Carl Busse (1872-1918) - Liebesgedichte

Carl Busse



Carl Busse
(1872-1918)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Erfüllung

Er trug es schon weiß Gott wie lange,
Sein Herz war voll von Haß und Scham,
Bis lächelnd und mit leichtem Gange
Das Glück auch ihm entgegenkam.

Kein Rosenblühn, kein Lerchensteigen,
Aus kein entfernter Glockenklang,
Als thränenschwer mit sachtem Neigen
Ihr Köpfchen ihm zur Schulter sank.

Und dennoch war's, als ob von weiten
Nun leuchtend käm' der Lenz herbei,
Als ob der Trotz vergangner Zeiten
Ein altes, fernes Märchen sei.

Als wär' verträumt und glückverloren
Sein Blick zu Glanz und Licht gewandt,
Als läg' vor ihm mit offnen Thoren
Der Sehnsucht weites Wunderland.

Als sei nun aller Schmerz verronnen
Vor jenem scheuen Mädchen-Ja,
Als wären tausend goldne Sonnen
Mit tausend goldnen Strahlen da ...


aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 5)
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Unvergessen

Sanft schlief sein Weib. Da hielt er's nicht mehr aus,
Er schlich sich fort und ging und träumte wieder
Vor einem Bild und einem welken Strauß
Und einer Handvoll junger Liebeslieder.

Die sang er mal, ach, in verschollner Zeit,
Da gab's ein Klingen Tag für Tag auf Erden,
Die Bäche trieben und sein Herz ward weit,
Sie küßten sich - es wollte Frühling werden.

Dann kamen Stürme und er stand allein,
Wild schrie sein Herz, er hatte keine Thränen. -
Die Zeit verflog; ein andres Weib ward sein,
Das ihn umfing mit ihrem tiefsten Sehnen.

So lag sie jetzt und träumte sanft und mild,
Und träumte nur von seiner Liebe wieder,
- Er aber stand vor jenem Mädchenbild
Und beugte tief die stolze Stirn hernieder.


aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 7)
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Jutta

Die alte Regel: Tausch um Tausch,
Nach jedem Fest nur Schutt und Scherben,
Ein süßer, wilder Schönheitsrausch
Und langsam dann ein qualvoll Sterben. -

Als heut dein dunkles Auge sich
Mit schnellem Aufschlag nach mir wandte,
Da kam es mächtig über mich:
Ich weiß, daß dich mein Schicksal sandte.

Ich weiß, daß mir mein Ziel gesetzt
Und kurz nur meine Zeit umschrieben,
Daß meines Lebens Flugbahn jetzt
Mit Macht in deinen Kreis getrieben.

Ich weiß auch, daß ein Strahl einst bricht
Aus deiner Augen tiefster Tiefe,
Als ob ein dunkler Zug zum Licht
Drin qualvoll um Erfüllung riefe.

Dann wirst du ein paar Stunden lang
In meinem Arm dich selbst vergessen,
Und wirst in rätselhaftem Drang
Dich wild und durstig an mich pressen.

Dann wird dein kühles Frauenhaar
Erschauern unter meinen Küssen,
Bis dann auch dies ein Märchen war
Und all die Träume sterben müssen.

Wohl wölbt sich wild dein roter Mund,
Er lockt und lacht, doch nur zum Sterben,
Denn jeder Schönheit tiefster Grund
Birgt immerdar nur Schutt und Scherben.

Und wer zu kühn der Flamme naht,
Um wild nach Glanz und Glück zu ringen,
Der endet seinen Erdenpfad
Im jähen Sturz verlohter Schwingen.

So muß bethört und lichtverwirrt
Dem Falter gleich auch ich verbluten,
Auch der fühlt, daß er elend wird
Und taumelt dennoch in die Gluten.

Ich aber weiß: er endet nicht
Ganz ohne Kampf und ohne Streiten,
Und oft verschwelt dann auch das Licht
Im Flügelschlag des Totgeweihten.

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 9-10)
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Ich und du ...

Rebhahnruf und Glockenlaut,
Ich und du im Heidekraut.

Wandernde Marienseide
Macht den Kuppler für uns beide.

Weiße Fäden uns umschlingen,
Glocken läuten, Glocken klingen,

Immer leiser, immer linder,
Ich und du - zwei Sonntagskinder.

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 11)
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Traumliebe

Was quälst du mich? - Ich hab' dich oft gesehn
Im Sonntagsheimweh meiner Träumerstunden.
Sag, wer du bist! Laß uns zusammen gehn!
Mich bangt nach dir - ich hab' dich nie gefunden.

Lehnst du verträumt, ein blasses Fürstenkind,
Am Bogenfenster, wenn um trotz'ge Mauern
Die Dämmrung schwebt und schwül im Abendwind
Tief unter dir verstörte Gärten schauern?

Geht in Gemächern, prunkvoll und verstaubt,
Der Mondstrahl scheu um dunkle Ahnenbilder?
Verkreuzten sich auch über deinem Haupt
Schon hochzeitlich zwei stolze Wappenschilder?

Irrst du verweint, wenn längst der Tag entschwand,
Im dünnen Rock, von Gott und Welt verlassen,
Ein Bettlerkind mit ausgestreckter Hand
Ohn' Haus und Heim durch dunkle Großstadtgassen?

Stöhnt nicht dein Herz einst wild in Durst und Drang,
Wenn hell vor dir gefüllte Gläser blinken,
Und wirst du nie, gequält und sorgenkrank,
Um Gut und Gold in Schmach und Schande sinken?

Wer kündet mir, wo ich dich suchen muß?
Wo geht dein Pfad? Wirst du mich gleich erkennen?
Und wird einst doch mein sehnsuchtscheuer Kuß
Auf deine Lippen roter Wölbung brennen?

Ich weiß es nicht! - Doch glaub' mir, fremdes Kind,
Einst treff' ich dich, wenn nach verschmerztem Leben
Stilläugig wir weit über Welt und Wind
Im Heimwegzug nach fernen Höhen schweben.

