Carl Dallago (1869-1949) - Liebesgedichte

 

Carl Dallago
(1869-1949)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte (Teil 1):
 

 



Aufforderung

Sieh, es dämmert in die Weite,
Komm, wir wollen nun hinaus!
Schmieg dich fest an meine Seite! -
Fühle ich dein süß Geleite,
Andachtvoll ich vorwärts schreite
Wie in einem Gotteshaus.
(S. 8)
_____



Volksweise

In meiner Seele duftet
Noch die Vergangenheit.
Ich schreite auf und nieder -
Der Wiesenplan ist öd und weit;
Einst stand der ganze Wiesenplan
In rosenroter Herrlichkeit:
Damals giengst du mit mir - - -
In meiner Seele duftet
Noch die Vergangenheit!
(S. 9)
_____



Erinnerung

Ich lag in der Sonne
Weltvergessen und einsam.
Da trat das Glück zu mir
Im Kleide einer süßen Erinnerung
Und machte mich weinen -
Durch die Thränen aber
Schäkerte meine Seele
Mit ihm.
(S. 10)
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Seebild

Es war ein heller, heißer Tag,
Ich lag im Boot vom Laufen müd
Und sah durchs Blau die Wolken ziehn.
Gedanken glitten leicht dahin
Wie so allein im Boot ich lag.
Ich sah mich um:
Ein graues Schloß am blauen See
Von Trauerweiden weich umsäumt,
Und manch Cypresse finster, schlank
Still an den welken Mauern träumt'.
Im Wasser floß das Spiegelbild
Und die Cypressen wuchsen weit
Ins Blaue schwarz und ernst und mild.
Der Trauerweiden lichtes Laub
Hing in den See wie Frauenhaar -
Da saßen die Gedanken fest:
Erinnerungen fielen trüb,
Gleich schwarzen Schleiern in den See
Und schlugen um die Seele schwer:
Der Landschaft Bild schwand mehr und mehr,
Und drüber kroch ein großes Weh.
(S. 11)
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Die weiße Nacht

Die weiße Nacht zog still herauf,
Ich schob mein Rad auf hellem Kies.
Dein süßes Bild gieng mir vorauf,
Das meine Seele nie verließ.

So zog ich sinnend meinen Weg,
Und blaue Schatten folgten mir.
Ich kam zu einem schmalen Steg -
Dort saß ich träumend einst mit dir.

Das Rad entglitt der müden Hand,
Der alte Traum ward neu entfacht,
Und wie ich dann mich wieder fand
War totenbleich die weiße Nacht.
(S. 13)
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Leben und Liebe

Mir scheint das Leben
Ein gräulicher Wall -
Eine Anhäufung von Leichen
Im ewigen All,
Darüber gebreitet für mich
Eine leuchtende Rosendecke -
Der Glaube an dich!
(S. 14)
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Es kann nicht sein!

Ists wahr - es kann nicht sein? O sag warum!
Doch deine Lippen bleiben immer stumm
Und wollen keine Antwort mir gewähren.
Seit Monden frag ich schon: Hast du mich lieb?
Doch wer mir stets die Antwort schuldig blieb -
Bist du - wie soll ich dieses mir erklären!

Der Zweifel thut dem kranken Herzen weh,
Und wenn ich bittend dir ins Auge seh,
Glaub ich so reichlich Liebe drin zu schauen.
Doch fester schließt sich dann dein roter Mund,
Als würd zum Feind er in derselben Stund
Den Kinderaugen die darüber blauen.

Einst fuhren wir auf blauem See im Kahn,
Und immer wieder sahen wir uns an
Wie wir so traulich bei einander standen.
Im Rudern streift ich öfters deine Hand -
So große Seligkeit dabei ich fand,
Daß süße Wünsche vor mir auferstanden.

Da hab ich näher mich an dich gelehnt
Und frug, was lange schon mein Herz ersehnt:
Hast du mich lieb? in flehend weichem Tone.
Doch schnell verschlossen sich mir deine Lippen,
Die Antwort scheiterte an roten Klippen -
Und um mein Glück wand sich die Dornenkrone.

Ein ander Mal: es war zur Sommerszeit
Auf hoher Alm. Du standst an meiner Seit
Wie Freia schön mit gelben Sonnenlocken.
Du lehntest dich an mich vom Steigen matt,
Die Luft war trüb und rauh und regensatt,
Und von den Hängen tönten Herdenglocken.

Ich stützte meine schöne, süße Last
Und sah sie an, vor Wonne trunken fast -
Da schien es mir, als bebten dir die Glieder,
Ich band ein Tuch um deine junge Brust,
Dann ward ich still vor lauter Glück und Lust:
Dein Herz hörte ich klopfen durch das Mieder.

Da gaukelten die Dinge um mich her,
Ich sah nichts mehr, die Augen liebeschwer
Und wagte keuchend endlich nur die Frage:
Hast du mich lieb! Doch in dein Antlitz zart
Trat jener Zug so seltsam streng und hart:
Es kann nicht sein! verklang es leis wie Klage.

Es kann nicht sein! Ists wahr - o sag warum!?
Doch wieder bleiben deine Lippen stumm
Und wollen mir kein Wörtchen weiter sagen.
Ich trag an diesem Schweigen allzuschwer -
Die ganze Welt erscheint mir freudeleer,
Und Erd und Himmel hör ich drüber klagen.
(S. 16-18)
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Bitte

O geh nicht fort von mir! O thu es nicht,
Nimm meiner Seele nicht das Sonnenlicht. -
Es sind so viele Blumen drin gesät:
Ein Blumengarten scheint mein Herz zu sein,
Doch will es immer vielen Sonnenschein,
Denn sonst verdirbt das ganze Blumenbeet.
(S. 19)
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Mein Sonntag

Weißt du, schon lang beschäftigte mein Sinnen,
Wie ich dich nennen sollte, süße Schöne -
Denn Worte scheinen mir wie Herzenstöne
Und sollen Liedern gleich dem Mund entrinnen.

Vergeblich schien beinahe mein Beginnen.
Schon glaubte ich, daß mein Gemüt mich höhne
Und meine Zunge nicht mehr dran gewöhne
Zu unterstützen mich in meinem Minnen.

Da las ich Uhlands "Schäfers Sonntagslied" -
Und du erschienst mir wie ein Tag des Herrn,
Der seltsam klar durch meine Seele zieht.

Mein Sonntag! nenn ich dich seitdem so gern:
Ich fühl dabei wie alle Sorge flieht
Und Festesfrieden einkehrt nah und fern.
(S. 21)
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Schloß und Stern

Ich sah ein Schloß am Abend schwer
Durchs Dunkel scheinen,
Und lautlos kam auf schwarzen Socken
Die Nacht daher.

Die letzten Höhn erbleichten fern,
Die Nacht umschlich
Das stille Schloß und hoch darüber
Erstand ein Stern.
Der glänzte überm Schlosse.

Ich sah den Glanz und dachte dein;
Die Nacht ward heller,
Und in den Sternenschimmer trat
Dein Bild hinein.

Mein glühend Herz ward weit und groß,
Und stolze Hallen
Erbaut es sich mit Prunkgemächern,
Als wärs ein Schloß.
Ich barg es im Gemüte.

Nun trag ich still mit mir umher,
Den reichen Bau,
Und schau nach meinem Sterne aus
Mit Augen schwer.

Es glänzt auf mich herab von fern
So licht und golden
Dein süß Gesicht - - -
Der Stern von meinem Schlosse.
(S. 24-25)
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Musik

Ein süßer Klang durch Palmengrün
Zum Himmel hoch sich hob,
Der Abendsonne Purpurglühn
Sich mit dem Ton verwob.

Es zitterten die Melodein
Im Abendscheine mild
Und trugen mir ins Herz hinein
Dein wundersüßes Bild.

Längst ward der süße Klang verweht
Vom lindren Abendwind,
Da stand mein Herz noch im Gebet
Vor deinem Bilde, Kind.
(S. 28)
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Dämmerstunde

Der laute Tag entfloh.
Es naht die Dämmerstunde
In dunklem Flor gehüllt.
Wie bin ich froh
In dieser stillen Stunde,
Die meine Seele füllt
Mit dem Empfinden -
Als würden eine Wunde
Mir verbinden
Die Finger einer süßen Frauenhand.
(S. 32)
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Ein Abend

Dämmerstunde.
Zwei Menschen gehen schweigend Hand in Hand.
Mit ihren stillen träumeschweren Blicken
Betrachten sie das abendgraue Land.
Indes der Abend um die Beiden
Den letzten müden Schimmer flicht
Löst sich das heimlich schwüle Schweigen
Und eine Mannesstimme spricht:

"Das Abendbrot ist schon verglimmt,
Der Mond zur Sichel kaum gereift -
Sieh, wenn mich so dein Atem streift
In diesem stillen Dämmerlicht,
Das auf dem grünen Dunkel schwimmt
Zieht es mit Allmacht mich zu Dir.
Die Welt wird groß und licht und weit,
Ich leb in dir, du lebst in mir
In deiner süßen Herrlichkeit . . .

