Carl Ferdinand Dräxler-Manfred (1806-1879) - Liebesgedichte

Carl Ferdinand Dräxler-Manfred



Carl Ferdinand Dräxler-Manfred
(1806-1879)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





Erwachen

Es war der Frühling längst herangekommen,
Ich aber lag im Winterschlafe tief,
Und hatte nicht den Jubelruf vernommen,
Der Jeden auferweckte, der da schlief.

Auf schlugen Blumen ihre Farbenaugen,
Die Wiesen thaten sich gar prächtig an,
Und neue Frühlingsstrahlen einzusaugen,
War jedes Herz und Auge aufgethan.

Die Fluten rauschten lispelnd in die Lüfte,
Die Vöglein schlugen hell im Blätterhaus,
Der Himmel sandte seine milden Düfte
Und Nachts die stille Silberheerde aus.

Da freuten rings sich Alle, die da wallten,
Ein Jeder jauchzte, jubelte und sang:
Es war, als ob ein Blühen und Entfalten
Aus Menschenherzen wie aus Knospen drang.

Doch all die holden Zauber, ach, sie trafen
Mich nicht, und ich verstand ihr Wesen kaum,
Mußt' ich doch stets im Winterschlummer schlafen,
Und sah das Schöne alles nur im Traum.

Der Frühling zog als milder Segenüber,
Der süßen Blüthenbalsam niedergießt,
An meinem inneren Gesicht vorüber,
Und hat mich nur im holden Traum begrüßt.

Ich aber schlief; er ging und kehrte wieder,
Und neu begann des Spieles heitre Pracht,
Und sank als schönes Traumbild auf mich nieder,
Doch riß mich's nicht aus meiner Winternacht.

Da kam die Liebe mit den Himmelsklängen,
Worin ein Meer von stiller Wonne fließt,
Und hat mit paradiesischen Gesängen
Mich aus den tiefen Träumen aufgeküßt.

Sie hat den Schlaf vom Auge mir gesungen,
Sie hat den Schmerz vom Herzen mir geko'st,
Sie hat mit Seligkeiten mich durchdrungen,
Mit Hoffnung und mit wunderbarem Trost.

Sie hat mich Alles, Alles kennen lehren:
Den Himmel, der ein Abbild ist von ihr;
Die tiefe Harmonie dort in den Sphären,
Die schöne Wirklichkeit im Lenze hier.

In ihrem Auge, wie in einem Spiegel,
Da sah ich Alles wundervoll und rein,
Die Seele mit dem mächt'gen Himmelsflügel,
Die Welt, das Leben, Schaffen und Gedeihn.

Eh' ich noch durch der Liebe Ruf erwachte,
Da war mein Leben nur ein ew'ger Gram,
Weil ich's im trüben Winterschlaf verbrachte,
Selbst wenn der Frühling in die Fluren kam.

Nun sich die Liebe meiner angenommen,
Ist aufgegangen mir ein Stern der Lust:
Der Frühling mag nun gehen oder kommen,
Für ewig ist es Lenz in meiner Brust.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 169-171)
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Die reine Liebe

Der reinen Liebe ist das ganze Leben
Rings aufgethan gleich einem offnen Buche,
Sie weiß mit ihrem frommen Zauberspruche
Sich über Welt und Zeit hinwegzuheben.

Sie schmückt die Kinder, die ihr sind gegeben,
Die Wünsche, mit der Hoffnung grünem Tuche,
Und späht, als ob sie ew'gen Frühling suche,
In der Natur geheimnißvolles Weben.

Sie sucht die Seele, die mit ihr sich gatte,
Und prüft sie mit den Strahlen ihres Blickes;
Sie wandelt, ohne daß sie je ermatte,

Ein Pilger nach dem Orient des Glückes;
Sie schwimmt auf einem blanken Lilienblatte
Rein durch das Meer des irdischen Geschickes.


aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 172)
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Der Tanz

Doppelt reizend sind die Frauen,
Wiegt der Tanz sie hin und her,
Wunderlieblich anzuschauen,
Wie ein buntes Blumenheer.

Dort die edlen Rosenarten,
Tulpen findet hier der Blick,
Zwischendurch der grüne Garten
Voll Entzücken und Musik.

Kronen reicherblüht und offen,
Knospen voller Blüthenmuth,
Augen reich an süßem Hoffen,
Herzen fähig tiefer Gluth.

All die Blätter rauschen leise,
Und die schönen Kelche glüh'n,
Wiegt des Tanzes Zefirweise
Sie auf ihren Melodie'n.

Bis daß, müde des Entschwebens,
Jedes Blättchen niedersinkt,
Und der heiße Thau des Lebens
Auf der schönen Blume blinkt.


aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 173-174)
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Mädchenzauber

Lose Rose an dem Stocke,
Rings von Düften reich umringt,
Gleicht sie nicht der Purpurglocke,
Die von stiller Lust erklingt?
Ist die Rebe am Geranke,
Das um Stäbe dicht sich schwingt,
Nicht ein fröhlicher Gedanke,
Uns bedeutend: Menschen trinkt?

Doch gepflückt vom grünen Stengel
Und vom Mädchen zugesandt,
Gleicht die Rose einem Engel,
Der den Weg zum Herzen fand;
Und der Wein, im Becher schäumend
Und kredenzt von Mädchenhand,
Wird zur Liebesgluth, die träumend
Herzen an einander band.

Mädchenhände, Zauberwaffen,
Die ihr Schönes nur erschließt,
Deren wunderbarem Schaffen
Süßgeheime Lust entsprießt,
Die zu Liebesparadiesen
Alles ihr zu wandeln wißt:
Seid zu tausendmal gepriesen,
Seid zu tausendmal geküßt!

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 175-176)
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Aus dem Buche der Liebe

1. Der Brief

Wenn die Liebe nun ein Brief ist,
Der bedeutungsvoll und tief ist,
Muß ein süßer Mund ihn siegeln,
Sein Geheimniß streng zu zügeln;
Schreiben muß ihn eine Seele,
Daß ihm Innigkeit nicht fehle:
Aber mit dem Herzen lesen
Müssen ihn verliebte Wesen.
(S. 177)


2. Fragen

Frage mich nicht, ob ich liebe?
Ueberflüßig ist dies Wort,
Wo ein Herz im Flammentriebe
Ringt zu seinem Himmelsport;
Wo die Seele lebt im Trachten
Und im ewigen Verschmachten,
Wo die Trennungsstunden trübe,
Heiße Liebesgluth ist dort.

Frage nicht nach meiner Treue:
Blumen müssen aufwärts seh'n,
Muß in seiner Sonnenreihe
Sich der Stern nicht ewig dreh'n?
Ist's dem Kämpfer je gestattet,
Daß er vor dem Ziel ermattet?
Glaubt ihr denn, daß ich, der Freie,
Schlechter'n Weges werde gehn?

Lieb und Treue, Treu und Liebe
Halten an einander fest,
Wie im großen Weltgetriebe
Sich genüber Ost und West;
Denn aus gleicher Wurzel stammend,
Und zu gleichem Himmel flammend,
Sagen laut sie: Liebe übe,
Wer von Treue niemals läßt.

Frage mich nicht, wem ich weihe
Meiner Seele stille Gluth,
Und in welcher Haft dies scheue
Herz so eng gefangen ruht?
Eine ist es, lieb wie keine,
Eine engelschöne, reine,
Deren Aug' in holder Bläue
Niederlächelt mild und gut.

Aber frage mich auch nimmer:
Ob ich wieder bin geliebt?
Ob auch ihres Auges Schimmer
Süßen Hoffnungsstrahl mir gibt?
Ob sie liebend mich verstanden,
Rettung übend aus den Banden,
Oder ob sie grausam immer
Dieses arme Herz betrübt?

Frage nicht: ich müßte weinen,
Wär' sie meiner Leiden Grund,
Machte mich ihr hold Erscheinen
In der Seele doppelt wund;
Frage nicht: ich müßte schweigen,
Wäre liebend sie mein eigen,
Denn dies Glück gibt Eine Einem,
Und der Eine Keinem kund.
(S. 177-179)


3. Liebeswunder

Ueber Allen, wie ein Himmel,
Ist die Liebe ausgespannt,
D'rin ein lichtes Sterngewimmel
Von Gefühlen allerhand.

Fröhlich sieht der Mond hernieder,
Gehn Verliebte Hand in Hand,
Herz und Sinn und Augenlider
Sich und ihm nur zugewandt.

Und die goldnen Sterne stehen
Wie ein Hochzeitfackelbrand,
Um das Brautfest zu begehen,
Das sich hier zusammenfand.

Stern- und Engelblick hinunter,
Menschenaug' hinaufgewandt: -
Solche zauberhafte Wunder
Bringt die Liebe nur in's Land.
(S. 180)


4. Geheimniß

Was an Liebe du erfahren,
Trage tief in deiner Brust,
Wo es Keiner mag gewahren,
Keinem außer dir bewußt.

Sieh den Berg, im Felsenherzen,
Wie er alles wohl verbirgt,
Was er je an edlen Erzen
Oder Steinen ausgewirkt.

Sieh die Perlen, wie Gedanken
Schlafen sie im Muschelhaus,
Das sie innen ganz durchranken,
Niemals treten doch heraus.

Und dein eignes Herz, der Riese
An Gefühlen und an Gluth,
Sieh, wie es im Paradiese
Deiner Brust verborgen ruht.

Also deine Liebe wahre
Tief in deines Busens Schrein,
Das Geheimniß offenbare
Der Geliebten nur allein.

Denn nur Liebende beglücken
Kann die Liebe - Andre nicht:
So wie Sterne nur entzücken,
Die da sehen - Blinde nicht.
(S. 181-182)


5. Einerlei

Im Gebüsch auf leichtem Zweige
Sitzt die Nachtigall im Mai,
Ob sie singe oder schweige,
Ist ihr wohl nicht einerlei.

Baumbelaubt im Mondenscheine
Steht ein Jüngling gut und treu,
Ob er juble oder weine,
Ist ihm wohl nicht einerlei.

Aber am Balkone drüben
Lehnt ein Mädchen schlank und frei:
Lieben oder tief betrüben,
Ach, - es gilt ihr einerlei!
(S. 182)


6. Der Mirthenzweig

Auf des Ganges raschen Wogen
Seht den schönen Mirthenzweig:
Des Gesanges Vögel zogen
Einst um jenen Mirthenzweig;
Segelschnell wird er getrieben
Jetzt in's unermeß'ne Meer:
Vögel, wo seid ihr geblieben,
Holt ihn keiner wieder her?

An des Ganges Uferrande
Wandelt still ein Jüngling hin,
Trüben Klanges durch die Lande
Läßt er seine Lieder ziehn;
Lotosblumen neigen leise
Ihre Kronen all vor ihm,
Und in's Auge steigen heiße
Thränen ihm mit Ungestüm.

Nach der Flut sieht er mit Weinen,
Die den Mirthenzweig entführt:
Bis dem Meere sich vereinen
Strom und Mirthenzweiglein wird;
Und kein Nachen, zu erjagen
Jenen Flüchtling, ist zur Hand:
Und kein Vogel, welcher tragen
Wieder möchte ihn an's Land.

Heil'ger Strom, du reinigender,
Den Brahmana ausgesandt,
Jetzt ein Herzenpeinigender,
Weil das Liebste du entwandt;
Gib zurück die grüne Beute,
Glück zurück und Herzensruh,
Und dann kühner Pilger, schreite
Deinem großen Brautbett zu.

Aber ach, die Wogen ziehen
Und das Mirthenzweiglein fort,
Sterben wird es und verblühen
In der Wellenwüste dort;
Bald wird auch der Jüngling enden,
Ein verblüh'nder Mirthenzweig:
All dieß Unglück konnte senden
Ein entflieh'nder Mirthenzweig.
(S. 183-184)


7. Perle, Rose und Lied

Jede Thräne, die ich weine,
Wird zur holden Perle dir,
Die mit liebesanftem Scheine
Dienen muß zu deiner Zier.

