Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Maria Grigorjewna Kühlstaedt  
(1861-?)

russische Dichterin

 

Die Wölkchen

Wölkchen mit goldenen Säumen
ziehn hoch am Himmel zuhauf -
heiliges Sinnen und Träumen
lebt in dem Herzen mir auf.

Längst überwundenes Sehnen
kehrt in die Seele zurück;
wiederum beben mir Tränen
selig im alternden Blick.

Was mir das Herz einst erbittert -
dessen denkt nicht mehr die Brust;
hell in den Wölkchen erzittert
Abglanz erloschener Lust.

Nachts, wenn die Wölkchen zerfließen,
gehn auch die Träume zugrund …
Mögen die Augen sich schließen -
lächeln wird ihnen mein Mund! (S. 37)

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Die Schwalben

Heim im Glockenturme sind die Schwalben wieder,
in dem blauen Äther ziehn sie Kreis um Kreis,
heller stets und freier klingen ihre Lieder -
neuen Hoffnungsfrühling jubelt ihr Verheiß.

Auf der Kirche Kreuze, gleichwie höhre Weihe,
gleichwie Antwort, funkelt hell des Lenzes Licht …
Sonne … Aufflug … Lieder! … Schrankenlose Freie! …
Herz, du kannst nicht fliegen – drum so poche nicht! (S. 37)

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Biographie:

schwedischer Abstammung, wurde am 28. / 16. Oktober 1861 als Tochter des Kronbeamten G. Wesselkow in Petersburg geboren. Sie beendete ihre Bildung 1880 am Nikolaj-Waisenstift daselbst und heiratete 1884. Ihre literarische Tätigkeit begann 1900; ihre lyrischen, epischen und dramatischen Werke veröffentlichte sie unter dem Pseudonym "M. K." – Lebt in Petersburg.
 

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  In der Übersetzung von Friedrich Fiedler (1859-1917)
 

Gedichte und Biographie aus: Russische Dichterinnen. Ausgewählte Dichtungen übertragen und mit biographischen Notizen versehen von Friedrich Fiedler.
Leipzig Verlag von Philipp Reclam jun. 1907
 

 

 


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