Wies kam? - Frage den jungen Mond,
Frag die erfahrene alte Nacht,
Frag ihrer Sterne stille Pracht
Wies kam, daß sie sich zeigen, gehn,
Verdunkeln, schwinden, auferstehn
In neuem Glanz - ich weiß es nicht!
In meiner heißen Seele wohnt
Nur eine Kraft, nur ein Empfinden -
Ich kann das rechte Wort nicht finden,
Um Dir zu sagen wie es ist -
Daß du mir Alles - Alles bist!" - -

Das Wort verstummt. Zwei Menschen ziehn
Mit heißen Augen still dahin,
Zwei Herzen schlagen stürmisch schwer,
Zwei Seelen gehen irr daher
Bis sich die schwüle Stille bricht
Und eine Mädchenstimme spricht.

"In diesem stillen Abendschein
Bist Du so stürmisch schwer bewegt,
Tauch in den Frieden tief hinein,
Der um uns seine Flügel schlägt.
Sieh dort, wie tief die Wolken bluten,
Als ob sie dir geheime drohten,
Weil Deines Herzens trübe Gluten
In unerlaubten Flammen lohten . . .
Vergiß! - schon singt der Abendwind
Uns seine leisen Flüsterlieder -
Vergiß - und sprich von Lieb nie wieder -
Du hast zu Hause - Weib und Kind!" - - - -

Zwei Menschen eilen rasch dahin
Und eine Wolke hinterher
Von Leidenschaft und hohem Sinn.
Die Schritte tönen auf hartem Grund,
Da flüstert heiß ein Männermund:
Verzeihe mir! -
Nur eine lichte Wolke mehr,
Und Kinderaugen klar und hehr.
- - - - - - - - - - - - - - - -
Des Abends letzter Glanz verblich.
Am Himmel strahlt der Sterne matter Schein.
Zwei Menschen reichen sich die heißen Hände:
Ein Blick ins Angesicht - sie trennen sich
Und Jeder nimmt den Weg allein.
Zum Himmel steigen zweier Herzen Brände.
Zwei Seelen gehen weiter Hand in Hand.
(S. 33-35)
_____



Erwärmung

Der Winter schaut durchs Fenster
Mit grinsendem Gesicht,
Aus seinen trüben Augen
Ein Strom von Kälte bricht.

Es fröstelt mich im Zimmer -
Ich tret zum Herde hin
Und starre in die Gluten:
Du kommst mir in den Sinn

Ich fühl wie linde Wärme
Zu mir ins Herze zieht,
Und meine Seele singt dir
Ein stilles hohes Lied.
(S. 42)
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Während der Ruhe

Der Saal ward leer. Es goß sich laut
Der Menschenstrom ins Eßgemach,
Wie wenn Gewitter ferne braut
So scholl es dumpf im Saale nach.

Ich stieg zur Gallerie empor
Und sah dir glühend ins Gesicht:
In süßes Träumen sich verlor
Der Sinne flackernd rotes Licht.

Ich sah und trank die Reize dein,
Und meine Seele schwamm im Glück
Von deiner Augen jungen Schein - -
Da kam der Menschenstrom zurück.
(S. 44)
_____



Wünsche

Viel Sonne!
Soviel Sonne als nur möglich.
Einen Himmel klar und blau und licht
Wie ein süßes Angesicht.
Rote Wolken um die Sonne
Und ein Bett im Haidekraut
Hoch und plan, um weit zu sehen
Wie es lebt und blüht und taut.
Fernher tiefen Glockenklang,
Den die Winde halb verwehen.
Eine süße, schmale Hand
In der meinen,
Zweier Augen lieben Schein
Um mich her,
Die mich wiegen:
So zu zweien ganz allein - -
Weithin Ruhe! Ruhe! Ruhe -
(S. 45)
_____



In Leidenschaft

Du mußt erglühen,
Wenn ich dich ansehe,
Denn ich entkleide dich
Mit meinen Sinnen
Und betaste dich
Mit meinen Blicken!
Du sollst mir nimmermehr entrinnen!
Ich bin todtmüde
Vom Kampf mit den Geschicken,
Ich will nicht länger mich bezwingen -
Will meine schönsten hohen Lieder
Brünstig deiner Nacktheit singen!
(S. 47)
_____



Deiner Schönheit

Und ich kam zu dir gelaufen
Mit bebenden Gliedern
Und weiten Nüstern,
Und ich sah dich an
Mit flammenden Sinnen,
Und meine Hand
Langte nach deinem Gürtel . . .
Da sahst du zu mir auf:
Die Sinne entfärbten sich,
Es kam wie Regenschauer
Über mich
Und meine Seele weinte:
Mich rührt deine Schönheit! -
Und ward trunken vor Milde.
(S. 48)
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Mein Banner

Wenn nun in Leid mein Herze glüht,
Erhebt sich tapfer mein Gemüt.
Ein Banner hoch empor es hält,
Besonnend meine Leidenswelt:
Von einer Höh herab so mild
Mir lächelt ein süßes Mädchenbild.
(S. 49)
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Gangarten

Sinnend schreit ich auf und nieder:
Grünes Wasser mir zur Seite
Murmelt monotone Lieder.
Stürmisch schreit ich auf und nieder:
Dämmrung fließt in breiten Schleiern
Still verdunkelnd um mich nieder.
Glühend schreit ich auf und nieder:
Einmal in der Dämmerstunde
Küßt ich ihr die Augenlider.
Träumend schreit ich auf und nieder - - 
(S. 50)
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Einer

Du spielst auf freiem Feld vertraut.
Ein Freundesschwarm umringt Dich laut,
Viel süße Dinge hört dein Ohr,
Manch Auge schmachtet zu dir empor.
Doch ferne diesem Treiben bunt
Ruht Einer still wie ein treuer Hund.
Er schaut auf dich vom feuchten Klee,
Als ob er mehr als Andre seh.
Und du verlierst deine muntre Weis':
Vor seinen Blicken wird dir heiß.
Ins Antlitz tritt dir helle Glut . . .
O zürn ihm nicht - er ist dir gut!
(S. 51)
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Frühlingslieder

1.
Bist mein Frühling - du!
Ich, der todte Baum
Treib dir Blüten zu!
Leben lebt der Traum.

Bist mein Frühling - du!
Ich, der öde Wald
Sing dir Lieder zu,
Daß es weithin schallt!

Bist mein Frühling - du!
Ich, der müde Held
Trag dir Kräfte zu
Einer ganzen Welt!


2.
Zeig dein Gesicht! -
Nun sprich nicht mehr
Und laß auch schweigen mich:
Man spricht nicht gern - erlebt
Man ein Gedicht!

Wie süß du bist!
Gieb mir die Hand
Und laß sie lange ruhn,
Damit ich fühle, daß
Es Frühling ist.

Lehn dich an mich!
Du bist wie Sammt,
Wie Falterflügel, die
Durchsonnt sich schwärmend freun;
Der Frühling - ich!

Leg dich ins Grün!
Berauschen will
Ich mich an deinem Duft
Und süße Wunder sehn
Durch Wunder glühn!

Das ist der Lenz!
Er tobt und glüht
In mir und redet toll
In heißer Brunst. - Verzeih:
Es ist der Lenz!


3.
Durch alle Kronen säuselt der Wind.
Der Lenz ist da und kleidet
Busch und Baum in bunte Tracht.
Komm, liebes Kind!
Sieh, wie die Erde lacht
In neuem Grün!
O laß dein junges Herze blühn
In dieser hohen Pracht -
Wer weiß wie lang -
Mir ist so bang -
Oft kommen Fröste über Nacht!
(S. 54-57)
_____



Du!

Die Wasser lärmen durch die Nacht,
Und Flur und Feld
Behängt des Mondes bleicher Glast,
Und in die tiefgetönte Pracht
Wie Feierklang aus ferner Welt
Tönt mir dein Blick: -
Wie fühl, von Glück und Weh erfaßt,
Bei dieser zündenden Musik
Ich deine ganze Übermacht . . .
(S. 61)
_____



Lyrisches Intermezzo

Wieder die Liebe!
(Aus den Aufzeichnungen eines Vereinsamten)

1.
Durch alles Dunkel des Daseins
Lacht mir ein Traum entgegen,
Ein Traum mit süßer Stimme -
Licht sammelnd auf allen meinen Wegen,
Wandelnd meinen Grimm in Segen
Mit dem Lichtmeer seiner Stimme.


2.
Mädchen, ich grüße dich!
Kümmre dich nicht darum,
Mein Gruß ist stumm
Wie der der Flur,
Die, wenn der Winter flieht,
Sich durch die Decke bricht
Und den Frühling sieht:

Ein Nicken nur,
Ein strahlendes Gesicht -
Kein Wort, kein Laut;
Ein trunkner Blick,
Drin es vor Freude taut.


3.
Eine große Müdigkeit liegt auf mir,
Ich trage Schlaf in den Augen -
Dein Bild geht nur verdämmert noch mit mir:
So schreit ich schwankend durch den Wald.


4.
Eine Nebelsäule licht und golden
Wandelt vor mir her:
Der Gedanke an dich.
Dunkel rauscht um mich das Meer,
Seiner schwarzen Flut entsteigt
Wilder Thiere geiles Schrein.
Der Gedanke an dich
Führt mich sanft mit fester Hand
Fort vom lauten, dunklen Strand
In ein lichtes Reich hinein.


