Peter Cornelius (1824-1874) - Liebesgedichte

Peter Cornelius



Peter Cornelius
(1824-1874)



Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Könnt'  ich die schönsten Sträuße winden

Könnt' ich die schönsten Sträuße winden,
Dir wünscht' ich dennoch schönern Strauß;
Könnt' ich die schönsten Lieder finden,
Sie sprächen doch mein Herz nicht aus.

Was auch aus freier Brust wir reden,
Ein Tiefstempfundnes sagt sich nicht,
Es gibt ein reiches Blumeneden,
Aus dem man keine Sträuße bricht.

O nimm zum Strauß, den ich gebrochen,
Zum Worte, das umsonst sich müht,
Was ungepflückt, unausgesprochen
In meiner Seele dir erblüht.
(S. 3)
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Wieder möcht' ich dir begegnen

Wieder möcht' ich dir begegnen,
Wieder schauen deinen Blick;
Aber was auch mein Geschick,
Deine liebe Seele will ich segnen.

Leben möcht' ich dir zu Füßen,
Blumen streuen vor dich hin;
Aber, ob ich ferne bin,
Deine liebe Seele will ich grüßen.

Blieb' ich ewig auch vertrieben,
Meinem reinsten Glücke fern,
Deine Seele ist mein Stern,
Deine liebe Seele will ich lieben.
(S. 4)
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Ich möcht' ein Lied dir weihn

Ich möcht' ein Lied dir weihn,
Das sollte leis nur hallen,
Doch, ob auch schlicht und klein,
Dir überaus gefallen,
Und von den Liedern allen
Dein Lieblingsliedchen sein.

Du säng'st es immer zu!
Am hellen, heitren Morgen,
Des Nachts, in süßer Ruh'
Vor Sturm und Leid geborgen
Sängest in Lust und Sorgen
Dein Lieblingsliedchen du.

Und allen wär's verhehlt,
Die nach dem Liede fragen,
Daß längst mein Herz mir fehlt,
Daß es mit seinem Schlagen
In Wonne und Verzagen
Dein Lieblingslied beseelt.
(S. 4)
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Mit Sirenenlippen lade

Mit Sirenenlippen lade
Hold mich nicht in deine Näh'!
Willst du nicht im Tau der Gnade
Stillen meines Herzens Weh.

Locke nicht mich in die Schwüle,
In die Glut, die mich umringt,
Gönne Schatten mir und Kühle
Fern, wohin dein Aug' nicht dringt.

Stürzen will ich unerschrocken
In die Glut, gebietest du,
Aber erst mit deinen Locken
Binde mir die Augen zu.
(S. 5)
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Wollt ich's in Liedern sagen

Wollt ich's in Liedern sagen,
Was mich entzückt,
Die Leute würden mich fragen:
"Bist du verrückt?"

Und ob ich auch Lust und Klagen
Verschweigen soll,
Mein Herz will mich leise fragen:
"Du bist wohl toll?"

O höre auf zu schlagen,
Sei stumm und starr,
Sonst muß ich mir selber sagen:
"Du bist ein Narr!"
(S. 5)
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Ein Kuß

1.
Gesegnet sei deines Mundes Hauch
Er wehe wie vom Rosenstrauch.

Gesegnet sei deines Mundes Wort
Beglückend tön' es fort und fort.

Gesegnet sei deines Munds Gesang
O singe fröhlich die Welt entlang.

Und fröhlichem Lied zum schönsten Schluß:
Gesegnet sei deines Mundes Kuß.


2.
Honig mag den Lippen munden,
Aber Gift muß uns verwunden,
Und wenn nun auf einmal trifft
Honig uns und süßes Gift,
Sag' wie soll das arme Herz gesunden?

Träume nach in vollen Stunden,
Was du augenblicks empfunden,
Fasse in ein klingend Lied,
Was dir flücht'ges Glück beschied
Und am vollen Klang wirst du gesunden.


3.
Daß dein Mund mir's nicht verweise
Wenn ich leise
Flücht'ges Glück
Singend preise;
Aber forderst du zurück,
Was beklommen
Ich genommen,
Sollst von Herzen du's zurückbekommen.
(S. 6)
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Glühwurm und Lerche

Glühwurm und Lerche haben
Geschlossen einen Bund,
Zu preisen Gottes Gaben
Bei Tag und zu nächt'ger Stund'.

Und wenn sich müd' gesungen
Die Lerch', und sucht ihr Nest,
Dann steigt durch die Dämmerungen
Glühwurm zum Gottesfest.

O Herz, da darfst du nicht fehlen,
Dir ward ja noch größere Macht!
Stimm' ein mit den Lerchenkehlen,
Und leuchte mit in der Nacht!
(S. 7)
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Blumenaugen

Blumenaugen lügen nicht,
Wie auch Mädchenblicke lügen,
Blumensprache kann nicht trügen,
Blumenaugen lügen nicht.

Wollt'st du, als ich gehn gemußt,
Keinen Blick mir zugestehen,
Hat mich freundlich angesehen
Doch die Ros' an deiner Brust.
(S. 9)
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Schöne Meßnerin

Schöne Meßnerin!
Holde Führerin
Durch die Kirche unsrer lieben Frauen!
Eh' von hier ich schied,
Will ich diesem Lied
Einen flücht'gen Gruß an dich vertrauen.

Mit beredtem Mund
Gabest du mir kund,
Wer die schönen Bilder all ersonnen,
Zogst mein Augenmerk
Auf manch Meisterwerk,
Auf viel hohe Heil'ge und Madonnen.

Doch die Ruhe, traun!
Fehlte mir zum Schau'n,
Seit so lieblich du vor mich getreten;
Sah mit halbem Sinn
Nach den Heil'gen hin,
All mein Schau'n war ein zerstreutes Beten.

Denn die Heil'gen dein
Sind von Holz und Stein,
Wie sie hoch die Seele auch erheben;
Deiner Stimme Klang,
Und dein Blick, dein Gang
War so voll von Reiz und regem Leben!

Stolz mein Silberstück
Wiesest du zurück,
Wolltest kaum der Gabe dich bequemen;
Aber Liedersold
Ist nicht Geld und Gold,
Wirst ihn dankend, wirst ihn lächelnd nehmen.

Schöne Meßnerin!
Wenn ich ferne bin,
Soll dein Angedenken nicht verfliegen;
Oft noch denk' ich dein
Und der Ringelein,
Die sich schelmisch an die Wange schmiegen.

Schöne Meßnerin!
Wenn ich ferne bin,
Mög'st auch du Erinn'rung noch mir schenken,
Wenn die Glocke klingt,
Hell ihr Ave singt,
Manchmal im Gebete mein gedenken.
(S. 10-11)
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Versteckte Liebe

Ich verstecke meine Liebe
Auf ein Blättchen dieses Buches,
Daß des flüchtigen Besuches
Dauerndes Gedenken bliebe.

Tage gehen, Monde gehen,
Jahre gar, du wirst indessen
Ganz des kleinen Buchs vergessen,
Kaum mit einem Blick es sehen.

Aber einst in stillen Tagen
Locken dich die Goldschnittrände,
Nimmst es wieder in die Hände,
Seine Blätter umzuschlagen.

Und dann wirst du lächelnd lesen,
Das bekannte, neu entdeckte,
Laut gesungne, fein versteckte,
Lied, wie gut ich dir gewesen.
(S. 11)
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Lenzeszeit, lustgeweiht

Lenzeszeit,   lustgeweiht!
Hast mit Wonnen mir das Herz berauschet!
Golden Rat,   süße Tat
Hab' ich von der Nachtigall erlauschet.