Jeder Seufzer, den ich stöhne,
Wird zum lieblichen Gedicht,
Der von dir, du milde Schöne,
Und von deinen Reizen spricht.

Jedes Blatt, das ich dir sende,
Voll von Klagen und von Glut,
Wird zur süßen Rosenspende,
Die an deinem Busen ruht.

Und so ist dir wohl im vollen
Perlenschmucke keine gleich,
Denn mein Schmerz, dem sie entquollen,
Ist an ihnen ewig reich.

Ueberreich bist du an Sängen
Und an süßer Liederlust,
Denn so viele Seufzer engen
Tagesüber meine Brust.

Und ein holder Rosengarten
Muß dein Busen wohl schon sein,
Weil sich Klagen aller Arten
Bei mir an einander reihn.
(S. 185-186)


8. Lilie und Rose

Die Lilie und die Rose
Sind sich geworden gram,
Seit mit süßem Gekose
Mein Lieb zu ihnen kam.

Mich hat sie nur gemeinet,
Sprach Rose weich und süß,
Aus meinen Blättern scheinet
Ein Morgenparadies.

Aus meinem Herzen schwirren
Viel Düfte auf mit Lust,
Die wollen sich verirren
An ihre milde Brust.

Die hat sie aufgenommen,
Wie rothen Liebesgruß;
Drum sagte sie: Willkommen!
Und nickte manchen Kuß.

Du Liebekranke, Bleiche,
Du warst ja nicht gemeint,
Die du im Blumenreiche
Erscheinest blaßgeweint.

Drauf hat die Lilie streitend
Das Gegenwort geführt,
Der Rose ernst bedeutend,
Wie sehr sie sich geirrt.

Doch wem das holde Wesen
Willkomm gesagt und Gruß?
Das kann nur Einer lösen,
Der - es verschweigen muß.
(S. 186-187)


9. Der Spiegel

Wenn ich mich je vergleichen möchte Dingen,
So wollt' ich einem Spiegel mich vergleichen,
Worein ein Wesen aus des Himmels Reichen
Sein holdes Bild und seinen Blick läßt dringen.

Du aber bist der Engel, dessen Schwingen
An diesem Spiegel sanft vorüberstreichen,
Und dem ich, als ein treues Liebeszeichen,
Sein schönes Abbild strebe darzubringen.

So hab' ich mit dem Diamant der Liebe
Zum Spiegel meine Seele dir geschliffen,
Und gebe gern sie dir als solchen eigen.

Jedwedes andre Bild scheint in mir trübe,
Nur deines hat so innig mich ergriffen,
Daß ich es ewig strahlend werde zeigen.
(S. 187-188)


10. Die Pappeln

Vor dem Fenster meiner Lieben
Stehen Pappeln wunderschön,
Die mit ihren hohen Trieben
In die weite Ferne sehn.

Abends rauschen sie so milde
Mit verständlichem Getön,
Scheinen ihrem lieben Bilde
Traute Grüße zuzuwehn.

Oftmals stand ich voller Wonnen
Unter'm Blätterlabirinth,
In Gedanken eingesponnen
Und in süßes Traumgewind'.

Die Gedanken, sie versanken,
Wie verweht vom Abendwind; -
Wohin alle die Gedanken
Damals wohl gekommen sind?

In die Pappeln aufgestiegen
Sind sie alle ganz gewiß,
In den Blättern sich zu wiegen,
Bis mein Lieb sich sehen ließ.

Darum rauschen Abends Töne
In den Pappeln mild und süß:
Deines Treuen, holde Schöne,
Leiser Liebesgruß ist dieß.
(S. 188-189)


11. Schwärmerei

Meiner Liebe Freuden
Sind ein ewig Scheiden,
Und ein banges Meiden
Meiner Liebe Lust.
Gerne möcht' ich sagen:
Endet nun, ihr Klagen, -
Aber neue tragen
Muß ich in der Brust.

Kaum das Glück genossen,
Mund an Mund zerflossen,
Herz an Herz geschlossen,
Trennt uns das Geschick;
Und mein tiefes Sehnen
Perlt in heißen Thränen,
Klagt in leisen Tönen
Um verlor'nes Glück.

Muß denn im Entbehren
Und in stillen Zähren
Liebe sich verklären,
Und in tiefem Leid?
Wird man ewig reißen
Mich aus deinen Kreisen,
Wird es niemals heißen:
Dein in Ewigkeit?

Oder trübe Zeiten
Sollen vorbereiten
Künft'gen Seligkeiten
Mein gebeugtes Herz?
O, wie ich dann diese
Qualen alle priese,
Denn zum Paradiese
Würde so der Schmerz.

Ach, erscheine Stunde,
Heile meine Wunde,
Gib zum ew'gen Bunde
Sie, die mich beseelt:
Ob ich es ertrüge,
Ob ich unterliege
Bei des Herzens Siege,
Weiß der Herr der Welt!

Aber wenn der Einen
Ich mich darf vereinen,
Glück, dann preis' ich deinen
Sel'gen Zauberstab;
Und wenn ich erbleiche,
Da ich sie erreiche,
Reg' ich noch als Leiche
Jubelnd mich im Grab.
(S. 189-191)


12. Gute Nacht

Gute Nacht, du süßes Kind,
Mögen Engel dich behüten,
Und der Schlummer leis und lind
Seinen Segen dir entbieten.

Gute Nacht, und träume süß
Von den Rosen, deinen Schwestern,
Die im Erdenparadies
Morgen blühen so wie gestern.

Gute Nacht, und denke mein
Mindestens in holden Träumen,
Mochtest so im Tagesschein
Meiner zu gedenken säumen.

Gute Nacht, und bleib mir gut,
Lächle gütig mir entgegen:
Deiner Blicke Zauber ruht
Auf mir wie ein milder Segen.

Gute Nacht, die Äuglein zu,
Schließ die holden Blicke gerne:
Schöner, selbst in Schlafesruh,
Sind sie doch als alle Sterne.
(S. 192)


13. Die Schiffende

Luftfahrend schwebtest du auf leichter Gondel,
Wie jubilirten da die Wellen alle,
Daß jetzt der Kahn zum Sonnenwagen worden.

Und ach, wie weinten Blümlein all' am Ufer,
Die sah'n die Sonne wohl am Meere strahlen,
Und wähnten schon, es geh' die Holde unter.

Ich aber glaubte Luna dort zu sehen
In ihrem Glanz und silbernen Talare,
Und schwärmte träumend von Endymions Segen.
(S. 193)


14. Das Grablied

Es sprach zu mir die Liebste mein:
"Du hast so viele Weisen
Ersonnen um mich zu erfreu'n,
Und liebend mich zu preisen;
O sag' es, du Geliebter, mir,
Wenn ich dir einmal sterbe,
Ob ich im Tode auch von dir
Ein treues Lied erwerbe?"

Da faßte mich ein tiefer Harm,
Kein Wörtchen konnt' ich finden;
Ich dachte, wie die Kunst so arm
Den Schmerz zu überwinden.
Es wurde mir das Auge naß,
Indem ich zu ihr blickte:
Sie aber hat verstanden das,
Weil sie die Hand mir drückte.

Und sollt euch's unverständlich sein,
O Seelen, laßt euch sagen:
Wie sollt' ein Dichterherz allein
So tiefen Schmerz ertragen?
Es ginge ja mein Schmerz mit ihr
Und mein Gesang zu Grabe,
Und Thränen blieben einzig mir
Die letzte Trauergabe.
(S. 193-194)


15. Wehmuth

Ich küßte dich in sel'gen Augenblicken,
Da faßte Wehmuth mich und stilles Weinen,
Daß diese Lippen ewig nicht die meinen,
Wehmuth, die durch kein Gleichniß auszudrücken.

Denn wenn der Goldschmid sich von seinen Stücken
Verkaufend trennt, von seinen Edelsteinen,
Mag er sie immer nennen noch die seinen,
Weil er zu formen sie gewußt, zu schmücken.

Mich aber drückt, wenn ich mich von dir trenne,
Ein ewiges Entbehren und ein Darben;
Und nicht einmal ein Zeichen deinem Munde

Vermag ich aufzudrücken, daß man kenne,
Was meine Lippen einst von dir erwarben,
Und wie dein Herz mit meinem war im Bunde.
(S. 194-195)


16. Verbot

Du hast verboten mir, von deinen Küssen
Etwas der Welt im Liede mehr zu sagen,
Du hast mir als Geheimniß aufgetragen
Die Liebeslust, von der wir beide wissen.

Und Alles, Alles, was mit deinen süßen,
Geliebten Lippen du in schönen Tagen
Mir in das Herz als Segen eingetragen,
Tief in der Seele soll es bleiben müssen.

Doch wie, wenn nun der Lenz bescheint die Hügel,
Ein Körnlein, das ich still in's Erdreich senke,
Bald aufgesprossen ist zur vollen Blume:

So löset, Liebste, wenn ich dein gedenke,
Mein Glücksgeheimniß seine schönen Flügel,
Und wird ein lautes Lied zu deinem Ruhme.
(S. 195-196)


17. Das Rosenblatt

Du sandtest deinen süßen Namen mir auf einem Rosenblatt,
Ich schrieb darauf, und sandte Lieder dir auf deinem Rosenblatt.
Doch von geheimen Wonneträumen uns'rer Liebe, nimmer schriebe
Ich ein verständlich Wort der Welt, und traut es keinem Rosenblatt!
Du hast die tiefen Hierogliphen uns'rer Herzen mit den Kerzen
Des blauen Auges still enträthselt wohl auf feinem Rosenblatt?
Es war das rothe Blatt der Bote, den du kanntest und verstandest,
Du hast erforscht den Geber und sein Wort aus seinem Rosenblatt.
Du hast gedacht der Liebesmacht, der uns're Seelen sich vermählen,
Der Liebe, die im Sturm des Lebens schifft auf kleinem Rosenblatt;
Das sannst du wohl, begannst die Wehmuthfeier uns'rer Treue:
Und eine Perle war's auf deiner Wangen reinem Rosenblatt.
(S. 196-197)


18. Unvermuthetes Lied

Mir zur Seite, wenn ich dichte,
Sitzt die Liebste treu und mild,
Und von ihrem Angesichte
Nehm' ich Gleichniß mir und Bild.

Mit dem Auge feuersendend
Bringt sie Sturm in meine Brust,
Mit der Lippe wonnespendend
Gibt sie wieder Friedenslust.

An der Wangen Rosenlichte
Zündet sich mein Sehnen an,
Das dem werdenden Gedichte
Sich verweben muß alsdann.

Ihre Locken sind mir Netze,
D'rin mein Wunsch gefangen liegt,
Ihre Bitten sind Gesetze,
Denen sich mein Sehnen fügt.

"Liebster," spricht sie, sanft sich schmiegend,
"Suche rein die Poesie:
Denn der Wirklichkeit erliegend,
Findest du die Göttin nie!"

Und beschämt und abgewiesen,
Blick' ich sinnend vor mich hin:
In den reichen Paradiesen
Ihrer Schönheit lebt mein Sinn.

Schweigend blick' ich nach dem Blatte,
Das, erwartend ein Gedicht,
Sich vor mir entfaltet hatte,
Aber, ach, ich füll' es nicht.

Kann kein armes Wörtchen denken,
Das sich eignete zum Lied:
Nur in ihren Reiz versenken
Will sich glühend das Gemüth.

Und wie ich so mit Entzücken
Schaue ihrer Schönheit Zier,
Spielt die Hand von freien Stücken
Leichte Züge auf's Papier.

Züge, einem Nachklang ähnlich,
Den ihr Reiz in mir erregt,
Und den hoffnungreich und sehnlich
Meine Seele weiter trägt.

Spielend was die Hand vollbrachte,
Unbewußt, doch lustdurchglüht,
Als ich forschend es betrachte,
Ist es - dieses kleine Lied.
(S. 197-199)


19. Die Blumengießerin

Du hast den Blumen kühle Fluth gespendet,
Auf zu dir hoben sie entzückt die Kronen,
Und Balsamtropfen ruhten rings im Kelche.

