Herz, so wirst Du es vergeben,
Erwägst Du, daß ein Mensch Dir war ergeben,
Der, eh' Du kamst, von Freundschaft nichts gekannt.

Und mehr noch: meine Jugend ist dahin,
Ich fühle schauernd Wahn um Wahn zerstieben, -
Und niemals, niemals werd' ich wieder lieben,
Seit ich sogar für Dich erkaltet bin.
(S. 232-233)
_____



Letzter Wille

Was in Liebe ich begonnen,
Lass' in Liebe mich vollenden;
Sterbend will an Dich noch einmal
Ich mein ganzes Herz verschwenden.
Niemals fürchtete den Tod ich,
Kann es doch nur ein Moment sein, -
Nein, ich bebte nur vor Einem:
Lebend je von Dir getrennt sein.

Wisse, daß die reine Glocke,
Schlägt sie auch ein Bub' in Scherben,
Unter vollen Klängen springet,
Und daß Schwäne singend sterben.
Und so will ich hingeh'n, - lächelnd
Streif' ich noch an Dein Gewand nur,
Doch der Tod wird Wonnetaumel,
Schließt mein Auge Deine Hand nur!
(S. 234)
_____



Das letzte Glas

Nun bring' ich Dir das letzte Glas,
Den ganzen vollen Schmerzensbecher!
Zum Rande schwillt das dunkle Naß,
Und in den Purpur weint der Zecher.
Das Auge strömt, nichts macht es trocken,
Die Zeit verrinnt, nichts kann sie fesseln, -
Jetzt fällt die Rose aus den Locken,
Und nackten Fußes geht's durch Nesseln.

O Du mein Liebling, Du mein Stolz,
Stets ist's ein Räthsel mir geblieben,
Daß so für Dich mein Busen schmolz,
Daß ich so heiß Dich mußte lieben.
Wohl hat mein Hochmuth mich gescholten,
Daß meine Männlichkeit zerstiebe, -
Was aber hat mir das gegolten?
Kein Hochmuth tödtet solche Liebe.

Und jetzt das letzte, letzte Glas!
Wer mag es fassen, wer es denken?
O wäre Lethe doch sein Naß,
Um meine Liebe d'rein zu senken.
Doch fort! Klafft tödtend auch die Wunde,
Stolz wollen wir wie Römer sterben;
Sei letztes Glas geleert zum Grunde,
Dann brich entzwei in tausend Scherben.

Nun bist du leer. Dich soll forthin
Gefüllt kein Schenke wieder bringen, -
Da schmettr' ich dich zur Erde hin,
Hei, wie die Stücke klirrend springen!
An dieses Abschieds Todesklippe
So Glas wie Herz in Scherben bricht es;
Lebwohl, haucht bebend noch die Lippe, -
Mir gellt's wie Stimme des Gerichtes!
(S. 235-236)
_____



Lieder aus verschiedenen Zeiten

I.
Entzieh' Dich länger nicht der Liebe,
Es ruft die Welt: o liebe, Herz!
In jedem Knosp'- und Blättertriebe,
In jedes Schmetterlinges Scherz.

Wie lieblich ist doch Lieb' im Lenze!
Des Abendroths erhöhter Glanz
Schlingt seine vollsten Rosenkränze
Nur um verliebter Mädchen Tanz.

Es giebt ein Knospen und ein Singen,
Die Erde dehnt sich weit und breit,
Als wollte ihr die Brust zerspringen
Vor lauter Liebesseligkeit.

Und Millionen Blumen keimen,
Durch die ein zärtlich Seufzen zieht,
Die Erde ist in bunten Reimen
Ein einzig, einzig Liebeslied.

D'rum sei die Brust nicht länger kalt Dir,
Das Weltall predigt Liebesscherz:
Erobr', und sei es mit Gewalt, Dir
Für Deine Gluth ein fremdes Herz.
(S. 265-266)


II.
Schau in den Bach, wie er entflieht,
Wie Welle sich um Welle bricht,
So viel Dein Aug' auch niedersieht,
Stets ist's ein anderes Gesicht.