Schmetterling   kosend hing
An der Blüt', umweht von Frühlingswinden;
Liebesneid,   süßes Leid
Mußt' ich mit der Nachtigall empfinden.

Da erscholl   wonnevoll
Ihr Gesang, von Lust und Schmerz durchdrungen;
Liebentfacht   hatt' ich acht
Wie sie sang, und hab' es nachgesungen.

Und ihr Nest   wohlig fest
Baute sie, bestreut mit Blütenstaube;
Moosbedeckt,   dicht versteckt
Wölbt' ich mir im Wald die Buchenlaube.

Nachtigall   süß mit Schall
Hat die Braut gelockt aus weiter Ferne;
Mich umdacht   Waldesnacht,
Und im Dunkel glühn mir helle Sterne.

Alles still!   Wonne will
Nicht mit lautem Klang der Welt sich zeigen;
Nachtigall!   Süßen Schall
Hast Du mich gelehrt und süßes Schweigen.
(S. 13)
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Du meiner Seele schönster Traum

Du meiner Seele schönster Traum!
Du meiner schönsten Träume Seele!
Du Herz, dem ich mein Heil befehle!
Du Heil, wie ich es ahnte kaum!

Du meines Lebens schönstes Lied!
Du schönes Leben meiner Lieder!
Aus Lied und Leben klingen wieder,
Was deine Liebe mir beschied.

Du meines Lenzes Blüt' und Duft!
Du Lenz, dem reich mein Herz erblühet!
Du Stern, der mir am Himmel glühet,
Mein Himmel du voll Glanz und Luft!

O laß um deine Stirne gern
Der Liebe Glorie mich weben,
Mein Himmel du, mein Lenz, mein Leben!
Mein Heil, o du mein Lied, mein Stern!
(S. 14)
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Dein Gedenken mir im Herzen

Dein Gedenken mir im Herzen
Ist ein Zauber, eine Macht,
Daß mich wachend fliehn die Schmerzen,
Wenn im Traum ich dein gedacht.

Und das Wort aus deinem Munde
Ist ein Evangelium,
Dessen süße Hoffenskunde
Wieget alle Klagen stumm.

Für dein Bild ist mir ein Zeichen,
Ist ein Wort mir nicht bewußt,
Denn dein Bild ist ohnegleichen,
Wie sein Glanz in meiner Brust.
(S. 15)
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Ihre ganze volle Seele

Ihre ganze volle Seele
Senkte Liebchen in mein Herz,
Aber daß ich anderwärts
Nichts davon erzähle,
Hat sie mir mit einem Kuß
Fest den Mund versiegelt,
Mir das Herz verriegelt,
Daß ich selig schweigen muß.
(S. 20)
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Du schöne Jugendzeit, o weh!

Du schöne Jugendzeit, o weh!
Du Liebesherrlichkeit, ade!
Du Liedersang, nun scheide!
Nun laß mich meinem Leide!

Du Sorg' und Lust um einen Blick,
Du Herzensglück und Mißgeschick,
Du süße Torheit, gehe!
Tief einsam sei mein Wehe.

Ihr Stunden, drängt euch noch einmal
Um mich herum mit Lust und Qual,
Dann laßt mich, ob ich weine,
Mit meinem Schmerz alleine.

Der Herbst, der in den Winter eilt,
Reißt mich von hinnen unverweilt;
Der Zeit und meine Flammen,
Sie löschen aus zusammen.

Der Winter ist nun mein Kumpan,
Sieht mich so still vertraulich an,
Bestreut mit seinen Flocken
Das Haus mir und die Locken.

Er webt sein Linnen, emsig still,
Und breitet, wenn ich schlafen will,
In einer dunklen Ecke
Um mich die weiße Decke.

Du schöne lichte Welt, o weh!
Du blaues Himmelszelt, ade!
Du Lieb' und Lust ich scheide,
Zu ruhn mit meinem Leide.
(S. 21)
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Löse, Himmel, meine Seele

Löse, Himmel, meine Seele
Aus des Staubes engen Schranken!
Wandle sie zum Flügelboten
Liebessehnender Gedanken!

Wandle sie zu Blumenodem,
Zart gewiegt im Hauch des Windes!
Wandle sie zum reinen Glanze
In den Augen eines Kindes!

Wandle sie zum Hauch des Trostes
Für die Brust, die Schmerz betroffen!
Wandle sie zum Hoffenstraume,
Wo da schwand ein letztes Hoffen!

Und zum Balsam der Erfüllung
Auf geheimer Sehnsucht Wunden!
Und zur Flamme des Entzückens,
Wenn sich Herz und Herz gefunden!
(S. 22)
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Aus Eden

Der Engel mit dem Flammenschwerte wies
Adam und Eva aus dem Paradies.

Nicht umzuschauen wagte Adam mehr
Auf seinem Pfade sonder Wiederkehr.

Doch Eva wandte zum verlornen Glück
Noch einmal schmerzlich scheu den Blick zurück.

Da sog sie noch den fernen Widerschein
Der Edenhelle in die Augen ein.

Da sank vom Scheidegruß der Nachtigall
Noch in ihr Herz der letzte Widerhall.

Der Schimmer blieb in ihren Augen stehn,
Der Ton im Herzen wollte nicht vergehn.

Von allen Edenwonnen, die entflohn,
Blieb ihr ein Schimmer und ein leiser Ton.

So weht noch heut' ein Echo sel'ger Lust
In holder Frauen Blick und stiller Brust.

Ich hab' den Schimmer dir im Aug' geschaut.
Dem Ton gelauscht in deiner Stimme Laut.

Sie gaben Kunde, die ich selig pries,
Vom Pfade zum verlornen Paradies.
(S. 25)
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Golden Licht, lieb Gesicht

Golden Licht! Lieb Gesicht,
Süß gereimtes Maigedicht!

Blühend Herz! Maigemüt,
Das in Glanz und Duft erblüht!

Freundlich Kind, lieb Gesicht!
Wer schaut dich und liebt dich nicht?

Maigedicht, Gottes Wort,
Ewig blüh' und töne fort!
(S. 33)
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Du bist ein Maienglöckchen

Du bist ein Maienglöckchen
Auf grünen, frischen Au'n,
Du bist ein Rosenstöckchen
An blühendem Gartenzaun.
Kein Schnee darf, auch kein Flöckchen
Aufs Frühlingshaupt dir tau'n,
Und stets im Sonntagsröckchen
Sollst du das Leben schau'n.

Gott möge dir beschwicht'gen
Im Busen jedes Leid,
Ein Märchen, ein Geschichtchen
Sei deine Lebenszeit,
Ein liebliches Gedichtchen
Voll Wonn' und Seligkeit,
Ein glänzend Weihnachtslichtchen
Am Baum der Ewigkeit!
(S. 33)
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Ich ging hinaus, um dich zu sehn

Ich ging hinaus, um dich zu sehn;
Ich sah den Äther hell und rein
Und wundergoldnen Sonnenschein -
Dich aber sah ich nicht.

Ich ging hinaus, um dich zu sehn;
Da sah ich weithin Blumen blühn
Im Schmelz der bunten Farben glühn -
Dich aber sah ich nicht.

Doch als ich wieder kehrte heim,
War mir das Herz so voll von Duft
Und Sonnenschein und Himmelsluft
Als hätt' ich dich gesehn.
(S. 35)
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Vor Zeiten

1.
Als ich mit scheuem Schritte
Fremd in dein Haus trat ein,
Da klopft' ich an, wie's Sitte;
Du riefst darauf! Herein!

Doch schon nach wenig Wochen
Klopft' ich nicht mehr allein,
Dein Herz fiel ein mit Pochen,
So oft du riefst: Herein!

Und als mit leisen Schlägen
Ich pocht' ans Herze dein,
Klang mir gar süß entgegen
Nichts als: Herein, herein!


