Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Sofie Podlipska
(1833-1897)

tschechische Dichterin



Die Unerkannte

Jüngst träumt' ich, dass ich die Vila war,
Die bleiche Vila mit blondem Haar.

Es taucht' in die Wellen das Mondlicht traut
Und brachte einen gar süssen Gruss,
Von meinen Augen, thränenbethaut,
Verscheucht' den Schlummer sein kühler Kuss.

Da ich nun oben am Spiegel schwamm,
Das Mondlicht beschien mich wundersam.

Du gingst auf der Brücke wohlgemuth -
"Wie leuchtet der Mond so wundermild!"
Dann sahst du hinunter in die Flut -
"Wie prächtig spiegelt sich dort sein Bild!"

Das arme Antlitz, gebleicht so sehr,
Mein Theurer, kennst du es nimmermehr?
(S. 639)

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Übersetzt von Alfred Waldau (1837-1882)

Gedicht aus: Slavische Blätter. Illustrirte Zeitschrift für die
Gesammtinteressen des Slaventhums.
Herausgegeben und redigirt von Abel Lukšic
Erster Jahrgang Wien 1865
Sechzehntes Heft: Böhmische Dichterinnen

 


Biographie:

Podlipská Sofie, geb. Rottová, Schriftstellerin. * Prag, 15. 5. 1833; + Prag, 17. 12. 1897. Jüngere Schwester der Schriftstellerin K. Svetlá, Gattin des Mediziners und Schriftstellers Josef Podlipsy; stammte aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie und erhielt eine gute Allgemeinbildung. Nach ihrer Eheschließung (1858) erwachte in ihr das nationale Bewußtsein. Sie entwickelte eine bedeutende Tätigkeit in der öff. Frauenbewegung (Amerikan. Damenklub, Mädchenschutz, Gründung des tschech. Mädchengmn. Minerva, des ersten Mädchengymn. in der Österr.-ung. Monarchie, etc.). Nach dem Tod ihres Mannes (1867) widmete sich P. vor allem literar. Arbeiten. 1872-75 red. sie die "Zenská bibliotéka", 1874 den Amanach "Souzvuk". Sie verkehrte mit den meisten tschech. Schriftstellern ihrer Zeit, bes. mit Vrchlicky, ihrem späteren Schwiegersohn, auf den sie einen entscheidenden Einfluß ausübte. P. Publ. zuerst in der Z. "Lumir" (1860), dann in Z. wie "Osveta", Svetozor", "Kvety", "Rodinná kronika" und "Zlatá Praha". Sie schrieb zahlreiche Novellen, Erz. und Romane aus Vergangenheit und Gegenwart, in denen sie Frauenschicksale in den Vordergrund stellte. Ihre nicht überzeugenden Gestalten kranken jedoch oft an übertriebener moralisierender Erziehungstendenz sowie an ihrer sentimentalen und weitschweifigen Ausdrucksweise. Zu ihren besten Arbeiten gehört ihre Schilderung Prags um die Mitte des 19. Jh.

aus: http://www.onb.ac.at/ariadne/vfb/bio_podlipska.htm



 

 


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