Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Pal Anyos (Paul Aanjosch) (1756-1784)
ungarischer Dichter


Die Treulose

Liegst vergebens mir zu Füßen,
Kenn' Dein Herz nun schon genug;
Meine Lieb' sei Dir entrissen,
Da Du spieltest blos Betrug.
Wirf in jenes Arm Dich, eile,
Ha! von dem Du wähnst, zu Theile
Werd' Dir bessre Lieb', als meine
Einst gewesen, - folg' dem Scheine.

Lieb' ich wieder, so ergründe
Ich zuvor, ob wahr sie spricht;
Flamme sich an Flamme zünde,
Sonst entflamme ich auch nicht.
Trau' selbst blauen Augen nimmer.
Noch den Worten, gleichend immer
Flüssen, die wohl lieblich rauschen,
Doch gar schnell den Lauf vertauschen.

Wenigstens den Nutzen nahm ich,
Da mich Liebe so betrog;
Und die bittre Lehr' bekam ich,
Daß ein Schwur in Rauch verflog.
Du doch, denkst Du einst mit Trauer,
Wie Dein Herz so baar der Dauer,
Werde roth, vergiß dann meiner,
Wie ich will vergessen Deiner.


Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854 (S. 28-29)

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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Am Grabe der Geliebten

Sieh! Am Thor deines Grabes steh' ich, dein treuer Geliebter;
Aber mein thränendes Aug' sieht, wie die Gruft dich verschliesst.
Öffne den Sarg, ich öffne die Arme, um dich zu umfangen,
Und es erschliesst sich mein Herz, dass es dem deinen sich eint.
Aber die grausamen Parzen zerschnitten den Faden des Lebens,
Und mein Herz, meine Lust, lösten die Harten in Rauch.
Tod! Warum wüthest du denn unerbittlich gegen die Herzen,
Denen heilige Treu' jetzt erst Freude verhiess?
Zeigt es wohl deine Gewalt, dass du zarte Pflanzen vernichtest,
Blumige Kelche knickst, die kaum der Morgen erschloss?
Kann es wohl Freude gewähren, der traurigen Macht die du übest,
Dass ein so schwaches Gezweig welkt der vernichtenden Kraft?
Ach, es ertönt nicht die Stimme der Lieben, nicht kommet mir Antwort!
Rasch aufsprengend den Sarg, zaubergewaltigen Klangs.
Wohl hat einst sie gekannt die Stimme des rufenden Lieblings,
Jetzt lässt zum erstenmal sie weinen mich Armen allein.
Traurend umfasste sie mich, wenn sonst meine Thräne geflossen;
Leiden war uns, die Lust, liebend uns Beiden gemein
Zürnend löste der Tod die heiligen Bande der Liebe,
Nie mehr in ihrem Aug' seh' ich des Mitgefühls Thau.
Himmelsfriede und Ruh' umwalle dich, himmlische Seele!
Klingt mir auch nimmer dein Wort, weiss ich doch, denkest du mein;
Aber mich Lebenden fasset unendliche Trauer und Wehmuth,
Freude und Wonne und Lust, ach, und das Hoffen verschwand!


Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828 (S. 20-21)

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Klage

Wie oft hast du, oh Hoffnung! mich betrogen!
Wer dir den Anker lieh, hat herb gelogen.
Mein tiefbetrübtes Herz umhüllt der Tod,
Um mich sieht Trauer nur mein Aug, und Noth.

Ein schöner Wuchs und rosenhelle Wangen,
Der Sammt, die Seide und des Goldes Prangen,
Hat ach wie oft die Jugend schon verdorben,
Verwüstung den Palästen schon erworben.

Ein rundes Kinn, ein Arm hat manchen schon berückt,
Ein einz'ger Blick das Herz, mit Gluth durchzückt.
Wer ist so stark, der sich nicht neigt zum Fallen,
Sieht er des Busens tieferregtes Wallen?

So ward auch ich in meinem Lenz bezwungen.
Ging ich mit Chloris Arm in Arm verschlungen,
Hab' schmeichelnd ich mir einen Kuss genommen,
Vergass ich wohl des Paradieses Wonnen.

Wir weilten in der Gärten dunklen Schatten
Lustwandelten auf einsam süssen Matten;
Wir gruben unsre Nahmen Linden ein,
Ein Denkmahl sollt' es unsrer Liebe seyn.

Ihr Säle, die ich tanzend oft durchrauscht,
Wo manch Geheimniss froh mein Blick erlauscht;
Oft fülltet ihr mein Herz mit süssem Bangen,
Hab' manchen weichen Handdruck dort empfangen.

Das Alles schwand dahin; und meine Freude,
Die alte Lust, sie wird mir jetzt zum Leide;
Mir kündet's des Gesichtes ernste Bleiche,
Zu Ende sind nun meine Jugendstreiche!


Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828 (S. 21-22)
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