Und seh' ich in das Antlitz Dir
Bei Gott, da ist es eben so;
Bald lächelst Du, bald grollst Du mir,
Bald bist Du trüb', bald wieder froh.

Es ist ja nur auf kurze Zeit, -
Und doch bin ich gedankenvoll,
Ob Deine Launenhaftigkeit
Ich mir zu Herzen nehmen soll.
(S. 267)


III.
Du sag'st, ich sei für Dich zu düster,
Und finster wär' ich wie die Nacht,
Du aber sei'st der Tag, der lustig
Im Sonnenjubel scherzt und lacht.

Und wär' es so, und wär'st der Tag Du,
Und ich die Nacht, schwarz wie der Tod:
So lass' uns in einander fließen,
Das giebt das schönste Morgenroth!
(S. 268)


IV.
Weil stets Du zwangst zu lieben,
Wer einmal Dich geseh'n,
Fühlt' ich mein Herz getrieben
Dir stolz zu widersteh'n.

Ich nahte Dir eiskalt mich.
Da traf Dein Blick so tief,
Und traf mit der Gewalt mich,
Daß all' mein Stolz entschlief.

Was ich in ihm gelesen,
In diesem einen Blick,
Das hat mein ganzes Wesen
Durchdrungen wie Musik.

Ich folgte höher'm Triebe,
Mein Haupt hab' ich entblößt:
In Demuth, Sehnsucht, Liebe
War all mein Stolz gelöst.
(S. 269)


V.
Du Liebling meines Lebens,
Wie nenn' ich Dich so oft, -
Vergebens, ach vergebens
Hab' ich noch stets gehofft.

Wohin ich geh' und spähe,
Allüberall Dein Bild,
Und nur durch Deine Nähe
Wird all' die Gluth gestillt.

Bald freudvoll, bald voll Klage.
Bald wieder hoffnungsvoll, -
Sag', Du mein Herz, o sage,
Was daraus werden soll.
(S. 270)


VI.
Und Du sagst, es sei die Brust Dir
So erschüttert und so voll, -
Schweig', o schweige, wenn vor Lust mir
Nicht die Seele brechen soll.

Deine Liebe zu gewinnen
War dereinst mein schönster Traum,
Doch mein Schicksal ruft von hinnen,
Und zu bleiben wag' ich kaum.

Wolle darum nicht ermuthen
Meiner Sehnsucht sterbend Ach;
Lass' in Zweifeln mich verbluten,
Rufe nicht die Hoffnung wach,

Denn Dein Anschau'n zu vermissen,
Da Du kalt bist, bringt's schon Noth, -
Doch von Dir geliebt sich wissen
Und zu flieh'n, das bringt den Tod!
(S. 271)


VII.
Vergieb, wenn ich dem kleinen Liede
So große Liebe anvertrau,
Bespiegelt doch der ganze Himmel
Sich in dem kleinsten Tröpfchen Thau.

Sagt oft ein Blick, ein Händedrücken
Viel mehr wie tausend Worte nicht,
Und weißt Du nicht, daß dem Entzücken
Es meist an Tönen ganz gebricht?

D'rum fühle ganz die große Liebe
Auch in des kleinsten Liedes Laut,
Dann wird mein winzig Herz zum Tropfen,
Darin der ganze Himmel blaut.
(S. 272)


VIII.
Als uns Gott zusammenführte,
Hast Du Neigung mir gespendet,
Und es hat nach Dir in Liebe
Sich mein ganzes Sein gewendet.

Ob auch scheinbar noch die Triebe
Ungeweckt im Busen schliefen,
Bebte doch die ganze Seele
Schon in ihren tiefsten Tiefen.

Daß ich nimmer dies Ergeben,
Diese Liebe nie bereue,
Eine Du dem Augenblicke
Auch der Zukunft feste Treue:

Denn daß Liebe Du gespendet,
Dünkt mich nur des Zufalls Gabe,
Wolle Treue mir gewähren,
Daß ich Dich zu preisen habe.