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 12-13)
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Im Halbschlaf

Im Halbschlaf fahr' ich erschrocken empor,
Wie banges Läuten trifft es mein Ohr,
Wie schwere, fallende Thränen und Tropfen,
Zwei Menschenherzen, die rastlos klopfen.
Das erste, zuckend und weinend: meins,
- Über Meilen und Meilen zuckt auch noch eins.


aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 17)
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Wilde Liebe

Noch spielst du die kindischen Spiele fort,
Suchst Frühlingsblumen im Hage,
Noch drang kein wildes, berauschtes Wort
In deine Mädchentage ...

Doch hat sich erst purpurn das Weinlaub gerollt
Und sind die Astern gegangen,
Und peitscht deines Haares aufleuchtendes Gold
Dir sturmgeschüttelt die Wangen,

Dann werd' ich jählings mit siegender Kraft
Deine goldenen Strähnen packen,
Dann reiß' ich in trutziger Leidenschaft
Dein Haupt hintüber zum Nacken,

Dann wird meines Mundes brennender Durst
Dir von wilder Liebe erzählen,
Und droben wird orgelnd der Sturmwind gehn
Mit mächtigen Brautchorälen.


aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 18)
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Der Schmetterling

Sie sah ihm nach: es war ein großer Falter,
Der Flügelschlagend und in kurzen Stößen
Die Luft zerteilte, die so schwül und drückend
Wie aus den Kronen nächtiger Nelken rann.

Gleich jenem Falter schwand ihr junges Glück
Und es verstob allmählich so im Dunkel
Der weiten Ferne, wie zur Sommernacht
Die müde Seele sich mit irrem Flug
Ins Blaue schwingt, zur Heimat ihrer Träume.

Gleich jenem Falter schwand aus ihren Blicken
Ins Weite fort und ohne Wiederkehr
Der, den sie liebte. Unvernommen blieb
Der stumme Schrei, drin all die tiefe Sehnsucht
Und eines Jugendglücks Unendlichkeit
Und wilder Schmerz und letzte Liebe lag.
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Seit jener Nacht verrann so manches Jahr,
Der fünfte Sommer ließ die Welt schon blühn
In tausend Farben, und die Menschen lachten
Und freuten sich. Auch sie war glücklich nun,
Nicht in dem Überschwang von Glück und Glanz,
Den sie erträumt in ihren Mädchentagen,
Doch in dem Glücke jenes stillen Lebens,
Das keine Glut und keine Stürme kennt.

So stand sie einst, in einer Vollmondnacht,
Am Fensterkreuz des kleinen Gartenzimmers
Und sah den Nachtwind durch die Sträucher gehn.
Nicht weit von ihr, zur zarten Faust geballt
Die lieben Händchen, schlief ihr Töchterlein
In seiner Wiege wie ein Gottesengel.

Sie wandte sich und lächelte verträumt -
War sie nicht glücklich? Durch die Julinacht
Kam jetzt ein Duft. Der zog vertraut und schwül
Von Strauch zu Strauch, den ganzen Garten durch,
Bis hin zu ihr. Da ward es vollends still
In ihrem Innern; ihrer Seele Spiegel
Lag glatt und klar, von keinem Hauch gekräuselt.
Die blauen Wellen eines großen Glücks,
Die dunklen Wellen eines tiefen Schmerzes,
Sie schliefen beide. Immer schwüler ward
Der Nelkenduft, und plötzlich aus den Zweigen
Des Apfelbaums, der rechts vom Fenster stand,
Hob sich ein Schmetterling mit leisen Flügeln
Und schwebte lautlos in die Nacht hinein.
Stets weiter fort, in kurzen, schweren Stößen,
Bis er verstob im Dämmer weiter Ferne.

Sie sah ihm nach mit großen, offnen Augen,
Wie er dahinflog. Doch sie dachte nichts.
Nur traurig ward sie, ohne selbst zu wissen,
Weshalb sie traurig ward. Der Falter flog
Und wiegte sich und schwand. Sie aber lehnte noch,
Als sie ihn längst nicht mehr erblicken konnte,
Am Fensterkreuz und weinte laut und lange.

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 22-24)
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Nachts

Tiefstill die Nacht. Nur manchmal, halb im Traum,
Hör' ich ein Knistern an den weiten Wänden,
Ein ruhlos Tasten hier und dort im Raum,
Als wie von feinen, schlanken Frauenhänden.

Dann weiß ich es, was dir dein Traum gebracht:
Du suchst nach mir, du kannst mich nicht vergessen,
Du suchst und suchst die ganze lange Nacht
Nach einem Glück, das du doch einst besessen.

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 25)
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Nach dem ersten Kuß

Hab' ich's nun endlich, nun endlich gewagt!
Trug's doch schon Wochen umher!
Was ich gesprochen und wie ich's gesagt,
Weiß ich ja selber nicht mehr.
Laufe nur närrisch die Straßen entlang -
Wenn deine Mutter das wüßt'!
Summe und brumme den dümmsten Gesang:
Hast mich geküßt, mich geküßt! ...

Käm' nun ein vornehmer Königssohn,
Hei wie lacht' ich den aus!
Sagt' ihm: "Behalte dir Scepter und Thron,
Bester, ich mach' mir nichts draus!"
Huschte, mein Blondkopf, zu dir im Nu,
Bist mir von Herzen ja gut,
Du mit dem köstlichen Lachen du,
Du mit den Schleifen am Hut ...

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 131)
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Auf der Treppe

Und hatten wir beide die Zeit verpaßt,
Daß dunkel die Treppen lagen,
Ich hab' deinen zitternden Leib umfaßt
Und hab' dich emporgetragen.
Kein Sterbenswörtchen von Liebe und Glück,
Kein stammelndes Wörtchen von Treue,
Bog dir nur leise das Haupt zurück
Und küßte dich immer aufs neue.