So sah ich dich, Geliebte, jüngst im Garten,
Sah dich umringt von deines Reizes Glorie,
Die neugestaltet rings dein Bild umwallte.

Still hob ich da empor zu dir die Blicke,
Auch mir im Auge ruhten schwere Tropfen:
Mußt du denn auch die Lilien begießen?
(S. 199-200)


20. Die Mythe

Eine Götterblüthe,
Eine große Mythe
Ist die Liebesglut:
Himmlisch wird es klingen,
Wenn einst Engel singen,
Welche Seligkeitbereitung,
Welche göttliche Bedeutung
In der Liebe ruht.

Diese süßen Peinen
Werden Knospen scheinen,
Denen Lust entsproßt;
Leiden werden scheiden,
Umgetauscht in Freuden;
Dieses Hangen und Verlangen
Wird ein festes Ziel erlangen,
Holden Liebestrost.

Jegliche Gesinnung
Wird in treuer Innung
Sich der Lieben weihn:
Nur ein holdes Sehen,
Gänzliches Verstehen,
Wo wir in einander leben
Und die Geister sich verweben,
Wird die Liebe sein.

Denn die Liebeswonnen,
Die wir hier gewonnen
Sind ein süßes Nichts;
Wie die Millionen
Aller Stern' und Sonnen
Abglanz eines heil'gen Scheines
Und nur schwache Boten eines
Ewig klaren Lichts.

Lispeln nicht die Kehlen
Holder Philomelen
Räthselhaften Sang?
Kannst du es erfassen,
Was die Sternenmassen
Sagen? was die Blumen klagen?
Kannst du's irgendwo erfragen
All dein Lebelang?

Bis die Räthselpflanze
Dieser Welt im Glanze
Aufblüht himmelrein:
Dann wird Seligkeiten
Jedes Blatt bedeuten
An der wundervollen Rose,
Doch die Liebe wird der große
Stern der Blume sein.
(S. 200-202)


21. Nachklang

Wenn an der Erde Lenz vorüberschreitet,
Ihr Leid mit seinen Freuden wegzuscherzen,
Da tauchen allenthalben Blumenkerzen
Empor, als Feierglanz ihm zubereitet.

Und wenn dein Bild an mir vorübergleitet,
Und deine Augen, heilend alle Schmerzen,
Da wuchern Lieder auf in meinem Herzen,
Als Kranz um deinen Schönheitglanz verbreitet.

Die Blumen, die im Lenz herangeschossen,
Sie sind ein Segen seiner milden Sonne,
Und neigen dankbar zu ihr alle Triebe;

Die Lieder, die aus meiner Brust gesprossen,
Ein reiches Denkmal sind sie stiller Wonne,
Ein lauter Jubel einer sel'gen Liebe.
(S. 202-203)

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer
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Lieder des Schmerzes

Winterlied

Der Mond mit trübem Scheine
Sieht nieder von der Höh'
Auf nackte Felsgesteine
Und blassen Winterschnee.

Verödet sind die Räume,
Wie eine stille Gruft,
Und nur zwei kahle Bäume
Bewegt die kühle Luft.

Nicht Bäume, nur Gerippe,
Behaucht mit weißem Reif,
Und durch die strenge Lippe
Des Frostes starr und steif.

Die nicken in's Geheime
Sich mit den Aesten zu:
Was lachen wohl für Träume
In ihre Winterruh'?

Sie träumen von den Lenzen,
Von naher, schöner Zeit,
Von reichen Blüthenkränzen,
Vom grünen Frühlingskleid.

Und in derselben Gegend
Steht ein verliebtes Paar,
Die Hände leise regend
Und dann verschlingend gar.

Sie sehn mit stillem Bangen
In's Auge sich hinein:
Was mag wohl das Verlangen
Des trüben Paares sein?

Sie denken ihrer Leiden
Und Sehnsucht tiefgerührt,
Und ob der Tag der Freuden
Erscheinen endlich wird? -

O Lenz, laß deine Feier
Heimsuchen unsern Raum:
Weck' mit dem Blüthenschleier
Die Bäume aus dem Traum;

Und wink' dem treuen Pärchen
Mit Mirthen deinen Gruß:
So hat das Dichtermärchen
Den allerbesten Schluß!
(S. 204-206)


Nächtlicher Sang

Das war ja wohl der alte Gram,
Der trieb mich aus dem Haus,
Und als ich zu dem Bache kam,
Da tönt's aus mir heraus:

Bist ja so blaß, so todtenbleich,
Und schleichst so trüb und stier,
Jüngst kam ein Mädchen engelgleich,
Jetzt naht ein Schatten mir!

Und als ich kam zum grünen Wald,
Zur alten Eiche dort,
Da kreischten tausend Vögel bald
Von jedem Zweig das Wort:

Bist ja so stumm im tiefen Leid,
Als wärst du längst schon todt,
Jüngst sang hier eine schöne Maid,
Die war so jung und roth.

Und wie ich kam zum Gartenpark
So leichenstumm und stier,
Da sprach aus seinem Marmorsarg
Der Springquell hell zu mir:

Gehst ja so mutterseel allein,
Als gäb's kein Mädchen mehr:
Dein Lieb wohl mochte klüger sein,
Die kam allein nicht her.

Und als ich schlich zur Laube dann,
Saß drin ein zärtlich Paar,
Der Eine ein wildfremder Mann,
Mein Lieb - die Andre war.
(S. 206-207)


Der Mond

Auf leichtem Zweig im Waldgeheg'
Süßnachtigall verweilt,
Bis auf dem lichten Sternensteg
Der Mond herübereilt.

Der spinnt so süß und mildiglich
Waldüber seinen Strahl,
Als zög' er gerne sie zu sich
In lichten Himmelssaal.

Die aber klagt und weint so weich
Um ihr gar falsches Lieb,
Und fühlte sich den Engeln gleich
Wenn das nur treu ihr blieb.

So trauert wohl das arme Blut,
Und sieht in's blasse Licht,
Der Mond ist, ach, so mild und gut,
Doch helfen kann er nicht!
(S. 207-208)


Auf dem Thurme

Da steh' ich auf dem alten Thurm
Im Blitzesschein und Donnersturm,
Wo ich hinauf, hinab nur seh,
Dünkt Alles mir ein Feuersee.

Das ist so recht nach meinem Sinn,
Die Flammen zucken her und hin,
Bald erdenwärts, bald himmelwärts,
So wie die Liebe durch mein Herz.

Doch plötzlich wird es stumm und grau,
Der Mond tritt aus dem Wolkenblau,
Und Alles, was da unten lebt,
Das seh ich wohl mit Glanz umwebt.

Im Schatten steht des Liebchens Haus,
D'rin welch ein Jauchzen, welch Gebraus!
Und Kerzenstrahlen tausendfach
Zieh'n durch das weite Prunkgemach.

Das ist der grellste Höllenschrei,
Der bricht mir wohl das Herz entzwei;
Das ist der grellste Höllenschein,
Der schneidet mir in's Herz hinein.

Und nun wird's stiller allzumal,
Die Gäste schwinden all' im Saal,
Die Kerzen löschen nach und nach,
Nur eine noch im Brautgemach!

Zertrümm're Thurm, zerstürze Welt,
Wirf dich hinab auf's Haus,
Zerbrich, du Herz, vom Schmerz zerschellt, -
Jetzt lischt die letzte aus!!
(S. 208-209)


Im Garten

In der blutfinstern Geisternacht
Hab' ich im Garten stumm gewacht,
Und wie ich zu den Blumen ging,
Schönrose an zu reden fing:

"Bin wonnevoll und freudenreich,
Die Königin im Blumenreich,
Hab' deine Liebste ja geseh'n,
Sie trug ein Kindlein jung und schön."

Das war der höchste Wahnsinnsfluch,
Der über mir zusammenschlug,
Und durch die Beete rannt' ich hin,
Da sprach zu mir der Rosmarin:

"Hast du dein süßes Lieb geseh'n
Zum Traualtar vor'm Jahre geh'n,
Da blühte wohl von mir ein Zweig
In ihren Locken mild und weich."

Fluch, Fluch dir, warum mahnst du mich
An jenen Abend fürchterlich!
Und kaum daß mir das Wort entfloh'n,
Da spricht zu mir die Linde schon:

"Ich aber habe sie geschaut,
Dein süßes Lieb als seine Braut,
Und sah wohl durch's Gezweig herab,
Wie sie den ersten Kuß ihm gab."

Da nahm Grünlaube schnell das Wort:
"Sie haben All' dein Herz durchbohrt;
Wollt' ich erzähl'n, was ich geseh'n,
Das brächte dir noch größ're Weh'n."
(S. 209-211)

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer
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Arabella

Unter Allen, die da seufzten
Auf dem Schloß von Compostella,
War die schmerzvollste der Bräute
Wohl die schöne Arabella.

Allen Jungfrau'n in dem Schlosse
Auf dem Felsen Compostella
Waren ihre Ritter kommen,
Nicht der armen Arabella.

Und von süßen Küssen rauschte
Saal und Schloß von Compostella,
Aber einsam weinend lauschte
Fensterauswärts Arabella.

Lauschte, ob kein Ritter walle
Zu der Burg von Compostella
Hoch zu Roß, im Schild die Farbe
Von der sanften Arabella.

Ob aus jenem Land kein Pilger
Nah' dem Thor von Compostella,
Und vom Liebsten Kunde bringe,
Dessen harret Arabella. -

Sarg und Fackeln sah man gestern
Auf dem Schlosse Compostella,
Und vom hohen Thurmesfenster
Blickt wohl nimmer Arabella.

Gott belohne solche Treue,
Wie die war auf Compostella;
Gott geb' Jedem solch ein Liebchen,
Wie die schöne Arabella!


aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer
(S. 212-213)
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Die Kranke

Ein Jüngling noch, an welchem Lust und Leid
Die Zauberkraft mit stetem Wechsel übte,
Geschah es mir, daß ich zur Frühlingszeit
Mich in ein blasses Mädchen ganz verliebte;
Von ihrem Blicke lebt' ich nur, ich hing
Mit sehnsuchtvollem Aug' an ihrem Munde,
Und meiner Wünsche und Gedanken Ring
Umschlang ihr süßes Bild zu jeder Stunde.

Da ward sie krank; - ein trüber Schleier sank,
Aus Schwermuth und aus Leiden dicht gewoben,
Auf jene Glieder, die einst schön und schlank,
Bewußtsein ihrer Herrlichkeit gehoben;
Sie siechte hin, das Auge matt und fahl,
Versank allmählig in der Wimper Höhlung,
Woraus sich manche schwere Thräne stahl,
Gleich eines Herzens eigner letzter Öhlung.

O sie war schön! Der Leiden Marterqual
Verdünnte gleichsam nur des Körpers Grenze,
Damit die Seele mit dem vollen Stral
Der Geisterschönheit leichter ihn durchglänze;
Sie sprach nicht: und doch lag so wunderbar
In ihrem Wesen und in ihrer Demuth
Ein Meer von Worten, jedem Herzen klar,
Ein stilles Evangelium der Wehmuth.

O was ich da empfand, und wie mir ward,
Erschien nun der Berather ihrer Schmerzen!
Wie war der Mann so ernst und kalt und hart,
Als läge blutig Eis in seinem Herzen.
Er sah sie an, er fragte viel und viel,
Dann schwieg er, schrieb und schrieb und dachte wieder,
Und Herr des Himmels, auf das Blättchen fiel
Ihm eine unbewachte Thräne nieder!

O Thräne, die ich nie vergessen kann,
O Tropfen, reich an böser Prophezeihung,
O scheinbar kalter Mann, o armer Mann,
Du ahntest sie, die irdische Befreiung,
Die hier ein größ'rer Arzt vollbringen will,
Und weil der gar so schnell hier eingesprochen,
D'rum ist die Thräne, unbewacht und still,
Aus deinem ernsten Auge wohl gebrochen.


aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 214-216)
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Der Vogel

Ich fuhr hinaus auf's Land; der Wagen offen,
Die Seele war es auch,
Und durch den Busen zog von süßem Hoffen
Ein wundersüßer Hauch.