2.
Zu bald nur sah die Mutter ein,
Wie es mit uns sah aus,
Und nun hieß es nicht mehr: Herein!
Es hieß: Hinaus, hinaus!

"Sie sind als Mensch zwar ganz charmant,
Mir angenehm durchaus,
Doch sind Sie nur ein Musikant,
Darum: Hinaus, hinaus!

Wär'n Sie Assessor, Rat in spe,
Das säh' noch anders aus,
Doch Musikant - ojemine!
Hinaus, hinaus, hinaus!"
(S. 36)
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An die große Glocke hängen

An die große Glocke hängen
Will ich meine Liebe nicht,
Daß man auf des Marktes Gängen
Nicht von meiner Liebe spricht.

Doch von Blumenglocken sage
Schweigsam duftiges Geläut',
Daß ich dich im Herzen trage
Immer, ewig so wie heut'.
(S. 37)
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Mein Herz ist wie befangen

Mein Herz ist wie befangen
Von bösem Zauberbann,
Daß nicht ans Licht gelangen
Der Strom der Lieder kann.

O löst' in stiller Zelle
Doch eine liebe Hand
Von meines Herzens Schwelle
Den Zauber, der es bannt.

Wie käme dann mit süßem
Kosen die Liederschar,
Die liebe Hand zu grüßen,
Die ihnen gnädig war.
(S. 37)
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Wirst du heiß, du Herz von Eisen

Wirst du heiß, du Herz von Eisen,
O so komm, daß ich dich schmiede!
Mußt mich ein bißchen besser leiden
Mit jedem Liede!

O lehr mich die Welt verachten
Mit ihrem tödlichen Genusse!
Laß inniger nach dir mich schmachten
Mit jedem Kusse!

Die Liebeskraft nehm' ich zusammen,
Von dir nur spricht des Herzens Klopfen;
Dir glüht sein Blut in reinen Flammen
Mit jedem Tropfen!

Gib jeden Tag mir das Geleite,
Gib Tau, in dem mein Herz sich tauche;
Dann dankt es dir beim Heimwärtsschreiten
Mit jedem Hauche!
(S. 40)
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Feuer vom Himmel

Feuer vom Himmel
Stahl einst ein Halbgott,
Menschengebilden
Seele zu leihn.

Feuer vom Himmel
Glüht uns im Herzen,
Frag' nur die Sage,
Himmlisches Lieb!

Und willst du zürnen,
Daß vom gestohlnen
Funken der Sinn mir
Diebisch gelaunt?

Daß ich vom Antlitz,
Wo's in den Lippen
Lachend emporsprüht,
Feuer dir stahl?

Sieh! Wir ersehnen,
Sterbliche Menschen,
Stets unsres Bildners
Göttlichen Raub:

Feuer vom Himmel!
(S. 41)
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Möcht' allein allen Schein

Möcht' allein
Allen Schein
Alle Wärme
Alles Licht
Atmen dir vom Angesicht;
Alle Luft des Lebens auch
Trinken nur aus deinem Hauch;
In Tod und Leben
Ein Leib, ein Geist
Mit dir weben und schweben
So lang' im All die Erde kreist.
(S. 41)
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Blühst du in der Schönheit Zier

Blühst du in der Schönheit Zier,
Wag' ich kaum den Wunsch zu dir
Zu erheben;
Still nur pocht das Herz in mir:
"Für dich leben!"

Aber wenn du leiden mußt
Fühl' ich stürmisch in der Brust
Pochend werben
Jeden Herzschlag um die Lust:
"Für dich sterben!"
(S. 42)
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Deinem Sterne einen Gruß

Deinem Sterne einen Gruß
Der so golden und blank,
Deinem Engel ein Lob!
Deinem Glück einen Dank!
Deinem Los ein Gebet!
Deinem Leben ein Heil!
Deinem Herzen die Lieb!
Und der Himmel dein Teil!
(S. 43)
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Da du den Kuß gegeben

Da du den Kuß gegeben
Mir unterm Blütenbaum,
Zerrann mein ganzes Leben
Vor deinem Kuß - ein Traum.
Nun ich mit bangem Beben
Dir ferne wandeln muß,
Ist all mein Sein und Weben
Ein Traum von deinem Kuß.
(S. 44)
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Einsamkeit

Ich weil' in tiefer Einsamkeit,
Wo fern der Lärm der Welt verrauscht,
Wo meinem Lied vergang'ner Zeit
Der träumerische Wald nur lauscht.

Da wird Erinnerung wieder wach
An Bilder, die ich einst geschaut,
Verklung'ne Worte tönen nach
Und werden neu im Herzen laut.

Da nahst auch du und lächelst mild
Und redest Worte wie Gesang;
Ich grüße dich, du lieblich Bild!
Ich grüße dich mit Liederklang.

Und wenn mein Lied zur Ferne dringt,
Und wenn dein Hauch ihm Leben leiht,
O denke mein, der dir es singt
In tiefer stiller Einsamkeit.
(S. 45)
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Vom Himmelsgarten

Es gibt im Himmel einen stillen Garten,
Den wollen wir getrosten Muts erwarten.

Was hier der Lieb an Zeit gebrach,
Im Himmelsgarten holt sie's nach.

Was hier sich nicht zusammenfand,
Dort geht es traulich Hand in Hand.

Was hier von Trennung nur gewußt,
Dort ruht es selig Brust an Brust.

Manch holdes Wort, das stumm geblieben,
Wird oben laut und klingt wie: "Lieben".

Den Wunsch, der hier im Herzen stirbt,
Erfüllung, neu belebt, erwirbt.

Was du geglaubt, gehofft, geliebt,
Wie Luft und Licht dich dort umgibt.

Der Seufzer, der zum Himmel stieg,
Ist dort ein Ton und tönet Sieg;

Die Träne, die du hier geweint,
Ist dort ein Strom und glüht und scheint,

Und jede Blume, die dort blüht,
War Hauch in liebendem Gemüt.

O, laß uns schon hienieden warten
Der Blumen aus dem stillen Garten.
(S. 46)
_____



Nachts

Nachts bin vom Traum
Schlaftrunken ich erwacht;
Wach war ich kaum,
Da hab' ich gleich an dich gedacht.
Die Lippe sprach
Ein wunderheimlich Wort
Dem Herzen nach,
Dann träumt' ich selig weiter fort.

Flieht einst auch dich
Treulos die süße Ruh',
Denk' auch an mich,
Sprich auch der Liebe Wörtlein du!
Sanft lockst du dann
Die Ruhe, die dich mied,
In Traumesbann
Wiegt dich aufs neu' der Liebe Lied.
(S. 54)
_____



Denkst du an mich?

Ein grünes Spinnchen gaukelte
Mir um die Schläfe luftig,
Und wiegte sich und schaukelte
Sich an dem Fädchen duftig:
Denkst du an mich?
O, denkst du an mich?

Ich hörte einen Ton so fein
Mir in den Ohren klingen,
Als tät' ein Elfenknab' im Hain
Der Ros' ein Ständchen bringen:
Denkst du an mich?
O, denkst du an mich?