So hab' ich dich nun und halte dich nun
Ganz fest bis ans Ende der Tage,
Laß drohen den Schmerz! - was kann er mir thun?
Ich lach' und halt' ihm die Wage!
Mein Blut, das schäumt wie der Wildbach im März,
Schäumt über alle Schranken,
O du mein junges, glückseliges Herz, -
Mein Gott, wie soll ich dir danken!


aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 132)
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Liebesfülle

Nun sei getrost, nun muß die Trübsal enden,
Ein Weilchen noch - wir stehn in lauter Glück;
Gescheucht von meinen Händen,
Flieht alles Dunkle weit zurück.
An meine Brust sollst du dein Köpfchen legen,
Mein junges Herz soll deine Stätte sein,
Das ist so reich und ist so voll von Segen,
Du bist ja mein ...
Der Lärm der Welt verbrandet stetig linder,
Weitab, weitab - er stört uns nicht,
Wir sehn geblendet wie zwei selige Kinder
In lauter Licht.
Ein ew'ger Sommer unser ganzes Leben,
Und bringt der Juni Rosen uns zurück,
Dann ist es Zeit, dann soll es Hochzeit geben,
Mein Lieb, mein Glück. -


aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 133)
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Ernte

Nun füllen sich meine Tage,
Nun sind meine Saaten gereift,
Nun hat mich mit tönendem Schlage
Die Schwinge der Freude gestreift.
In Erntesegen verloren,
Der golden sich neben mir dehnt,
Ach über den Träumer und Thoren,
Der einst sich zu sterben gesehnt!

Und was aus entfalteter Hülle
Der Lenz mir an Blüten beschert,
Das hat nun zu Früchten und Fülle
Der Wandel der Tage gekehrt.
Ich blick' in die sonnigen Fluren
Wie in dein Herz hinein,
Dein Herz und die Fülle der Fluren,
Das soll meine Ernte sein!


aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 134)
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Meine Seele

Und wenn dein Blick verlangend,
Wie scheu dein Mund auch zagt,
Einst meine Seele bangend
Um ihre Tiefen fragt -

Dir ganz dann hingegeben,
Entschleiert sie sich dir:
Von meinem wilden Leben
Drang auch kein Laut zu ihr.

Von Staub wohl und Gewittern
Mocht's oft darüber wehn,
Doch kann in keuschem Zittern
Sie rein noch vor dir stehn.

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 135)
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Michaelskirchplatz

Abendschwärmer zogen um die Linden,
Von den Kähnen sangen Schifferknechte,
Hob sich manchmal in bewegten Winden
Deines Haares eine lose Flechte.
O wie selig dir die Wangen glühten,
Wenn mein Arm den deinen zärtlich drückte
Und ich lächelnd von versagten Blüten
Im Vorbeigehn dir die schönste pflückte!
War die Welt so still und heilig, Lucie,
Und die Burschen überm Wasser sangen,
Von Sankt Michael die Glocken klangen,
Und wir lächelten und schwiegen, Lucie.

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger (S. 136)
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In Unrast

Was that ich nicht, seit unser Weg sich schied!
Ich griff in Gier zum alten Sorgenbrecher,
Die Hand am Glas, mit manchem frechen Lied
Stahl ich mich ein ins Herz berauschter Zecher.

Es half mir nichts. Da ging ich ohne Gruß
Und hob den Stab und kam zum Nordseestrande,
Unstete Spuren ließ mein müder Fuß,
Die Flut brach ein - sie löschten aus im Sande.

Windstille Gärten mit erschlafftem Grün
Betrat ich dann; gezackte Kelche trugen
Blutroter Nelken unbewegtes Blühn -
Mein Herz bleib leer und meine Pulse schlugen.

Nun rauscht der Hochwald hier in meinen Traum,
Moosflechten kriechen über schlanke Stämme,
Darüber fort, um kühle Bergeskämme,
Schleift eine Wolke ihren dunklen Saum.

Ich aber steh' und frag': was soll ich hier?
Ob heller Strand; ob finstre Bergeslehnen, -
O ewig bleibt mir dieses wilde Sehnen
Nach meinem Frühling und nach dir, nach dir!

aus: Neue Gedichte von Carl Busse
Stuttgart 1896
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger ( S. 141)
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Traumbild

Aus jenen tiefsten Tiefen meiner Seele,
Wo längst begraben meine Toten ruhn,
Hob sich dein Bild. Es kam ein dunkles Auge,
Ein roter Mund und eine hohe Stirn,
Auf die, sich wirrend schwarze Locken fielen.

Du warst sehr jung, und deine junge Seele
Und deinen jungen, blutdurchpulsten Leib,
Du gabst sie mir, du gabst mir alles - alles.

Einst schwand der Tag und sank am letzten Himmel,
Und es ward Nacht, und es ward schwarz und dunkel,
Kein Mensch war um uns. Wie in banger Furcht
Drängte dein Leib sich dicht an mich heran.
Er zitterte ... die schwüle Stille rings
Durchtönte, kaum vernehmbar meinem Ohre,
Dein Atmen und das Klopfen deiner Pulse.

Du gabst dich hin in taumelndem Genuß,
Und: "That ich Sünde?" fragten deine Lippen,
Die sündhaft schönen, die blutrotgeküßten,
"Sag, that ich Sünde?" ... Sieben Sterne gingen
In hohem Glanze durch den Himmel hin,
Weiß wie die Sterne war dein Mädchenantlitz.

Ich strich die dunklen Locken aus der Stirn
Und sah dich an. Ich mußte plötzlich weinen,
Wie man um Blumen weint, die früh gebrochen,
Ich schluchzte auf - um dich und nur um dich!
"Sag, that ich Sünde?" fragtest du noch einmal
Mit wehem Laut ... Die Nacht war schwer und still
Und weiße Sterne schimmerten am Himmel
Wie totenbleiche, frühgebrochne Blumen.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Heut stieg dein Bild auf und es sank zurück
Langsam und weinend in die tiefsten Tiefen,
In jene Tiefen, wo die Toten ruhn.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 58-59)
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Blühende Zeit

Glänzt ein kleines blondes Zöpfchen
Und ein weißes Sommerkleid,
Singt ein liebes krauses Köpfchen
Von der goldnen, blühenden Zeit.
Und die Wolken droben glimmern,
Und die Sonne droben glüht,
Reif am Stiel die Kirschen schimmern
Und die Blume Liebe blüht.

Ach, sie wollt' es ja nicht dulden,
Doch er war so keck und braun,
Und es traf sie kein Verschulden,
Sprang er über'n Gartenzaun.
Und nun dreht sie scheu das Köpfchen
Mit dem krausen Mädchensinn,
Und sie bastelt sich am Zöpfchen,
Und sie schielt so nach ihm hin.