Und so will ich, wie dem Zufall
Jetzt ich danke, Dir dann danken,
Daß Du mir durch Deine Treue
Glück gewähret ohne Schranken.
(S. 273-274)


IX.
Sprich ein Wort nur und erlabe
So die durst'ge Seele mir;
Was ich bin, und was ich habe,
Es ist Alles ja von Dir.

Wird auch nicht vergönnt uns Beiden
Unser Leben uns zu weih'n,
Lasse wenigstens uns leiden,
Sterben uns für uns allein.
(S. 274)


X.
Du weisest von Dir meine Liebe,
Und meiner Lieder spottest Du;
Du willst es so, und traurig schließt sich
Die wohllautvolle Lippe zu.

Könnt' ich statt in Musik und Rede
Verströmen meines Herzens Blut
In Blumen schön wie Blumenträume,
Wie aufgeküßt von Mährchengluth!

Der Ewigkeit wollt' ich entsagen,
Verzichten auf des Ruhmes Kranz,
Könnt' ich nur einmal diese Blumen
Vermählen Deiner Locken Glanz.

Du würdest mir vorüberschreiten,
Und ganz und voll wär' ich beglückt:
Ich hätte ja mit meinem Leben,
Mit meiner Seele Dich geschmückt!
(S. 275)


XI.
Kein Hauch, kein Seufzer, kein klagendes Wort
Entwalle fürder der blutenden Brust;
Nie falle mein Auge auf Dich hinfort
Stets wieder zu fühlen, wie groß mein Verlust.

Kein Wort, kein Seufzer, - doch hinderst Du nicht,
Daß tief in dem Busen ein jeglicher Schlag
Des verarmten Herzens von Liebe spricht,
Für Dich nur beben und zittern mag.

Daß es Dir lebe, Du hast es verwehrt,
Doch daß es für Dich, Du Strahlende, bricht,
Daß es Dich segnet und noch Dich ehrt,
Da Du es zertrittst, - das wehrest Du nicht.
(S. 276)


XII.
Tausend Thränen sind geflossen,
Und es konnte doch gescheh'n:
Die ich eben noch umschlossen,
Konnte treulos von mir geh'n.

Ein Besitzthum soll ich missen,
Welches ewig ich geglaubt;
Ahnt' ich nur, was es entrissen,
Was es mir so jäh geraubt.

Sieh, o sieh in meine bleichen
Mienen, d'raus das Elend spricht,
Ach und lasse Dich erweichen,
Und nur jetzt noch gehe nicht.

Aber nein, - vergieb mein Klagen,
Wird es mir auch noch so schwer:
Dennoch sei's, ich will entsagen,
Denn was hilft's? Du liebst nicht mehr.

Todte Liebe neu erschließen
Kann kein Schmeichelwort, kein Fleh'n;
Tausend Thränen mögen fließen, -
Doch was muß, das mag gescheh'n!
(S. 277-278)


XIII.
Nur ein Moment ist es gewesen,
Und dennoch schlug er solche Wunden,
Daß sie in Tagen nicht und Stunden,
Daß sie in Jahren kaum genesen.

Und wird auch einst auf's Neue blauen
Der Himmel, kann das mich erheben?
Muß nicht fortan mein Auge beben
Je wieder in das Licht zu schauen?
(S. 278)


XIV.
So kann ich mich von Dir nicht trennen,
Vernimm, vernimm ein letztes Wort:
Die Lippe glüht Dir zu bekennen,
Daß ich Dich liebe fort und fort.

Nicht hab' ich Deine Huld besessen,
Du siehst mich ohne Kummer geh'n, -
Fahr' hin, nie werd' ich Dich vergessen,
Doch auch Dich niemals wiederseh'n.

Und daß Dir's nie an Liebe fehle,
Sonst fällt vielleicht, wenn auch erst spät,
Es doppelt schwer auf Deine Seele,
Daß meine Liebe Du verschmäht.
(S. 279)


XV.
Da wir von einander gehen,
Wolle Eines mir gewähren,
Woll' in diesen heißen Zähren
Meine heiße Liebe sehen.
Immer hatte ich geschwiegen,
Immer hoffte noch mein Herz
Dieses Nichtgeliebtseins Schmerz,
Diese Liebe zu besiegen.

