Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Prinzessin Hsi-tschün
(um 100 v. Chr.)

chinesische Dichterin



Die Königin von Wusun

Mein Geschlecht hat mich
Ach! vermählt,
Mich geschickt weit, weit
In die Welt.

In dem fernen Land
Der Wusun,
Ach! des Königs Weib
Bin ich nun.

Ach! in einem Zelt
Wohn' ich jetzt,
Und die Hauswand Filz
Mir ersetzt.

Meine Speise ist
Fleisch allein,
Kumyss schenkt dazu
Man mir ein.

Ach! es brennt mein Herz,
Seit ich hier,
Nur der Heimat denkt's
Für und für.

Gelber Kranich sein
Möcht ich gleich,
Flög' dann schnell zurück
In mein Reich.


(Diese Perle chinesischer Dichtkunst, welche von Parker in seinem
"Philological Essay" (Giles Dict.) gebührend gewürdigt wird,
soll eine chinesische Prinzessin, Hsi-tschün, Tochter des Fürsten
von Tschiang-tu, welche etwas im Jahre 100 v. Chr. an einen
alten Kirghisen-Fürsten Kun-mo verheirathet wure, zur Verfasserin haben.
Das Metrum, welches wie ein Seufzer klingt, ist genau dem Original nachgebildet.)

Übersetzt von Alfred Forke (1867-1944)

Aus: Blüthen chinesischer Dichtung
Aus der Zeit der Han- und Sechs-Dynastie
II. Jahrhundert von Christus bis
VI. Jahrhundert nach Christus
Aus dem Chinesischen metrisch übersetzt von A. Forke Magdeburg 1899
Commissionsverlag Faber'sche Buchdruckerei (S. 10)
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