"O du lieber, brauner Junge,
Sag mir doch, was willst du hier?"
Heidi! Kam er an im Sprunge
Und er sprach: Ich will zu dir!"
Faßt sie lachend an das Zöpfchen,
Und das Blut in rotem Fluß
Schoß ihr schämig in das Köpfchen
Und sie gab ihm einen Kuß.

Und da bog er immer wieder
Zu sich her ihr Schelmgesicht,
Schlug sie scheu die Augen nieder,
Aber böse ward sie nicht.
Habens dann in Schöpferwonne
Unserm Herrgott nachgemacht,
Nur die liebe goldne Sonne
Hats gesehn und hat gelacht.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 60-61)
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Hedwig

Erst lang geliebt,
So tief und unermessen,
Dann wild beweint
Und endlich halb vergessen ...

I.
Liebesfrühling
Wie die Wolken sich wiegen und liegen
Gleich Schwänen im Himmelsblau,
Mein Herz will sonnenwärts fliegen,
Es ist in die Höhe gestiegen
Wie die Lerche über der Au!

Es weiß nicht, was es vor Wonne
Noch thun und lassen soll,
Es jubelt zur Lichtmadonne,
Es betet und jauchzt zur Sonne
Und ist so voll .. so voll!

Wer mochte ihm das wohl bringen?
Das that eines Haares Duft!
Nun will es vor Jubel zerspringen,
Nun will es singen und klingen
Wie die Lerche in der Luft.

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 76-77)


II.
Im Park
Wir sind in strömender Abendglut
Weit in den Park geraten ...
An deinem Halse blitzen wie Blut
Tiefpurpurne Granaten.

Nun stehn wir beide verwirrt und stumm
Und keiner wagt zu sprechen,
Wir hören fast das Licht ringsum
Durch Sommerzweige brechen.

Der Park ist voll von Abendschein,
Kein Ort, der dunkel bliebe -
Und wir beide sind stumm und wir sind allein,
Allein mit unsrer Liebe.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 78)



III.
Lenznacht
Das war ein Frühlenz vor Zeiten,
Verschlafen und wundersacht
Flogen aus dämmernden Weiten
Die Winde durch die Nacht.

Blau leuchtende Sterne glühten,
Und erste Liebeslust
Hob eine apfelblüten-
Rosige Mädchenbrust.

Es kam ein Strahl gezogen
In heller, blutender Pracht,
Es flüsterten und es flogen
Die Winde durch die Nacht.

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 79)



IV.
Schimmernde Kronen ...
Schimmernde Kronen will ich dir flechten
In deiner Locken rollenden Kranz,
Wie in lauschenden Sommernächten
Goldne, funkelnde Sterne sich flechten
In des Himmels dunkelnden Glanz.

Laß das Bangen und beuge dich nieder!
Wenn ich auch küssend die Seele dir nehm',
Meine Seele geb' ich dir wieder,
Schling' um dein Haupt dir den Klang meiner Lieder,
Zeig mir ein schöneres Stirndiadem!

Von den sommerlich blühenden Hängen
Rauschen die Quellen - so gieb dich hin!
Neige dich zu mir, lausche den Sängen,
Meiner Lieder lockenden Klängen,
Du meiner Nächte Königin.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 80-81)



V.
Allein
Wie wir abendlich im Garten
Heimlich uns zusammenfanden,
Wenn auf hohen Himmelswarten
Golden schon die Sterne standen!

Flüsternd über den Rabatten
Wogten leichte Sommerwinde,
Geisternd malte seine Schatten
Auf den Kies das Laub der Linde.

Tief in blühende Sträucher trugen
Wir die beiden Gartenstühle,
Und die jungen Herzen schlugen
Pochend in der Abendschwüle.

Grüne Irrlichtkäfer glühten
Durch die Büsche, die verzweigten,
Während weiß die wilden Blüten
Des Jasmin sich auf uns neigten.

Und du nanntest meinen Namen
Süß verloren wie in Träumen,
Und die Abendfalter kamen,
Regten sich in müden Bäumen.

Manchmal drang auf weicher Schwinge
Auch ein Rascheln fern vom Beete,
Und Musik erklang vom Ringe,
Wo das Karussel sich drehte.

Flüsternd über den Rabatten
Wogten laue Sommerwinde,
Immerzu warf irre Schatten
Auf den Kies das Laub der Linde ...

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 82-83)



VI.
Jugendglück
Ich habe küssend oft berührt
Die Lippen dir, die feingeschweiften,
Wenn wir vom Sonnenglanz verführt
Durch sommerliche Fluren streiften.
Dein Kleid schlug sacht an mich heran,
Von süß verschlafnem Wind getrieben,
Ich aber stak dir Blumen an
Und lächelnd bist du stehn geblieben.

Ein Wachtelschlag in fernen Höhn,
Ein Sichelklang vom Wiesengrunde,
Die Welt so weit, die Welt so schön
Und du das Glück auf rotem Munde!
Hell bauschte sich am weißen Kleid
Die blaue Schärpe hin und wieder,
Dein Blick voll Sommerseligkeit,
Und meine Brust voll junger Lieder.

Und alle Lieder wand ich dir
Ums Frühlingshaupt zu goldnem Kranze,
Und um uns flog das Lichtpanier
Des Sommers hin in wirrem Glanze.
Der Südwind sank zum Schlaf zurück,
Im Weizenfeld auf rotem Mohne,
Und um uns beide schlang das Glück
Berauschend seine Strahlenkrone.

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 84-85)



VII.
Am Fenster
Wir standen am Fenster ... ein kühler Wind
Streichelte deine Locken,
Er schlief bald ein wie ein müdes Kind,
Und die Welt war still und erschrocken.

Wir sangen beide hinaus in die Nacht
Die deutschen, traurigen Lieder,
Es war sehr schwül, und in goldblauer Pracht
Irrten Blitze hernieder.

Die Spitzen an deiner weißen Brust
Wogten und zitterten leise,
Tiefschwer verklang in dem nächtigen Dust
Die alte, weinende Weise.