Doch umsonst hab' ich gerungen
Durch die schlummerbaren Nächte,
Dieser Liebe Riesenmächte
Nimmer hab' ich sie bezwungen;
Denn im Wangen-Rosensammet,
In den Augen sonnenhaft
Ist die stärkste Leidenschaft
Stets auf's Neue mir entflammet.

Dieses Glück, das ich besessen
Dich zu schau'n, werd' ich's entbehren?
Oder wird mich Trennung lehren
Deine Anmuth zu vergessen?
Ach, mein Schicksal ist erbittert,
Trennung hatt' ich oft erfleht, -
Da Dein Fuß nun wirklich geht,
Zuckt mein tiefstes Herz und zittert.
(S. 280-281)


XVI.
Kannst Du je mich wieder lieben,
Kannst Du jemals mir verzeih'n?
Ach, nur Schmerz ist mir geblieben
Und der herbsten Reue Pein.

Blinder Wahn hat mich getrieben
Und Verdachtes falscher Schein,
Doch er mußte schnell zerstieben,
Seit Du fort, und ich allein.

O wo ist mein Trotz geblieben,
Dem ich lieh des Rechtes Schein?
Sehnsucht hat ihn schnell zerrieben,
Sehnsucht ach nach Dir allein.

Tausend Bände, sie beschrieben
Kaum Dir meiner Reue Pein.
Meine Seel' ist aufgerieben, -
Bald auch wird's mein Leben sein.
(S. 282)


XVII.
Nur allzuschnell hat sie geendet
Die Zeit, die Rosen Dir gebracht,
Das Glück hat treulos sich gewendet,
Und hatte doch so schön gelacht.

So tröste Dich, und mußt Du hegen
Etwas im zärtlichen Gemüth,
So wolle treu die Dornen pflegen,
D'ran Deine Rosen einst geblüht.

Es giebt ja keinen Kummerlosen
Mein Kind, es ist ein altes Leid:
Für Stunden blühen nur die Rosen,
Die Dornen für die Lebenszeit.
(S. 283)


XVIII.
Verschwunden sind sie und verwunden,
Wohl schneller, als ich selbst gedacht,
Der wärmsten Liebe sel'ge Stunden,
Der herbsten Reue bitt're Nacht.

So manches Unheil konnt' ich meiden,
Vergrößern konnt' ich manches Glück,
Ich fühl' es tief, und selbst der Leiden
Denk' ich mit Rührung nur zurück.

Noch habe ich sie nicht vergessen
Der Seufzer und der Thränen Schaar, -
Doch jetzt erst kann ich ganz ermessen,
Wie ich so selig thöricht war.
(S. 284)


XIX.
In geheimer Abendstunde,
Wenn verrauscht des Tages Lauf,
Schließt sich mir die alte Wunde
Dann und wann auf's Neue auf.

Vor der Seele schwebet wieder
Jener seelenvollste Blick,
Jene marmorschönen Glieder
Und die Stimme wie Musik.

Und mir ist's, als müßt' ich reißen
Einmal, einmal noch empor
An den Busen, an den heißen,
Was ich gänzlich doch verlor.

Ach umsonst! In Nacht verschweben
Muß das Dämmerungsgesicht.
Alles läßt sich neu beleben,
Nur erlosch'ne Liebe nicht.
(S. 285)


XX.
(An ein Packet Briefe, von blauem Bande zusammengehalten)
Mit Schmerzen hatt' ich sie geliebet,
Euch Briefe hatte sie gesandt.
Vorbei ist Alles, ihr nur bliebet
Und du verblich'nes, blaues Band.

Ich mußte meinem Gram gewähren;
O Zeit, wie warst du wunderbar,
Da süßer mir des Kummers Zähren,
Als je der Hoffnung Jauchzen war.
(S. 286)


XXI.
Ich will vor Andern mich verschließen,
Und schweigen in geheimem Schmerz;
Kein Ton soll von der Lippe fließen,
Es scheine marmorkalt dies Herz.
Was können And're mir erwiedern?
D'rum werde nie die Klage laut,
Nur sanften und verschwieg'nen Liedern
Sei sie geheimnißvoll vertraut.

