Richard Dehmel (1863-1920) - Liebesgedichte

Richard Dehmel

 

Richard Dehmel
(1863-1920)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 

Empfang

Aber komm mir nicht im langen Kleid!
komm gelaufen, daß die Funken stieben,
beide Arme offen und bereit!
Auf mein Schloß führt keine Galatreppe;
über Berge geht’s, reiß ab die Schleppe,
nur mit kurzen Röcken kann man lieben!

Stell dich nicht erst vor den Spiegel groß!
Einsam ist die Nacht in meinem Walde,
und am schönsten bist du blaß und bloß,
nur beglänzt vom schwachen Licht der Sterne;
trotzig bellt ein Rehbock in der Ferne,
und ein Kuckuck lacht in meinem Walde.

Wie dein Ohr brennt! wie dein Mieder drückt!
rasch, reiß auf, du atmest mit Beschwerde;
o, wie hüpft dein Herzchen nun beglückt!
Komm, ich trage dich, du wildes Wunder:
wie dich Gott gemacht hat! weg den Plunder!
und dein Brautbett ist die ganze Erde.

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 44)
_____

 

Die Umworbene
Nach Pierre Louys


Der erste hat mir einen Schmuck geschenkt,
einen Schmuck aus Perlen, der eine kleine Stadt wert ist,
samt den Denkmälern und der Kirche,
dem Rathaus und der Steuerkasse.

Der Zweite hat mir Verse gemacht.
Er hat gesagt, ich sei viel holder
als eine Seerose im Morgenrot
und scheuer als der Abendwind.

Der Dritte war so schön,
daß seine Schwester sich umgebracht hat,
weil er sie nicht mehr küssen wollte.
Ich hätt ihm nur zu winken brauchen.

Du, du hast mir nichts gesagt.
Du hast mir nichts geschenkt, denn du bist arm.
Aber dich liebe ich.

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 22-23)

_____

 

Aus banger Brust

Die Wolken leuchten immer noch,
die dunkeln Blätter zittern sacht;
ich bin im Grase aufgewacht,
o kämst du doch,
es ist so tiefe Mitternacht.

Den Mond verdeckt das Gartentor,
sein Licht fließt über in den See,
die Weiden schwellen still empor,
mein Nacken wühlt im feuchten Klee;
so liebt ich dich noch nie zuvor!

So hab ich es noch nie gewußt,
so oft ich deinen Hals umschloß
und blind dein Innerstes genoß,
warum du so aus banger Brust
aufstöhnest, wenn ich überfloß.

O jetzt, o hättest du gesehn,
wie dort das Glühwurmpärchen kroch!
Ich will nie wieder von dir gehen!
O kämst du doch!
Die Rosen leuchten immer noch.

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 29-30)
_____

 

Allgegenwart

Du gehst nie von mir,
ich bleibe bei dir;
denn du bist in mir
fern wie nah.

In jedem Herzschlag,
der mich belebt,
bist du's, die mit mir
durchs Leben strebt.

Mit jedem Atemzug,
der mir die Seele klärt,
fühl ich, wie deine
Seele mich nährt,

die mir allinnerlich
Seele der Welt ist,
in Allem such ich dich,
du Welt mit mir!

In Allem find ich dich:
dich in dem bangen
Hinausverlangen
des Winds im Wald,

dich in dem Widerstreit
der Blätter über mir,
dich in der Innigkeit
der Gräser hier,

dich in der Wolke dort,
aus der die Sonne quillt,
wie du so lauter,
so warm und mild,

dich in der Träne,
die jetzt von Herzen still
aus meinen Augen
zu dir will.

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 54-55)
_____

 

Mannesbangen

Du mußt nicht meinen,
ich hätte Furcht vor dir.
Nur wenn du mit deinen
scheuen Augen Glück begehrst
und mir mit solchen
zuckenden Händen
wie mit Dolchen
durch die Haare fährst,
und mein Kopf liegt an deinen Lenden:
dann, du Wehrlose,
beb' ich vor dir ...

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 60)
_____

 

Entzückung

Hab ich schon mit dir gespielt,
als wir Kinder waren,
scheu um Nachbars Ecke geschielt
nach deinen flirrenden Haaren?

Wenn mich nur dein Atem streift,
fühl ich uns durchs Haidekraut springen;
wenn mich deine Hand ergreift,
möchte ich mit dir ringen.

Bist du doch so schlank und schmeid,
daß ich Tag für Tag sinne:
Spielst du mit mir Engelsmaid
oder Frau Teufelinne?