5.
Von schimmernden Hängen aus
Schweifen meine Gedanken dir nach,
Deinem schlanken Gang,
Deiner lichten Schönheit: -
Weißt du noch, wie wir nach Hause giengen
In hoher Nacht, dicht aneinand gedrängt,
Seite an Seite -
Wie wir starrten in die dunkle Weite,
Die unsre Seelen in einand gemengt?


6.
Mit der Sonne trat ich auf den Plan.
Groß war die Einsamkeit,
Wundersam groß und still.
In grünen Lichtern floß es ringsum weit -
Ein Raum für tiefe, tiefe Seligkeit.


7.
Kaum angekommen auf der Höhe
Sah ich mich um
Und sah des Sommermorgens Herrlichkeiten
Rings wundersam vergoldet liegen,
Und überall floß deines Bildes Schimmer
Darüber hin,
Gleich einer Ahnung von Unendlichkeiten.
Ich nahm es auf in tiefem, tiefem Schweigen,
Und sinnend schritt ich weiter:
An Stellen doch, wo du mit mir geruht,
Sah rote Flammen ich zum Himmel steigen.


8.
Ich trat in den Sommerabend hinaus
Mit Jubel im Herzen
Und sandte dir einen heißen Gruß zu Thal:
Ob du meiner gedacht
In deinem stillen Zimmer -
Ob der Abendsonne Schimmer
Meinen Gruß dir überbracht? . .


9.
Du schaust mich so ernst an:
Das ist Feiergeläute -
Was soll ich mit der Stimmung eines Werkeltags?
Doch nein! es schwand soeben, was mir dräute,
Was auf mir lag so schwül, so bleiern - -
Gib mir die Hand, wir wollen Festtag feiern!


10.
Deine Augen rufen zur Andacht
Wie ein tief mahnender Glockenton.
Wer in dir hat dies fertig gebracht? -
Laß mich erst mich sammeln -
Dann komm ich schon!


11.
Deine Augen sind tiefe, tönende Glocken!
Ihr Klang hat den Schatz meiner Seele gehoben,
Nun drängt sich Alles in mir nach oben
Den Schatz zu besehen.
Ich fühle von wilder Macht mich umwehen
Gedrängt und gestoßen den Schätzen entgegen -
Ich kann nicht widerstehen:
Deine Augen sind tiefe, tönende Glocken!


12.
Es tönt Alles an dir,
Wenn du dahin schreitest
Im berauschenden Klang.
Es zieht mich sinnbetörend mit:
Du hast einen so süßen Schritt
In deinem Gang,
Daß es mich heiß überläuft -
Wie Alles an dir von Tönen träuft,
Meiner Seele wird so weh und bang.


13.
Schüchtern,
Unter Gestrüpp von Begierden und Leidenschaften
Regt sich in mir,
Ein lilienweißes Empfinden für dich
Und bittet:
Grab mich aus
Und trag mich in ein Land
Mit heller Luft und milden Düften
Zu lichten Blumen hin,
Um unter Meinesgleichen
Zu blühen und zu singen!


14.
Immer wieder such ich dich auf,
Meine Wildheit zu zügeln.
Oft treiben so mächtig
Die trüben Wogen meiner Begierden,
Daß meine Seele Gefahr läuft
Zu ertrinken.
Da eil ich zu dir,
Umrauscht von den wilden Bächen:
An deiner Schönheit müssen sich die Wogen brechen -
Dein lichtes Wesen
Schwebt als Gott der Seele
Über mir.


15.
Meine Hände sind schön geworden,
Seitdem du sie gedrückt,
Sie verlangen nicht mehr nach Sünde.
Nur manches Mal, wenn du mir nahe bist,
Ganz nah bei mir in tiefer Einsamkeit -
Dann ists, als ob in ihnen sich entzünde
Ein Flammenmeer,
Das deinen Leib umlohen will.
Dann wird es rings so schwül und still,
Und die Begierde schreitet schwer
Dahin: Ein brünstiges Gebet,
Das feuerhändig um Erfüllung fleht.


16.
Die Nächte sind so einsam - fürchterlich,
O komm zu mir, ich bitte dich!
Ich kann nicht sagen wie mir ist -
Ich fühle nur, daß du mein Leben bist!
O komm! sonst kommt der Trübsinn über mich
Und macht mir meine Sinne blind -
Dann weiß ich nicht, was Tag und Nächte sind
In Finsterniß gehüllt.
Ich hör die Seele durch das Dunkel schrein
Von Angst und Not erfüllt,
Und wirre Züge deines Bildes fallen
Als lange nebelweiße Schatten
In die einsam-fürchterliche Nacht hinein.


17.
Soeben bin ich erschrocken erwacht,
Vom Thurme schlug es Mitternacht . . .
Ellen, ich fürchte mich vor mir!
Unheimlichkeiten
Schaun mich mit tollen Augen an.
Der See ist schwarz
Und seine Fluten rauschen wild heran.
Ellen, ich flüchte mich zu dir!
Zeig mir den Weg
Durch dieses dunkle Land,
Da ich zurecht mich nicht mehr fand;
Mir ist, als sei mein Geist schon blind - -
O bitte, bitte, reich mir deine Hand!


18.
Dein Duft ist berauschend!
Deines Wesens Majestät
Klingt bezaubernd um mich her.
Andächtig stehe ich vor dir
Diesen hohen Klängen lauschend.
Kaum erfaß ichs, wie du bist,
Auch die Sprache sagt es mir nicht mehr -
Doch: Du trägst mein ganzes Glück in dir,
Und könntest du dich sehn mit meinen Augen -
Du giengst nie mehr fort von mir!


19.
Wenn du fort giengest von mir -
Ganz fort,
Ohne Hoffnung auf Wiederkehr
Gieng mit dir all mein Glück.
Unsagbar elend blieb ich zurück.
Mit blinden Augen sucht ich nach dir
In meiner Not
Und verlöre mich mehr und mehr -
Ein Fest würd' der Tod.


20.
Sehnsuchtskrank lauf ich auf und ab
Den Hügel entlang,
Alles ist todt um mich her.
Akazien rauschen schwer,
Fragen, wo du bist.
Wie Alles so traurig zu schauen ist!
Die Mondsichel flammt über mir
Wirft lange Schatten mir hin als Geleit
In diese todtdüstere Einsamkeit,
Drin mein Verlangen glüht
In blutgen Funken sprüht -
Mein Verlangen nach dir.


21.
Dein Fortgehen nahm mir jeden Freudenstrahl,
Ich gehe wie ein Träumender umher
Und starre stundenlang hinab ins Thal
Mit heißen Augen, die von Kummer schwer.


22.
Noch bin ich mir nicht klar
Was von mir will das Geschick,
Was von mir will - dein Blick! . .
Nur das Eine werd ich gewahr,
Daß was Dunkles mich umschleicht,
Das deinen tiefen Blicken gleicht -
Aber ich sehe nicht, was es ist.


23.
Wie die Kronen rauschen!
Wie die Föhren rauschen,
Und dazwischen der Sonnenschein!
Diese schlanken, wogenden Schatten -
Dieses Ächzen, dieses Sausen -
Und man läßt mich so allein -
Allein - - - - - - - -


24.
Meine Liebe zu dir ist so groß geworden,
Sie baute eine Kirche auf um dich.
Nun ist Gebet in meiner hohen Kirche,
Großes ewig stündiges Gebet.
Da will ich Zwiesprach halten
Mit meinem Gott . . .
Mach finster mit der Außenwelt,
Sperr alles laute Licht hinaus,
Ich will ein weltvergessen Dunkel,
Will der Ewigkeit Gefunkel
In meinem stillen Gotteshaus.


25.
Meine Liebe zu dir ist ein Heiligtum,
Niemand soll daran rühren,
Blutrote Sonnen brennen davor Tag und Nacht,
Sonnen eines großen Herzeleids.
Ab und zu wohl auch ein Strahl der Lust,
Strahlen doch, die sich so schnell verlieren,
Daß man der Helle kaum sich wird bewußt -
Bis sie der Sehnsucht blutge Flammen heiß
Zur himmelhohen Lohe schüren.


26.
Wie Alles rings so tief traurig tönt
Seitdem du fort bist!
Nicht ein heller Klang -
Auch die Vögel schreien so bang.
Der Weiher liegt bleich und todt -
Kein Abendrot
Spiegelt sich in ihm,
Kein Schimmer, kein Blau -
Alles trauert und stöhnt
In tief düsterem Grau.


27.
Was da immer noch tönt in mir,
Ich kann es nicht begreifen -
Dieser glühende Hang nach dir!
Wohin auch meine Sinne schweifen
Planlos, ziellos -
Immer wieder ringt der Ton sich los,
Der große Ton - ein Seelenschrei nach dir.


28.
Drei Morgen nacheinand hab ich an deiner Thür gepocht:
Steh auf! Steh auf, der Morgen ist goldig klar!
- - Und dann kamst du heraus,
Du - mit dem leuchtenden Haar,
Und ich habe dir nichts mehr zu sagen vermocht.
Stumm schritt ich neben dir hin:
Im Weiterziehn
Doch tauchte meine Seele tief in dich
Und vergoldete sich.