Es grüßten freundlich mich die Blüthenzweige,
Als ahnten sie mein Glück,
Und winkten: singe jetzt - und schweige
Kehrst du von ihr zurück.

Da griff ich in des Herzens stille Saiten,
Doch klang es leis' nur nach:
Der Himmel rief mit seinen Herrlichkeiten
Nur stumme Träume wach.

Und sieh, ein Vogel aufgeschreckt vom Neste
Durch Hufschlag und Geroll,
Er flüchtet in des nächsten Baumes Äste
Und birgt sich sorgenvoll.

Doch weiter muß er fliegen, fortgetrieben,
Und angstemporgestört,
Bis ihm der Baum vor'm Fenster meiner Lieben
Ersehnte Ruh' gewährt.

Ich trat zu ihr; des Zimmers traute Stille,
Der Liebe Blick und Kuß,
Sie gaben eine Seligkeitenfülle
Und Glück im Ueberfluß.

Was wurde da nicht all auf Einem Sitze
Getändelt ohne Ruh,
Die Sonne sah durch Lindenblüthenritze
Dem süßen Spiele zu.

Der kleine Vogel aber, der versteckte,
Sang hell dazu sein Lied;
Es war, als ob er unsre Liebe neckte,
Und was er sah verrieth.

Und was er da erlauschte, das Geheimniß,
Er trug's im Fluge fort,
Und sang es wohl, der Schwätzer, ohne Säumniß
An manchem andern Ort.

Und lehrt es wohl in seinem Nest die Jungen:
So kam es nach und nach,
Daß nun von unsrer Liebe schon gesungen
Die Vögel auf dem Dach.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 217-219)
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Ein Jahr

Vorüber ging ich an einem Haus,
Draus sah ein schönes Mädchen heraus,
Da trat aus dem Thor ein Jüngling vor,
Der grüßte und winkte so glühend empor;
Sein Mund schwieg, doch sein Auge sprach,
Sie aber grüßte und winkte ihm lange nach
Mit banger Sehnsucht, als wollte ihr Blick
Den Scheidenden wieder bringen zurück;
Und auf ihrem blühenden Antlitz, da lag's,
Wie das Abendroth eines seligen Tags.
Da schritt ich sinnend und still und bewegt,
Das Herz von tausend Gefühlen erregt,
Und schlug in leisen Gedankenverlauf,
Das Buch meiner lieben Erinn'rungen auf,
Und seufzte wehmüthig und sann:
Wie nur die Liebe beglücken kann!

Und ein Jahr später im neuen Mai,
Da ging ich an demselben Haus vorbei.
Am Balkon stand das Mädchen wie eh',
Doch nicht mehr blühend, blaß wie Schnee;
Das Aug' erloschen in Gram und Schmerz,
Die Wange gebleicht, gebrochen das Herz.
Und wie derselbe Jüngling mit scheuem Tritt
Hinschleichend um die ferne Ecke schritt,
Da sieht sie ihn bebend, sie starrt ihm nach,
Und endlich ein Schrei - ein gellendes Ach!
Sie sinkt zusammen bleich und still,
Wie eine Blume, die sterben will.
Sie sank, vielleicht nie wieder aufzustehn,
In ihrem Jammer noch so engelschön,
Und auf ihrem blassen Antlitz, da lag's,
Wie die Ruhe eines Feiertags. -
Still stand ich da, und seufzte und sann:
Wie tief die Liebe betrüben kann!

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 220-221)
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Phantasieen

1.
Ich wollte von ihr gehn:
Und wie ich so stand im Trennen,
Da fühlt' ich ihren Odem glühend weh'n
Und ihre Lippe die meine brennen.
Ein Blick, der wie ein Feuerstral
Durchs Auge in's Herz mir drang,
Ein Kuß, der wie ein Feuermaal
Der Sehnsucht auf meine Lippe sank;
Ein Druck der Hand, o nein! weit mehr:
Ein Ringen, ein Pressen, ein Krampf,
Ein ringsumschlingendes Begehr,
Ein liebestürmender Kampf!

"O nein, Geliebter, noch nicht, noch nicht,
Du darfst nicht fort, nein, nein!
Ich halte dich, ich lasse dich nicht,
Ich verschmachte, ich sterbe allein!
Nein, jetzt noch nicht, um Gott und die Welt!
Hab' Mitleid mit deinem Weib',
Das liebend sich dir entgegenstellt,
Bleib, Seele, bei deinem Leib!"

"Geh nicht, und schleud're als Blitz den Harm
Nicht in mein Herz, daß es zerschellt:
Ist dir nicht wärmer in meinem Arm
Als draußen in der kalten Welt?
- Sie lieben dich nicht, sie sagen es nur,
Ich liebe dich, ich allein,
Dich mehr als Alles, als Gott und Natur,
Als Leben und Seligsein! -
Ich kann es nicht denken, dich gehen zu seh'n,
Nicht fassen, daß du nicht bei mir, -
Gib mir mit deiner Hand des Todes Weh'n,
Doch bleib' bei der Leiche nur hier."

Sie sprach's, nein, sie rast es und weint's,
Und umklammert mich bebend und bang,
Und durch ihre Tränen, da scheint's,
Wie der Verzweiflung zuckender Drang; -
Ich seh' in ihr Auge - o Himmel, hab Dank!
Ich bleibe, ich sinke vor ihr auf's Knie:
Wer mag da von uns Zwei'n
Wohl glücklicher geworden sein? -
Ich oder Sie? -


2.
Du fern, fern von mir, o Pein!
Ich kann es nicht länger ertragen,
Nicht länger kann ich durch Täuschung und Schein
Dieß Sehnen des Herzens vertagen.
Fern meinem glühenden Kusse, der still,
Gleich einer heiligen Opferflamme
Auf dem Altare deiner Reize brennen will;
Fern meiner Sehnsucht, die einer Venus gleich
Aus den Wellen deiner Schönheit aufgestiegen,
Sich in deinen Armen, so weiß und weich
Liebetrunken einzuwiegen.
Fern meinem Blick, der wie ein Falk
In deinem blauen Augenhimmel schwebt,
Der von dem Körnlein deiner Liebe
Und von dem Meere deiner Schönheit lebt.
Fern meinem Arm, der wie eine Zauberflechte,
Dich so innig umschlingt und sehnlich,
Und der, einem Zauberreife ähnlich,
Dich ewig an mein Herz fesseln möchte.

Du fern von mir, du dem Gatten das Weib,
Begeisterung dem Dichter, Seele dem Leib, -
Fern von mir, fern, und ich ohne Kunde!
Und ich Ewigkeiten hinbrütend
In einer einzigen ewigen Stunde,
Und ruhlos und klagend und weinend und wüthend
Mit Blick und Herzen spähend in die Runde! -
- Wie ich doch so gar nichts von dir weiß,
Als daß ich dich ewig anbeten muß: -
Sieh, die Weste sind gefesselt in deinem Kreis,
Sie geizen und buhlen um deinen Kuß,
Sie können sich deiner Anmuth nicht entringen,
Dem Fernen Kunde von dir zu bringen.
Die Sterne, seit sie dich gesehn,
Sind so stille, stumm und bleich,
Und blicken neidisch von den Höhn,
Denn ich Armer, dünke ihnen reich.
So steh' ich verlassen von allen, allein,
Und nirgends Kunde für meine Pein!

O sende sie selbst, sei mitleidig du,
Sende aus der Arche deines Herzens
Die Taube der Erinnerung
An das Gefels meiner Sehnsucht,
Damit sie den grünen Zweig
Der Liebe freudig flatternd
Dir von mir heimbringe;
Damit du gleich fühlend
Die Thränenfluth der Trennung beendest.
Dann magst du landen am Ararat des Glücks,
Deine Wange an meine lehnen,
Und deinen Mund an meinen,
Und das Geflüster unserer Lippen
Soll emporrauschen als Dankgebet,
Und der süße Hauch deines Odems
Soll emporduften als Opferweihrauch;
Und über dies Bild unendlicher Seligkeit
Sei der hellfarbige Regenbogen
Ewiger Liebe und Treue gezogen.


3.
Ich eile fort aus dem lärmenden Schwarm
Zu Hause, zu Hause zu dir,
Und bist du gleich fern und nicht bei mir,
Ruh' ich doch ewig in deinem Arm.
Mein Herz, mein Gedanke, mein Geist, mein Sinn
Liegt an deinem Lilienhals,
Und zieht meine Seele zu dir hin,
So thut's der Körper ebenfalls.
Wie dem Lenze die Erde, der Sonne das Feld,
Wie die Knospe dem blühenden Segen,
Wie der Auferstehung die Todtenwelt,
So sehn' ich mich dir entgegen.
Ich muß zu dir, muß bei dir sein,
Einathmen und fühlen dein Leben,
Dein Blick ist wie Thau und Mondenschein
Der Nacht meines Lebens gegeben!
Einlösen kannst nur du allein,
O Mädchen, den Schuldschein des Glückes,
Mit den Lippen und Küssen dein,
Mit den Diamanten deines Blickes.
O lös' ihn ein! Der Himmel selbst hat ihn
Mir an dich gestellt,
Weil reicher an Reizen und holdem Sinn
Kein Wesen auf der Welt.
Lös' ein, und mit einem einzigen Kuß
Gib so viel Glück Einem Mann,
In dessen göttlichem Überfluß
Sich eine Schöpfung berauschen kann.
Denn was da kommt von dir, von dir,
Sei's Kuß, Blick, Hauch oder Wink,
Es wird zum schaffenden "Werde" in mir,
Es erregt, belebt, erweitert den Ring
Meines Lebens, meines Willens, meiner Kraft:
Es gibt Begeisterung und Stärke,
Und läßt Entschlüsse riesenhaft
Gedeih'n zum vollendeten Werke.
Du des Morgens in meinem Gebete,
Des Tages du mein Handeln und Thun,
Du mein Glück bei des Abends Röthe,
Du mein Wunsch zu Nacht, wenn alle ruh'n:
Du Stundenmaaß meines Lebens,
Das ich nur nach deinen Küssen zähle,
Hafen und Segel meines Strebens,
Himmel meiner Seele!
Hin schreib ich's auf weiche Lilienblätter
Mit zartem Nachtigallenblut,
Auf die finstere Wolke der Wetter
Mit rother Blitzesflammenglut,
Hin schreib ich's in's ewige Buch der Götter
Mit kühnem entschlossenem Muth:
Ich liebe dich ewig!
Und auf dem Lilienblatt das Blut der Nachtigall
Erwacht noch einmal zum Leben und Schall,
Und lispelt nach die Worte
Gleich einem Engelakkorde.
Und in der Wolke die Schrift der Flammen
Zaubert die brausenden Donner zusammen,
Die rufen mit ehernem Echomunde
Hinab in die Welt des Gelübdes Kunde;
Und vor dem Götterbuche mit meinen Zügen,
Da steht ein Engel mit stillem Vergnügen;
Er sieht, er staunt ob meinem Wagen,
Dann lächelt er mild, als wollt' er sagen:
Erfüllst du, wozu du dich hier verbunden,
So hast du auf Erden den Himmel gefunden.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 222-229)
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Der Bach

Die Rose sprach
Zum muntern Wiesenbach:
Wie seh' ich mit Freu'n
In deiner klaren Wellen Schein!
Der Bach seufzt: Ach!
Aus seinem Cristallgemach,
Wie seh' ich mit Freu'n
In deine holdseligen Äuglein hinein!

Und blickst du gern
In meiner Äuglein Stern,
Was jagst du fort
Nach ewig weiter Ferne dort?
O bleibe hier,
Wie will ich kosen mit dir
Am heimischen Ort,
Wo glühende Liebe sprießt und flort!