Für alle Freuden, die da starben,
Ein Lied, das sie noch dankend nennt,
Dies sei mein Balsam für die Narben,
Darunter noch die Wunde brennt.
Und ist die Zeit nur erst vergangen,
Kommt auch der alte Sinn zurück,
Denn daß wir stets im Wechsel hangen,
Das ist ja unser wahrstes Glück.
(S. 287)


XXII.
Welke Kränze
Früh're Wonne mag Dich weiden,
Dich erlab' entschwund'ne Lust,
Das giebt Kraft der müden Brust
In dem gegenwärt'gen Leiden.

Deiner Jugend frohe Tänze,
Ach, das Leben schont sie nicht,
Und des trüben Auges Licht
Fällt nur noch auf welke Kränze.

Welke Kränze! Und es flimmern
Ihre Blätter bunt nicht mehr,
Ob auch Tropfen groß und schwer
In den dürren Kelchen schimmern.
(S. 288)


XIII.
Asphodele
Jetzt hab' ich lang genug geschlafen,
Das Schicksal ruft, es schwillt mein Herz;
Fahr' wohl, du schirmend sichr'rer Hafen,
Zurück in's Meer, zurück zum Schmerz!

Nach jähen Gluthen lechzt die Seele,
Nach Leidenschaft und Todesqual:
Komm', sündhaft-schöne Asphodele,
Und führe mich zum Bachanal!

Umfange mich mit Gluthgekose,
Indeß im Herzen Falschheit sitzt,
Flicht in die Locken mir die Rose,
Indeß ihr Dorn die Schläfe ritzt.

Denn ich begehre nach Liebeselend,
Nach Eifersucht und ew'ger Noth,
Nach Küssen mordend und beseelend,
Nach Nächten voll Genuß und Tod.

Du bist die Richt'ge! Nimm mein Leben,
Brich es, und dieses Herz dazu.
Es ist im Voraus Dir vergeben,
Wohlan, hier ist's, - was zauderst Du?
(S. 289-290)


XXIV.
Nun fülle den Becher und leer' ihn zum Grund,
Das macht die verwundete Seele gesund.
Vergessenheit schäumt in dem gold'nen Pokal,
Zutrinke ihn Deinem Genossen, der Qual.

Denn glücklich ist nur, wer sich selber belügt,
Und sein Herz, das nach Gott schreit, mit Taumel betrügt;
Der, wenn er erlischt, kaum wissen noch mag,
Ob er länger gelebt als den einzigen Tag!
(S. 290)


XXV.
Und Du warst krank, und ich war fern,
Ich kniete nicht an Deinem Lager;
In Nebel hüllte sich Dein Stern,
Bleich ward die Wange Dir und hager,
Und ich, o Qual, ich weilte fern;
Nicht war ich da Dich zu ermuthen,
Zu kühlen Deiner Stirne Gluthen!

Du rangst im Tod, - und ich war fern,
Hin schwärmt' ich auf des Rausches Wegen.
O Reuepein! Jetzt möcht' ich gern
Mein Haupt für Dich auf's Kissen legen,
Und ob ich Dir auch noch so fern,
Hinflieh'n mit wunden, blut'gen Füßen,
Um Deine Leiden zu versüßen.

Du Theurer starbst, - und ich war fern,
Ob ich Dir Treue auch gelobte.
Du meiner Jugend Stolz und Kern,
Den ich so tausendfach erprobte,
Du starbst, und ich? Ich war zu fern -
Stumm über Deinem Bett zu hangen,
Dein letztes Seufzen zu empfangen.

Sie senkten Dich in's Grab, mir fern.
Nicht legt' ich Dich in's schmale Bette,
Nicht flehte ich für Dich zum Herrn,
Nicht schlang ich eine Blumenkette
Um's bleiche Haupt, - ich war ja fern.
Nicht fiel von mir mit Schmerzgeberde
Auf Dich die erste Hand voll Erde.