Denn in Nächten, da schwing ich dich
flügeltraumwild um hohe Feuer:
O, umschling, umschlinge mich,
glühendes Abenteuer!


aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 20)
_____

 

Das Schloß

Ich bin arm, du bist reich,
darum bau ich dir ein Schloß
aus meinen purpurnsten Träumen.
Das steht am grauen Nordseedeich,
wo die funkelndsten Wellen schäumen.

Denn unsre Liebe ist so groß,
daß die ganze Welt mir ein Spiel ist;
und alle Meere um unser Schloß
staunen, was mein Ziel ist.

Mein Ziel ist eine tiefe Nacht:
wir schwimmen auf unserm Schlosse,
und die Wellen springen an unsre Yacht
wie trunken schreiende Rosse.

Und ich lass ein wildrotes Nordlicht scheinen,
du liegst vor mir in Flammen,
und unser glühendes Schloß stürzt ein,
und wir stürzen mit ihm zusammen
und ertrinken - -

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 50-51)
_____

 

An die Ersehnte

Ich habe dich Gerte getauft, weil du so schlank bist
und weil mich Gott mit dir züchtigen will,
und weil eine Sehnsucht in deinem Gang ist
wie in schmächtigen Pappeln im April.

Ich kenne dich nicht - aber eines Tages
wirst du im Sturm an meine Türe klopfen,
und ich werde öffnen auf dies Klopfen,
und meine zuchtlose Brust wird gleichen Schlages
an Deine zuchtlosen Brüste klopfen.

Denn ich kenne dich - deine Augen glänzen wie Knospen,
und du willst blühen, blühen, blühen!
und deine jungen Gedanken sprühen
wie gepeitschte Sträucher an Sturzbächen;
und du möchtest wie ich den Stürmen Gottes trotzen
oder zerbrechen!


aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 19)
_____

 

Der weise König

Ich will nicht immer küssen;
ich will nur fühlen, du bist mein!
Und wenn du noch viel nackter wärst,
ich würde lieber zu Stein,
als heut dich küssen.

Gieb mir die stillste Stille,
die du geben kannst.
Dann will ich wie der Mondschein dort,
der auf den Blättern tanzt,
bei dir bleiben.

So sprach der weise König.
Da fiel ein Blatt in ihren Schooß,
der Wind fuhr durch den Mondschein;
sie aber nickte blos
und küßte es.

Er ist bei ihr geblieben,
er riß ihr Blatt vom Munde;
er ist die ganze Nacht geblieben
und hat sie - Gott weiß wie still - geküßt,
wohl hundertmal die Stunde.

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 60-61)
_____

 

Ruf

Immer stiller stehn die Bäume,
nicht ein Blatt mehr scheint zu leben,
und ich fühle Wüstenträume
durch den bangen Mittag beben,

bis ins bange Blut mir zittern,
bis ins Herz, wie Feuerpfeile.
O, ich lechze nach Gewittern!
Komm, Geliebte! eile! eile!

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 54)
_____

 

Die Frage

Kann ich dein Herz beglücken?
liebreiche Seele, nein.
Ich kann dich an mein Herz drücken,
fühlen mußt du's allein.

Noch im glückhellsten Gesange
schwebt ein dunkler Klang;
lausch ihm nicht zu lange,
sonst wird dir bang.

Ob ich dir tausendmal sage:
ich liebe dich -
immer doppelt bebt drin die Frage:
liebst du mich? -

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 68)
_____

 

Nicht doch

Mädel, laß das Stricken, geh,
tu den Strumpf bei Seite heute;
das ist was für alte Leute,
für die jungen blüht der Klee!
Laß, mein Kind,
komm, mein Schätzchen;
siehst du nicht, der Abendwind
schäkert mit den Weidenkätzchen! -

Mädel liebes, sieh doch nicht
immer so bei Seite heute;
das ist was für alte Leute,
junge sehn sich ins Gesicht!
Komm, mein Kind,
sieh doch, Schätzchen:
über uns der Abendwind
schäkert mit den Weidenkätzchen! -

Siehst du, Mädel, wars nicht nett
so an meiner Seite heute?
Das ist was für junge Leute,
alte gehn allein zu Bett.
Was denn, Kind?
weinen, Schätzchen?
Nicht doch! sieh, der Abendwind
schäkert mit den Weidenkätzchen! -

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 44-45)
_____

 

Gebet an die Geliebte

Meine Hoffnung du, nun hilf mir hoffen!
Schleicht der Winter schon in unser Leben,
das noch kaum ein Frühlingsstrahl getroffen?
Sahn wir darum einen Himmel offen,
nur um Grabesziele anzustreben?