29.
Wenn du nur wieder da wärst,
Damit mich diese Schwermut nicht befällt.
Nur einen Augenblick
Möcht' ich deine Hand,
Um einen Schimmer zu erhaschen,
Der mein Dasein wieder hellt.
Dann würd ich stille starren
In mein lichtes Land -
So aber ists so dunkel rings,
Ich fürchte mich - -
Nur einen Finger möcht' ich deiner Hand!


30.
Es hat gar keinen Sinn mehr
Dieses Sein ohne dich,
Jeder Atemzug schreit nach dir
Kettet dich an mich
Mit der Liebe heiligem Recht.
Nach deinem Besitz verlangt Alles in mir,
Gefahr schreckt mich nicht.
Freudig spring ich ins schäumende Meer,
Das zwischen uns zu sein sich erfrecht - -
Aber zeig mir dein liebendes Gesicht -
Gegen die Strömung schwimmts sich so schwer!


31.
Mit der Zeit wird wohl Ruhe werden
In meinem Herzen -
Muß Ruhe werden!
Auf die Dauer erträgt sich dies nicht:
Immer dies leuchtende Gesicht
Vor einem - in einem - um einen -
Als würden tausend Sonne scheinen
Von diesem stillen Kindergesicht!


32.
Sie sollen nicht glauben
Ich hätte dich aufgegeben,
Nein - o nein!
Nur dein Fernsein
Trübte meinen Blick.
Hart verfuhr mit mir das Geschick:
Nun scheint mir reizlos dieses ganze Leben - - -
Aber wenn du wiederkämst
Und meine Hand still in die deine nähmst
Würd jeder Nerv in mir vor Wonne beben!


33.
Seitdem du fort bist
Gehen mir seltsame Dinge durch den Sinn:
Die Tage scheinen mir dunkel
Und nächtens
Stören blutrote Sonnen
Meinen Schlaf . . .


34.
Ellen, komm zu mir!
Deine Stadt will für unsre Lieb nicht taugen,
Deine Stadt ist viel zu laut.
Komm zu mir in meine stillen Wälder,
Wo die Einsamkeit sich im Moose baut!


35.
Heute stieg die Liebe in mir auf
Wie eine neue Morgenröte
Von seltsamen Gefunkel,
Und sie leuchtete mir weit hinauf
Und zeigte neue Wege tief im Dunkel.


36.
Frei ist meine Liebe geworden!
Nun such ich einen hohen Ausblick,
Um von ferne zu sehen nach deinem Glück.
Reiß deine Welt von mir zurück! -
Mein Dasein wird dunkel,
Mein Dasein strandet!
Vergessen mußt du mich
Und nur mehr trachten, daß dein Kahn
An sonniger Küste landet!


37.
Weck in mir nicht alte Glut
Mit deinem klingenden Blick -
Auch in Träumen nicht!
Mich erwartet ein Geschick,
Das erfordert großen Mut.
Sieh, ich habe einen hohen Stand errungen!
Nun seh ich weit
Und sicher kann ich sehn -
Nach deinem Glück in weite Fernen spähn.
Nur kommt mir vor, als wärs so dunkel rings -
Doch dies verliert sich schon,
Seh ich erst einmal blinken
Deines Glückes Kron.


38.
Meiner Liebe Nachen
Treibt wieder auf öder Bahn,
Der Ausblick war zu schwül:
Dein Blick schien mich zu suchen . . .
So laß doch ab von mir! - - -
Du sollst mich nicht versuchen,
Sonst schreit in meiner heißen Seele
Alles wieder auf nach dir!


39.
Die Zeit ist um!
Nun bist du schon so lange fort von mir -
Schon allzulange.
Und ich konnte weder dich,
Noch von deinem Glück was sehn.
Die Zeit ist um . . .
Nur unklar folgt mir noch dein Bild,
Mein Nachen treibt in dichten Finsternissen,
Kein Stern lächelt mir mehr mild. -
Vielleicht, wenn diese Dunkelheiten rissen -
Doch nein! - oh nein - ich werd es nicht bestehn! - -
Die Zeit ist um! - -


40.
Es eilt, Ellen,
Reiß dich los von mir!
Schon treibt mein Boot in uferloses Meer.
Das Steuer ruht in ungeheurer Faust.
Das Segel glüht
Von Stürmen wild umsaust.
Es trägt mich immer weiter fort von dir -
Und dunkler wird das endlos weite Meer -
So dunkel - -
- - Hoiho! hoiho - -
(S. 62-79)
_____



Ansturm

Einmal nur vergiß das "Ich und Du"
Und laß uns glühend ineinander liegen,
Den Brand zu stillen, der mich still verzehrt!
Es loht ein blühend Feld an zweien Enden -
Wenn die Brände sich zusammen fänden,
Würd einem Weiterwüten klug verwehrt.
***

Vergiß das "Du und Ich" ein einzig Mal
Und laß vereint den Menschen in uns finden,
Den Erdenmenschen, göttlich ohne Qual!
Es schreitet frei und stolz das Licht dahin,
Und unsre Augen trinken seinen Schimmer.
Sollen wir nie frei unsre Wege ziehn? -
Verkümmern in dem trüblichen Geflimmer
Höchst dürftiger, geketteter Genüsse? -
Verstauben wie in einem alten Schrank -
Wir - unsre heißen Seelen sehnsuchtskrank,
Die sich in Träumen hoch im Äther nisten? . .
Der Menschen Schranken sind der Menschen Listen,
O laß uns wahr sein - wahr und hell wie Licht,
Das alle Schranken allmächtig durchbricht!
Laß - was wir sind - uns sein auch: Flammengüsse,
Vorwärts gepeitscht von wilden, schwülen Stürmen
Bis sie, zusammen finden, hoch sich türmen
Zu einem Freudefeuer der Natur
In heller Lohe - - - -
O einmal laß den Menschen in uns finden -
Nur einmal - einmal nur!
(S. 84-85)
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Mein Schweigen

Wenn du im Dunkel mir zur Seite weilst,
Und meine Lippen heiß nach dir verlangen
Wie ein Vulkan, dem Feuer wild entbricht,
Färbt wohl der Worte Klang dein Angesicht,
Und ich empfinde, wie du schwankend feilst.
Doch erst mein tiefes Schweigen macht dir Bangen -
Strömts flüss'ger Lava gleich vor deine Hand
In Glut begrabend allen Widerstand.
(S. 86)
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Reflexionen

Ist es besser, wenn ich dir entsage?
Ich - der ich dir so unsagbar gut!
Meine Liebe rinnt in meinem Blut.
Schon dein bloßer Name macht mich beben,
Leben möcht ich, auch bißchen leben -
Stillen diese fürchterliche Glut!

Werd ich besser, wenn ich dir entsage? -
Anerkennen diese blöden Schranken,
Die schon längst Begierden und Gedanken
Übersprungen? Ist mein Stürmen schlecht?
- Einzig im Empfinden liegt das Recht -
Und auf mir ruhn schwer der Liebe Pranken.

Sag du selbst mir - soll ich dir entsagen?
Soll ich wirklich mich an Formen kleben
Und ersticken dieses heiße Leben?
Trotzig flammt es von des Herzens Zinnen,
Rüstet heimlich sich zum Niederrinnen
Siedend heiß und will sich nicht ergeben.

Nein - ich kann und will dir nicht entsagen!
Alles schreit, du bist mein Eigentum,
Seh um Hilfe ich in mir mich um.
Vorwärts stürmend mit der Macht der Triebe
Will ich glühend mit dem Recht der Liebe
Nehmend treten in dein Heiligtum.
(S. 92-93)
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Das Gelöbnis

Auf grünem Feld ein Kirchlein turmgekrönt.
Die Thür stand offen und wir traten ein.
Und was in heißen Trieben draus gestöhnt,
Es gieng nun still mit uns zum Thor hinein.
Ich hab mich flüsternd über dich gelehnt
Und bat so innig - und du schlugest ein.
Dann giengen wir hinaus vom Glück verschönt
Und starrten schweigend in den Abendschein.
(S. 96)
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Liebe

Die Liebe ist ein Gott in deiner Brust -
Du staunst die Art an, wie er kommt und geht,
Ein tiefes Weh und unsagbare Lust
Besagt dir, daß sein Odem in dir weht.
Nur seines Wesens bist du klar bewußt
Dir nie, - du flehst, daß er in dir besteht -
Doch wenn du auf Erhaltung sinnen mußt,
Dann ist es ihn zu halten schon zu spät.
(S. 97)
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Sommernacht

In blauen Lichtern schwelgt die Sommernacht.
Ein Käuzchen schreit,
Die Grillen singen laut,
Ich lehne still im Arm der Einsamkeit
Und horche träumend in die schwüle Pracht:
Ein Käuzchen schreit - noch eins - noch eins,
Der Grillensang wird hell und lang,
Die Nacht ist voll des Sangs und Schreins -
Nur meine Seele schweigt so bang.
Und wieder tönt der Eulenschrei
Ins blaue Dunkel hohl hinaus,
An meinem Ohre dicht vorbei
Huscht furchtsam eine Fledermaus . . .
Ich lausch und lausch:
Es braust so dumpf vom Thal herauf
Und zieht sich an der Nacht hinauf,
An mir vorbei.
Dazwischen wieder der Eulenschrei
Und der Grillen schrille Melodei.
Und in das Lärmen tief hinein
Starrt glühend meiner Augen Schein
Und haucht ein - Du! - - -
Es flammt so rot vom Westen her,
Und eine Wolke wandelt schwer
Grad auf mich zu -:
Und meine Seele ziehts hinein
Mitten ins Rauschen -
Mitten ins Schrein . . .
(S. 98-99)
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Ich sah dich beten

Ich sah dich beten, Kind! In hellem Raum
Standst du an deine Freundin dicht geschmiegt:
Du warst zu sehen wie ein lichter Traum,
Der sich im Sonnenscheine lächelnd wiegt.