Du starbest sanft. Ob ich auch fern,
Mit Sehnsucht hast Du mich verlangt,
Nacht hüllte Deines Geistes Stern,
Dein Herz hat doch nach mir gebangt;
Nach mir gebangt, - und ich war fern!
Vergieb, ein Platz an Deinem Grabe,
Das ist forthin all' meine Habe.
(S. 291-292)
_____
 

Aus: Gedichte von Udo Brachvogel
Wien 1860
Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn



Biographie:

Udo Brachvogel
Deutsch-Amerikas groesster Balladendichter
Udo Brachvogel ist eine der bekanntesten litterarischen Persönlichkeiten Deutsch-Amerika's. Er wurde im Jahre 1835 geboren, hat sich aber die ewige Jugendlichkeit des Poeten gewahrt.
Er studierte die Rechte in Jena und Breslau, gab in Wien ein Bändchen vielversprechender "Jugendgedichte" heraus und kam in 1866 nach den Vereinigten Staaten, wo er eine zeitlang Mitredakteur der "Westlichen Post" in St. Louis war und später die Redaktion des seinerzeit blühenden "Belletristischen Journals" in New York übernahm, in dem viele seiner Gedichte erschienen sind.
Der jüngeren Generation ist er am besten als Prosaist bekannt. Sein Roman "King Corn", der bereits verschiedentlich in Zeitungen, aber nie in Buchform erschienen ist, schildert die Beziehungen des Menschen zur Erde mit einer Intimität, die an Zola's gewaltiges Werk "La Terre" erinnert. Ein weiterer Roman von Bedeutung ist "Irregang auf der Prärie". Besonders kraftvoll ist in dieser Erzählung die Beschreibung eines Blizzard, wie auch in der Poesie die grossen Regungen der Natur, die Feuersbrunst und der Orkan zu den Lieblingssujets des Verfassers gehören. Es verdient der Erwähnung, dass Brachvogel es war, der Bret Harte's erste Arbeiten in's Deutsche mustergültig übersetzte, wie er überhaupt ein meisterhafter Uebersetzer ist. Zum Dank hierfür und in warmer Anerkennung seiner Verdienste hat ihm der Amerikaner seinen ersten grösseren Roman als "Udo Brachvogel Esq." zugeeignet. Ferner verdient hier noch besondere Erwähnung die ergreifende, in Versen geschriebene "Novelle der Künstlerin".
Brachvogel's Poesien liegen unbegreiflicher Weise nicht in Buchform vor. Doch selbst auf die wenigen in Anthologieen enthaltenen Proben hin erklärt ein Kritiker vom Rufe eines Carl Busse Udo Brachvogel für den bedeutendsten deutsch-amerikanischen Dichter. Wie weit dies zutrifft, kann die Kritik erst entscheiden, wenn der jugendfrische Greis seine Gedichte gesammelt herausgegeben hat. Doch nach den Manuskripten und Ausschnitten, welche der Dichter liebenswürdigst zur Verfügung stellte, ist es unzweifelhaft, dass wir ihm den Lorbeerkranz unseres grössten Balladen-Dichters nicht vorenthalten können.
Er hat Verve, Farbenpracht, Musik, Bilder, wie kein anderer unserer Poeten. Seine Lehrmeister waren Rückert und Freiligrath, denen er ein würdiger Schüler ist.
Für ihn ist die Sprache ein Toninstrument und eine Palette. Er macht die gewagtesten Experimente oft mit grossem Erfolg. Allerdings muss gesagt werden, dass sein Gefühl für das, was schön klingt und sich farbenprächtig ausnimmt, gelegentlich sein Sprachgefühl überwiegt. In dem Bestreben, nie dagewesene Effekte zu schaffen, wird das kunstvolle Schnitzwerk manchmal zur Schnörkelei, die Kunst erkünstelt. Doch das ist bei dieser Dichterschule unvermeidlich und bei Brachvogel durch den Erfolg glänzend gerechtfertigt.
Er ist bewusster in seinen künstlerischen Absichten, als irgend ein anderer deutsch-amerikanischer Dichter, er grübelt oft Tage lang über einem Worte nach, denn er weiss, dass es in jedem Falle immer nur ein Wort giebt, das das richtige ist.