Hilf mir glauben! Nimm mir nicht den Segen,
daß ich Ein Herz durch mich glücklich wisse!
O, es geht sich schwer auf meinen Wegen:
ewiges Eis starrt von den Höhn entgegen,
und im Abgrund gähnen Finsternisse.

Drum von Liebe still! Wer kann sie sagen.
Laß mich fühlen, fühlen, daß die Gluten
auch in Dir empor zu Flammen schlagen
in der Lohe uns gen Himmel tragen,
und das Eis zerschmilzt in Lavafluten!

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 62-63)
_____

 

Die Getrennten

Nie mehr bin ich allein,
gleich bebt in mir deine Stimme:
Du, wie ist dir ums Herz?
Du, wie ist dir ums Herz?

Wie dem Schwanenpaar damals,
das wir beim Nestbau belauschten,
Beide wie Ein Herz bewegt,
Beide wie ein Herz bewegt.

Oh, jetzt bin ich allein,
jetzt bebt in mir deine Stimme:
Oh, wo bist du, mein Herz?
Du, wo bist du, mein Herz!

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 56)
_____

 

Bewegte See

Noch Einmal so! Im Nebel durch den Sturm:
das Segel knatterte, die Schiffer schrieen,
am Bugspriet stand das Wasser in meinen Knieen
und sah dein stolz und fremd Gesicht.

Noch Einmal wollte mir dein Auge drohn,
wie eine Flamme stand dein Haar im Winde,
doch in den Wellen rang ein Ton
wie das Gewein von einem Kinde -
da wehrtest du mir nicht:

Um meine Lippen lag dein naß wild Haar,
um deine Schulter lag mein Arm gezogen,
und unsern Kuß versüßte wunderbar
der Schaum der salzigen Sturzwogen -
da schrie ich laut vor Freude auf.

Noch Einmal so ! Was tust du jetzt so kalt,
hast du denn Furcht vorm offnen Meere?
Es peitscht dich warm! Komm bald, komm bald!
im Hafennebel tanzt die Fähre -
hinaus! hinauf!

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 49)
_____

 

Nachtgebet der Braut

O mein Geliebter - in die Kissen
bet ich nach dir, ins Firmament!
O könnt ich sagen, dürft er wissen,
wie meine Einsamkeit mich brennt!

O Welt, wann darf ich ihn umschlingen!
O laß ihn mir im Traume nahn,
mich wie die Erde um ihn schwingen
und seinen Sonnenkuß empfahn

und seine Flammenkräfte trinken,
ihm Flammen, Flammen wiedersprühn,
oh Welt, bis wir zusammensinken
in überirdischem Erglühn!

O Welt des Lichtes, Welt der Wonne!
O Nacht der Sehnsucht, Welt der Qual!
O Traum der Erde: Sonne, Sonne!
O mein Geliebter - mein Gemahl -

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 59)
_____

 

Entbietung

Schmück dir das Haar mit wildem Mohn,
die Nacht ist da,
all ihre Sterne glühen schon.
All ihre Sterne glühn heut Dir!
du weißt es ja:
all ihre Sterne glühn in mir!

Dein Haar ist schwarz, dein Haar ist wild
und knistert unter meiner Glut;
und wenn die schwillt,
jagt sie mit Macht
die roten Blüten und dein Blut
hoch in die höchste Mitternacht.

In deinen Augen glimmt ein Licht,
so grau in grün,
wie dort die Nacht den Stern umflicht.
Wann kommst du?! - Meine Fackeln lohn!
laß glühn, laß glühn!
schmück mir dein Haar mit wildem Mohn!

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 21)
_____

 

Jetzt und immer

Seit wann du mein - ich weiß es nicht;
was weiß das Herz von Zeit und Raum!
Mir ist, als wärs seit gestern erst,
daß du erfülltest meinen Traum,

mir ist, als wärs seit immer schon,
so eigen bist du mir vertraut:
so ewig lange schon mein Weib,
so immer wieder meine Braut.

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 54)
_____

 

Überraschung

Über die grauen Dächer weg,
hoch hier oben,
durch die langen roten Nelken,
die vor meinem offnen Fenster
leise zwischen mir
und dem blauen Abendhimmel schwanken,
will mein Herzschlag
mit meiner Seele
hinaus, hinauf.