Und es schlief der Wind und er regte sich nicht,
Und es schliefen auch deine Locken,
Nur das blaue Gold umglomm dein Gesicht,
Und die Nacht war still und erschrocken...


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 86-87)



VIII.
Da warst du jung ...
Da warst du jung ... im letzten roten Glanz
Lag sommerstill die blühende Gartenflur,
Unfern im duftigen blauen Fliederkranz
Sang durch die Abendluft ein Sprosser nur.
Levkojenkronen waren um uns her
Und heimlich rauschend rann das Zeitenmeer,
Da warst du jung ...

Die Uhren hoben sich zum Schlage fern,
Der Sprosser strich im Fluge uns vorbei,
Und durch die Wolken brach ein blauer Stern,
Als ob ein Auge aufgeschlagen sei.
Hin durch die schauernd-stille Abendruh
Ging nur dein Atem, wehend immerzu,
Da warst du jung ...

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 88)



IX.
Wenn ...
Und wärst du mein Weib und wärst du mein Lieb,
Wie wollt' ich dich jauchzend umschlingen,
Ich wüßte ja nicht, wo das Herz mir blieb'
Vor lauter seligem Klingen.

Ich flög' in den nächtigen Himmel hinein,
Den funkelndsten Stern zu trennen,
Das wär' der leuchtende Demantstein,
Der sollt' im Haar dir brennen.

Nach Persien flög' ich, hinein ins Land,
Wo Schiras Rosen sich wiegen,
Die Rosen gäben das Kronenband,
Das sollt' dir die Locken umschmiegen.

Ich stieg' hernieder ins tiefste Meer
Und bräche dir rote Korallen,
Und meine Lieder, die wären ein Heer
Lenztrunkener Nachtigallen.

Die sollten um dich ihren Reigen ziehn,
Bis die Sehnsucht dich zu mir triebe,
Gewiegt und umklungen von Melodien,
Von junger, jauchzender Liebe.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 89-90)



X.
Die Schaukel
Es hat in Sommertagen
Weit über Strauch und Land
Die Schaukel uns getragen,
Die tief im Garten stand.

Wie wir uns jauchzend schwangen
In blaue Höhn hinein!
Wir neckten und wir sangen
In tollsten Kinderein.

Ich zupfte dich am Kleide,
Ich griff nach deinem Haar,
Und waren doch schon beide
Fast volle sechzehn Jahr.

Und die Aurikeldüfte
Umflossen deinen Kopf,
Es flog durch alle Lüfte
Dein blonder Mädchenzopf.

Der Sommersüdwind brachte
Mir deines Haares Wehn,
Dein roter Mund, der lachte:
Die Mutter darfs nicht sehn!

Dein Antlitz stand in Flammen
Und höher! jauchztest du,
So flogen wir zusammen
Den Birnbaumzweigen zu,

Daß einer von den Ästen
Sich schwer zu biegen schien,
Und aus den kleinen Kästen
Erschrockne Staare schrien.

Ich kam von langem Wandern,
Und unser Gartenplan
Gehörte längst schon andern,
Das hat mir wehgethan.

Doch ging ich durch die Pforte,
An Buchs und Beet entlang,
Und steh' nun vor dem Orte,
Wo einst dein Lachen klang.

Es rannen kaum drei Jahre,
Die Vögel schrein im Wind -
Ob das die alten Staare
Von jenem Sommer sind?

Mir sagten alle Leute,
Es wär' ein schöner Tag, -
Ich weiß nicht, was ich heute
So garnicht schaukeln mag?

Ich seh' die Sonne scheinen,
Ihr Licht, das macht mir Schmerz,
Mir ist so recht zum Weinen,
So sonderbar ums Herz.

Ich glaub', mich hat das Leben
UmGlück und Gunst genarrt,
Ich seh' die Schaukel schweben,
Die alte Schaukel knarrt.

Das war in Sommerstunden,
Wo ich sie fliegen sah -
Der Birnbaum ist verschwunden,
Und du bist auch nicht da.

Der Baum ward alt und mürbe,
Man hat ihn längst gefällt, -
Ach daß noch einer stürbe
Und ginge von der Welt.

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 91-94)



XI.
Ein scharfer Duft ...
Ein scharfer Duft von Nußbaumblättern
Trieb durch das Land, trieb durch das Land,
Schon schmückte sich der Herbst die Stirne
Mit purpurdunklem Kronenband,
Schon zog ein müdes, welkgewordnes
Kastanienblatt, vom Wind verweht,
Da lernt' ich dir zu Füßen sprechen
Ein Dankgebet .. ein Dankgebet ...

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 95)



XII.
Fünfblatt
In den grünen Büschen, da hab' ich gesteckt
Den Vormittag schon und den Nachmittag auch,
Mich haben die kleinen Blüten geneckt,
Die Lila-Blüten am Fliederstrauch.
Sacht blies mir der Winde vergnügliches Wehn
Die duftenden Trauben um Haar und Gesicht,
Ein Fünfblatt wollt ich mir suchen gehn,
Das Fünfblatt des Glückes, das fand ich nicht.

Da kamst du gesprungen zum Garten herein,
Mein blonder Wildfang, mein flüchtiges Reh,
Da ließ ich das Fünfblatt Fünfblatt sein
Und sagte den leuchtenden Büschen Ade.
Nun wiegte der Liebe Lichtmelodie
In Glück uns beide, uns beide in Traum,
Und der Kuckuk rief und der Kuckuk schrie
Siebenmal vom Baum, siebenmal vom Baum.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 96-97)



XIII.
Hinter den weißen Gardinen...
Hinter den weißen Gardinen
Saßen wir beide allein,
Es zogen summende Bienen
Durchs offene Fenster herein.

Der Wind schlief über dem Rasen,
Es stand die Welt im Traum,
Es schwankten in den Vasen
Die bunten Gräser kaum.

Die Bilder an den Wänden,
Die Bilder sah ich nicht...
Auf deinen weißen Händen
Spielte das Sonnenlicht.

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 98)



XIV.
Weißer Jasmin
Bleiche Blüte, Blüte der Liebe,
Leuchte über dem Laubendach,
Ruf' in klopfenden Mädchenherzen,
Blüte der Liebe, die Sehnsucht wach!
Deiner Kelche verströmender Atem
Zittert, verzittert so schwer und so stark,
Schwül von deinen duftenden Kronen
Weht der Nachtwind über den Park.