Wär' ich die Luft,
Weht' ich, wo Liebe ruft;
Wär' ich ein Stein,
Läg ich, mein Lieb, vor der Thüre dein:
Doch bin ich Bach,
Und muß mein Ungemach
Und alle Pein
Tragen in die öde Ferne hinein. -

Da kam die Maid
Gar inniglich erfreut,
Sah's Röslein blüh'n,
Die strahlende Blumenkönigin;
Mit freudiger Hast
War's Blümlein bald erfaßt,
Die Maid ging hin,
Die Rose im Busen, die Liebe im Sinn.

Der Bach seufzt: Weh!
Und stürzt sich trüb von der Höh';
Doch naht die Zeit
Des Lenzes, wo's Röslein starb durch die Maid:
Da schwillt er wild,
Braus't zornig durch's Gefild,
Und will sein Leid
Uebertäuben durch feindliche Bitterkeit.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 230-231)
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Hebelieder

Die Geliebte

Die Geliebte, der ich lebe,
Aller meiner Freuden Bild,
Wurde mir nun auch zur Hebe,
Die mir meinen Becher füllt.

Ja, sie füllt ihn fröhlich singend,
Daß entschwinde jeder Harm,
Meinen Nacken süß umschlingend
Mit dem weichen Lilienarm.

Dann versucht mit süßen Lippen
Sie des Trankes Feuerkraft,
Seligkeit mir vorzunippen
Aus dem rothen Rebensaft.

Und bedünken will mich's immer,
Roth geworden sei der Wein
Von der Wangen Rosenschimmer
Und der Lippen Wiederschein.


Hebe

Ganymeda, holdes Weib,
Mit der vollen Schaale,
Mit dem wunderschönen Leib
Und dem Lustpokale!
In der frohen Götter Schaar,
In Kronions Saale:
Sehen möcht' ich dich fürwahr
In der Anmuth Strahle!

Doch aus Liebe wünsch' ich's nicht,
Nur aus Wißbegierde;
Denn ich kenn' ein Angesicht
Voll der Schönheitzierde,
Angehörig einer Maid,
Die dir gleich an Würde,
Und die dich an Herrlichkeit
Ueberstrahlen würde.

Möge preisen dich der Sang
Aller in der Runde,
Weil du schenken kannst zu Dank
Deinem Götterbunde: -
Glaube, daß kein Wein so leicht
Jemals besser munde,
Als den mir mein Mädchen reicht
In verliebter Stunde.


Die Schenkin

Was von seinen schönen Heben
Je geträumt der Occident,
Ist in Wirklichkeit gegeben
Dem beglückten Orient.

Seine Schenkin heiter lächelnd
Füllt Hafisen den Pokal,
Unterdeß ein Zefir fächelnd
Ihr die Nackenhülle stahl.

Reizend, wie man Hebe malte,
Ueberfliegt sie Rosenschein,
Und kein schön'res Bildniß stralte
Jemals in den Wein hinein.

Ihre Lippen und den Becher
Bietet sie ihm liebevoll,
Und der süßbewegte Zecher
Weiß nicht, was er wählen soll?

Was das Abendland erdachte
Als ein schönes Ideal,
Seht, im Morgenland erwachte
Es im hellen Farbenstral.

Gleichen will ich d'rum dem Persen
Mit der Schenkin hold und fein:
Bin ich doch so reich an Versen,
Und das schönste Mädchen mein.

Ob sie mich begeistern dürfte,
Wenn sie mir zur Seite stand? -
Ach, wer ihre Küsse schlürfte
Und den Wein von ihrer Hand:

Dem erwacht die Dichtergabe,
Als ob Zauber sie erschuf,
Und mir däucht, ein wenig habe
Ich doch auch dazu Beruf.


Toast

Fröhlich lebe
Meine Hebe,
Die der Rebe
Süßes Blut mir beut:
Sie die Eine,
Die dem Weine
Gibt die reine
Liebeseligkeit.

Sei es westlich
Oder östlich,
Ach, so köstlich
Ist, was sie kredenzt;
Staunt, ihr Brüder,
Immer wieder
Wenn mein Lieder-
Schmuck die Schöne kränzt!

Biete süße
Liebesküsse,
Gieße, gieße
Feuerreichen Wein:
Nur die Spende
Deiner Hände,
Sie vollende
Ganz mein Seligsein!

Darum lebe
Meine Hebe,
Die der Rebe
Süße Gluth nur beut:
Sie die Eine,
Die dem Weine
Gibt die reine
Liebeseligkeit!


aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 232-237)
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Leichter Sinn

1.
Es sprach die Feder heut:
O sag, mein Lieber,
Ist denn die Liederzeit
Bei dir vorüber?

Bin ich dir denn zu klein
Zum Liebesdienste;
Sind Küsse denn allein
Jetzt deine Künste?

"O schweige still, mein Kind,
Und sei gewärtig;
Mit einem Mal oft sind
Viel Lieder fertig.

Doch Küsse schmäle nicht,
Die Liedern gleichen,
So still die Seele spricht
In Lippenzeichen."
(S. 238)


2.
Abends wenn durch blaue Höhen
Geht das stille Sternenheer,
Kommt die lieblichste der Feen
Aus den Wolken zu mir her;
Ihre süßen Augen blicken
Wie zwei Strahlen in die Nacht,
Ihre Lippen, sie entzücken
Mir das Herz mit Zaubermacht.

Leise flüstert sie mir Jenes,
Und von Diesem spricht sie süß:
Was sie denken mag ist Schönes,
Was sie gibt ein Paradies.
In die trunk'nen Arme pressen
Möcht' ich für und für mein Glück,
Riefe neidisch sie indessen
Nicht die Mitternacht zurück.

Und sie weilt in holder Säumniß,
Sagt mir schnell dann Lebewohl,
Weil die Welt um das Geheimniß
Uns'res Glücks nicht wissen soll; -
Ahnte die, was in den Tagen
Meines Frohsinns Quelle sei,
Würde sie die Nächte fragen -
Und der Zauber wär vorbei.
(S. 239-240)


3.
Was Frühling und Gesang
Und Sonnenlicht,
Ihr machtet mir nur bang,
Wär Liebe nicht!

Zwar ist die Blume schön,
Die Welle klar,
Und Nachtigallgetön
Gar wunderbar.

Doch vollen Zauber gibt
Erst Liebe euch;
Es fühlt sich, wer verliebt,
Den Göttern gleich.

Ihm singt die Nachtigall
In Hymnen Glück,
Es spiegelt Wasserfall
Ihm Glück zurück;

Glück deutet ihm das Grün,
Des Himmels Blau,
Und Glück ist rings um ihn,
Wohin er schau'.

Und schlummert er, so lullt
Das Glück ihn ein,
Von Engeln und von Huld
Träumt er allein.

Und stirbt er, so war Glück
Sein Lebenslauf,
Und jenseits schlägt den Blick
Er glücklich auf.
(S. 240-241)


4.
Eine gute Nacht
Hab ich jüngst gefunden,
Eine süße Fracht
Holdverträumter Stunden.

Engel hatten Acht
Ueber mich im Traume,
Einer küßte sacht
Mich am Lippensaume.

Morgens aufgewacht,
Hab ich süßbeklommen
Leise nachgedacht,
Wie das all gekommen?

Und es fiel mir ein,
Was die Liebste sagte,
Als ich über mein
Scheidenmüssen klagte.

Süß rief sie den Gruß
Gute Nacht! bei'm Trennen,
Und dies Wörtlein muß
Wunder wirken können.
(S. 241-242)


5.
Erst küßt' ich galant
Dir die weiße Hand,
Wußte vorzuflöten
Dir von Liebesnöthen;
Stiller ward ich dann,
Seufzte dann und wann,
Küßte deine Stirne,
Daß sie mir nicht zürne.

Jetzt ist Glück mein Loos
Und der Jubel groß,
Denn im Liebesbunde
Küss' ich dich am Munde.
Geht das Ding so fort,
Werd' ich ohne Wort
Nächstens, Liebchen, müssen
Deine - Seele küssen.
(S. 242-243)


6.
Du von allen Wesen
Warst mir auserlesen,
Um den Wetterwendigen
Also sanft zu bändigen,
Daß er jetzt in Treue
Dir allein nur glüht,
Und in dir die Weihe
Seines Lebens sieht.

Schmetterling, der bunte,
Macht die Blumenrunde:
Aber kommt der flüchtige
An die schöne, züchtige
Blumenfürstin Rose,
Um die still er wirbt,
Dauert sein Gekose
Bis mit ihr er stirbt.

Ihre Blätter fallen
Mit den Reizen allen;
Unter den gesunkenen
Seht ihr auch den Trunkenen
Liegen todt im Staube,
Weil's kein schön'res Grab
Als im Rosenlaube
Für den Falter gab.
(S. 243-244)


7.
Mein Kind, du bist schön,
Und das ist viel,
Doch Reize vergehn
Im Liebespiel.

Schön ist auch der Mai
Und schwindet doch:
Sind Reize vorbei,
Was bleibt dir noch?

Mein Kind, du bist gut,
Und das ist mehr:
Auf Güte beruht
Die Liebe sehr.

Sie gleicht einer Blüte
Im Himmelslicht,
Doch richtet die Güte
Noch Alles nicht.

Lieb bist du, mein Kind,
Das gilt zumeist,
Denn das nur gewinnt
Dir Leib und Geist.

Das macht mich so heiter,
Und hält mich fest,
Weil es an nichts weiter
Mich denken läßt.
(S. 244-245)


8.
Noch ein Lied, noch ein Lied,
Nur nicht geschwiegen!
Rose blüht, Herz entglüht
Voll von Vergnügen.

Wer noch erst trübe war,
Lenz weiß zu siegen, -
Glückliche Liebe war
Niemals verschwiegen;

Schlürft all die Seligkeit
In vollen Zügen,
Bis ihre Fröhlichkeit
Liedern entstiegen;

Liedern, die liebewarm
Plaudern und lügen,
Wie dich der Liebe Arm
Süß weiß zu wiegen.

Solchem verliebten Brauch
Mußt du dich fügen,
Und deiner Liebe auch
Singend genügen!
(S. 245-246)


9.
Als ich mich verliebte
War es Winter, kalt,
Doch die Liebe übte
Frühlingswunder bald.

Nun der Lenz in klarer
Schönheit kam herein,
Ward ein wunderbarer
Doppelfrühling mein.

Den ich fühle Einer,
Einer den ich seh';
Wer vergliche meiner
Seligkeit sich je?

Muß der Eine flüchten,
Weiß der Andre treu
Stets mir vorzudichten
Blüthe, Duft und Mai.

Beide Lenzgewalten
Ueben süße Lust,
Daß sich kaum zu halten
Weiß die trunk'ne Brust.

Doch statt zu verstummen,
Gibt es Saus und Braus:
Jener schlägt in Blumen,
Der in Lieder aus.
(S. 246-247)


10.
Eine Rose,
Die aus grünem Mose
Sanft das Köpfchen mir entgegen wiegte,
Pflückt' ich eilig,
Als ich heimlich neulich
Mich zu dir, mein süßes Lieb, verfügte.

Insgeheime
Flüstert mir die Kleine,
Fröhlich, bald sich an dich anzuschließen:
Ihr mich geben
Heißt so viel doch eben
Als ein Tröpflein in das Meer zu gießen.

Angekommen,
Hast du sie genommen,
Sie an deinen Busen zu erheben;
Da verklärte
Die Beneidenswerthe
Sich in Glanz und sprach mit Wonnebeben:

Erst im Grünen
Stand ich, und es schienen
Mir die Lüfte doch so kalt zu wehen:
Nun im Schnee
Stehen ich mich sehe,
Möcht' ich doch vor heißer Luft vergehen.
(S. 248-249)


11.
In schattigen Locken
Ein Engelgesicht,
Die Stimme wie Glocken,
Das Auge wie Licht;
Im Kinne ein Grübchen,
Mein reizendes Liebchen,
Wer kennte dich nicht?

Oft dünkt mich ein Scherz nur
Mein süßes Geschick:
Mir poche dieß Herz nur,
Mir flamme dein Blick.
Die Brust wird mir enge,
Ich denke Gesänge
Und spreche Musik.