O, spinn den Faden nur recht lang,
Du Glücksspinn' um die Schläfe,
Ach wenn doch stets so süßer Klang
Ins bange Herz mir träfe:
O, denk' an mich!
O, denk' an mich!
(S. 54-55)
_____



Ein Ton

Mir klingt ein Ton so wunderbar
In Herz und Sinnen immerdar.
Ist es der Hauch, der dir entschwebt,
Als einmal noch dein Mund gebebt?
Ist es des Glöckleins trüber Klang,
Der dir gefolgt den Weg entlang?
Mir klingt der Ton so voll und rein,
Als schlöß' er deine Seele ein.
Als stiegest liebend nieder du
Und sängest meinen Schmerz in Ruh'.
(S. 61)
_____



An den Traum

Öffne mir die goldne Pforte,
Traum, zu deinem Wunderhain,
Was mir blühte und verdorrte
Laß mir blühend neu gedeihn.
Zeige mir die heil'gen Orte
Meiner Wonne, meiner Pein,
Laß mich lauschen holdem Worte,
Liebesstrahlen saugen ein.
Öffne mir die goldne Pforte,
Traum, o laß mich glücklich sein!
(S. 61)
_____



Treue

Dein Gedenken lebt in Liedern fort;
Lieder, die der tiefsten Brust entwallen,
Sagen mir: du lebst in ihnen allen,
Und gewiß, die Lieder halten Wort.

Dein Gedenken blüht in Tränen fort;
Tränen, aus des Herzens Heiligtume
Nähren tauend der Erinn'rung Blume,
In dem Tau blüht dein Gedenken fort.

Dein Gedenken lebt in Träumen fort;
Träume, die dein Bild verklärt mir zeigen,
Sagen: daß du ewig bist mein eigen,
Und gewiß, die Träume halten Wort.
(S. 62)
_____



Trost

Der Glückes Fülle mir verliehn
Und Hochgesang,
Nun auch in Schmerzen preis' ich ihn
Mein Leben lang.
Mir sei ein sichres Himmelspfand,
Was ich verlor;
Mich führt der Schmerz an starker Hand
Zu ihm empor.
Wenn ich in Wonnen bang beklagt,
Den Flug der Zeit,
In Schmerzen hat mir hell getagt
Unsterblichkeit.
(S. 62)
_____



Liebeslieder

In Lust und Schmerzen

In Lust und Schmerzen, in Kampf und Ruh'
Steht eines fest im Herzen: und das bist du.

Das sind deine Augen, das ist dein Mund,
Das ist deiner Seele tiefinnerster Grund,

Das ist deine Liebe, sie winkt mir zu,
In Lust und Leiden, in Kampf und Ruh'.

Gott, der die Welten im Herzen trägt,
Hat mir ins Herz deine Liebe gelegt.

Gott hielt die Welt eines Heilands wert,
Er hat auch mir deine Liebe beschert.

Und ob die Welt uns zu trennen meint,
Wir sind in Gott treuinnig vereint.
(S. 63)
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Komm, wir wandeln zusammen im Mondschein

Komm, wir wandeln zusammen im Mondschein!
So zaub'risch glänzt jedes Blatt!
Vielleicht steht auf einem geschrieben,
Wie lieb mein Herz dich hat.

Komm, wir wandeln zusammen im Mondschein!
Der Mond strahlt aus Wellen bewegt:
Vielleicht daß du ahnest, wie selig
Mein Herz dein Bildnis hegt.

Komm, wir wandeln zusammen im Mondschein!
Der Mond will ein königlich Kleid
Aus goldenen Strahlen dir weben,
Daß du wandelst in Herrlichkeit.
(S. 63)
_____



Möcht' im Walde mit dir gehn

Möcht' im Walde mit dir gehn,
Wo im Laub sich Vöglein wiegen;
Möcht' im Walde mit dir gehn,
Denn der Wald ist so verschwiegen!

Wo der Lärm der Stadt verhallt,
Blühn so schön die wilden Rosen!
So verschwiegen ist der Wald!
So geheim der Quelle Kosen!

Dicht gedrängt am vollen Strauch
Blüten sich an Blüten schmiegen,
An den Stamm der Efeu auch -
Und der Wald ist so verschwiegen!

Wo das Reh entflieht alsbald,
Hört's ein Rauschen in den Zweigen,
So verschwiegen ist der Wald!
So beredsam ist sein Schweigen!

Wenn mein Lied zu Ende geht,
Sing' ich's weiter in Gedanken:
Wie's im Wald verschwiegen weht,
Wie die Rosen sich umranken!
(S. 64)
_____



An Bertha

Im tiefsten Herzen glüht mir eine Wunde

Im tiefsten Herzen glüht mir eine Wunde,
Aus der ein Quell sich heißen Bluts ergießt,
Und eine Rose blüht im Herzensgrunde,
Die in dem Blute wie im Taue sprießt.
Ob auch die Rose Blatt um Blatt zerstiebe,
Die Wunde deckend wie ein stilles Grab,
Noch überm Grabe weht ein Hauch der Liebe,
Die mir die Wunde und die Rose gab.
(S. 69)
_____



Sei mein!

Tief im Gemüt
Mir Liebe glüht,
Und wem sie blüht
Sollst du sein,
Sollst all mein Drang
Die Tage lang,
Mein Nachtgesang
Zur Ruh' sein.

Wär' Glück mir hold,
All Gut und Gold,
Das deine sollt'
Im Nu sein;
Doch höchstes Gut,
Mein Lust und Mut,
Mein Herzensblut
Sollst du sein!

Sollst bis zum Tod
Mein Himmelsbrot,
Mein Wein so rot
Dazu sein.
O komm und bleib,
Mein Lieb, mein Weib,
Mein Seel' und Leib
Sollst du sein!
(S. 69)
_____



Wie lieb' ich dich hab'

Und sängen die Vögel dir laut meine Lieb',
Ein Wörtchen doch heimlich im Herzen noch blieb.

Und könnt' ich mit Perlen umhüllen dich ganz,
Sie könnten's nicht sagen mit all ihrem Glanz.

Und streuten's die Rosen an Duft vor dich hin,
Sie wüßten's doch halb nur, wie gut ich dir bin.

Und rauschten's die Quellen, und braust es der Wind,
Und fänden das Wort sie, das nimmer ich find':

Ja, sängen's die Sterne vom Himmel herab,
Sie könnten's nicht singen, wie lieb ich dich hab'!
(S. 70)
_____



In der Ferne

Die Blümlein auf der Heide
Sie blühen mir zum Leide,
Der dich verlassen mußt.
Nur wenn vereint wir beide
Uns ruhen Brust an Brust,
Dann blühen mir zur Lust
Die Blümlein auf der Heide.

Die Vögelein im Hage,
Sie singen lauter Klage,
Weil du, mein Lieb, nicht hie;
Doch eine Wundersage,
Wenn Gott dich mir verlieh,
Voll Jubel singen sie,
Die Vöglein in dem Hage.

Die Stern' auf Himmelswegen
Führ'n Lieb' der Lieb' entgegen,
Dann, Heideblümelein,
Dann blüht ihr mir zum Segen,
Dann, Vöglein stimmet ein,
Daß strahlend schauen drein
Die Stern' auf Himmelswegen.
(S. 70)
_____



Dein Bildnis

Halb Dämmerschein, halb Kerzenlicht
Sich um dein liebes Bildnis flicht;

Da fallen mir Gedanken ein,
Halb Kerzenlicht, halb Dämmerschein:

Halb Dämmerschein, o Küssenszeit!
Halb Kerzenlicht, o Brautgeleit!

Es kommt die Zeit, o zage nicht,
Daß uns der Wonne Kranz umflicht,

Wo heimlich traut uns hüllet ein -
Halb Kerzenlicht, halb Dämmerschein!
(S. 71)
_____



Brautlieder

Ein Myrtenreis

In meinem Herzen regte
Der Liebe Wunsch sich leis,
Da pflanzt' ich ein und pflegte
Ein zartes Myrtenreis.

In Leid und Lust erglühte
Der Liebe Flamme heiß,
Da wuchs empor und blühte
Mein zartes Myrtenreis.