Wäre Brachvogel nur gross in äusserlich künstlerischen Effekten, so wäre das anerkennenswerth genug und würde ihn hoch über das Heer der meisten unserer Poeten stellen. Denn die Form - paradox wie es klingen mag - ist die Seele der Kunst. Brachvogel hat der Seele auch einen Körper gegeben. Seine Stimmungen, seine Sujets sind eigenartig und packend. Es sind nur grosse mächtige Themata, meist mit antikem, historischem Hintergrund, die ihn anziehen, der Brand Roms, Persopolis, Lukretia, Hannibal, Napoleon und Kleopatra. Mit kühnem Griff wählt er das richtige Moment im Leben seiner Helden, in gluthvolle Verse kleidet er sein Lied.
Es ist kaum möglich, dem Dichter in dem Rahmen dieses kurzen Aufsatzes gerecht zu werden. Es erscheint nur statthaft, einige seiner bedeutendsten Gedichte kurz anzuführen. Da ist vor allem die meisterhafte und weithin bekannte Schöpfung "Römische Nacht". Wie alle Brachvogel'schen Gedichte ist sie verhältnissmässig lang. Unser Dichter scheint eben Poe's Ansicht, dass ein poetisches Kunstwerk, um zu wirken, einer gewissen Länge, von etwa hundert Versen bedürfe, zu theilen. Es lässt sich manches für dieses Prinzip sagen, wenn man sich auch der Ansicht nicht verschliessen kann, dass hier und da die Längen ein wenig ermüden, doch trägt uns bei Brachvogel die gluthvolle Sprache darüber hinweg. Des Nero blonder Liebling liest den Virgil ihm vor.
"Doch plötzlich schweigt des Lieblings Stimme,
Hinab zum Kaiser sinkt sein Haupt -
"Umsonst hier brechen meine Schwingen,
Sich vor dem Dichter mich vergehn,
Soll ich sein Lied dir würdig singen,
Muss ich erst Troja brennen seh'n - -"
Da zuckt es um des Weltherrn Stirne,
"Dein Wahnsinn, Knabe, sei gestillt."
Und während Roma in Flammen versinkt, greift der junge Sänger zur Leyer:
- "Jetzt kann ich den Vergil versteh'n."
Pyrotechnische Effekte sind es auch, die der Dichter in dem wenig bekannten "Persepolis" mit gewaltiger Kraft zu benutzen weiss, wo der Ammonide der Hetäre Thais verspricht, im Brande der Stadt das Abendroth noch einmal zurückzuzaubern, ehe er sie verlässt.
"Und die Erde wird erschrecken,
Aber jauchzen wird dein Herz."
"Rosen am Nil" reiht sich diesen Gedichten würdig an, obwohl hier die Effekte manchmal zu sehr den Eindruck des Gesuchten machen. Es sind aber Zeilen in dem Gedichte, die einen mit Staunen und Bewunderung erfüllen, würdig der Königin, die
"- Rom wohl zweimal trug im Haar
An einem Feste des Anton."
"Capua" ist in der Form vielleicht das gelungenste der Brachvogel'schen Gedichte und enthält einige neue Effekte:
"Die trotz'gen Häupter, welche
Kein Alpenschnee verletzt,
Schnee der Orangenkelche
Beugt und begräbt sie jetzt."
Wenn Brachvogels Gedichte erscheinen, und sie müssen erscheinen, werden sie nicht verfehlen, grosses Aufsehen zu machen. Sie haben alle einen seltsamen Reiz, eine starke Individualität, und wir können vielleicht nicht besser thun, als mit ein paar Zeilen aus einem Brachvogel'schen Gedichte "Die wohlriechende Kerze" zu schliessen, die den grandiosen Flug seiner Poesie trefflich charakterisieren:
"Ich seh vor mir im Myrthenschimmer
Aus meiner Phantasien Schacht,
Aufsteigen jene alte Pracht,
Davon das Echo wie Gebet,
Um ausgegrabne Tempel weht."
G. S. Viereck
Aus: Das Buch der Deutschen in Amerika
Herausgegeben unter den Auspicien des Deutsch-Amerikanischen National-Bundes
Philadelphia Walther's Buchdruckerei 1909 (S. 397-398)
 



 

 


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