Oskar Ludwig Brandt (1889-1943) - Liebesgedichte

 

 


Oskar Ludwig Brandt
(1889-1943)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





Ein Knabe und ein Mägdelein,
Die tanzten beide Ringelreihn
Und lachten unterm Apfelbaum . . .
Wie lange währt ein Kindertraum? . . !

Und Sommer kam,
Und Sommer ging,
Und, als es an zu herbsten fing,
Da küssten sie sich beide viel, . . .
Und war nicht mehr ein Kinderspiel . . .
. . Dann ward es Herbst.
Die gelben Blätter fielen,
Und winkten nahen Zielen . . .
. . . Der Winter kam mit Eis und Schnee;
Ein Rabe krächzte aus der Höh',
Und an des Sees Gestade
Das Mädchen lag
Mit weissem Haar;
- Der Knabe längst gestorben war. -
. . . Das Leben, die Ballade,
Sie endet bald! . . .

Der Frühling kam, . . . der Sommer ging, . .
Und bald es an zu herbsten fing, . . .

Dann wurd' es kalt . . .
Es endet bald,
Wenn mit dem Wind, dem kühlen,
Die Letzten Blätter fielen.

Aus: Dichten und Denken Ein Stück Leben
Gedichte und Skizzen von Oskar Ludwig Brandt
Berlin 1910 Verlag Alfred Baumhauer Berlin W. 15 (S. 38-39)

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Meiner süssen, kleinen Japanerin

Einst sah ich die Japanerin
Bei ihrem Teeservice.
So zierlich lehnte sie sich hin,
So lieb, . . und zart, . . und süss. . . .

Der Sonne letzter Schein erglüht
In ihrem goldnen Haar, . . .
Und eine rote Rose blüht,
. . Die mir im Herzen war. . . .

Ich trage solcher Rosen viel
In meiner jungen Brust;
Und knospen sie im Sonnenspiel,
O, welche Frühlingslust!

Und seh' ich eine Ros' im Feld,
Es zieht mich zu ihr hin,
Weil sie im Duft gefangen hält
Meine Japanerin!


Aus: Dichten und Denken Ein Stück Leben
Gedichte und Skizzen von Oskar Ludwig Brandt
Berlin 1910 Verlag Alfred Baumhauer Berlin W. 15 (S. 48)

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Gewitter

I.
Von Süden treibt der Wind die dunkeln Wölfe,
Und dumpf rollt fern der erste Donnerschlag. -
Ein kurzes Leuchten, drauf ein prasselnd Schlagen, -
Und schon die Erde rings im Sturme lag.

Der Hagel sprang in abermillionen
Der kleinen Kugeln aus der hohen Luft. . . .
In jungen Herzen, da die Götter wohnen,
Liegt heisser Sommer, der nach Kühlung ruft!

Du bist wie eine holde Rosenknospe!
Die Lippen sind wie erster Frühlingsduft! . .
Und Deine Augen sind ein ewig Beten,
Das mir das Heiligste im Herzen ruft! . . .

O komm! O komm! Ich durste! Ich verschmachte!
Lass' küssen mich den rosenroten Mund,
Dass meine Liebesglut sich hell entfachte!
Sie glüht und treibt versteckt im tiefsten Grund!


II.
Der Frühling liegt gewitterschwül im Hain;
Die Bäume schweigen, und die Vögel locken.
Ich trinke all die Seligkeit hinein.
Die Luft ist voll, als müsste mir der Atem stocken. . . .

Der Regen prasselt, und die Donner schlagen,
Und Blitz auf Blitz zuckt, - krachend schlägt es ein,
. . So wie an heissen, schwülen Frühlingstagen
Gewitter ziehen in den Herzen ein. . . . . . . . .

Da liegt ein heisses, furchtsames Begehren
So frühlingsschwer, so knospend, blütenvoll
In grossen Herzen, die dem Sturme wehren,
Der ihren Knospen Sommer bringen soll.

Aus: Dichten und Denken Ein Stück Leben
Gedichte und Skizzen von Oskar Ludwig Brandt
Berlin 1910 Verlag Alfred Baumhauer Berlin W. 15 (S. 49-50)

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Stiller, fliedertrunkener Sommerabend,
Steigest hernieder Du in ruhiger Pracht,
Bringest die Sehnsucht mir.
Duftschwer und labend
Folgt Dir die maienklingende, singende Nacht.

