Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Wadschiha

die Tochter des Aus von Dabba
(6. - 8. Jh.)

arabische Dichterin

 

Als sie südlich in Koßaiba verweilte,
und der Aufenthalt ihrer Stammesgenoßen
nördlich in Soddach Elnemeira war.

Tadlerinnen kommen, meine Liebe zu bezischen,
können doch nicht aus der Seele mir die Sehnsucht wischen.

Ist es Sünde, daß ich liebe meiner Stammgenoßen
Siedlung dort, und haße hier Koßaiba's Tamarisken?

Wenn ein Wind zum Boten taugte Grüße zu bestellen,
wollt ich hier in Bergesklüften einen Süd anfrischen;

Zu ihm sagen: Bring zu ihnen meine Gruß, und hüte
dich (so mögest du lang athmen) ihn mit Staub zu mischen.

Ach, und wenn ein Nordwind hauchte, wollt ich ihn befragen:
Rückte Soddach Elnumeira nicht inzwischen?

 

Anmerkung [von Friedrich Rückert]:
Die einzige Dichterin unter den Dichtern dieses Buches [Buch der Liebeslieder], da in dem der Totenklagen beinah so viel Frauen als Männer auftreten; nur die Totenklage scheint den Frauen den Mund aufzutun, der über ihre Herzensangelegenheiten verschloßen bleibt. Doch diese einzige hier kann mit ihren wenigen Zeilen leicht einer ganzen Schaar ihrer Zunftgenoßen, namentlich der Ungenannten, die Spitze bieten. Aber auch sie singt nicht eigentlich Liebe, sondern Heimweh. Sie kann eine Kriegsgefangne sein, auch wohl eine in die Fremde verheiratete. Wenn wir sie aber die einzige Dichterin hier nennen, so ist damit gemeint: die einzige von beglaubigter Autorschaft.


 

Übersetzt von Friedrich Rückert (1788-1866)

Aus: Hamasa oder die ältesten arabischen Volkslieder
gesammelt von Abu Temmam
übersetzt und erläutert von Friedrich Rückert
Stuttgart 1846

 


 

 


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