In der Laube lauschen zwei Augen,
Zögert und zagt ein Mädchenmund,
Sorge dich nicht und laß dich küssen,
Sieh, nur Sträucher raunen im Rund.
Und es ruft dir im pochenden Herzen
Weißer Jasmin die Sehnsucht wach -
Weiße Blüten, Blüten der Liebe
Leuchten über dem Laubendach.

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 99-100)



XV.
Nach dem Balle
Es bog sich ein blühender Zweig dir im Haar,
Schwer rauschten des Kleides Falten,
Und mühsam, mit zuckendem Lippenpaar,
Hast du dir die Thränen verhalten.

Kaum daß du leise den Kopf bewegt,
Ein dankendes Wort mir zu spenden,
Als ich den Mantel dir umgelegt
Mit heißen, zitternden Händen.

Das Licht am Wagen brannte so fahl,
Die Rosse stampften und zogen,
Es hat ein Kopf in heimlicher Qual
Sich tief in die Kissen gebogen.

Mich aber zog es noch einmal zurück
In die verlassenen Räume,
Ein Strauß am Boden.. ein welkes Glück..
Zertretne Blumen und Träume.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 101-102)



XVI.
Frühlingsidyll
Weißdorn und Walnußbaum
Hörten's mit an,
Raschelt' ein Kleidersaum
Zaghaft heran.
Schlüpften zwei Käferschuh
Über den Kies,
Schlüpften den Büschen zu,
Wo sie der Mut verließ.
Zögerndes Hin und Her,
Ängstlich husch, husch,
Rechts vorbei, links vorbei,
Dann in den Busch.

Wiegender Walnußbaum,
Ach was der sah!
Stimmchen, man hört es kaum,
"Sag, bist du da?"
Klingts aus den Zweigen schon
"Kuckuk" so sacht,
"Liebster, ich seh dich schon"..
Freut sich und lacht.
Frühlingstraum, Freudentraum,
Ach und zum Schluß,
Weißdorn und Walnußbaum,
War das ein Kuß?


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 103-104)



XVII.
Du
War es die wolkenlose,
Goldklare Frühherbstluft?
War's einer gelben Rose
Entströmter Blütenduft?

War es des fremden Kindes
Sonniger Atemzug,
Oder des südlichen Windes
Müde gleitender Flug?

War's eines himmlischen Reiches
Blitzende Funkenschaar?
War es dein seidenweiches,
Wehendes Lockenhaar?

War's einer Strahlenwelle
Flutend-flimmerndes Licht?
Kam widerscheinend die Helle
Von deinem Angesicht?

Ach, wenn ich's jetzt auch hehle:
Wohl konnt' es alles sein,
Weiß doch in tiefster Seele,
Du warst es ganz allein.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 105-106)



XVIII.
Pastorenbraut?
Du willst einen Pastor glücklich machen,
So haben die Leute mir eben erzählt,
Ich möchte weinen und möchte lachen,
Hast du denn wirklich den Pfaffen gewählt?

Er predigt dir vor vom heil'gen Johannes
Und seiner göttlichen Liebeskraft,
Ich aber lehr' dich die Liebe des Mannes,
Die Liebe der lodernden Leidenschaft.

Er spricht von der Hölle strafenden Flammen
Und hofft auf den Lohn in der Ewigkeit,
Wir aber, mein Mädchen, wir spielten zusammen
Hienieden schon ewige Seligkeit.

Bedenk, für die ganze Zeit hier auf Erden
Ziehst du in ein frömmelndes Pfarrhaus ein,
Du sollst die Frau eines Pastors werden
Und kannst eine jauchzende Königin sein.

Denn König wär ich, wenn du mein eigen,
Dann würdest du meine Frau Königin,
Und meine Lieder wie süße Geigen
Girrten über das Brautbett hin.

Ach und die herrlichste Fürstenkrone:
Lorbeer mit roten Rosen vermengt,
Deiner siegenden Schönheit zum Lohne,
Hätt' ich dir jauchzend aufs Haupt gesenkt.

Thörichtes Kind, du kennst ja die Gluten,
Die dir im Herzen schlummern, noch nicht;
Einst doch ringt sich aus rauschenden Fluten
Weltenfüllend die Liebe zum Licht,

Tönt es in dir mit mächtigen Zungen,
Mächtiger als die Glocken des Doms,
Treibt es in dir wie die Flut eines jungen,
Bandenbefreiten Frühlingstroms.

Nicht mehr dem Pfaffen und Christi Schmerzen
Magst du dein blühendes Leben dann weihn,
Und an dem glühendsten Dichterherzen
Sollst du die flammende Rose sein!

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 107-109)



XIX.
Ein altes Lied
Heut zog den ganzen Abend schon
Ein altes Lied mir durch den Sinn,
Es lag ein deutscher Sehnsuchtston
Und eine Welt voll Wehmut drin.

Doch war es nicht ein Königskind,
Es war ein Mensch wie ich und du -
Dem trieb ein froher Frühlingswind
Des Lenzes liebste Blüte zu.

An seiner Brust lag stets ihr Haupt,
Bis daß sie starb im Herbsteswehn,
Doch hat er nicht daran geglaubt
Und wollt' die Blüte suchen gehn.

Er ging im Land von Haus zu Haus,
Sah jedem Mädchen ins Gesicht,
Das alte Lied klingt traurig aus:
Die Frühlingsblüte fand er nicht.

Hat sich zur Heimat aufgemacht,
Er war ein Mensch wie ich und du,
Dort dämmert er in Not und Nacht
Und singt das alte Lied dazu.

Das zog den ganzen Abend schon
Und auch die Nacht mir durch den Sinn,
Es liegt ein deutscher Sehnsuchtston
Und eine Welt voll Wehmut drin.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 110-111)



XX.
Alte Träume
Schon regt sich der Gewitterwind,
Es murr'n die Lindenbäume,
Du bleiche Braut, du blasses Kind,
Vergiß die alten Träume!