Und nun mein Herz errungen
Der Liebe reichsten Preis,
Hat sich zum Kranz verschlungen
Mein zartes Myrtenreis.
(S. 71)
_____



Der Liebe Lohn

Süß tönt Gesanges Hauch,
Wenn alles ruht,
Süß tönt das Rieseln auch
Perlender Flut,
Süß tönet Glockenklang
Von ferner Berge Hang,
Und noch viel schönren Schall
Singet die Nachtigall
Ins Blütenall:
Aber der schönste Ton
War meiner Liebe Lohn,
Da du mich fest umschlangst,
Lieblich ins Ohr mir sangst
Wonnigen Laut:
"Sei meine Braut!"

Schön ist der Blume Glanz,
Schillernd im Tau,
Schön ist der Sternenkranz
Himmlischer Au,
Schön ist des Mondes Licht,
Das sich an Wogen bricht,
Und noch viel hell're Pracht
Wecket nach tiefer Nacht
Der Sonne Macht:
Aber am hellsten tagt,
Was mir dein Auge sagt,
Daß du dein Herz mir weihst,
Seliges Glück verleihst,
Alles mir gibst:
Daß du mich liebst!
(S. 72)
_____



Vorabend

Nun, Liebster, geh, nun scheide,
Die letzte Trennung leide,
Die noch uns trennet beide;
Nun laß uns ruh'n und träumen,
Daß wir keine Stunde versäumen,
Die morgen kommen mag,
Nun, Liebster, geh, nun scheide,
Morgen ist auch noch ein Tag!

Nun, Liebster, geh, nun scheide,
Bis wir im Feierkleide
Uns wiedersehen beide;
Bis uns für immer einet
Das Licht, das morgen scheinet,
Der schönsten Stunde Schlag!
Nun, Liebster, geh, nun scheide,
Morgen ist auch noch ein Tag! 
(S. 73)
_____



Am Morgen

Die Nacht vergeht
Nach süßer Ruh'.
Hör' mein Gebet,
Allmächt'ger du!

Der du dein Bild,
Den Menschen, schufst,
Die Gattin mild
Ans Herz ihm rufst,

O laß den Trieb
Der Liebe mein
Der ew'gen Lieb'
Ein Abbild sein;

Daß jeder Tag
Mit ihm vereint
Mir scheinen mag,
Wie dieser scheint,

Bis Liebe geht
Dem Himmel zu.
Hör' mein Gebet,
Allmächt'ger du!
(S. 73)
_____



Aus dem hohen Lied

Mein Freund ist mein und ich bin sein!
Den meine Seele liebt, ich fand ihn nun;
Es darf mein Haupt auf seiner Linken ruh'n,
Und seine Rechte hegt mich kosend ein.

Mein Freund ist mein und ich bin sein!
Ich zwang sein Herz, daß er mich lieben muß.
Er küsse mich mit seines Mundes Kuß,
Denn seine Lieb' ist lieblicher als Wein.

Mein Freund ist mein und ich bin sein!
Stark ist die Lieb', ist mächtig wie der Tod,
Ein Gottesstrahl, dem kein Erlöschen droht,
Dem Gottesstrahl will unser Herz sich weihn!
(S. 74)
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Märchenwunder

Nun laß mich träumen, laß mich schwärmen,
Mich ruhen still an deiner Brust,
Voll süßem Bangen, bittrem Härmen,
Ach und unendlich hoher Lust.

O laß mich sinnend noch gedenken
Der sehnsuchtsvollen Hoffnungszeit,
Erinn'rung, laß die Flügel senken
Still über meine Seligkeit!

Ich träumte in der Kindheit Tagen
Das Märchen, das sich heut' begibt;
Zur Wahrheit werden Wundersagen,
Wenn sich zwei Herzen treu geliebt.

Und gleich' ich nicht dem Königskinde,
Das überdacht von Rosen schlief,
Bis eine Stimme, süß und linde,
Zum Leben es aus Träumen rief?

Und dann ein freudiges Bewegen,
Und Festgeläut und Kuß auf Kuß,
Und langer Jahre Glück und Segen;
Das ist des Märchens schöner Schluß.
(S. 75)

_____



Maria

Ave Maria

Lenz ist gekommen
Duftig und reich;
Lieb' ist erglommen
Mit ihm zugleich.
Ave Maria!

Blüten, ihr süßen!
Seid ihr erwacht?
Helft mir, sie grüßen,
Duftet und lacht:
Ave Maria!

Helft mir, sie preisen,
Vögel im Hain,
Mischt eure Weisen
Grüßend mit ein:
Ave Maria!

Schmetterling, gelber!
Flieg ihr vorbei,
Sag' es ihr selber,
Wie schön sie sei!
Ave Maria!

Bächlein! dein Rauschen
Durch das Gefild
Wird sie belauschen;
Grüße sie mild:
Ave Maria!

Sterne so golden!
Leuchtende Schar!
Bringet der Holden
Huldigung dar!
Ave Maria!

Heilige Töne
Herz, hast auch du!
Grüße die Schöne,
Ruf es ihr zu:
Ave Maria!
(S. 85)
_____



Eh' ich dich sah

Eh' ich dich sah,
Hab' ich dein Bild schon freundlich gehegt,
Vertraulich Gespräch mit dir gepflegt,
War schon zu deinen Gunsten bewegt,
Eh' ich dich sah.

Als ich dich sah,
Wie du so inniglich froh gelaunt,
Mir hat mein Innerstes erstaunt
Viel holde Lieder zugeraunt,
Als ich dich sah.

Seit ich dich sah,
Wohl jeder Tag wie sonst vergeht,
Nur daß, von Liebeshauch umweht,
Dein Name mir im Herzen steht,
Seit ich dich sah.
(S. 86)
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Wenn Liebe zu mir dich beweget

Wenn Liebe zu mir dich beweget
Die Meine zu sein,
Glaub' ich, daß Gott es geleget
Dir ins Herz hinein.
So drum mein Herz sich noch reget
Solang die Seele heget
Des Leibes Schrein:
Die Güte des Herrn will ich preisen,
Will hochauftönende Weisen
Und Lieder ihm weih'n.

Das kann ich nicht sagen und singen,
Was Gott an mir tut,
Läßt er dein Herz mich erringen;
Seele, Leib und Blut
Möcht' ich zum Opfer bringen,
Zu ihm empor mich schwingen
Voll Andachtglut.
Nun wollt' ich mit Freuden sterben,
Ich müßte den Himmel erwerben,
Nun hätt' ich den Mut.

Der Ewigkeit hatt' ich mit Beben,
Mit Grauen gedacht,
Nicht hofft' ich einst zu entschweben
Dunkler Todesnacht.
Da wollte Gott mich erheben,
Zu denken ein ewiges Leben
Gab Liebe Macht:
Denn Liebe wird nimmer zu nichte,
Sie bleibet im himmlischen Lichte
Allewig entfacht.

Die Osterzeit hat mir gespendet,
In Finsternis dicht,
Glühenden Strahl, der mich blendet
Herr, wie dein Gesicht.
Jegliches Leid ist geendet,
Liebe hat Gott mir gesendet;
Nun zag' ich nicht!
Nun preist seine Wunder mein Glaube,
Er hob mich ja mit vom Staube
Zur Liebe, zum Licht.
(S. 86-87)
_____



Welch verborgner Sinn

Welch verborgner Sinn,
Sage, liegt darin,
Daß im Lenzbeginn
Wir zuerst uns sehen?
Uns entgegengehen,
Da der Winter wich,
Vor dem Frühling sich
Von dannen schlich?

Daß am ersten Tag,
Wo der Finkenschlag
Tönte durch den Hag,
Wir zuerst uns nahen?
Ersten Gruß empfahen,
Da die Erde kaum
Weckte Busch und Baum
Vom Wintertraum?