Doch wie es gekommen
Dieß Glück ohne Maaß?
Ich werde beklommen
Fragt ihr mich um das.
Mein Segen genügt mir,
Und endlich was liegt mir
Am Wie und am Was!
(S. 249-250)


12.
Tage ohne dich,
Leere, liebelose:
Glück, verschone mich
Mit so hartem Lose!

Saget an, wer kann
Erst in Lust sich senken,
Und gleichgültig dann
An's Entbehren denken?

Jeder Tag bei dir,
Gleicht dem Blatt, dem schönen,
Das mit Liedern mir
Füllen die Kamönen.

Ohne dich ein Tag
Gleicht dem leeren, blanken,
Das vergebens mag
Harren der Gedanken.

Sieh', wie Ruhm und Glück
Du in dir vereinest,
Wenn du meinem Blick
Tag für Tag erscheinest.
(S. 250-251)


13.
Die Liebste küßte mich,
Das heißt:
Gib doch zur Ruhe dich,
Du Plaudergeist!

Nicht Alles sag' der Welt,
Sei still:
Es schweige, wer gefällt
Und küssen will.

Ich schweige, weil ich soll
Und muß:
Fürwahr ein süßer Zoll
Ist solch ein Kuß.

Da gibt's zu denken kaum
Mehr Zeit,
Zu sehen keinen Raum
Als Lippenbreit;

Zu fühlen, was ein Arm
Umspannt,
Was liebezitternd warm
Drückt eine Hand.

Die Lieder enden still
Die Reih'n:
Es läßt, wer küssen will,
Das Singen sein!
(S. 251-252)

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer
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Einst

Einst lebt' ich wie die Entzückten
Mit aller Welt in Ruh',
Zwei himmlische Augen blickten
Mir ewig Liebe zu.

Zwei Lippen flüsterten leise
Gar manchen süßen Scherz,
Zwei Arme, blendendweiße,
Sie zogen mich an's Herz.

An's Herz, d'raus liebendes Feuer
Auf mich herüberflog,
Und Herz und Leben und Leier
Mit Glut mir überzog.

Mit Glut, so die Seele wieder,
Ein Aetna, schlug in die Höh',
Und dann als Lava der Lieder
Forttrieb zum Lebenssee.

O Augen, o Lippen, o Arme,
O Zeit, wo bist du hin!
Von all' dem Freudenschwarme
Was blieb mir zum Gewinn?

Nichts als die Erinnerung eben,
Die mich ergötzen darf,
Als Perle, die in mein Leben
Das karge Glück mir warf.


aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 253-254)
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Die Linde

Noch als Jüngling in die Rinde
Schnitt ich einer jungen Linde
Jenen holden Namen, dessen
Ich im Leben nie vergessen.

Ob es wohl der Baum verstand,
Was ich damals tief empfand,
Weil des Harzes Thränen kamen
Perlend aus dem süßen Namen.

Und ein schönes Bild im Herzen,
Hab' ich meiner Liebe Schmerzen
In die Fremde fortgetragen,
Ruh' und Frieden zu erjagen.

Manch ein langes Jahr entschwand,
Bis ich wieder ein mich fand,
Und die Linde, die betagte,
Ueber mein Geheimniß fragte.

Aufgewuchert ganz ensetzlich
Sah ich jenen Namen plötzlich,
Und in ungeheuren Zügen
Rings den weiten Stamm umschmiegen.

Und das Bild in meiner Brust,
Mit dem einst ich flüchten mußt',
Fühlt' ich Armer, gleicherweise
Groß geworden auf der Reise.


aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 255-256)
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Aus einer Liebesgeschichte

Ueberblick

Wenn ich so mit der Feder niedersitze,
Um aufzuzeichnen, wie es sich ergeben,
Daß deines Auges zaubervolle Blitze
Zur Liebesglut entflammen all mein Leben:
O süßes Kind!
Wie manche Thräne rinnt
Dann als ein Opfer der Erinn'rung nieder,
Und muß dem Glanze spiegelglatter Lieder
Sich wie ein trüber Hauch verweben.

Es war im Tanz; da schwebtest du, beseelet
Von tausend Reizen, reich- und wunderbaren,
Es war, als ob die Schönheit dich erwählet,
Um sich in deinem Bild zu offenbaren:
In deinem Bild,
Das wunderlieb und mild,
Ein Conterfei der Göttin war zu schauen,
Zu dem, sich zu entzücken und erbauen,
Begeistert pilgerten die Schaaren.

Das blaue Auge sah so innig nieder,
Das Haupt umkränzte weich die blonde Locke,
Geschaffen war das Ebenmaaß der Glieder,
Daß Jedem es ein Sehnsucht-Ach! entlocke;
Der Mund, ein Thron
Für Venus süßen Sohn,
Er schien, geschlossen, Schönes zu verschweigen,
Und knospte manchmal auf, um sich zu zeigen
Als der Empfindung reine Glocke.

Und näher zog's mich stets in deine Kreise,
So wie die Mücke sich im Glanze spiegelt;
Auf sah ich zu dir, sprach und bebte leise, -
Wir schwebten durch den Saal musikbeflügelt.
Und diese Hand,
Die da mich fremd umwand,
Und diese Lippen, damals still verlegen,
Sie hatten bald - o wunderbarer Segen! -
Der Liebe Bündniß mir besiegelt.

O diese Hand, worauf der Schnee gefallen
Und milde Rosennebel süß zerflossen,
Was hätte sie, die herrlichste von allen,
Für Paradiese meinem Blick erschlossen!
Was hätte sie
Mit ihres Druckes Poesie,
Von dieser Lippen heil'gem Ja begleitet,
Für Seligkeiten meiner Brust bereitet,
Für Zauber über mich ergossen!

Still jubelnd sog ich rasch das Glück der Jahre
Wie Rosenduft des milden Augenblickes,
War doch der Himmel stets, der blaue, klare,
Mir aufgethan und voll des schönsten Glückes!
Kuß flog um Kuß
Im sel'gen Ueberfluß:
Wer mochte da noch denken und beachten,
Daß sich die Himmelsfernen trüb umnachten
Mit Wetterwolken des Geschickes.

Wer mochte da noch grübeln, wo die Stunde
Mit allen Freudezaubern ihn umsponnen?
Wo, wie aus eines Füllhorns reichem Munde,
Sich ewig niedersenkten neue Wonnen.
O süße Zeit!
Wo Liebesseligkeit
All ihren Glanz und ihre Strahlenspenden
An dieses Herz gewürdigt zu verschwenden,
Um dieses Leben zu durchsonnen.

Da kam das Mißgeschick, der böse Riese,
Still lauernd in des Lebens Dämmerungen,
Und stieß mich wild aus meinem Paradiese,
Von keiner Wuth, von keinem Fleh'n bezwungen;
Hinaus, hinaus
In Nacht und trüben Graus:
Da harr' ich eines Gottes, der mich rettet,
Wie ein Prometheus schmerzlich angekettet
Am Felsen der Erinnerungen.
(S. 257-260)


Einzelner Fall

Die Nacht war schwarz, wie im Gesicht ein Mohr,
Draus sah der Mond, im Aug' das Weiße, vor,
Und Sturm und Blitz in wildbewegtem Drange
War Fackelträger mir auf meinem Gange.
Rings die Narzissen an des Gartens Weiher,
Kopfschüttelnd schienen sie mir nachzusehn,
Die Lilie schien mit ihrem weißen Schleier
Ein Angstbewegtes "Nein" mir zuzuwehn:
Mich aber trieb der Sinne wildes Feuer
Noch spät zu meinem Liebchen hinzugehn.

Und als ich fort am andern Morgen ging,
Der Sturm in Wolken nur am Himmel hing;
So wie das Meer, ausruhend vom Orkane,
Geborstne Trümmer zeigt auf seinem Plane;
So wie ein Rasender, der ausgeflucht,
Und nun in Thränen seinen Frieden sucht.
Still war der Garten; seine grüne Fahne,
Der Baum weht stumm in eine öde Bucht.
Ich weiß nicht, was verdüstert die Narzissen,
Sie wandten schamverwirrt sich von mir ab;
Der Lilie weißer Schleier war zerrissen,
Sie sah geknickt vom Stiele in ihr Grab.
(S. 260-261)


Das End' vom Liede

Sie war ein Bild - es läßt sich nicht beschreiben,
Wie sie der Schönheit milder Glanz umfloß,
Wie sich der Anmuth wunderbares Treiben,
Ein Himmel, um die Engelseele goß;
Sanft überdunkelte die schöne Miene
Der Frohsinn mit des Lächelns holdem Sieg',
Indeß der Lippen glühendem Rubine
Der milde Zauber, Melodie, entstieg.

Stillleuchtend lag das Diadem der Würde
Auf ihrem süßen Haupt in vollem Glanz,
Es war als ob der Himmel ihr zur Zierde
Sich aller Schönheit nun entvölkert ganz;
Der Seele Frieden - wär' er ihr geblieben! -
Er strahlte klar aus ihrem Angesicht,
Und nur die stille Fähigkeit zu lieben
Wob ein geheimes Räthsel in dieß Licht.

Ein Räthsel, das in Jammer aufzulösen
Das Unglück zum Oedipos mich gereift; -
Erloschen ist mein Aug', seit ich's gewesen,
Der dieß Geheimniß grausam abgestreift;
Vertrocknet dieses Herz, seit des Geschickes
Abgründe gähnend ich eröffnet sah:
Hinunter schaut' ich, - und die Sphinx des Glückes,
Ach, sie lag leblos und zerschmettert da.
(S. 261-262)

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer
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Verstand und Herz

Junker Verstand war nicht zu Hause,
Dame Herz trat in die Thür,
Still war's, wie in einer Klause,
In dem schläfrigen Quartier.

Diener und Zofen schlichen stille
Auf den Zehen Schritt für Schritt,
Und der Haushahn und die Grille
Selber hielten Ordnung mit.

Aber die Dame winkte lächelnd,
Blumen brachte man herein,
Und ein Zugwind fegte fächelnd
Des Pedanten Stube rein.

Blühender wurde nun das Leben,
Lustig wurde Mann und Maus,
Liederklänge durften schweben
Süßmelodisch durch das Haus.

Leuchtende Kerzen an den Wänden,
In den Sälen Klang und Tanz,
Und ein fröhliches Verschwenden,
Und ein freies Leben ganz.

Endlich da kam der Junker wieder,
Mit der Dame gab's Verdruß:
Schwester, du wirfst alles nieder,
Was ich mühsam bauen muß. -

Junker Verstand macht saure Mienen,
Dame Herz, die wurde still,
Und muß jetzt als Hausmagd dienen,
Wenn sie bei ihm bleiben will.


aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 263-264)
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Zweite Liebe

Nie wohl mocht ich es vermuthen,
Daß ich wieder lieben soll,
Bis der zweiten Liebe Gluten
Mich berauschten zaubervoll.

So die Nachtigall, wenn heiter
Sie der bunte Lenz umspann,
Glaubt's unmöglich, daß ein zweiter
Gleiche Lust ihr bringen kann.

Und es war ein selig Wähnen,
Dieses erste Paradies,
Das im Schein verliebter Thränen
Doppelt glänzend sich erwies.

Aehnlich einer Zauberblume,
Die nur Einmal blühen will,
Stand im Herzensheiligthume
Meine Liebe fromm und still.