Die sinken wohl wie Blütenschnee
Nun sterbend vor dir nieder.
Doch thut das arme Herz auch weh
Beim Klang der Hochzeitslieder,

Und ist dein Herz auch noch so weh,
Laß klingen nur und schlagen,
Gar mancher hat zum kühlen See
Schon all sein Leid getragen.

Wir wollten küssen früh und spät
Und uns die Hände fassen,
Wir mußten doch, wie das so geht,
Von unsrer Liebe lassen.

Die Blitze ziehn, es grollt der Sturm,
Es murr'n die Lindenbäume,
Die Dohle kreischt im Klosterturm -
Vergiß die alten Träume!


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 112-113)



XXI.
Im Abendschein
Noch manchmal, wenn die roten Wogen
Der letzten Abendsonne gehn,
Kommt durch die Luft es hergezogen,
Ein irres, krankes Liebesflehn,
Hör' ich aus weichem Mädchenmunde
Ein seltsam Lied, ein Lied aus Moll
Hinzittern durch die Dämmerstunde,
So fremd, so schluchzend, thränenvoll.

Und aus der Abendnebel Rauchen
Seh winkend ich in bleichem Sprühn
Ein weißes kühles Händchen tauchen
Und schmerzlich-große Augen glühn.
Die Finger, jene schlanken, schmalen,
Sie zucken wie im Fieberbrand,
Ein letztes Grüßen, letztes Strahlen
Aus meiner Jugend Wunderland.

Noch einmal klingt es wie ein Wimmern,
Das heiß aus toter Seele bricht,
Noch einmal seh' ich vor mir schimmern
Dein jugendschönes Angesicht.
Das goldenbraune Haargeflute
Umschmiegt die Stirn so wellenschwer,
Und von dem dunklen Rembrandthute
Grüßt matt die weiße Feder her.

Dann ist's vorbei, und für Sekunden
Neig' ich die stolze Stirn zur Hand
Und denk' der freudejungen Stunden
Im nordwindskühlen Heimatland.
Das will mich beinah niederzwingen,
Daß Scherben nun auch hier der Rest -
Dies Blatt, es mög' dir Grüße bringen,
Und mich laßt betend Lieder singen
Zu meiner Liebe Totenfest.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 114-115)



XXII.
Spätes Wiedersehn
Und wenn die Herzen auch klingen,
Die Seelen auch schluchzen und schrein,
Fahr wohl, mein Lieb - mit Singen
Soll doch geschieden sein.

Einst will ich dir ja reichen
Die Hand zum Wiedersehn
Und dir die Locken streichen
Beim großen Auferstehn.

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 116)



XXIII.
Vor deinem Bilde
Vor deinem Bilde saß ich lange heute.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Ein weißes Kleid, vorn seidenweiße Spitzen,
Und aus den Spitzen, weiß wie Wogenschaum,
Taucht schlank empor ein schlanker weißer Hals.
Ein schwarzes Sammtband schmiegt sich um ihn her,
Und von dem Bande fällt, mit roten Steinen,
Auf deine keusche, reine Mädchenbrust,
Die sehnsuchtsvolle, ein Granatenkreuz.

Das war ein Sommer, wo ich so dich sah,
Hoch, hoch im Norden, wo die Stürme brausen,
Wo todesschwere Slavensänge schallen
Und wo ein Garten einst im Blühen stand.
Er war nur klein, doch rote Rosen schwelgten
In wirrem Duft, und blauer Flieder nickte,
Und wo die Bank stand, bog ein Schneeballstrauch
- Ich seh ihn noch - sich überfüllt herüber.

Um die Veranda rankte wilder Wein,
Im letzten Glanze glomm der Abendhimmel
Und wie ein fernes, unterdrücktes Schluchzen
Durchrann die Luft eins jener Polenlieder
Mit seinen weichen, wehen Mollaccorden.
Ein schmerzensschöner, märchenhafter Hauch
Von blühenden, lichtmüden Abendnelken
Schauerte um uns aus den Nebengärten.
Die Luft war seltsam blaß und kirchenstill,
Auch du warst ruhig, deine kühlen Hände
Verschlangen sich, dein braunes Auge ging
In träumende, verlorne Nebelweiten,
An deinem Halse glimmerte das Kreuz
Im letzten Lichte. Ein Südschmetterling
Erhob sich schwer vom wilden Weingeblätter
Und schwankend zog er um dein Wellenhaar,
Als wollt' er sich an seinem Duft berauschen,
Dem süßen, schwülen, der emporstieg, quellend,
Betäubend matt wie Süditaliens Luft.

Um die Veranda rankte wilder Wein,
Der Oleanderschwärmer, mit den Flügeln,
Den seltnen Flügeln, zog noch immer - immer
Irrwirre Kreise um den Mädchenkopf.
Der Sommerabend sank auf unsern Garten.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Vor deinem Bilde saß ich lange heute,
Und ich weinte...

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 117-119)



XXIV.
Großer Glaube
Ob dir ein andrer auch den Brautkranz reicht,
Ob ich und du getrennt auf dieser Erde -
Es schmerzt nicht mehr, mir ist so frei, so leicht,
Der Tag kommt doch, wo ich dich küssen werde.

Dann fließt der Liebe goldner Glorienschein
Verklärend auch auf dieses Haupt hernieder,
Ich weiß, ich weiß: einst wirst du dennoch mein,
Erlöst vom Staub sehn wir uns droben wieder.


aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 120)



XXV.
Ausklang
In herbstlich-graue Wolkenkutten
Hüllt sich der Himmel überm Land,
Schon röten sich die Hagebutten
Im Dorngesträuch am Grabenrand.
Das Mädchengarn durchträumt die Luft
Und wird gar bald die Felder decken,
Nur manchmal fliegt noch scheu der Duft
Verblühter Rosen von den Hecken.

Es geht ein Ruhn und tiefes Träumen,
Ein Glück, das purpurn nun verflammt,
Und raunend singt den müden Bäumen
Der Wind ein leises Totenamt.
Auf rauhen Stoppeln steht nur stumm
Ein junger Hirt mit seinen Schafen,
Und schüttelt sich und sieht sich um
Und möchte gehn und möchte schlafen.