Der vielen Glocken weites Tönen schnitt
Mir tief ins aufgeregte wilde Herz.
Du sahst mich an und wußtest, daß ich litt -
Und du verstandest meinen stummen Schmerz.

Ich zog dein Bild in tiefen Zügen ein,
Und meine heiße Seele rang in Not. -
Dein Beten doch trug mir ins Herz hinein
Des Kinderglaubens alten lieben Gott.
(S. 101)
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An das Weib

Des Weibes Allmacht ist der Schönheit Milde.
In sie versenkt der Mann der Kräfte Glut
Wie seinen Leib in weiche, kühle Flut,
Wenn sommerschwüle starren die Gefilde.

Es bricht an ihr beim Mann sich das Wilde,
Sodaß er ihr zu Füßen selig ruht,
Gleich einem Knaben kindlich fromm und gut,
Der gläubig aufschaut zum Madonnenbilde.

Und in der Luft liegt schöner Milde Reinheit
Und öffnet dem Empfinden lichte Sphären
Zum Flüchten drängend jegliche Gemeinheit.

Der Schönheit Milde muß das Dasein klären
Und sich verbinden zu erhabner Einheit
Mit all den Trieben, die im Fleische gähnen.
(S. 102)
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Die Föhre

Und wieder bin ich hingesunken
Ins rauhe Gras am Föhrenstamme -
Weißt du, wo unsrer Herzen Flamme
Empor geloht in hellen Funken.

Der Sonntag war so still und licht,
Die Junisonne brannte heiß
In dein erglühendes Gesicht;
Auf meiner Stirn klebte Schweiß.

So schritten wir am Hügel hin,
Rings war es helle wie im Traum,
Bald sahen wir im Weiterziehn
Ein Plätzchen unter einem Baum.

Die Föhre stand so stumm am Hang,
Ihr Schatten süße Rast verhieß.
Mir ward so selig heiß und bang
Als ich mit dir mich niederließ.

Wir saßen aneinand geschmiegt
Und starrten in die Ferne weit,
Die sich im Sonnenlicht gewiegt.
Um uns war tiefe Einsamkeit.

Von weither schwoll der Sommerwind,
Geläute drang an unser Ohr
So schwül und tief, so ernst und lind
Und stieg ins Blaue dann empor.

Am Stamme ruhten wir gebückt,
Und wie wir uns ins Aug geschaut
Hab ich dich an mein Herz gedrückt
Und nannt dich meine süße Braut.

Und deine schlanke, weiße Hand
Fuhr sinnend übern Rasen rauh -
Du sahest scheu hinaus ins Land
Mit deinen Augen groß und blau.

Und nicktest mir dann milde zu,
Wie ich den Blick nach dir gewandt:
So einten wir uns - ich und du -
Und heller, heller ward das Land
***

Und wieder lieg ich hingesunken
Im rauhen Gras am Föhrenstamme
Von den Erinnerungen trunken - -
Und an der Föhre leckt die Flamme.
(S. 103-104)
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Ich liebe dich

Du bist die Kraft, die in mir gährt,
Du bist die Macht, die in mir  klärt -
Wie dein Anblick mich entfacht! - - -
Mein Leben steht still ohne dich
Wie ein Segler auf toter See.
Schau ich dich in meiner Näh
Aber fährt der Sturm in mich:
Wie mein Segel schwellt,
Wie mein Nachen schnellt -
O wie brausend ist deine Macht!
(S. 106)
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Der Kuß

Du wolltest nicht! Du wolltest nicht,
So heiß und innig ich auch bat!
Du zeigtest mir ein mild Gesicht,
Doch du verweigertest die That.

Und düster brauend schritt ich hin
An deine Seite dicht gedrängt:
Wie jung der Mond vom Himmel schien
Von grauen Wolken rings beengt.

Der Nachtwind lärmte um uns her,
Und seine wetterkühle Flut
Schlug sich auf unser Atmen schwer.
Dies spornte meinen heißen Mut.

Ich schlang den Arm fest um dich,
Den Blick dir glühend zugewandt, -
Du sahst so still und scheu auf mich,
Die Lippen suchten - sträubten sich
Und flossen endlich ineinand.
(S. 107)
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Ein Nachmittag

Der Nachmittag war hell und heiß,
Am Wege wartete ich still,
Die Straße glänzte blendend weiß: -
Daß sie so lang nicht kommen will?!

Und wieder stieg mein Blick empor
Zum Bergeshang und suchte dich,
Da tratst du aus dem Wald hervor
So schlank und licht und sommerlich.

Erglühend sprang ich auf und lief
Entgegen dir vor Freude bang,
Und als ich deinen Namen rief
Erbebte ich bei seinem Klang.

Und auf der Brücke trafen wir
Mit heißen Augen aufeinand.
Wie schrie das Glück so laut in mir
Als du mir reichtest deine Hand.

Wir schatteten zusammen drauf
In einem Gärtlein still und leer,
Und heißer sah ich zu dir auf -
Da brauste schrill der Zug daher . . .
(S. 108)
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Ein Genrebild

Den Hut mit krummer Feder
Keck aufs Ohr gestülpt,
Mit beiden Händen
In den Hosentaschen,
In lässig breitem Schritt -
So schlendr' ich hin,
Im Aug die lose Frag:
Was kost't die Welt? - - -

Da seh ich dich:
Du gehst an mir vorbei
Mit leichtem Gruß,
Und glühend geb ich dir
Den Gruß zurück -
Dann werd ich bleich und still
Und zaghaft wie ein scheues Kind
Und hauch dir nach:
Du - meine Welt!
(S. 110)
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Waldeinsamkeit

Wenn du wüßtest wie mein Herz sich sehnt!
Viele Stunden irrt ich schon im Walde -
Still lieg ich im Moos nun hingedehnt.
Wie die Sinne schreiend dich verlangen,
Tiefe Einsamkeit erhöht mein Bangen -
Horch: - ein Hase stiehlt sich durch die Halde.

Wenn dies scheue Tier vor mir nicht schreckt,
Warum willst du es mit mir nicht wagen?
Hier im Moose sind wir gut versteckt.
O - ich würde dich so herrlich betten
Und an mich dich ziehn mit Flammenketten,
Dir in Lust ersticken alle Klagen!

Prüf dein Herz - und wenn es Liebe fühlt
Komm gelaufen, hör auf seine Triebe,
Daß sich dieses Feuer in mir kühlt!
Ein Altar in diesen Einsamkeiten
Würd ich leuchtend hin zum Opfer schreiten
Und mit Inbrunst trinken deine Liebe.
(S. 111)
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Ellen

Gar oft seh ich in heilger Scheu
Zu deiner Schönheit auf:
Es blitzt so seltsam tief und neu
In deinen Augen auf.

So trat in Balvers heilgem Hain
Gewiß der Väter Schar:
Des Gottesdaseins dunkler Schein
Dieselbe Scheu gebar.

Und dieses Gottgefühl macht mir
Dich so geheimnisvoll -
Raunt, daß ich in der Welt in dir
Die Gottheit ahnen soll.
(S. 112)
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Jung Tove

Wie schön du bist - so schön! Dein tiefer Blick
Versetzt mich in ein Meer von Seligkeit -
Ich kann nicht trüben diesen hohen Blick!
Wenn es in mir auch laut nach Sünde schreit,
Dein hehres Wesen selbst muß dich befrein -
Du bist so schön: ich fühl, es kann nicht sein!
Um deine Reinheit rankt mein ganzes Ich,
Du bist mein Kleinod, meine Wunderblume -
Mein Bestes will versenken ich in Dich
Und wachen dann vor meinem Heiligtume!
(S. 113)
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In deinem Blick

Wie die Glocken wieder singen! -
Dies geheimnisvolle Klingen
Taucht in meine Seele tief,
Stürzt sich in die tiefsten Schlunde,
Holt von unberührtem Grunde
Alles, was da unten schlief . . .
(S. 114)
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Wiedersehen

Tage schwanden, Wochen schwanden,
Und ich konnte dich nicht sehn:
Eine unsagbare Sehnsucht
Fühlt im Herzen ich erstehn.

Und es trieb mich in die Wildnis,
Und mein Auge schrie nach dir,
Mählig tauchte schwarze Schwermut
Finster drohend auf in mir.

Und es floß durch Herz und Hirn
Meiner Leiden trübe Flut - -
Doch da hab ich dich gesehen:
Nun ist alles wieder gut!
(S. 115)
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Regenlandschaften

1.
Regentag.
Im Zimmer sitz ich und starre hinaus:
Ein Stückchen Dach von einem Haus,
Und dann ein langer hellgrüner Hügel,
Drauf Schafe weidend sind zu sehn.
Dahinter graue Berge stehn
Mit verschwommenen Rändern.
Nebel streichen gleich Trauerbändern
Herüber - hinüber . . .
Ich glühe nach dir. -
O wärst du bei mir:
Deine Macht über mich
Mir brächte die Flügel -
Dann flög ich darüber -
O weil darüber hinaus!