Leise hauchet die Luft, und leise bewegen
Bäume und Sträucher die Wipfel.
Sehnend und schwer
Nicken der Liebe befruchtenden Nacht sie entgegen,
Rufen die heimlichen, trunkenen Wünsche mir her.

Aus: Dichten und Denken Ein Stück Leben
Gedichte und Skizzen von Oskar Ludwig Brandt
Berlin 1910 Verlag Alfred Baumhauer Berlin W. 15 (S. 51)

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Zwei schwarze Domino

Die Nacht war Schäumen,
Und der volle Mond
Warf eines Häuschens Schatten auf den Weg,
Wie grosse, weitverzweigte Bäume stehen;
Und in dem dunkeln Schatten
Stand ein Paar. -
Eng schmiegt sich an die Brust das
Blonde Haar,
Und glücklich bebten, brannten
Deine Lippen. -
Lass mich dich küssen, schwarzer Domino,
Hier in der dunkeln Nacht,
Wo Bäume stehen!
Es liegt der Frühling blüteschwer im Atmen!
Drück' dich an mich!
Ich küsse heiss dich wieder!
Komm! - - Auf dein Haar! - - -
Hörst du die lauten Lieder,
Die aus der Stadt entfernt
Herüber klingen?
- - - - - - Und still ist's wieder. - - -
Hörst du's schwingen?
Komm zu mir! Komm!
Ich küsse heiss und wild
In toller, toller Jugendleidenschaft!
Ich küsse heiss in dunkler
Frühjahrsnacht!
Komm drück' dich an mich,
Wilde Leidenschaft,
Die mich so glücklich, o, so glücklich macht!
Komm drück' dich an mich!
Fest!!
Ich küsse heiss und wild!

Aus: Dichten und Denken Ein Stück Leben
Gedichte und Skizzen von Oskar Ludwig Brandt
Berlin 1910 Verlag Alfred Baumhauer Berlin W. 15 (S. 58-59)

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Ruhig mein Herz! Was sehnst du so viel?
Was will dein stürmisches Pochen?
Ersehnest so heftig das winkende Ziel!
Dir dehnen sich Tag und Wochen!

Ruhig mein Herz! Und zwinge dich noch!
Es kommen die Stunden und fliehen,
Und endlich kommen die Ziele ja doch!
. . Sie winken, - und kommen und - - - ziehen. - - -

Heut sehnest du noch und pochest so sehr
Und verlangest der kommenden Stunde,
Vernimmst nur die eigene, lockende Mär
Aus liebesehnendem Munde! -

- Doch, poche mein Herz! Und poche nur fort,
Nie ruhe dein stürmisch Begehren!
Zieh' nur die Schleier vor Zeit und Ort,
Und niemand soll ernstlich dir wehren!

Poche du Herz! Denn, was du verlangst
Mit liebesehnendem Munde,
Das ist nur, - -  zu tilgen die ewige Angst
Vor träge harrender Stunde. . . . .


Aus: Dichten und Denken Ein Stück Leben
Gedichte und Skizzen von Oskar Ludwig Brandt
Berlin 1910 Verlag Alfred Baumhauer Berlin W. 15 (S. 64-65)

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Ein linder Sommer liegt im Hain.
Die Vögel zwitschern in den vollen Bäumen.
Es hängt das Laub, und lind und fein
Klingt Deine Stimme wie ein Träumen.

Der nahe Abend liegt so weit und kühl . . .
. . . Rings ist nur Atmen. . . . . Und dein lieber Blick,
Der zeigt mir: Ferne spielt auf grünem Pfühl
Mit einer Krone, . . .  unser lächelnd Glück . . . !

Aus: Dichten und Denken Ein Stück Leben
Gedichte und Skizzen von Oskar Ludwig Brandt
Berlin 1910 Verlag Alfred Baumhauer Berlin W. 15 (S. 71)

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Helle

In dir ist mein Anfang, in dir ist mein Ende,
in dir ist der Gleichklang zu all meinem Tun.
Was in mir erwacht, begehrt deiner Hände,
daß auf dem Vollendenden sie segnend ruhn.

Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 5)

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Die Stunde schweigt,
leise neigt
mein Haupt sich zu dir nieder.

Aus deinem Blick
klingt mir zurück
das tiefste meiner Lieder.

Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 6)

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Zur Nacht

O laß mich unsichtbar und leise
in deiner Stube tiefe Stille treten.
Ich störe nicht die scheuen Kreise,
die aus dem Werden dir entgegenwehten;
ich sage nur die längstbekannte Weise,
daß deine Einsamkeit mir wie ein Beten
tiefheilig ist. Bald kehrst du von der Reise
zu mir zurück, im Tag, den wir erflehten.

Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 8)

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Blühen erwacht.
Eros spricht:
Liebe
zeugt in der Nacht
des Lebendigen
innerste Weisheit:
Licht.

Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 16)

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Nicht schaut mein Blick vor meinen Füßen Straße
durch Fernen, die sich endlos dehnen;
doch, erdverschwistert Herz, du atmest den Rhythmus des All,
und, weisend den Pfad, den ich breche,
schenkst du dem Geist das sichere Ziel deiner Sehnsucht. -
Ich komme. Ich komme!

Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 17)

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Stunde der Inbrunst

Nacht lastet.
Doch Hammer des Pulses lebt!
Lautheit rastet.
Urquell webt.
Gläubige lauschen;
Durstige, trinken sie
aus sich Harmonie
der Sinne, die sie überrauschen.

Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 23)

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Rote Sonne sinkt in Schnee.
Nicht endet der Heideweg.
Müde Birken frieren zur Seite.
Ich schreite.

Tag, Abend, Nacht . . o Rätselspur
irrender Wandrung im Winterland,
birgst du im Wechseltanz
den Kranz?

Den Kranz der Blüten im Sommertag
über kommenden Frühling?
Ob, die ich unterm Wein geküßt,
vergißt?

Wann heut der Abendstern erglüht,
bin ich am Ziel
und poche an! Dann wird weit
aufgetan!

Der Kirchturm grüßt! Das erste Haus
blitzt auf. Der Brunnen winkt vorm Tor.
- Ein Zug tritt stumm
hervor?

Voran dem dunklen Wagen wankt
- - der hagere Gastwirt zum Schnitterkranz!
- - - o Schnitterkranz - Mein Ziel
verfiel.

Die letzte Sonne sank in Schnee.
Nicht endet der Heideweg.
Müde Birken frieren zur Seite.
Ich schreite -


Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 24)

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Zwei Menschen

Stirn gegen Stirn
drängt wuchtender Pulsschlag -
taumeln zwei Menschen
im Meer ihres Willens.
Not flutet Brandung,
bis zum Horizont
kein Ziel ferner Landung.
Äther blüht, blaue Blume,
über ihrem Heiligthum.


Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 27)

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Gedicht in drei Sprüchen

Meine Heimat schließt du in deiner Seele ein.
Ich will immer meiner Heimat würdig sein.

Mein Weg zur Welt ist meines Wandelns Glück,
O Frau; er kommt von dir und kehrt zu dir zurück.

Das Mütterliche ist der Quell der Zeit.
So zeuge ich für deine Ewigkeit.

Aus: Oscar Ludwig Brandt - Helle
WIR VERLAG BERLIN W 15 1921 (S. 34)

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Biographie:

Brandt, Oscar Ludwig (eig. Oskar Meyer; weitere Ps.: Cari Ernst; Oscar Brandt-Jacoby),
geboren 1. 10. 1889 Köln, gestorben 1943 Konzentrationslager Auschwitz;
Bekannt mit Gustav Falke; Schriftsteller; Schauspieler, Lehrer;
nach der Kaufmannslehre 1909 Besuch der Schauspielschule Köln, 1909/10
in Harburg / Elbe, seit 1911 freiberufl. Schriftsteller in Charlottenburg,
Hg. d. "Diogenes". Bühnendg., Philos., Lyrik.
Schriften: Dichten und Denken. Ein Stück Leben. Gedichte und Skizzen, 1910;
Gustav Falke, 1917;
Häupter und Hämmer. Eine Tragodia zu Ehren des Dionysos (Dg.) 1918;
Helle (Gedichte) 1921;
Tragende Wolken (Kom.) 1922;
Allein in deinen Mantel gehüllt (Lieder) 1928;
Amerikanische Miniaturen (Hörfolge) o. J. (1932);
Golfstrom. Hörwerk o. J. (1932)
Aus: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert
Biogr.-bibliogr. Handbuch begründet von Wilhelm Kosch
Fortgeführt von Carl Ludwig Lang
3. Band K. G. Saur Verlag Zürich München 2001

 

 

 


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