Und schlafen möcht' nach all dem Leiden
Auch ich und du, ganz tief und schwer,
Was nützt denn alles? Mit uns beiden
Wird es ja doch nichts Rechtes mehr.
Ich hab' gekämpft von früh bis spät
Und nun blieb alles doch beim Alten,
Und wo jetzt jeder von mir geht,
Da darf ich dich denn auch nicht halten.

Das Licht versank, die Stunden stocken,
Im West erblich der Sonnenstrahl,
Du Frühlingskind mit goldnen Locken,
So laß dich segnen tausendmal!
Dir folgt das Glück auf sichrer Bahn
Und Sonne liegt auf deinen Wegen,
Ich aber fahr' in schwankem Kahn
Der Nixe Loreley entgegen.

aus: Gedichte von Carl Busse
Vierte Auflage
Stuttgart Verlag von A. G. Liebeskind 1899 (S. 121-122)
_____



Ewige Liebe

Du kommst im Traum der Frühe
Oft an mein Bett geschwebt,
Wenn sich zu Sorg' und Mühe
Der junge Tag schon hebt.

Ich fühl's, wie sich in Thränen
Mir 'was aufs Herze legt.
Du horchst, ob noch in Sehnen
Mein Herz nach deinem schlägt.

Und mag's dir ewig frommen,
In meinem Traum zu sehn:
In Thränen wirst du kommen
Und lächelnd wirst du gehn.

aus: Vagabunden. Neue Lieder und Gedichte
von Carl Busse
Stuttgart und Berlin 1901
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 10)
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Am Abend

Die Wälder ruhn, die Felder ruhn,
Da schön und still der Abend sinkt,
O selbst das Reh wird kühner nun,
Wo Stern und Sichel blinkt.

Aus dunklem Grund ins Aehrenfeld -
Und schneller teilt es Busch und Blatt,
Sein wird das Reich, die Ernte fällt,
Die scheu der Tag verboten hat. -

So zürne nicht, wenn jeder Hauch
Zu dieser Zeit nach dir verlangt;
Um deine Schönheit heißer auch
Mein zitterndes Begehren rankt.

O laß mich dir zu Füßen sein,
Bis lieblich sich dein Blick verwirrt,
Und mein und immer wieder mein
Die Fülle deiner Schönheit wird!


aus: Vagabunden. Neue Lieder und Gedichte
von Carl Busse
Stuttgart und Berlin 1901
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger S. 15)
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Johannisnacht

Johannisnacht - hellste Nacht,
Hast mir sehnendes Leid gebracht!

Ich sah im Dunkeln zwei Buhlen gehn,
Goldne Sterne hab' ich fallen sehn,
Und war ein Wispern in allen Landen,
Wo Gärten blühten, wo Sträucher standen,

Das war wie der heimlichste Wind so fein,
Konnt' doch der heimliche Wind nicht sein,
Lief über den Rasen wie Mädchenschuh
Und die Nachtigallen schlugen dazu ...

Da hat mich mein Herz zu früheren Tagen
Zurückgetragen,
Als über den Bergen die Feuer sich schwangen
Und die Burschen sangen.
Schmucke Dirnen, den Strauß am Mieder,
Juchten ins dämmernde Thal hernieder,
Krachten die Scheite - und Lieder und Flammen
Grüßten die Ferne und schlugen zusammen!

Und einst, in heller Johannisnacht,
Hab' ich mit dir die Feuer entfacht!
Zuckte der Schein über Schläfen und Stirnen,
Lachten die Burschen und kreischten die Dirnen,
Bis endlich Paar um Paar sich umschlungen
Und über die lohenden Scheite gesprungen.

Erst dann, mit heimlichen Stoßgebeten,
Sind wir vor die knisternden Brände getreten.
Als ging's in ein glühendes Höllennest,
Hielt ich dich fest,
Und als ich dich über die Flammen getragen,
Es ist dir der Rauch in die Röcke geschlagen,
Hoch schrecktest du auf und sprachest den Segen,
Hast zitternd mir drüben im Arme gelegen,
So kurz wie ein Funke versprüht am Scheit
- War doch wie ein Wunder der Ewigkeit.

Johannisnacht - hellste Nacht,
Hast mir sehnendes Leid gebracht!
Dich grüßen die Feuer mit rötlichem Rauch,
Mein zuckendes Herze - das grüßt dich auch!
Doch werden die Leuchten der bergigen Höhn
Mich nie mehr kennen, mich nie mehr sehn!
Ich will's nicht, daß man es Thränen heißt,
Wenn mir der Rauch in die Augen beißt,
Wenn das junge Volk seine Späße macht
Und zwei Buhlen sich küssen - in dieser Nacht ...


aus: Vagabunden. Neue Lieder und Gedichte
von Carl Busse
Stuttgart und Berlin 1901
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 16-18)
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Du!

Wenn sich mein Leben einst zu Ende neigt,
Wenn längst mein Mund und bald mein Herze schweigt,
Wenn bittre Not mir jäh den Atem raubt
Und Glied um Glied mir still wird und erkaltet,
Bis über mich und mein verloren Haupt
Der ernste Engel seine Flügel faltet -

Dann wünscht' ich nur, daß jene Liebeskraft,
Die mich durchdringt, sich noch Erlösung schafft.
Daß sie vermöchte dir zurückzugeben
In einem Wort, das Erd' und Himmel faßt,
Was du an mich in einem reichen Leben
An Lieb' und Güte je verschwendet hast!

aus: Vagabunden. Neue Lieder und Gedichte
von Carl Busse
Stuttgart und Berlin 1901
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 31)
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Schönheit

Schönheit der Erde, die du in Mädchen blühst,
Die du in Blumen düftest - sei gegrüßt!

Hab' ich den Hut mir oft auch mit Blüten geschmückt,
Immer dacht' ich doch derer, die ungepflückt.

Immer von röteren Lippen hab' ich geträumt,
Wenn sich auf roten mein durstiger Mund versäumt.

Schönheit der Erde, wie du auch leuchtest und blühst,
Horch, wie in Schmerzen meine Seele dich grüßt!

aus: Vagabunden. Neue Lieder und Gedichte
von Carl Busse
Stuttgart und Berlin 1901
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 168)

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Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Hermann_Busse

 

 

 


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