Adolph Donath (1876-1937) - Liebesgedichte



Adolph Donath
(1876-1937)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Weiße Rosen

Auf einem zitternden Rosenblatt
Schaukelt ein neckischer Schmetterling,
Hascht nach dem gelben Blütenstaub,
Flattert und fliegt in des Tages Pracht,
Fliegt in die Nacht,
Stirbt in der Nacht . . . -
Neckische Mädchen suchen den Schmetterling,
Tanzen und lachen und lachen und singen,
Während die Geister der Nächte ringen
Und um die Unschuld der Mädchen losen . . .
Und es erröten die weißen Rosen,
Senken die Köpfchen und beten und weinen . . .
Aber die Geister höhnen und lachen,
Spritzen das Blut aus dem höllischen Rachen,
Werfen mit zackigen blutigen Steinen
Nach den zitternden weißen Rosen . . .
Und sie umkreisen die neckischen Mädchen,
Werfen mit nachtbetauten Blüten,
Werfen mit farbigen Zuckerdüten,
Fangen die Mädchen, küssen die Mädchen,
Schleppen sie weg in die lauschende Nacht . . .
Lauschende Nacht - - - -
Und auf der rauchenden blutigen Erde
Blühen auf zackigen blutigen Steinen
Weiße Rosen, die beten und weinen.

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 13-14)

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Ein Liedchen
Detlev v. Liliencron zu eigen

Draußen auf den grünen Feldern
Spielten weiße Schmetterlinge.
Weiße, schwarze, gelbe, blaue,
Rotgefleckte Schmetterlinge.
Vöglein hüpften auf den Ästen,
Piepten, zwitscherten und lachten.
Von den grünen Feldern tönte
Jugendfrischer Sichelklang.
Und die goldnen Sonnenstrahlen
Schielten schlau zu mir herüber.
Grüne Felder. Rote Jacken,
Kerngesunde rote Wangen,
Kerngesunde rote Lippen,
Schelmischfrische Mädchenaugen!
Und die Mädchen sangen leise,
Leise, leise . . . ganz verstohlen:

Kling, klang mit der Sichel
Im grünen Feld,
Mir und dem Liebsten
Gehört die Welt.

Klitsch, klatsch mit den Küßchen
Von Mund zu Mund,
Die Seelen flüstern
Zur Abendstund.

Patsch patsch mit den Händchen,
In Manneshand,
Wir bauen uns traulich
Ein Häuschen im Land. - -

Zitternd klangen diese Töne
Fort in meiner wunden Seele,
Klangen, klangen und entflammten
Dürstendheißes Lustverlangen.

Und die goldnen Sonnenstrahlen
Schielten schlau zu mir herüber . . .
Und ich rannte zu den Mädchen,
Nahm die erste beste mir.
Und ich tollte und ich küßte,
Küßte sie auf ihre Wangen,
Auf die kerngesunden Wangen,
Auf den runden roten Mund . . .
Und die andern Mädchen lachten,
Ihre roten Jacken schienen
Immer röter mir zu werden,
Und das Liedchen hört' ich singen,
Lauter immer lauter singen:

Kling klang mit der Sichel
Im grünen Feld,
Mir und dem Liebsten
Gehört die Welt.

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 16-18)

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Ein Künstlerlied

Gebt mir ein Mädel und gebt mir ein Geld,
Dann flieh ich hinaus in die tosende Welt.
Und wenn die Wälder in Sonne stehn,
Wollen wir leise vorübergehn,
Ganz leise und sacht,
Bis die Mitternacht
Ihre weichen duftenden Hände faltet
Und in den Städten das Leben erkaltet.

Dann singt mir mein Mädel den schönsten Sang,
Der je durch die zitternde Mitternacht klang,
Und drückt mir die lechzenden Lippen zu
Und drückt mir die flammenden Augen zu
So leise und sacht,
Bis der Tag erwacht,
Der uns die schimmernden Blumen breitet
Und sie zu ewigen Sonne leitet.

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 20)

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Frau Venus

Ich sah, wie in der Sommernacht
Frau Venus ihre Hände rang,
Frau Venus sang:

"In meiner Seele ist der Tag verglüht,
Und alle meine Träume sind verblüht.
Es hat die Nacht die Mädchen mir geraubt,
Es hat die Nacht die Liebe mir geraubt,
Die weiße Blüte, die mich freundlich schmückt,
Hat sie zerdrückt.

Blutfackeln stehn in ihrem schwarzen Hain,
Nachtfalter schwärmen um den roten Schein,
Die Bäume rauschen höhnend in die Luft,
Wenn aus der Nacht die graue Eule ruft . . .
Die Lust auf weichen Seidendecken hockt
Und lacht und lockt."

Frau Venus weint. Es schleicht das kalte Leid
Um sie herum im grauen Lumpenkleid
Und klagt und schreit:

"Du hast den Tod dir selbst bereitet,
Du hast zur Wollust sie geleitet.
Die Mädchen, die um Liebe baten,
Hast Du der Sommernacht verraten.
Mein ist die Rache! Tief und rot
Trifft der Tod."


Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 21-22)

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Trotz Gott und Welt

Ich saß mit ihr im Sternenglanz
Und hielt sie sanft umschlungen,
Als in der müden weiten Welt
Der letzte Ton verklungen.

Doch als das freie Lied erscholl:
Es ist der Mai gekommen!
Da hab ich meiner Nachbarin
Das Herzchen weggenommen.

Und hab es schnell zu mir gesteckt.
Sie hat es Gott befohlen -
Da hab ich ihr trotz Gott und Welt
Den ersten Kuß gestohlen.


Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 23)

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Erlösung

Ein großes Kreuz starrt in die Fluten nieder,
Die träumend-still ins Sonnenbluten sehn,
Und von den Bergen klingen Abendlieder
Und klingen wieder,
Wenn von den Feldern Schnittermädchen gehn.

Wir rudern unsern Kahn im Wellenkreise
Und blicken stumm aufs Kreuz am Uferrand -
Und aus den Wellen singt und klingt es leise . . .
Wie eine Weise
Aus einem glutgebornen Zauberland.

Und wieder starrt das Kreuz . . . Dann sinkt es nieder. -
Da küß ich Dich mit flammendheißer Glut
Und drücke sanft Dein Köpfchen zu mir nieder
Und küsse wieder . . .
Die Sterne leuchten segnend in die Flut.


Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 24)

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Im Arm des Abends

Ein braunes Reh durchgraste unsern Hain
Und äugte in den grünen Busch hinein.
Da saßen wir im großen Sonnenbrand.
Du legtest einen Zweig in meine Hand
Und betetest wie frischer Kindesmund
So andachtsvoll für unsern Seelenbund.
Im Winde flogen Deine Worte fort
Und segneten so manchen stillen Ort . . .
Die Sonne sank. Des Waldes Blütenmeer
Erzitterte vor ihrem Strahlenheer.
Mit einer roten Dornenkrone lag
Im Arm des Abends betend da der Tag.

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 26)

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Eine Welt . . .

Eine Welt will ich mir bauen,
Wo nur junge Mädchen wohnen,
Die in seidenen Gewändern
Wandeln, wenn der Tag gestorben.

Und ich küsse ihre Hände,
Und wir tanzen einen Reigen,
Und die Mädchen singen leise
Mir das Lied der Schwesterliebe.

Und sie alle breiten segnend
Ihre marmorweißen Hände
Auf mein Haupt und alle beten
Für die Zukunft ihres Dichters . . .

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 27)

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Unser Glück

Es hat die Nacht die bleiche Hand erhoben
Und tausend Sterne hingesät.
Durch mondeshelle Lüfte weht
Zitternd die Sehnsucht von dort oben; -

Sie steigt hinab, von Licht und Traum umschlungen
Und drückt das Glück in unsre Hand.
Da hat sich von der Himmelswand
Ein weißes Sternchen losgerungen . . .

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 36)

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Lieder einer Verlorenen

I.
Ich bin ein kleines Kind
In einem roten Röckchen,
Ich spiele wie der Frühlingswind
Mit silbernen Maienglöckchen.

Ich spiele auch mit Männern viel,
Die träumen in meinen Küssen . . .
Es stirbt mein leichtes Seelenspiel,
Wenn wir uns lieben müssen . . .


II.
Meine Mutter ist eine arme Frau,
Ich bin ihre einzige Habe.
Zwei Tropfen schenkt ihr der Morgentau
Als winzige Gottesgabe.

Die Tropfen hängen an ihrem Mund
Wie funkelnde Edelsteine,
Mir aber werden die Augen wund,
Wenn ich um die Mutter weine . . .


III.
Es kommt die Nacht. Die Seide rauscht,
Und alle Mädchen singen.
Ich zieh mein grünes Kleid mir an,
Das muß viel Glück mir bringen.

Und alle Thränen müssen fliehn,
Die Augen müssen lachen,
Daß wir in stiller dunkler Nacht
Uns alle glücklich machen.

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 39-41)

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Weil es Frühling ist . . .

Kleine, mach dem  Scherz ein Ende!
Reich mir Deine weißen Hände!
Will Dir rote Blüten pflücken,
Will Dein Haar mit Blumen schmücken,
Küssen, weil es Frühling ist . . .

Und die Kleine läßt das Schmollen,
Und wir küssen und wir tollen,
Spielen Fangen und Verstecken
Zwischen weißen Schlehdornhecken,
Lieben, weil es Frühling ist . . .

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 43)

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Du . . .

Du hast so seltsam graue Augen,
Aus denen ein Geheimnis spricht,
Wenn von der purpurroten Ampel
Herniederfließt das blasse Licht.

Du hast so seltsam zarte Hände,
So weiß, so bleich, so frühlingsrein,
Und Lippen, die nur leise flüstern:
Nur Du darfst küssen, Du allein.