Daß es nicht an andern fehle,
Wenn die eine welkt und bricht,
Daran dachte meine Seele,
Weiß der liebe Himmel! nicht.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 265-266)
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Verbotene Liebe

1.
Die ich besaß, die ich besitzen können,
Erfüllten Alle mich mit Leid und Pein:
Dich werd' ich nie die Meine dürfen nennen,
So wirst wohl du mir Glück und Leben sein!
Die ewig sind geschieden, trifft kein Trennen,
Und immer reizt, was ewig fremd und rein:
Zwei Flammen seht ihr nebensammen brennen,
Zuzüngelnd sich mit doppelt hellem Schein.
(S. 267)


2.
So wie der Mondschein auf der Welle zittert,
Erhellend und zugleich sie heimlich küssend,
So wie der Epheu sich um Lauben gittert,
Umblühend sie, und - um Geheimes wissend:
So trifft dein Blick mich scheinbar kalt
Und doch in süßer Liebeshuld zerfließend.
Ist's nicht der Göttin reizende Gestalt,
Die sich dem Träumenden nur wollte zeigen?
Gemach, gemach, mein Herz, und lerne schweigen,
Sonst flieht, Endymion! dein Segen bald.
(S. 267-268)


3.
Wer vergäße nicht so Vieles,
Wenn er bei dir ist,
Und im Jubel des Gefühles
Deine Lippe küßt,
Wo im Taumel holden Spieles
Rings die Welt zerfließt,
Und du jeden holden Zieles
Inbegriff ihm bist.
(S. 268)


4.
Einmal geseh'n nach langer Zeit,
Herz, lerne dich begnügen,
Und schlürf' des Anblicks Seligkeit
In langen, langen Zügen.
O Glück, du wollest nur mit Qual
Die Sehnsucht mir belügen,
Und bietest nun mit einemmal
Mir stille Freuden ohne Zahl
Und namenlos Vergnügen.
(S. 268-269)


5.
O wie ich, Welt, dich jetzo lieben muß,
Seit dich in ihr und sie in dir ich fand!
Mein Herz von seinem Liebesüberfluß
Zahlt dir ein Baares auf die leere Hand,
Die Hand, die ewig drohend mit Verdruß,
Von Wunden mir gerissen den Verband.
Jetzt schließe sie, zieh ein, nimm meinen Gruß,
Nichts gibt es zwischen uns mehr auszumachen:
Der Fährmann hat nun seinen Obolus,
Gönn' mir ein Plätzchen in dem Liebesnachen.
(S. 269)


6.
Kennst du vom Hermelin die schöne Sage,
Das lieber stirbt, eh' es sein reines Vließ
Von bösen Händen sich besudeln ließ?
Geliebtes Wesen, trage sie, o trage
Im Herzen als ein Wort für deine Tage.
Wie ist der innre Friede gar so süß;
Wie schön, daß einst an deinem Sarkofage
Ein treues Herz mit leisen Thränen klage:
Der Liebe reines Hermelin war dieß!
(S. 269-270)


7.
Jedes süße Wort von dir
Ist ein Raub;
Jedem Liebesflehn von mir
Bist du taub;
Dennoch oft gewährst du mild,
Was kein Bitten vorgebracht,
Und erhörest lieberfüllt,
Was ich leise kaum gedacht.
(S. 270)


8.
Als ich dich sah zum erstenmal,
War mir, als sah ich dich schon oft;
Du warst mir wie der Maienstrahl,
Auf den das Herz schon lange hofft
Und den es doch schon lange kennt,
Weil es ihn den Geliebten nennt:
Das kommt, weil schöne Frauen, Kind,
Dem Lenz so nah' verschwistert sind.
(S. 270-271)


9.
Ein Glück, daß Niemand deinen süßen Lippen
Es ansieht, wen beglückt ihr heißer Kuß;
Ein Glück, daß man, um Seligkeit zu nippen,
Nicht bei der Welt Erlaubniß betteln muß;
Ein Glück, daß Herzen mit dem ersten Schlage
Sich ganz verstehn, wenn sie einander lieb:
Ein Unglück, daß dem Zauber jener Tage
Ein allzutreu Gedächtniß mir verblieb!
(S. 271)


10.
Ein Talisman ruht deine weiche Locke
Auf meinem Herzen zaubervoll,
Erinnernd, wie die Welt es auch verlocke,
Wen es für ewig lieben soll.
Nicht schönern Grabstein hat ein Herz gefunden,
Als dieses blonde Lockenmonument,
Das mit dem ganzen Himmel mich verbunden,
Und liebreich von der Erde mich getrennt.
(S. 271-272)


11.
O  nennt mich eitel nicht, weil ich mein Loos,
Als wär' es des Verdienstes Krone, male:
O nein, unwürdig wohl, und glücklich blos,
Sonn' ich mich in dem reichsten Liebestrahle. -
Doch ist mein Glück so überschwenglich groß,
Daß ich, wenn ich nur etwas euch verriethe,
Leicht in den Schein der Eitelkeit geriethe, -
Indeß so reich ist meines Segens Masse,
Daß ich sie selber noch nicht ganz erfasse.
(S. 272)


12.
Und doch, wie sich die allerhöchste Lust
Mit Unglück kann verschwistern und verbinden,
Deß werd' ich durch mein Schicksal mir bewußt.
O sieh, die Rose blüht an deiner Brust,
Beglückt, so schöne Stelle sich zu finden:
Doch harre nur, wie bald ihr Loos sich wendet!
Sie zahlt dieß Glück mit ihres Lebens Schatze.
Schön ist der Ort fürwahr, an dem sie endet,
Und dennoch war sie nicht an ihrem Platze.
(S. 272-273)

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer
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Der Hirtenknabe

Ich war ein stiller Hirtenknabe
Mit blauem Aug' und blondem Haar,
Und zog an meinem Schäferstabe
Durch Berg und Thal so manches Jahr.

So freundlich lachten mir die Auen,
Die Blumen gaben süßen Wink
Und scheinen fröhlich aufzuschauen,
Wenn singend ich vorüberging.

Es kam, wenn ich hinausgezogen,
Der Lenz und setzte sich zu mir,
Er war so lieb mir und gewogen,
Und gab mir Küsse für und für.

Wir spielten fröhlich dann mitsammen,
Bald warf er mich mit Blüthenschnee,
Bald ließ er Rosenlichter flammen,
Bald Lieder tönen in der Höh'.

Und schlief ich ein mit frohem Muthe,
So sah den Frieden ich im Traum
Wie er im Himmelsgarten ruhte
In schattenreicher Palmen Raum.

Ein Bild nur konnte da mir taugen,
Ich trug es still in meinem Sinn:
Das war mit ihren lieben Augen
Die wunderschöne Schäferin.

So kamen Jahre und vergingen;
Da kam auch endlich andre Zeit,
Und Neuem mußt' ich mich verdingen,
In fremde Kreise eingeweiht.

Zum Ritter mußt' ich mich verwandeln,
An meiner Seite glänzt ein Schwert,
Und all mein Streben und mein Handeln
Ist, seiner mich zu zeigen werth.

Es weht mein Helmbusch durch die Lüfte,
Ich bin gerühmt im weiten Land,
Die Blumen aber und die Düfte,
Sie grüßen nimmer mich bekannt.

Der Lenz geht scheu an mir vorüber,
Er kennt den Spielgenossen nicht,
Ich selber aber wandle trüber
Und sehe träumend in sein Licht.

So schreit' ich durch das wirre Leben,
Erprobe oft den Arm im Straus:
Mühsal ward mir genug gegeben,
Und selten, selten ruh' ich aus.

Dann seh' ich im bewegten Traume
Nicht jenen Friedensengel mehr:
Ein Rauschen tönt vom Palmenbaume,
Und unter ihm ist's öd' und leer.

Ein Bild nur mag mich noch entzücken,
Ich trag es still in meinem Sinn,
Das ist mit ihren Flammenblicken
Die wunderschöne Schäferin.

Dieß Bild, es schwimmt in meinen Thränen,
Begeistert Lieder mir und Schwert:
So unerreichbar meinem Sehnen,
Als meinem Herzen ewig werth.

So bin ich gänzlich umgestaltet:
Ein Lieben ohne Hoffnungsstrahl,
Ein Schaffen, dran das Herz erkaltet,
Ein Leben voll von Schmerz und Qual.

Und soll ich nun das Räthsel lösen,
Das ich euch bildlich vorgesetzt?
Ich bin ein Jüngling einst gewesen,
Und bin ein Mann geworden jetzt.

aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 274-277)
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Liebe

Liebe kommt auf allen Wegen
Dir entgegen,
Lieb' ist immer nah;
Mußt sie nur vorbei nicht lassen
Und erfassen,
Wenn sie eben da.

Wenn du da, wo du dich täuschest,
Liebe heischest,
Ist der Fehler dein;
Von der Tulpe stolzem Prangen
Duft verlangen,
Fällt nur Thoren ein.

Lieb' errathen, ihre Bahnen
Leise ahnen,
Kann nur Herz und Blick.
Ohne Lauschen doch sie finden
Und sie binden,
Ist ein Götterglück.

Knüpfe nicht mit dem Verstande
Liebesbande,
Sondern mit Gefühl;
Solches Netz schön ausgehangen
Wird sie fangen,
Denn sie liebt dies Spiel.

Nütze wohl die Augenblicke,
Rück' und schicke
Dich in ihre Gunst;
Denn nicht irres Weiterschweifen,
Das Ergreifen
Ist der Liebe Kunst.

Nicht in Träumen zu erstreben,
Nur im Leben
Ist das Glück dir nah.
Liebe kommt auf allen Wegen
Dir entgegen,
Lieb' ist immer da!


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 40-41)
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Vereinigt

Vereinigt - schönes Wort! - in Eins verbunden,
Daß eng verschlungen Leben hängt an Leben,
Daß Geist und Leib mitsammen sich verweben
Und nirgend doch die Fessel wird empfunden.

O Seligkeit in ungezählten Stunden,
Wo alle Fasern fest zusammenstreben,
Nicht ahnend wie sie innig sich ergeben,
Bis sie ereilt sind von der Trennung Wunden.

Das war ein schöner Baum, im reichen Segen
Von Zweig und Blatt dem Himmel zugewendet,
An innrer Kraft gar vielen überlegen;

Da kommt ein Blitz aus Wolken hergesendet
Und liefert an die Beile ihn und Sägen,
Daß der zerspaltne Riese kläglich endet.


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 49)
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Mondnacht

Mild leuchten Mond und Sterne
Den Liebenden im Kahn,
Die Ufer rücken ferne,
Es dringt kein Laut heran.
O zauberhaftes Leben
Der Mondnacht auf dem See,
Und ach, zwei Herzen beben
In süßem Liebesweh.

Es geht im Schilf ein Säuseln
Es nickt dem Kahne nach,
Des Ruders sanftes Kräuseln
Schlägt jetzt die Fischlein wach;
Die meinen - holdes Wunder! -
Von Rosen sich umbaut,
Weil in den See hinunter
Ein Wangenpaar geschaut.

Wie Lispel holden Reimes
Erklingt es fort und fort:
Hat Mond und See Geheimes?
Ist's Lippenkuß und Wort?
Sind's Lüfte, die sich küßten?
Gekos' von Well' und Licht?
Die Glücklichen, die's wüßten,
Die Beiden sagen's nicht!


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 70-71)
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Von Ihr

O du die Lied und Reim
So lange, lange nicht begrüßten,
Und die doch insgeheim
Die Lippen meiner Seele küßten,
Horch, Lerchenwirbel klingt
Im Lenze der Erinnerung,
Und ein Entzückter singt,
Von deinem Liebreiz ewig jung.

Nie hab ich dir's bekannt,
Wie ich dich innig angebetet,
Doch wenn ich vor dir stand,
Bin ich, bist du alsbald erröthet;
Nie hat mein Wort, mein Blick
Getrübt den Frieden deiner Brust,
Und doch, o süßes Glück,
Hast du um mein Gefühl gewußt.

Das macht, die Liebe ist
Wie Balsamhauch der Rosendüfte,
Ob ihr den Garten schließt,
Durchwürzet doch er rings die Lüfte.
Nun ich dich wiedersah
Nach langer qualenvoller Zeit,
Ist auch ein Lied schon da,
Ein Rosenduft von Seligkeit.

O dieses Augenlicht,
Das hold und forschend auf mir ruhte,
Nein, ich vergess' es nicht
Und nie die selige Minute;
Es frug und sprach sein Schein:
"Wie hast du Armer denn gelebt?
Gedachtest du auch mein?
Ich weiß es, was dein Herz begräbt."