Welch verborgner Sinn,
Sage, liegt darin?
Brächt' es uns Gewinn,
Dies Entgegenkommen,
Da der Lenz entglommen,
Da die Welt erwacht,
Aller Blütenpracht
Entgegenlacht?
(S. 88)
_____



Dürft' ich zeigen, dürft' ich sagen

Dürft' ich zeigen,
Dürft' ich sagen, wie ich's mein',
Wär' dies Lied zu klein;
Doch zum Schweigen
Mag es eigen,
Mag's genügend sein.
Aber wie ein Schrein
Hüllt es Schätze ein,
Einen ganzen Liederreigen,
Der zum Himmel möchte steigen,
Vor der Liebe Glorienschein
Sich anbetend zu verneigen;
Eines Herzens Wonn' und Pein
Hüllt in Schweigen
Dieses Lied bescheiden ein.
(S. 88)
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Wenn deine Huld

Wenn deine Huld
Mein Herz gefangen,
Du trägst nicht schuld,
Hast nichts begangen.

Wenn du mir hast
Die Hand gedrücket,
Fällt dir's zur Last,
Daß mich's berücket?

Ließ süßes Gift
Dein Hauch mich nippen,
Kein Tadel trifft
Drum deine Lippen.

Wenn inniglich
Mein Herz verzaget,
Wer ist, der dich
Zu tadeln waget?

Der Falter warf
Sich in die Flammen,
Wer darum darf
Das Licht verdammen?

Du trägst nicht schuld,
Hast nichts begangen,
Wenn deine Huld
Mein Herz gefangen.

Und dennoch schlag'
Das Auge nieder,
Wenn ich dir sag':
"Tu's nimmer wieder!"
(S. 89)
_____



Und hast du auch kein Herz dafür

Und hast du auch kein Herz dafür,
Und kann dich's nicht bewegen,
So hab' ich doch vor deiner Tür
Im Mondenschein gelegen.

So hab' ich doch gepreßt den Mund
An deines Hauses Schwelle,
Erflehend zweier Herzen Bund
Als wie an heil'ger Stelle.

Und bleibst du stumm, und bleibst du kalt,
Und läßt du mich verzagen,
Die Liebe muß mit Allgewalt
Empor, empor mich tragen!
(S. 89)
_____


Lenz

Nun wollen Knospen sich entfalten
Allüberall an Baum und Strauch;
Nur muß der Lenz auch gütig walten,
Erschließen sie mit mildem Hauch.

Die Blätter wachsen ihm entgegen
Die Knospen wollen Blüten sein.
Nur eine Nacht mit lauem Regen!
Nur einen Tag voll Sonnenschein!

Dann steigt von Blüten rings ein Düften
Wie Weihrauch zu des Lenzes Lob,
Dann singt die Nachtigall den Lüften
Wie wonnig er die Welt umwob.

Mir auch im Herzen keimt ein Segen,
O sei mein Lenz, du reich Gemüt!
Nur einen Strahl, nur einen Regen,
Nur einen Hauch, und alles blüht!
(S. 90)
_____



Laß mich deine Augen fragen

Ob mein Mund auch dürfte nimmer
Liebesworte zu dir wagen,
Dürft' ich nur der Blicke Schimmer,
Dürft' ich deine Augen fragen.

Dir in Augen möcht' ich lesen,
Forschen, wie in heil'gen Sagen,
Ob auf Sternen du gewesen
Eh' die Erde dich getragen?

Ach, ein Wort schafft hohe Wonne
Und ein Wort kann Wunden schlagen;
Laß aus deiner Augen Sonne
Nicht die Lippe mich verjagen.

Nie wird Eden leuchtend helle,
Nie mir deine Seele tagen;
Laß mich lauschen an der Schwelle,
Laß mich deine Augen fragen!
(S. 90-91)
_____


Marie

In schöner, dunkler Dämmerstunde

In schöner, dunkler Dämmerstunde
Wandt' ich mein Sinnen ganz dir zu;
Dann hellte sich des Zimmers Runde,
Dann kam das Licht, als kämest du!

Und wird zur schönen Dämmerstunde
Die lange Zeit der Trennung nicht,
Wenn ich vom Wiedersehn gesunde,
Wenn du einst kommst, als käm' das Licht?

Mit deinem Bild im Herzensgrunde,
O sel'ger Tod, o stille Ruh',
O schöne, dunkle Dämmerstunde!
Dann kommt das Licht, dann kommst ja du!
(S. 101)
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Sie sprach: du sollst nicht sehen

Sie sprach: du sollst nicht sehen
So schmachtend ins Auge mir!
Ich sprach: es soll nicht geschehen,
Und sah ganz verwundert nach ihr.

Sie sprach: du sollst nicht immer
Mir Blumen bringen ins Haus!
Ich sprach: ich tu' es ja nimmer,
Und reicht' ihr zum Pfand den Strauß.

Sie sprach: ich kann's nicht leiden,
Daß du mir küssest die Hand.
Ich sagt', ich wollt' es vermeiden,
Und küßt' ihres Kleides Rand.

Sie sprach: und knie nicht nieder,
Sonst mußt du von mir fliehn!
Ich sprach: nie tu' ich es wieder!
Ich schwor es ihr auf den Knien.
(S. 101)
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Es küssen Himmel und Erde

Es küssen Himmel und Erde
In einem Worte sich,
Das heißt im Himmel: "Es werde!"
Auf Erden: "Ich liebe dich!"
(S. 103)
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O ungestörtes Wonneleben

O ungestörtes Wonneleben!
Ich habe dich! Du bist bei mir!
- Und ist doch nur ein Träumen eben
So fern von dir.

Es schwebt dein Bild, im Hauch vollendet,
Vor mich, wenn ich es werden hieß;
Von Kräften, die Natur uns spendet,
Die reichste dies!

Nicht reizender aus Meeresschäumen
Stieg Venus lächelnd einst empor,
Als du, wenn ich in wachen Träumen
Dein Bild beschwor.

Wie fühl' ich mich aus Gott entsprungen
Wie Strahl aus seinem Licht entfacht,
Wenn ich die Ferne so bezwungen
Durch Geistesmacht.

Und doch! in meiner Gottesnähe
Mahnt mich der Wunsch fast spöttisch bang:
"Wer dich nur einmal wiedersähe
Minutenlang".
(S. 116)
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Wonne

Was mich trifft mit Himmelsallgewalt ist Wonne!
Was die Seele singt und was der Mund nur lallt ist Wonne!

Was im Herzen lacht, bis Traum es linde wieget
Und im Traum noch leise lachend hallt ist Wonne!


Reichen Klang hat Liebe, Sehnen, Glück und Hoffen,
Doch was rauschend von dem allem schallt ist Wonne!

Was die tausend Frühlingsstimmen klagend jauchzen,
Was da strömt aus Blüten tausendfalt ist Wonne.

Was am Himmel golden quillt aus ew'gen Quellen
Und in Sternen sich zu Welten ballt ist Wonne.

Was wie Gotteswein den Kelch des Herzens füllet,
Daß zu eng es wird und überwallt ist Wonne.

Und was bebt in deiner Lippen Hauch, Maria
Und ein Blick auf deine Lichtgestalt ist Wonne!
(S. 123)
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Mein Herz will dir dienen

Mein Herz will dir dienen
Und fragt nicht, wofür!
Wie der Mond oft geschienen
Dir nachts vor der Tür.

Hast goldene Dinge
Zum Schmuck oder Scherz,
Und hast, was ich singe
Und hast auch mein Herz.

Ob auch andre sich zeigen
In reicherer Pracht,
Hast du doch zu eigen
Was ein Goldschmied nicht macht.