Um die höchste goldene Kirchturmkugel,
im letzten fernen Lichte,
mit hellen Flügeln,
zieht ein Taubenschwarm
eilende Kreise
über dem Hause
meiner Geliebten.

Aus dem blassen Westen
dringt der erste Stern und überflimmert
scheu den lauten Dunst und trüben Lärm
der großen Stadt hier unten,
wie der erste blinkernde Traumgedanke
aus dem grauen Schwarm der Lebensfragen
in der Seele des Müden taucht -
da klopft es.

Klopft und ist auch schon im Stübchen,
sitzt mir auf dem Diwan gegenüber,
sagt kein Wort, es zittert nur ihr Atem,
nur das lose Ringelhaar,
nur die Lippen und die rote Bluse
auf dem jungen, warmen, raschen Busen;
und ich sage auch nichts.

Ihre bangen Augensterne wagen
in der stummen Dämmerung des Stübchens
hoch hier oben
einen süß beredten Evablick
nach den langen roten Nelken hin;
o, ihr Augen - -

Und ich angle nach ihr mit den Beinen,
diesen Perpendikeln meines Herzens:
Kleine, merkst du,
was die Uhr geschlagen hat? -

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 41-43)

_____

 

Wirrsal

Weine nicht, mein treues Weib!
Jene Andre, die mich auch liebt,
die beglückt wohl meinen Leib,
aber Du hast meine ganze Seele.

Und du bist ihr nicht verhaßt.
Mußt du sie nicht mit mir lieben,
die so innig zu mir paßt
wie mein ganzer Leib zu meiner Seele?

Sie beglückt doch diesen Leib,
den sie liebt und der sie auch liebt,
wie er Dich beglückt, mein Weib!
Und dann hat sie meine ganze Seele ...

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 55)
_____

 

Narzissen

Weißt du noch, wie weiß, wie bleich
in den Maiendämmerungen,
wenn ich lag, von dir umschlungen,
dir zu Füßen hingerissen,
um uns schwankten die Narzissen?

Weißt du noch, wie heiß, wie weich
in den blauen Juninächten,
wenn wir, müde von den Küssen,
um uns flochten deine Flechten,
Düfte hauchten die Narzissen?

Wieder leuchten dir zu Füßen,
wenn die Dämmerungen sinken,
wenn die blauen Nächte blinken,
wieder duften die Narzissen.
Weißt du noch, wie heiß? wie bleich?

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 2 S. Fischer Verlag Berlin 1913 (S. 11-12)
_____

 

Lobgesang

Wie das Meer
ist die Liebe:
unerschöpflich,
unergründlich,
unermeßlich:
Woge zu Woge
stürzend gehoben,
Woge um Woge
wachsend verschlungen,
sturm- und wetter-geberdig nun,
sonneselig nun,
willig nun dem Mond
die unaufhaltsame Fläche -
doch in der Tiefe
stetes Walten ewiger Ruhe,
ungestört,
undurchdringbar dem irdischen Blick,
starr verdämmernd in gläsernes Dunkel -
und in der Weite
stetes Wirken ewiger Regung,
ungestillt,
unentwirrbar dem irdischen Blick,
wild verschwimmend im Licht der Lüfte:
Aufrausch der Unendlichkeit
ist das Meer
ist die Liebe.

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 71-72)
_____

 

Deine Nähe

Zitternd bin ich aufgesprungen,
glühend, mit dem Tageslichte,
dir zu singen die Gedichte,
die ich dir im Traum gesungen.

Nie ertönte Innenklänge,
zauberzarte, weiche, milde;
nie vernommne, heiße, wilde,
heilig brausende Gesänge.

Und sie alle, alle rauschten
Deinen, immer Deinen Namen,
bis des Erdballs Völker kamen
und auf deine Ankunft lauschten.

Kamen aus den fernsten Landen,
sprachen wohl in allen Zungen;
doch von Dir, von Dir bezwungen,
haben alle mich verstanden.

Eines nur der tausend Lieder,
eines nur noch einmal singen:
ewig würd' es weiterklingen!
Ach, ich finde keines wieder.

Stumm im Herzen nur ein Schauern,
nur ein brennendes Verzagen,
ein Verlangen und ein Fragen:
Komm! was läßt du mich so trauern?!

aus: Richard Dehmel Gesammelte Werke
in drei Bänden. Band 1 S. Fischer Verlag Berlin 1920 (S. 57-58)
_____

 



Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Dehmel

 

 


zurück zum Dichter-Verzeichnis

zurück zur Startseite