2.
Alles rüstet sich zur Nacht.
Regen rieselt. Seine Lieder
Streichen trüb durch Busch und Baum.
Lauschend schleich ich auf und nieder
In dem tönenden Raum,
Sachte, sacht: -
Immer wieder neu zu lauschen
Zwingt mich eine dunkle Macht.
(S. 116-117)
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Nur das

Sprich es gelassen aus - du liebst mich nicht!
Ich küsse dir die Worte heiß vom Munde,
Und froh seh ich dir drauf ins Angesicht:
Es ist noch lange nicht die trübste Kunde.
Doch, wenn du sagst, du liebst mich - und ich seh
Mit trunknem Blick nach dir
Und dräng verlangend mich in deine Näh -
Und du entziehst dich kalt und spröde mir
Hinweisend mich auf Ruf und Pflicht: -
O - das, nur das ertrüg ich nicht! . . .
(S. 118)
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Sinnlichkeit

Ein Riegel vor der Seele Seligkeit,
Ein Tropfen nur im großen Liebesmeer,
Ein schwüler Hang,
Ein reger Augenblick von Leiblichkeit,
Ein Lebensdrang,
Der heiß und schwer
Sich auf die Seele legt
Und Ketten um die zarten Flügel schlägt.
(S. 119)
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Ein Liebeslied

Was kümmerts mich, was aus mir wird -
Es ist nicht von Belang!
Ich bin ein Mensch - und jeder irrt
Sein ganzes Leben lang.

Ich folge meinem Glauben blind,
Und liebe, wo ich lieben muß -
Wie schnell verflohn die Stunden sind -
Ich dürste nach Genuß!

Mein Glaube zieht mich hin zu dir,
An deine junge Brust,
Und deine tiefe Lieb zu mir
Ist meine Lebenslust.
(S. 120)
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In der Schutzhütte

Wie trug mein Herz so heiß und schwer -
Ich war schon lange - lang erwacht!
Die andern schliefen um mich her,
Durchs offne Fenster floß die Nacht.

Und alles rang in mir um dich,
Auf meinem Lager ich mich wand:
Von deinem Lager trennte mich
Nur eine dünne Bretterwand.

Wie horcht ich glühend auf nach dir,
Verlangend meine Augen schrien
- Und stiller ward es erst in mir
Als schon der Tag durchs Fenster schien . . .
(S. 123)
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Höhenpsalm

Die Stille rings schwellt meine tiefe Kraft.
Wie rauscht der Friede in die Höh empor
So feierlich, ein tief gedämpfter Chor,
Der weiterschwingend sanft vom Herzensgrund
Die Perlen rafft
Und strahlend hoch hält seinen lichten Fund.

Dort drunten wallen sie zur Kirche hin,
Zu ihrem Gott, den man in Häusern sperrt
Und zwischen Wänden dumpf mit Weihrauch ehrt.
Indeß behorcht mein Herz die Einsamkeit
Und meine Sinne ziehn
Hinaus - hinauf, gotttrunken und befreit.

Wie ist die Welt so schön! Es jauchzt ringsum
Im güldnen Licht, und durch die Fluren schreitet
Ein großer Ton, der meine Seele weitet.
Mein Horchen wird Gebet: es steigt hinauf
So hehr und stumm
Und endlos weit: - O Himmel thu dich auf! . . .
(S. 124)
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Erwachen

Einsam streif ich durch den düstern Wald.
Vom grau verhängten Himmel trieft der Regen.
Vor einer lauten Quelle mach ich Halt.
Plötzlich schimmerts golden durch den Wald: -
Auf diesen stillen vielverzweigten Wegen
Gieng ich mit dir - - - O kämst du wieder bald!
(S. 126)
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Idyll

Rings glühender Dolomit - und tiefes Schweigen.
In weiten Fernen Gipfel blinken.
Die Sonne sinkt, und Dämmerungen steigen.
Still lehnst du im Gestein, am Boden ich.
Dein bergklug Auge will im Fels versinken,
Es schaut und trinkt und weitet sich . . .

Rück mehr zu mir - ich sah mir längst genug,
Laß deinen Blick in meinem weilen! -
Dein bergklug Auge sehe seelenklug -
Dann wollen wir in andre Welten eilen!
(S. 128)
_____



Abendandacht

Komm in meine Kirche, stilles Kind!
Sieh die Föhren dort am Hange schimmern,
Und darüber braust der Sommerwind.
Siehst du in der hohen Abendklarheit
Alle Wipfel sonnentrunken flimmern?
Lege deine Hand auf meine Stirn,
Daß ich fühle unsrer Liebe Wahrheit: -
Wie das Herz in Schlummer singt das Hirn!
Wie selig - -
(S. 131)
_____



Herta

Wenn ich dir zur Seite schreite,
Ganz von deinem Anblick trunken,
Tönt es rings so hell ins Weite,
Und ich lausche still versunken.

Und die Hände falt ich innig
Dies Getöne mir zu wahren,
Ist es doch, als wolle sinnig
Sich ein Gott mir offenbaren.
(S. 133)
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Nelly

Drängt sich zwischen uns der Sünde
Sengend süße Flut,
Gleichsam öffnend tiefe Schlünde
Farbensatter Glut.

Eilt dein scheuer Blick befangen
Träumend zu mir hin:
Wieder fühl ich mein Verlangen
Meiner Brust entfliehen.

Und ich muß den Thränen wehren
Durch ein Liebeslied,
Das mit meinem Deinbegehren
Still zum Himmel zieht.
(S. 134)
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In deinem Zimmer

Und der Mittag war so laut,
Und wir traten in dein Zimmer -
Und es war so still und traut,
Dir ins Auge sah ich immer.

Zitternd nahm ich deine Hand:
Und in meinen Kümmernissen,
Vom Begehren übermannt,
Hab ich dich an mich gerissen.

O, dein Zimmer war so traut,
Ganz, als hätt es sein so müssen;
Und der Mittag war so laut -
Komm, laß dir die Augen küssen!
(S. 136)
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Novemberwetter

Schließ das Fenster! rasch den Vorhang vor:
Alles weint da draußen Totenlieder; -
Wie mich in dem trüben Dunkel fror!
Doch die Freude ist mir nicht verdorben;
Sind die Blüten draußen auch gestorben,
Blühen mir noch immer deine Glieder.

Auf nun! Bei der Lampe stummen Schein
Will ich deine Reize wonnig trinken
Wie nach Winternacht des Lenzes Schein!
Will ins Ohr dir trunkne Worte lallen,
Wenn um dich die letzten Hüllen fallen -
Und dann lautlos ganz in dich versinken!

Wie du zagst? wie laut dein Herze schlägt -
Und die süßen Augen zeigen Thränen!
O verzeih! was hat dich so bewegt?
Sieh, ich will dir nur die Hände küssen,
Und du wirst mit mir empfinden müssen
Dieses Dunkel draußen - und mein Sehnen!
(S. 137)
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Porträt

O sie träumt von Vaters Garten,
Von der Kindheit licht;
Möcht der Blümlein wieder warten:
Stört ihr Träumen nicht!

Wie das Antlitz ihr, das bleiche
Färbt nun Rosenglut:
Wieder sieht sie sich am Teiche
Bei des Springquells Flut.

Was würd wohl der Vater sagen? -
Geht ihr durch den Sinn,
Und der Seele sanftes Klagen
Trägt ein Lied dahin.

Und es schwärmen Lichtgewalten
Um ihr Antlitz mild - - -
Gott, ich muß die Hände falten
Vor dem süßen Bild!
(S. 138)
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Letzte Bitte

Gib mir die Hand! ich will die Augen schließen,
Um deine süße Nähe tief zu fühlen. -
Schon dämmert rings das Land . . .
Wie sich die Flammen meiner Sehnsucht kühlen!
So möchte ich mein Leben einst beschließen -
So still an deiner Hand - -
(S. 140)
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Die Bleiche

Nicht vor mir, du süße Bleiche -
Vor dem Tage ist dir bange!
Weißt du noch, wie an der Eiche
Wir gelauscht dem Grillensange.

Und sonst war es rings so stille,
Leise floß um uns das Dunkel:
O wie ward so sanft dein Wille
In dem stillen Sterngefunkel.

Deine süßen Blicke schürten
Meine Glut - und fortgerissen
Unsre Lippen sich berührten
In den schwülen Finsternissen.
(S. 144)
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Auf der Brücke

Rings lag die Nacht auf dunklem Land.
Du starrtest sinnend in den Fluß:
Wie hielt ich innig deine Hand,
Und sie war so kalt -
Ich koste sie mit scheuer Gewalt:
Da hast du den Blick mir zugewandt -
Und unten flüsterte der Fluß.

Dein Herz schlug in die Nacht empor,
Und unser Träumen zog hinaus,
Bis es im Dunkel sich verlor.
Und es war so still -
Wir horchten hinaus - da klang es schrill,
Wie eine Störung an unser Ohr:
"Hört doch, wir müssen nun nach Haus!"
(S. 146)
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Deingedenken

O wie ist es rings so stille
Nur im Mondenlicht,
Mild durch diese bleiche Stille
Schwebt dein Angesicht.