Wenn die Reichsten nur funkeln
So lang man sie sieht,
Steht dir schön noch im Dunkeln
Mein Herz und mein Lied.
(S. 126)
_____



Tempel der Liebe, du wonnige Braut

Tempel der Liebe, du wonnige Braut!
Tempel der Liebe von Gott gebaut!

Ewige Leuchten an heiliger Stell',
Sterne der Liebe, wie glüht ihr hell!

Weihrauchwolke, die still verweht,
Atem der Liebe, ein Duftgebet!

Süßer Gesang, wie von seligen Höh'n,
Worte der Liebe, wie läutet ihr schön!

Stätte der Weihe, opferbewußt,
Altar der Liebe, du klopfende Brust!

O wer da knien und beten kann!
Priester der Liebe! Seliger Mann!
(S. 126)
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Bertha

Der Sehnsucht Träne mag ich stillen

Der Sehnsucht Träne mag ich stillen,
Im Herzen bleibt die Sehnsucht doch,
Und hier im Lied, das sagt dir noch:
Die Träne floß um deinetwillen!

Ich armer Staub, ich hab' ein Sehnen
Nach dir, dem andren Häuflein Staub,
O dürft' ich einst, des Todes Raub,
In einem Sarg mit dir mich dehnen.

Ich hab' dich nicht - o welch Entbehren!
Ich träum' dich wohl in meine Näh',
Doch mehrt das nur des Herzens Weh,
Das nach dir selber muß begehren!

Wie mühsam, schleppend ist mein Singen,
Wie halb das doch so schöne Wort,
Nur die Gedanken stürmen fort
In Liebeshast zu dir zu dringen.

Die Hoffnung, wäre Gott ein Dichter,
Wär' seine schönste Melodie,
Der Sprache schönstes Wort ist sie,
Wie Sterne hell und fast noch lichter.

Die Hoffnung, dürft' ich die nicht hegen,
Wenn böse Macht mir die entriß,
Mir wär' der schnelle Tod gewiß,
Und Tod wär' dann noch reicher Segen.

Denn was der Blume Luft und Licht,
Der Boden, dem sie kann entsprießen,
Der Tau, der mild sich will ergießen,
Soll sie vergehn und welken nicht,

Das bist du mir, daher die Tränen,
Die Hoffnung lächelnd mir gestillt;
Doch lächelt Hoffnung noch so mild,
Dein eigen Lachen ist mein Sehnen.
(S. 132-133)
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In des Mais Zauberkreis

In des Mais
Zauberkreis
Höchster Zauber,
Süßester Preis!
Himmelsgruß!
Gotteskuß!
Stimme der Nacht!
Minnewacht!
Nachtigall, du Lenzgebet!
Wie mir dein Ton zu Herzen geht!
(S. 134)
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Stoßseufzer

Sehnen! Sehnen! gib uns frei!
Glück der Liebe! komm herbei!
Täuschung! ende doch dein Spiel!
Hoffnung! zeig' ein goldnes Ziel!
Liebe! schürtest du die Flammen,
Leben! gib uns auch zusammen!
Welt! verleg' uns nicht den Lauf!
Eden! Eden! tu' dich auf!
(S. 135)
_____



Einmal noch in einem Liede singen

Einmal noch in einem Liede singen
Möcht' ich all die Herzenslust und Qual,
Und dann sterben in des Lied's Verklingen
Und noch denken: 's war das letzte Mal!
Einmal noch an deinem Kuß mich weiden,
Einmal noch an deines Auges Strahl,
Und dem Tod, wenn sanft er trieb' zum Scheiden
Lächelnd sagen: 's war zum letztenmal!
(S. 135)
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Saug' dich polypenfest an mich

Saug' dich polypenfest an mich!
Zieh' mich ganz hinein in dich!
Unerschöpflich, unersättlich
Gib und nimm und wonniglich
Halte mich!
Küß' und sprich,
Daß ich stumm dich machen müsse
Und aufs neu geschwätzig küsse,
Dann das süße Schweigen brich,
Mich mit Küssen stumm zu machen
Stumm und träumend! Wieg' mich ein,
Laß mich zwischen Traum und Wachen
Flüstern, küssen, singen, lachen
Halten dich und selig sein!
(S. 136)
_____



Der Mut, der wieder mir die Brust erhebt, bist du

Der Mut, der wieder mir die Brust erhebt, bist du,
Das Blut, das neu die Adern mir belebt, bist du!
Der Labetrunk aus tausend süßen Blumenkelchen,
Von dem beseelt mein Herz zum Himmel strebt, bist du!
Der Kuß der Phantasie, von dem mein Geist im Rausche
Aufs neu sich bunte Märchenbilder webt, bist du!
Der Zauber, der die ganze Welt mir zeigt in bunten
Glutfarben, daß sie heiter vor mir schwebt, bist du!
Der frohe Trieb, daß lachend ich die Welt durchschreite,
Daß nicht mein Fuß an jeder Scholle klebt, bist du!
Bist du, du selbes Frauchen, das mir bald das Leben
Wegküßt und dann mich an der Brust begräbt, bist du!
Die Seele meiner Lieder, die in jeden Klange
Dem Falter gleich im Netze flatternd bebt, bist du!
(S. 136)
_____


Die Rose hat ihren Duft verhaucht

Die Rose hat ihren Duft verhaucht,
Dir einen Gruß zu bringen,
O daß Liebe Zeichen und Worte braucht
Und möchte nur duften und klingen.

Die Rose hat ihren Duft verhaucht,
Dir einen Gruß zu bringen,
Wenn in dein Gedenken mein Herz sich taucht,
Wie Duft muß es zu dir dringen.

Die Rose hat ihren Duft verhaucht,
Dir einen Gruß zu bringen,
Wenn die Flamme des Lebens verglüht, verraucht,
Dann will ich zu dir mich schwingen.
(S. 139)
_____


Die Lieb' hat keine Schrank' im Raum

Die Lieb' hat keine Schrank' im Raum,
Nah oder fern ist da nur Traum.

Die Lieb' hat keine Schranke der Zeit,
Ewig und jetzt ist da unentzweit,

Du bist mein Herz, mein Lieb, mein Stern!
Schrankenlos, ewig, nah und fern!
(S. 139)
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Siehst du mir nur ins Aug' hinein

Siehst du mir nur ins Aug' hinein,
Nenn' ich die Welt, den Himmel mein!

Und wenn mich deine Hand nur drückt,
Gedenk' ich Gottes, fromm entzückt.

Doch wenn dein Mund im Kuß mich hält,
Vergess' ich Himmel, Gott und Welt!
(S. 139)
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Als mit meinem Lieb ich ging

Als mit meinem Lieb ich ging
Lauter Licht uns da umfing.
Rot vom Sonnenuntergang
Streift' ein Glanz das Tal entlang;
Von des Mondes Sichel hell
Schimmert leise Wald und Well';
Lichterglanz um Stadt und Dom
Spiegelt golden sich im Strom;
Und mein Lieb sah fröhlich drein,
Und das war der schönste Schein.
(S. 140)
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Ich möchte zu Füßen liegen

Ich möchte zu Füßen liegen
Dir nur eine Viertelstund',
Nicht reden, nicht singen, nur schmiegen
An deine Hand den Mund.

Dein samtnes Halsband rührte
Mir leis der Stirne Saum,
Dein wehend Atmen spürte
Ich halb nur, wie im Traum.

Du solltest nicht nach mir blicken,
Kein Wörtchen reden zu mir;
Halb schlummernd dürftest du nicken,
Und flüstern im Traum von mir.