Ob deiner ich gedacht?
Ach und mit welcher Seelenwonne,
Du Stern in meiner Nacht,
Du meiner Tage Licht und Sonne:
So unerreichbar mir,
Der ich so ganz von dir erfüllt,
Und doch mein Herzpanier,
Mein Augentrost und Kummerschild.

Im Sturm ein junges Blut
Hat sich in Gottes Hand gegeben,
Es stürzt sich in die Flut
Und schwimmend rettet es sein Leben;
Und so ich armer Mann,
Wenn meiner Leiden Sturm erwacht,
Nur dein gedenk' ich dann
Und schreite muthig durch die Nacht.


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 72-74)
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Geheimniss

Du wunderholde Frau,
Die mich so ganz begeistert,
Daß mich, wenn ich dich schau,
Entzücken übermeistert:
Vernimm die süßen Töne
Die dir zum Preis, o Schöne,
Voll Sehnsucht und voll Lust
Entströmen meiner Brust.

Du weißt es, was mein Blick,
Dir feuertrunken sagte,
Wenn ich zu dir, mein Glück,
Ihn aufzuschlagen wagte,
Du kennst, unausgesprochen,
Des Herzens stilles Pochen,
Darin als schönstes Gut
Dein liebes Bildniß ruht.

Du weißt, ob auch kein Wort
Zu dir um Liebe flehte,
Daß du mein Gnadenhort,
Den ich geheim anbete,
Daß du mir Schwung und Flügel,
Befriedigung und Zügel,
Daß du zu jeder Frist
Mein Ideal mir bist.

So wie die Luft den Strauch,
Der Wind die Welle reget,
So ists dein Zauberhauch,
Der mich zu tiefst beweget;
Mein Singen und mein Schweigen,
Dein Abglanz ists und Eigen,
Das schwärmend dein begehrt
Und stummberedt dich ehrt.

Geheimniß und Contrast,
Gesucht und doch gemieden,
Mit aller Glut umfaßt
Und niemals doch beschieden:
Wie soll das Räthsel enden?
O hilf, in deinen Händen
Ist Liebe, Glück und Ruh:
Mein Herz lauscht - winke du!


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 75-76)
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Unaussprechlich

Wie ich dich liebe dir zu sagen
Vermag ich nicht, du süßes Weib,
Die Seele denkt es nur mit Zagen
Und süß durchzittert es den Leib.

Es ist kein Wort, das aus es drückte,
Ein Schauen nur und Fühlen dann,
Ein Herz, das sich an dir entzückte
Und still in sich nun jubeln kann.

Kein Laut, der andern Welt verständlich,
Kein Mienenzug, der es verräth,
Und ein Gefühl doch so unendlich,
Wie's je die Menschenbrust durchweht.

Ein Stern durchleuchtest du mein Leben,
Es hängt an deinem Glanz und Licht,
Und schaut mit Lust und süßem Beben
In dein liebreizendes Gesicht.

Es nährt sich nur von deinem Blicke,
Der es begeistert und verklärt,
Und läutert still sich in dem Glücke,
Das deine milde Huld gewährt.

O dieses Leben, ein verfehltes,
Erfüllt von Gram, bedeckt mit Nacht,
Es ist ein frisches, neubeseeltes,
Seit ihm dein klares Auge lacht.

Vergessen hab' ich was vergangen,
Und an die Zukunft denk' ich kaum,
Glückseligkeit hält mich umfangen
Und mich berauscht der Wonnetraum.

Ein Weib wie du, so lieb und innig,
An allen süßen Gnaden reich,
Das Herz so tief, der Geist so sinnig,
Das Aug so klar, der Mund so weich -

Ich ahnte nichts von solchen Wesen,
Da zuckt der Blitz, ich sehe dich,
Und fromm wird, der ein Saul gewesen,
Und fleht zu dir: O liebe mich!

Du Inbegriff des Lieb- und Guten,
Mein All, mein Gott, mein Himmel du,
Laß mich zu Füßen dir verbluten,
Doch lächle mir nur liebend zu!


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 77-79)
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Wunsch

Ach, nur ein wenig zaubern können!
- Du kannst es liebes, süßes Weib -
Es gäbe dann für uns kein Trennen,
Wir wüchsen fest wie Seel' und Leib.

Es müßten dir's die Blumen sagen,
Wie Sehnsucht mich nach dir verzehrt;
Es sollten dir's die Lüfte klagen,
Wie heiß mein Herz nach dir begehrt.

Der Thau, der dich am Morgen feuchtet,
Der flüstert dir: er weint um dich!
Die Kerze, die dir Abends leuchtet,
Sie knistert dir: er brennt für dich!

Die Lieb' in unsern Herzen beiden,
Sie wär' der Telegraphendraht,
An dem mein Wünschen und mein Leiden
Blitzschnell sich deiner Seele naht.

Es tönte dir von hundert Zungen -
Und jeder Pulsschlag zuckte dir
In zärtlichen Erinnerungen
Das Wort: O komm, o komm zu mir!


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 82-83)
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Brief

Kunde von dir, o Seligkeit,
Sie trifft mein Herz wie Zauberschlag!
So wie die Schwalbe Frühlingszeit,
Wie Morgenroth den neuen Tag,
So kündet was du mir geschrieben,
Dein treu unwandelbares Lieben.

Ein Blatt von dir,  o süßes Glück,
Es zaubert wie ein holder Bann
In meine Arme dich zurück,
Die Heißgeliebte seh ich dann,
In diesen Zügen ihre Züge,
Mir aller Seligkeit Genüge.

Ich lese dich und sehe dich,
Dein süßer Odem weht mich an,
Ich fühle plötzlich glücklich mich,
Weil ich nur Liebe denken kann,
Und weil mit ihren Engelschwingen
Deine Gedanken mich umfingen.

Ja Liebe, die so treu und heiß
Und innig Herz am Herzen hängt,
Sie steht in eignen Zauberkreis,
Aus dem sie keine Macht verdrängt,
Und selbst in Trennung und in Ferne
Erglänzen ihr der Hoffnung Sterne.

aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 84-85)
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Ihr Bildniss

Was Heilige verehren
Und Bilder an Altären -
Jetzt ist es mir enthüllt,
Seit, Wonne meinen Blicken,
Mit trunkenem Entzücken
Dein Bildniß mich erfüllt.

Es lächelt mir entgegen,
Es ist mein Glück und Segen,
Mein Stern, mein Talisman;
Es mildert meine Leiden,
Es tröstet: daß das Scheiden
Nicht ewig dauern kann.

Es weiß, wie ich mich sehne,
Es sieht die scheue Thräne,
Es höret mein Gebet;
Es weiß, daß all mein Streben,
Mein Dichten und mein Leben
Zu dir, der Einen, geht.

Und wie ich an es sehe,
So fühlt es meine Nähe,
Es zittert die Contour,
Die Augen sie bewegen,
Die holden Lippen regen
Sich jetzt - das ist Natur!

Du bist es selbst, du Süße,
Ich fühle deine Küsse,
Ich höre deinen Ton;
All Elend ist versunken,
Ich juble wonnetrunken,
Wie einst Pygmalion.

Der schöne Wahn verschwindet,
Die Wirklichkeit sie findet
Mit ihrer Qual sich ein;
Doch Etwas ist geblieben,
Ich darf es sehn und lieben:
Dein holdes Bild ist mein!


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 86-87)
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Sympathie

Es ist nicht anders möglich:
Wenn so aus vollem Herzen
Mit brennenden Gedanken
Der Liebende der fernen
Geliebten denkt, -
Daß nicht zur selben Stunde
Sein Sinnen und Verlangen
Sich wie ein magisch Licht
Auf ihre Seele senkt.

Das sind die Zauberdrähte
Tiefsinniger Empfindung,
An denen durch die Räume
Der Blitz: Gedanke springt
Und in der stillen Ferne
Ein Herz, erfüllt vom Segen
Der heiligen Sympathie,
Mit seinem Stral durchdringt.

Du denkst an Sie und Ihrer
So voll ist deine Seele,
An Wünschen und Gedanken
Für Sie so voll,
Nach Mittheilung begehrend
Und schmerzlich sie entbehrend,
Weil nichts die fremde Welt
Davon gewahren soll: -

Da zuckt es wie erleichternd,
Als ob dein Blut entströme,
Du fühlst, daß dein Gedanke
Die Liebste jetzt umschwebt
Und daß vor seinen Schwingen,
Die wunderbar ihr nahen,
Das gleichgestimmte Herz
Beseligt lauscht und bebt.

Du fühlst's, und Sie dem Räthsel,
Dem Zauber hingegeben,
Sie fühlt nur, daß sie eben
An dich gedenken muß,
Daß Liebe und Begehren
Mit Sehnsucht sie verzehren,
Und daß mit dir zu sein
Ihr Leben und Genuß.

So fließen trotz der Ferne
Zwei Seelen ineinander,
Die heilige Sympathie
Zusammen bringt;
Das sind die Zauberdrähte
Tiefsinniger Empfindung,
An denen durch die Räume
Der Blitz: Gedanke springt.

aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 88-90)
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Sehnsucht

Wie der Weinstock im Herbste
Voll Trauben hängt,
So ist meine Seele
Voll Gedanken an dich.

Wie die Mutter jammert
Um ihr verlornes Kind,
So seufzt und sehnt sich und klaget
Mein Herz um dich.

Als ich dich hatte,
Dir liebend gesellt,
Dein Freund, dein Gatte,
War ein Himmel die Welt.

Verwitwet jetzt wir Beide,
Nur Sehnsucht im Sinn -
O Liebe, Glück und Freude,
Wo seid ihr hin!


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 91-92)
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Ein Wahn

Gedanke, dessen Glück in Worte nicht zu fassen:
Du, du mein Weib, du mein!
Ich kann ihn denken kaum und nicht zu denken lassen
Vor Seligkeit und Pein.

Aus einem Meer von Elend sich emporzuringen
In Licht und Sonnenschein;
Ein armer Wurm, getragen jetzt von leichten Schwingen,
Die Engel ihm verleihn.

O Seligkeit, nach der ein Leben lang begehrend
Ich fruchtlos ring' und wein',
Und die vielleicht in seinem Abendroth verklärend
Jetzt bricht zu mir herein.

Es klirrt ein Kerkerthor: kaum denkt, der da gefangen,
Man komm' ihn zu befrei'n,
Da naht und ruft das Volk mit jubelndem Verlangen,
Zieh nun als König ein!

Du mein, mein Weib! - Ein armer Kranker still ergeben,
Er siecht dahin allein;
Sein Schicksal ruht in deiner Hand: sprich, soll er leben,
Um ewig dein zu sein?

- Nein!!


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 93-94)
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Schluss

Unvergeßlich, ohnegleichen,
Schön und leuchtend wie das Glück,
Doch dem Wunsch nicht zu erreichen
Und entzogen selbst dem Blick!

Erst die Sonne meiner Tage,
Die an ihr sich neu belebt;
Jetzt die niegestillte Klage,
Die das wunde Herz durchbebt.

Ach, wer noch als Jüngling schwärmte,
Leicht getröstet von der Zeit!
Doch um was der Mann sich härmte,
Bleibt sein tiefes Seelenleid.

Sie, die mich zum Gott entzückte
Und zum Tode mich betrübt,
Sei, bis dieses Herz erstickte,
Angebetet und geliebt.


aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 95-96)
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Im Lenz

Siehe doch nur
Liebliches Kind,
Blumen der Flur
Schaukelt der Wind.
Nickest auch du
Freundlich mir zu,
Leuchtet mein Blick
Segen und Glück.

Taubengegirr,
Lerchengetön,
Blumengeflirr,
Mai, du bist schön!
Aber dein Glanz
Stralet erst ganz,
Wenn deine Pracht
Liebe umlacht.

Süß ist fürwahr
Frühlingsgenuß,
Rosen im Haar,
Lippen im Kuß.
Frühling entflieht,
Eh man's versieht,
Darum o Kind,
Küsse geschwind!

aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 176-177)
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Biographie:

http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Dräxler,_Karl

 


 

 


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