Nur Du darfst meine Augen feuchten
Und träumend küssen mich zu Ruh,
Bis in der sanften Nacht des Frühlings
Verklingt das leise Du . . . oh Du . . .

Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 63)

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Von still vergangnem Leid . . .

I.
Du bist so still in Dich gekehrt,
Sag mir Dein großes Weh!
Du darfst Dich ganz mir anvertraun,
Ich will ins wunde Herz Dir schaun,
Daß ich Dein Leid versteh.

Du weinst? Du hast die Augen rot,
So bleich den kleinen Mund . . .
Die Engel singen Dir ein Lied.
Der Abend flammt. Es küßt der Süd
Den Schmerz von Deinem Mund.


II.
Ans Fenster klopft die Sommernacht
Mit schwarzer Geisterhand
Und schüttet ihrer Sterne Pracht
Tief in Dein Herz. Das hat gelacht
In meiner starken Hand.

Und hat getanzt und laut geschrien:
"Küßt, bis der Morgen lacht! . . .
Seht, wie die dunklen Fernen glühn
Und rote Feuergarben sprühn . . .!
Küßt, bis der Morgen lacht!"


III.
Du lehnst so müd, so engelgleich
An meiner jungen Hand,
Und träumst so süß, so frühlingsweich,
Mich in ein fremdes Land.

Dort eilt der Gott, den wir geträumt,
Auf Blütenzweigen hin,
Die dunkelrote Rose träumt
Auf rotem Turmalin.

Dort ruhst Du sanft, ein Engelbild,
Im weißen Seidenkleid,
Und singst so mild, und singst so wild
Von still vergangnem Leid . . .


Aus: Tage und Nächte Gedichte von Adolph Donath
Verlegt bei Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1898 (S. 70-72)

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Gebete

Die gold'nen Sterne leuchten schon
Wie Märchenaugen durch den Hain.
Nun wollen wir wie Kinder sein
Und beten . . . Du und ich.

Wir beten um des Tages Brot,
Um Arbeit, die uns Kräfte leiht,
Um Frohsinn, den die Sonne weiht,
Um Liebe . . . Du und ich.

Und beugst du leise deinen Mund
Mir zu, du stilles, blasses Kind,
Dann fühl' ich, was Gebete sind.
Und träume . . . Du und ich.

Aus: Mensch und Liebe
Neue Gedichte von Adolph Donath
Ernst Hofmann & Co. Berlin 1902 (S. 10)

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War eine einsame Königin . . .

War eine einsame Königin,
Trug diamantene Kronen.
Nur wenn der Frühling zu Gaste war,
Flocht sie ins goldene Königshaar
Duftende Anemonen.

Sah wie ein Kind der Sonne zu,
Wie sie die Welten streifte,
Wie sie die Glut in die Erde goß,
Und wie ihr Licht in die Knospe floß,
Und wie die Blüte reifte.

War ein Fluten im ganzen All
Wie von jauchzenden Klängen.
Leben strömte aus Leben hervor,
Und was die Sonne zum Werden erkor,
War ein liebendes Drängen.

Also träumte die Königin
Bilder vom Weltgetriebe,
Träumte von flammender Leidenschaft,
Fühlte des Lebens wachsender Kraft
Und seine stürmende Liebe.

Aus: Mensch und Liebe
Neue Gedichte von Adolph Donath
Ernst Hofmann & Co. Berlin 1902 (S. 16-17)

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Wenn deine Augen thränenfeucht
Um einen Kuß mich bitten,
Als sprächen sie voll Güte aus,
Was du um mich gelitten,

Umfass' ich dich und küsse dich
Auf Mund und Stirn' und Wangen,
Als wollt' ich, einem Büßer gleich,
Dein Leid dir abverlangen.

Aus: Mensch und Liebe
Neue Gedichte von Adolph Donath
Ernst Hofmann & Co. Berlin 1902 (S. 32)

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Deine goldnen Haare wallen,
Wenn im Herbst die Nebel fallen,
Zitternd mir ins Angesicht.
Und wenn an den grauen Tagen
Alle um die Sonne klagen,
Klag' ich um die Sonne nicht.

Darum küss' ich deine weißen,
Schmalen Finger, deine heißen
Wangen ohne Rast und Ruh,
Darum trink' ich deine tollen
Küsse, schließ ich deine vollen
Lippen ohne Antwort zu.

Aus: Mensch und Liebe
Neue Gedichte von Adolph Donath
Ernst Hofmann & Co. Berlin 1902 (S. 33)

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Gieb mir deine stillen Träume,
Deine hellen Morgenlieder,
Und ich fühle dich und sinke
Dankend dir zu Füßen nieder.

Und ich schmücke dich mit Rosen,
Die voll Glut und die voll Leben,
Denn du hast um meine Liebe
Deine Seele mir gegeben.


Aus: Mensch und Liebe
Neue Gedichte von Adolph Donath
Ernst Hofmann & Co. Berlin 1902 (S. 34)

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Biographie:

http://www.yivoencyclopedia.org/article.aspx/Donath_Adolph



 

 


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