Und würde die Zeit vergehen,
Und mahnte der Glocke Mund,
Dann wollt' ich dich selig flehen:
Nur noch eine Viertelstund'!
(S. 141)
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Will sich einmal das Blättchen wenden

Will sich einmal das Blättchen wenden
Im Herzen dein,
So sei's ein Rosenblatt allein:
Das magst du drehn nach allen Enden,
's wird immer Duft und Schimmer spenden,
Und ewig, wie du's auch magst wenden,
Ein Rosenblättchen sein.
(S. 141)
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Meines Herzens stummes Grüßen

Meines Herzens stummes Grüßen
Weckst du neu zu Liebeslaut;
Immer hab' ich singen müssen
Wenn ich dir ins Aug' geschaut.

Deine süßberedten Augen
Sind so holder Fragen voll,
Daß nur Klang und Sang will taugen
Wenn ich Antwort geben soll.

Deines Blickes milder Schimmer,
Deines Mund's melod'scher Schall,
Wecken in der Brust mir immer
Widerschein und Widerhall.
(S. 142)
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Liebeswonnen, goldne Bande

Liebeswonnen, goldne Bande
Hast du mir ums Herz gebunden,
Führ' mich, fest davon umwunden,
Führ' mich bis zum Grabesrande.

Noch im Grabe weich mich betten
Werden, die ich hier empfunden,
Die du mir ums Herz gewunden:
Liebeswonnen, sel'ge Ketten.

Wenn, dem Erdenschlaf entronnen,
Ich zum Himmel eingegangen,
Werden dort mich noch umfangen
Sel'ge Ketten, Liebeswonnen.
(S. 142)
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Ich sah zwei Schmetterlinge

Ich sah zwei Schmetterlinge
Verkettet in der Luft -
Taumelnd und trunken fliegen
Durch Maienblütenduft.

Ich sah auf dunklen Fluten
Zwei Schwän' im Liebesspiel,
Hintreiben süß versunken
Und kamen doch ans Ziel!

So wallen wir verschlungen
Zu blühendem Geheg,
Fest Mund an Mund gesogen
Und fanden doch den Weg!
(S. 143)
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Weil ich so lieb die Sterne hab'

Weil ich so lieb die Sterne hab'
Ein Stern ist kommen zu mir herab.
Der wollte bleiben unerkannt
Nahm Frauenart und Frauengewand.
Doch sagt' ich gleich: Verbirg dich nicht
Du bist ein Stern, ein Himmelslicht!
Ich merk's an deinem goldnen Haar,
Ich merk's an deinem Augepaar,
Ich merk's an deiner Stirne Schein,
An allem Glanz und Schimmer dein!
Da mußt' er mir's denn eingestehn,
Hat mich ganz strahlend angesehn,
Und nickt mir zu und küßt mich hold, -
Wie mundet süß das Sternengold!
(S. 145)
_____



Wenn ich so sitz' in stillen Träumen

Wenn ich so sitz' in stillen Träumen,
Träum' ich: es löst sich all mein Leid,
Die Hochzeit naht, der Treue Eid
Schwör' ich dir in der Kirche Räumen.

Wenn ich so sitz' in stillen Träumen,
Träum' ich, ich säß' an deinem Sarg,
Und an dem Grabe, das dich barg
Dicht unter blüh'nden Friedhofsbäumen.

Wenn ich so sitz' in stillen Träumen,
Träum' ich, daß ich dich wiederfänd'
Am jüngsten Tag, am Weltenend',
Auf Sternenau'n, an Wolkensäumen.
(S. 146)
_____


Nicht sing' ich Lieder laut und hell

Nicht sing' ich Lieder laut und hell,
Mein Lieb, weil wir belauscht;
Du aber fühlst den Liederquell,
Der mir im Herzen rauscht.

Und jeder Tropfen, der da quillt,
Ist Lieb' und Wonn' und Lust,
Die flutend all hinüberschwillt
Mein Lieb, in deine Brust!
(S. 146)
_____



Schon grüßt auf dämmerndem Pfade

Schon grüßt auf dämmerndem Pfade
Der Abendstern die Nacht;
Das ist die Stunde der Gnade,
Die Liebende glücklich gemacht.

Da flattern zwei weiße Tauben
Mir kosend um das Haupt,
Mir allen Sinn zu rauben,
Den Liebe noch nicht geraubt.

Da lodern zwei rote Blüten
Berauschend an meinem Mund,
Die weißen Tauben behüten
Eine selige Dämmerstund'.

Da klingt's wie Flüstern rauschend;
Sprach ich oder Lieb' sprachst du? -
Dann Stille, - dann schaut nur lauschend
Der Stern der Liebe uns zu.
(S. 148)
_____



Der Bach mit seinem Rauschen

Der Bach mit seinem Rauschen,
Mit ihrem Schlag die Nachtigall,
Laut künden sie ihr Wesen all,
Brauchst ihnen nicht zu lauschen.

Doch meines Herzens Schlagen
Ist so geheim, mein Lieb, du mußt
Das Haupt mir lehnen an die Brust
Soll es dir alles sagen.
(S. 149)
_____


Ich lag im stillen Zimmer

Ich lag im stillen Zimmer
Zur Nacht, doch eh' ich schlief
Warf mir der Mond voll Schimmer
Aufs Bett einen Liebesbrief.

Und eh' an seinen Lettern
Ich zuviel Zeit verlor,
Sang mir mit hellem Schmettern
Die Nachtigall ihn vor.

Mein Lieb, mit welchem Solde
Zahlst du die Dienste all,
Dem Mond mit seinem Golde
Und der süßen Nachtigall?
(S. 149)
_____



Nie einen Kuß!

Nimm nie zum Abschied einen Kuß,
Das wär' ein Punkt, es wär' ein Schluß.
Mußt einen Doppelpunkt erringen,
Dann mög' der Nachsatz Glück dir bringen.
(S. 150)
_____



Die Zeit, wo wir noch schmachten müssen

Die Zeit, wo wir noch schmachten müssen,
Küss' immer mich die Rose satt,
Die du gesandt, aus jedem Blatt
Grüßt mich dein Mund mit tausend Küssen!

Doch kommt die Zeit, Herz, wo dein Kosen
Den Frühling mich vergessen läßt,
Wo jeder Kuß ein Rosenfest
Mit allen hunderttausend Rosen!
(S. 150)
_____


Wenn wir einst vereinte Funken

Wenn wir einst vereinte Funken
In der großen Gottesglut,
Oder Tropfen still versunken
In der Seligkeiten Flut:

Nimmer doch vergessen dürfte
Ich dein Händchen, schneeweiß, klein,
Kuß auf Kuß, den dort ich schlürfte,
Fiel' mir noch im Himmel ein.
(S. 150)
_____



Mir wird's mit meinen Liedern gehen

Mir wird's mit meinen Liedern gehen,
Wie wenn die Frau dem Mann was stickt,
Sie meint, es soll geheim geschehen,
Doch hat er alles längst erblickt.

Bist du auch fern so manche Weile,
Du siehst mir doch hinein ins Blatt,
Ich schreib' dir keine einz'ge Zeile,
Die nicht dein Geist erraten hat.

Du bist so bei mir jede Stunde,
In all mein Sinnen so verwebt,
Daß die geheimste Herzenskunde
Mir wie von deinen Lippen schwebt.

Wie soll dies Büchlein dich beglücken
Durch Überraschung, Närrchen du,
Wenn ewig hinter meinem Rücken
Du lächelnd stehst und schaust mir zu?
(S. 152)
_____


aus: Peter Cornelius Literarische Werke
Erste Gesamtausgabe
IV. Band: Gedichte
gesammelt und herausgegeben von Adolf Stern
Leipzig 1905



 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Cornelius_(Komponist)

 

 


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