Hell bestrahlt sein weißer Schimmer
Meines Daseins Flut;
In dem klingenden Geflimmer
Schläfert meine Glut.

Lauschend starrt mein Blick in Weiten
Bis er müde sinkt:
Fern aus traumverklärten Breiten
Still ein Engel winkt.
(S. 147)
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Nun . . .

Nun ich erkannt hab,
Was mein Eigen ist
Schreit ich still durch die Welt.
Mein Geleite ist dein Blick:
O diese rührende Musik,
Wie mein Dasein sie erhellt -
Immer schreitet sie mit mir:
Und ein Lichtmeer strömt in Weiten,
Die sich finster um mich breiten
Dieser süße Klang von dir.
(S. 148)
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Im Heu

Still floß der Mond durchs Scheunenthor,
Ich lag im Heu mit Augen schwer
Und starrte in die Nacht empor,
Die andern scherzten um mich her.

Das Mondlicht kroch am Nachbarhaus
Die Wand entlang dem Fenster zu:
Ein Lichtschein zitterte heraus
Und hinterm Fenster ruhtest du!

Wie schlug mein Herz so laut und bang;
Mein Sinnen schlich dem Mondlicht nach
Und durch die feinen Spalten drang
Es glühend in dein Schlafgemach . . .

Bald senkten müd die Lider sich,
Am Heustock spielte fahler Schein,
Dein Bild verdämmerte um mich -
Es klang so fern - und ich schlief ein.
(S. 149)
_____



Bitte

O bleib bei mir! ich will gewiß
Nie wieder dir von Liebe sprechen,
Nun ich in tiefster Kümmernis
Aus deinem Aug sah Thränen brechen!

Ich will gleich einem frommen Kinde
In deiner Nähe betend weilen,
An deinem Anblick süß und linde
Zur Andacht mein Begehren feilen!

Hörst du? - will deine Knie umfangen,
Will wie ein Hund zu Füßen dir
An deinen Atemzügen hangen
So still und treu - nur bleib bei mir!
(S. 151)
_____



In Wehr

Weiß nicht, was in meiner Seele
Oft so stöhnt und bangt:
Ist es doch, als ob ein Fehle
Drohend nach mir langt.

Und es klingt um mich so düster,
Furchtsam horch ich hin:
Tief beängstendes Geflüster
Bebt mir durch den Sinn.

Zitternd denk ich dein: O Lichter
Webt um mich dein Bild,
Und so will ich vor den Richter -
So mit dir als Schild.
(S. 152)
_____



Sonette

2.
Das Leben nahm mir schmeichelnd mich gefangen,
Nun hör ich meine Ketten klirrend singen
Und kann nicht vor und kann nicht aufwärts dringen,
Und mich verzehrt mein eigenes Verlangen.

Und steht die Welt vor mir in süßem Prangen,
Und hör ich rings den Ruf nach Freiheit klingen
Fühl ich mein Sehnen mit den Fesseln ringen,
Und meine Seele wild nach Freiheit langen -

Bis du erscheinst! - Und alles fliegt entgegen
Dir frei, ich seh mich durch die Luft getragen
Wie Habakuk, nichts hemmt mehr mein Bewegen.

Die Liebe nahm beim Schopf mich sonder Fragen,
Geheime Mächte süß in mir sich regen -
Ich schließ das Aug und laß empor mich tragen.
(S. 154)
_____



3.
Wir waren plaudernd in den Wald getreten,
Und stille sinnend saß ich dir zur Seite.
Dein schönes Auge starrte in die Weite,
Indeß um Blicke meine Augen flehten.

Nicht länger konnt ich meine Gluten kneten:
Ich fühlte wie es sich in mir befreite
Und aufwärts schoß, so glühend heiß, als schreite
Ein Lavastrom dahin, dem Schlund enttreten.

Und ich ward fortgerissen vom Begehren,
Sodaß ich bebend deinen Leib umfieng,
Und mein Verlangen schien sich noch zu mehren.

Da fühlt ich wie dein Auge an mir hieng
Unsagbar mild: - den Thränen müßt ich wehren -
Dann stand ich auf und betete - und gieng.
(S. 155)
_____



5.
Sieh, meine Heiligen haben alle Leben!
Ich mag mich nicht mit totem Tand befassen,
Und was ich lieben muß, kann ich nicht hassen,
Und müßt die Welt ich aus den Fugen heben.

Und eine Kirche baut ich auf soeben
Um dich, mein Lieb, um all das Licht zu fassen,
Das von dir kommt - ich kann von dir nicht lassen,
Du solltest sehn in Inbrunst mich erbeben.

Es steht dein Bild auf meinem Hochaltar
In reiner Schönheit, keusch und hehr gewandet.
Und meine Sinne schwanken zum Altar

Als viele lichte Wolken goldumrandet.
Um meine Seele wirds auf einmal klar
Nach stürmscher Fahrt - und meine Liebe landet.
(S. 157)
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6.
Und mögen alle - alle mich verdammen
Und dir mein Thun gemein und böse nennen,
Auf meinen Wangen wird kein Ärger brennen,
Wenn du nur siehst in mir die lautern Flammen.

Sie schlagen sonnenhell um dich zusammen:
Zu dir allein will ich mich laut bekennen,
Und du - nur du sollst mich als anders kennen,
Dann hab ich ja mein ganzes Glück beisammen.

Wie schimmert dann das Leben rings in Tönen
So wunderlicht; weiß blühen meine Triebe.
Dein Zutraun macht die ganze Welt ertönen:

Es ist, als würd sich alles rings verschönen -
Und seh ich mich im Spiegel deiner Liebe
Seh ich mich so, daß ich mich glühend liebe.
(S. 158)
_____



Eh wir von einander giengen

Eh wir von einander giengen
Zog ich dich zur Höh empor.
Und wir lauschten Ohr an Ohr
Dicht gedrängt hinaus ins helle
Stille Mondlicht. - Und wir hiengen
Blick an Blick, geschmiegt so dicht:
Dein Gesicht an mein Gesicht,
Und es schimmerte der Fluß
Hart vor uns und Well auf Welle
Sang uns rauschend bange Lieder -
Und wir lehnten uns zurück:
Zitternd troff es leuchtend nieder
Aus dem Monde in den Fluß -
Und wir zitterten vor Glück . . .
(S. 167)
_____



Geblieben

Lächelnd tratst du in mein Zimmer
Und du sahst so still hinaus
Zu den Blumen vor dem Haus
Mit den Blicken voller Schimmer

Und ich stellte vor dich hin
Meiner Sehnsucht rote Fackel:
Und es war ein Tabernakel,
Vor dem Gluten betend knieen.

- - Und dann blieb von deinem Wesen
Soviel Licht in mir zurück: -
Stand am Fenster dort das Glück -
Oder ists ein Gott gewesen?
(S. 170)
_____



Das Lied

Es frägt nach dir in meiner Brust
Ein kleiner Ton.
Der wächst und schwillt und kommt und flieht
Und ist sich selber kaum bewußt,
Und plötzlich sieht er sich so groß:-
Da ist er schon
Ein kleines Lied
Und ringt sich los.

Und betend kniet sich vor dich hin
Das kleine Lied
Und fleht um deine Huld so traut
Und schleicht sich tief in deinen Sinn:
Wie Menschenatem wehts dich an -
Und vor dir kniet
Ein Mensch und schaut
Dich glühend an.

Und du erbebst und fühlst es kaum,
Und eine Hand
Langst heiß nach dir und gräbt sich schwer
In dein Gewand: es ist wie Traum -
Und immer mehr an sich dich zieht
Die schwüle Hand -
Und immer mehr - -
Da weint das Lied.
(S. 171)
_____



Herbstabend

Die Bäume stehn so lautlos da,
Als hätten sie den Tod getrunken,
Die tiefe Stille fern und nah
Ist schwer auf mein Gemüt gesunken,
Und gelb und rotes Blattgewühl
Hängt über mir so schwer und schwül -
Und meine Sehnsucht wird so groß
Und bäumt sich auf und reißt sich los:

O komm, o komm du süßes Kind -
Ich will mich betend an dich schmiegen!
Bald klagt im Busch der Abendwind,
Da mußt du mir im Arme liegen.
Dann hebt in mir sich alle Not,
Die Bäume stehn nicht mehr so tot,
Und alles lächelt rings mir zu -
Dir zu - du lichtes Wunder - du!
(S. 172)
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Unser Zimmer

Und du wiegtest stumm im Sessel
Deine süßen Herrlichkeiten,
Und ich fühlte schwere Fessel
Sich um mein Begehren breiten.

Und vom nahen Flügel glitten
Brandend süße Melodien:
O wie habe ich gelitten
Und den Tönen Wort verliehen.

Und mein Auge war so trunken,
Wie sich unsre Blicke fiengen,
Und ich blieb in dir versunken -
Als wir von einander giengen.
(S. 173)
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Möchtest du?

Eine Villa hoch am Meeresstrand
Breit umsäumt mit blühendem Gelände,
Unser Blick schweift über Meer und Land:
Eben taucht der Morgen aus der Flut
Lichtumrankt und schleudert seine Brände
Weit hinaus. Es zischt und dampft und Funken
Sprühn, und mit den Wogen spielt die Glut. -
Schweigend du und ich am Fenster trunken,
Eng umschlungen zitternd Hand in Hand.
Möchtest du? - - -
(S. 175)
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In deiner Liebe

1.
Es ist alles zu Schönheit geworden:
Begierde und Lust -
Und die Sünde schwand.
Meiner Triebe wilde Horden
Weiden deiner Göttlichkeit bewußt
Still auf deiner Liebe silberweißen Land.


2.
O laß mich staunen still an dich geschmiegt,
Wie kann ich soviel Glück auf einmal tragen
Nach diesem Sehnen - diesen trüben Tagen!
Wie macht mich deine Liebe still und groß;
Die ganze Welt vor mir in Lichtern liegt,
Und aus den Lichtern meine Träume ragen.
O nimm mein glühend Haupt auf deinen Schoß
Und laß mich lange lauschen diesem Tagen!


3.
Sieh, wie der Himmel blaut,
Und deine Liebe blinkt
Von der Höh auf mich so mild -
Und die Welt ist licht.
Wenn die Sonne sinkt
Und die Nacht in meine Seele schaut -
Ich kenn ein Bild,
Das alles Dunkel bricht!


4.
All mein schäumendes Verlangen
Hat sich nun gelegt,
Seh dich mit geheimem Bangen
Fromm und tief bewegt.

Warst du kalt in deiner Schöne
Trieb es mich in Glut,
Wilder Leidenschaft Gestöhne
Tobte mir im Blut.

Wo Begierden schreiend lohten
Lieder still nun ziehn,
Wie vor einem lieben Toten
Möcht vor dir ich knien,

Seit mir deiner Lieb Gefunkel
Licht entgegen schlug -
Als des Mondes bleiche Dunkel
Uns zusammen trug.


5.
Mit meinen  Menschenaugen sah ich dich:
Nun trag ich tief im Herzen mein
Dein Bild.
Es ist des Herzens hellste Zier.
Oft bäumt sich hoch in mir das Tier, -
Dann geh ich tief in mich
Zu deinem Bild
Mit meiner ganzen Not -
Und zitternd legt das Tier in mir
Sich hin vor seinen Gott.


6.
In deinen tiefen Wunderaugen lesen,
Wenn sie so süß und milde nach mir sehen
Ist mir ein gnadenreiches Untergehen
In eines Gottes rätselhaften Wesen.

Dann bin ich aller Sünd und Schuld genesen,
Und meine Seele fühl ich auferstehen,
Ihr Nachen treibt, die Silbersegel blähen
Sich voll im Hauch von eines Gottes Wesen.


7.
Seh ich dich so, ist alles licht um mich -
Ich staun dich an und kann es nicht ergründen
Dies tiefe Glück, das du versenkst in mich;
Mir ist, als müßt ichs überall verkünden.

O dieser Blick! - dein Blick, wie tief er klingt,
Er zieht empor gleich einem hohen Liede,
Und alles, was da rauscht und leuchtend schwingt
Ist Friede: lautrer - tiefer - Gottesfriede.
(S. 180-183)
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Tiefen

Der Mond hieng blank am strahlend dunklen Himmel,
Nachtstürme fiengen sich im fahlen Laub,
Und uns umschlich ein breites Sausen.
Wir lauschten trunken
Und bohrten Blick in Blick: Es klang der Himmel
Und gülden leuchtete um uns das Laub -
Da glitten wir hinab:
Dein Du in mich, mein Ich in dich
Und blieben staunend in einand versunken - -
(S. 184)
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Zu deinem Glück

Ich bin erwacht:
Ein lautes Weh in meiner Brust
Trieb mich empor.
Nun lausch ich mit gespanntem Ohr
Der Nacht -
Und bin mir selber kaum bewußt.

Ich tret hinaus:
Schon rauscht der Morgen durch die Flur
So tief und still,
Und alles dich in mir nur will
Mit Sturmgebraus - -
Du mußt mir glauben ohne Schwur!

Doch nein - nicht dich!
Ich will dein Glück, o nur dein Glück!
Und siehst du fern
Von mir des Glückes hellen Stern
Tret über mich
Gelassen hin - und hol dein Glück!

Doch dann: - Mein Blick
Dringt tief in dich und schwer
Und käm die Stund -
Und hättest du kein Lächeln mehr
Um deinen wundersüßen Mund -
Dann walt ein gnädiges Geschick
So dir - wie mir: -
Der Gott in mir beschaut dein Du
In deinem Glück - dein andres Du
Umkreist ein wundes wildes Tier!
(S. 185-186)
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Notturno

Und wieder schrie sein Herz nach ihr
So bang und schwer,
Der Garten stand so still und leer
Und ohne Schmuck und ohne Zier,
Und draußen floß das Wasser blau,
Und der Himmel hieng grau
Auf der klaren Flut - -
Und er war ihr so gut - so innig gut.

Und lauter schrie sein heißes Herz
Und zog ihn fort,
Und einsam düster war der Ort,
Und auf sein Hirn stach der Schmerz.
Hohl sah der Tod durchs Gartenthor -
Und vom Wasser her drang
Ein Ton so bang - -
Und es klatschte laut und zischte empor.

Und leuchtend schwieg der Mond zu Thal
Mit düstrem Gruß;
Sie stand verweint am lauten Fluß,
Die Weiden hiengen starr und kahl,
Und sie flüsterte: du -
Und ihre Augen schmeichelten
Und lächelten schwer
Und bettelten sehr,
Und ihre Worte streichelten -
Und die Wasser rauschten immer zu.
(S. 187-188)
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Auf dem Balle

O du warst in weißem Kleide
Voller Duft und Licht,
Um dich floß die linde Seide
Wie ein süß Gedicht.

Und ich trat mit zagen Schritten
Glühend vor dich hin:
"Wär es nicht in Saales Mitten
Müßt ich niederknien."

Silbern klang an meiner Seite
Deine Traurigkeit, -
Und es zog mich in die Weite
Deiner Allgewalt.
(S. 195)
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Übermacht

Der Raum war still und schwül.
Stumm standen sie und glühten Blick in Blick,
Und eine unsichtbare Macht
Zwang seine Finger ihr ins Haargewühl,
Und unwillkürlich bog sich ihr Genick.
Da fiel auf sie ein blasser Streifen Licht,
Der ihre Schönheit nur noch mehr entfacht.
Und überwältigt von des Anblicks Glück
Zog er die Finger rasch vom Haar zurück
Und barg in seinen Händen sein Gesicht.
(S. 196)
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Huldigung

All den tiefen Zaubermächten
Deiner Blicke preisgegeben
Steh ich da: aus deinen Flechten
Sprüht ein sonnenfarbnes Leben.

Und ich fühl mich hingerissen
Von den wunderlichten Tönen,
Alles ist in mir beflissen
Dich zur Königin zu krönen.

Und was mir erglänzt hienieden
Tracht ich gierig zu erfassen,
Dir ein Diadem zu schmieden,
Dessen Strahlen nie erblassen.

Sieh! auf jenen lichten Hügel,
Der im Abendscheine blutet,
Heb'n dich meiner Wünsche Flügel
Reich von linder Luft umflutet.

Alles will sich dir bereiten
- Weiß nicht, was sich Bessres böte -
Sieh: dein Thronsaal rings die Weiten,
Baldachin die Abendröte.

Betend will ich vor dir stehen!
Um die königlichen Glieder
Flattern dir gleich Kriegstrophäen
Meine daseinstrunknen Lieder.
(S. 197)
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Dämmerstunde

Müd schleicht das Licht dem Fenster zu,
Und lauter tönt der Uhr Getick:
Im Dunkel such ich deinen Blick,
Und meine Augen schrein dir zu.

O dieses wunderdunkle Du:
Es klingt so scheu im Uhrgetick,
Und rings durchs Dunkel irrt dein Blick
Und winkt mir zu und nickt mir zu.
(S. 198)
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An Hedda

Nannt dich meinen Gott und Herrn,
Und ich frevle nicht:
Wie ein Gottesauge fern
Schimmert dein Gesicht.

Tief bewundre ich an dir
Deine Schöpferkraft,
Wie dein Anblick Wunder mir
Aus dem Chaos schafft.

All des Lebens Schatten fliehn,
Sinken in ein Nichts -
O du zauberst vor mich hin
Eine Welt des Lichts!

Eine Welt, die totbereit
Vor dir niederkniet,
Und voll seliger Trunkenheit
Dir ins Antlitz sieht.

Ja du bist der Gott in mir,
Alles drängt dir zu:
O erlöse mich zu dir
Du, mein Heiland - du!
(S. 199)
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Durch die Nacht

Ists im Hause still geworden,
Klingen meine weißen Träume
Silbern hoch vom Söller nieder
In die dunkelbleichen Räume.

Und es trägt ein Stern die Klänge
Durch die Nacht auf hellen Schwingen,
Und ein Mädchen hört verwundert
Sie im Traume wiederklingen.
(S. 200)
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Aus: Gedichte von Carl Dallago
Dresden und Leipzig
E. Pierson's Verlag 1900


Teil 2

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Dallago


 


 

 


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